Der Anblick Esquilinas und ihr pfeifender Atem waren für sich genommen schon etwas, was Licinus in allerhöchstem Maße alarmiert hätte. Die Situationsbeschreibung der Heilerin war mit besorgnis erregend noch geschönt beschrieben. Aber all das wäre nicht so schlimm gewesen, denn Licinus hatte großes Vertrauen in die ruhige zupackende Art der kleinen Germanin gewonnen und Esquilina bei ihr in besten Händen gewusst. Daher hätte er bei aller Sorge doch einen guten Schimmer bewahrt. Bis ja, bis seine Hoffnungsträgerin sich nun selbst der Verzweiflung hingab. Licinus schluckte schwer und sah auf die junge Frau hinab. "Ein gefallener Feldherr..." sagte eine wie fremde Stimme in seinem inneren und er selbst antwortete ungewollt laut [SIZE=7]"... ist nie ein schöner Anblick."[/SIZE]
Selbst bereits am Rande der Verzweiflung, stand er nun vor der zusätzlichen Schwierigkeit, dass vor ihm eine gleichfalls zusammenbrechende Frau stand. Etwas, was ihm seit jeher ein schlechtes Gefühl machte und doch hatte er nie gelernt damit umzugehen. Das alles überforderte ihn emotional maßlos. Er schickte in einem Sekundenbruchteile kurzen und dennoch ewiglich erscheinenden Stoßgebet ohne Worte die Bitte an die Götter, dass sie ihn erlösen und ein Wunder senden würden. Als er sah, dass Alpinas Hand noch am Puls seiner Tochter lag, nahm er seine große Soldatenpranke und drückte die Hand der Frau und des Mädchens zusammen. Dann griff er nach den jeweils anderen Hand und während sie so einen Kreis bildeten, herrschte erstmal eine bedrückte angespannte Stille. Er war kurz davor mit allem abzuschließen, widerstand nur mühsam dem Drang seinen Kopf schluchzend auf das Bett des Mädchens zu legen, merkte aber nicht mehr, wie ihm die Tränen über die Wangen rannen. Eine ganze Weile rührte sich keiner von ihnen -- oder Licinus merkte es einfach nicht -- in Trauer vereint. Aber da war noch etwas, was Susina Alpina gesagt hatte, dass stehenzulassen einfach nicht ging. Die Rollen waren merkwürdig vertauscht, als er sich nun anschickte jene Person zu trösten, die bisher ihm Trost und vor allem Zuversicht gegeben hatte. Er war nicht gut in sowas, dass wusste er. Mit belegter Stimme und vielen Pausen stotterte er sich etwas zurecht. "Sag ... Susina ... Alpina, sag ... ich darf doch? ... Also... Alpina ... sag ... sag das nicht. Ohne dich wäre ... wäre sie schon ... vor Tagen ... ge... ge... ge..." storben, dachte er. Aber dieses eine letzte Wort kam ihm nicht über die Lippen. Er konnte das nicht. Und der Widerwille gegen dieses eine Wort breitete sich wie eine warme Flut in seinem ganzen Körper aus. "NEIN!" sprach er und lauter noch "NEIN! NEIN! NEIN!". Den letzten Ausruf hatte vermutlich das gesamte Haus gehört, gleichzeitig drückte er die Hände des Mädchens und der Frau immer fester und bekam nicht mit, dass es diese sicher bereits schmerzte, bevor er sie losließ und aufschoss. Mit in die Hüfte gestemmten Armen stand er in der Mitte des Raumes, er trug keinen wallenden Mantel, aber sonst das Bild eines Feldherren, der seine Mannen in eine Schlacht in Unterzahl und beschissenem Gelände vorbereiten musste. Sein Blick war nichts als der kalte Stahl bitterster Entschlossenheit und seine Stimme war scharf wie ein Rasiermesser als er verkündte. "Noch lebt sie! Und so lange sie lebt, werde ich, werden wir (!) um sie kämpfen! Alpina, wir haben vielleicht eine Schlacht verloren" er packte sie ungewollt unsanft an den Schultern "aber den Krieg, den verdammten, verfluchten, dreckigen Mist-Krieg, den haben wir erst verloren, wenn Esqui wirklich im vermaledeiten Orcus ist. Und! Das! Ist! Nicht! JETZT!" Er ließ sie los und schlug die Faust mit Kraft in die Hand, dass es ihn selbst schmerzte. Wie er da stand, konnte man meinen er sei entschlossen genug gegen Zerberus persönlich zu kämpfen um das geliebte Mädchen im Zweifel aus der Unterwelt zu holen. "Also, was tun wir? Hast du noch Kräuter gegen das Fieber, gegen den Schleim, gegen ... Sollen wir sie Abklopfen, damit sie besser Atmen kann? WAS?! Verdammt Mädchen," herrschte er die 20 Jahre jüngere an. "Allein schaff ich das nicht, also reiß dich zusammen!" Nichts zu tun war vollkommen inaktzeptabel und wäre für Licinus im Moment auch unmöglich zu ertragen gewesen. Also blickte er die junge Frau herausfordernd an und wartete darauf, dass sie endlich zu sich kam und eine Lösung hervorzauberte.