Beiträge von Mamercus Brigio

    Der Weg zum Rheinufer war schlecht und der auf die Anhöhe noch schlechter, so daß es doch ganz schön viel Zeit in Anspruch nahm.
    Als sie endlich am Ziel ankamen, setzte bereits die Dämmerung ein.
    Die Schäferhütte, nicht mehr als ein windschiefer Verschlag, lag verlassen vor einem kleinen Wäldchen. Verlassen?
    Ein schwacher Lichtschein drang durch die angelehnte Tür.
    Alle stiegen ab und näherten sich der Hütte.
    Die zwei Schmuggler gingen voraus und rissen die Tür auf.
    Ein kleiner, untersetzter Mann in Soldatenuniform wirbelte herum, ein Gladius in der rechten Hand.
    Er wollte schon nach vorne stürzen, als er die beiden Schmuggler erkannte.
    "Ach ihr seid es. Ich dachte schon, eine Patrouille... Was macht ihr hier? Ich hatte gehört, daß ihr alle geschnappt wurdet und wollte hier nach dem rechten sehen und.."
    Er entdeckte uns hinter den Schmugglern. Sofort wurde er argwöhnisch.
    "Wer sind die da?"
    Die Schmuggler erklärten, wie wir uns getroffen hatten, was den Soldaten, dem Helm nach ein Zenturio, noch stutziger machte. Er wusste, daß wir die beiden nicht zufällig hatten treffen können. Er ging an uns vorbei nach draußen und murmelte, er brauche frische Luft. Kaum draußen, stieß er mich beiseite und rannte los. Sofort rannten ihm meine beiden Begleiter nach und auch ich rappelte mich auf und verfolgte sie.
    Keine hundert Schritte von der Hütte hatten ihn die zwei gestellt und als ich eintraf, standen die Beiden ihm gegenüber, alle mit gezogenen Waffen.
    Ich zog ebenfalls meine Spatha unter meinem Umhang hervor und gab den beiden Anderen ein Zeichen, nur zu sichern. Langsam gingen wir aufeinander zu. Ich griff als erster an, täuschte einen Hieb rechts an, zielte dann aber mit einer kurzen Bewegung auf sein Bein - und traf.
    Der Zenturio schrie auf, sammelte sich aber und attackierte mich seinerseits mit einer Reihe von Hieben und Stichen. Aber alle Angriffe von ihm waren seltsam unkoordiniert und schienen gar nicht zu einem Zenturio zu passen.
    Nachdem ich seine Angriffe abgewehrt hatte griff ich selbst wieder an und verwundete ihn abermals, an Arm und Schulter.
    Ich schrie ihn an: "Gib auf, du hast keine Chance zu entkommen."
    Der Zenturio taumelte zurück und - nahm tatsächlich seinen Arm zurück und
    ließ sein Gladius sinken. Er sagte leise: "Hier, ich gebe auf."
    Dann nahm er sein Gladius an der Schneide und hielt es mir zum Zeichen der Aufgabe mit dem Griff entgegen.
    Ich atmete auf und wollte nach dem Gladius greifen, als der Zenturio den Griff auf den Boden gleiten ließ und sich in einer fliessenden Bewegung in sein Schwert stürtzte. Er stöhnte lange auf und Blut floss aus seinem Mundwinkel. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis der letzte Atemrest aus seinen Lungen gewichen war und der nun leblose Körper wie in Zeitlupe auf die Seite fiel.
    Wir blickten uns an, ohne genau zu begreifen was gerade geschehen war.
    Wortlos sank ich auf die Erde und blickte auf die leblose Gestalt. Warum hatte er das getan?

    Schon nach wenigen Meilen erzählten die beiden recht offen von ihren Erlebnissen. Da sie uns für ihre Landsleute hielten, ließen sie auch keinen
    Zweifel an ihrem Hass auf alles römische.
    So erfuhren wir, daß sie eigentlich per Zufall zu der Schmugglerbande gestoßen waren. Die Bande hatte sich eine Schäferhütte als vorübergehendes Versteck ausgesucht und als die beiden, sie waren einfache Schafhirten, eines Morgens zu der Hütte kamen, überraschten sie die Bande.
    Um nicht ihr Leben zu riskieren, versprachen sie das Versteck geheim zu halten und nach kurzer Zeit schlossen sie sich der Bande an.
    Was geschmuggelt wurde, wußten sie nicht, sie vermuteten nur, daß es sich um Legionsbestände handeln könnte, da sie einmal einen römischen Offizier mit den beiden Bandenchefs verhandeln gesehen haben.
    Bei diesen Worten wurde Brigio hellhörig. Ein römischer Offizier der in Schmugglergeschäfte verwickelt war? Das nahm ja heikle Dimensionen an.
    Schnell setzte er wieder eine unverfängliche Miene auf
    "Das ist ja ein Zufall. Ich will zwar nicht prahlen, aber wir drei haben auch schon das eine oder andere geschmuggelt. Natürlich nur im kleinen Stil."


    "Eigentlich sind wir ehrbare Kaufleute allgemeines Gelächter,aber gegen ein gutes Geschäft hatten wir noch nie etwas. Wenn ich das richtig verstehe, dann ist eure ganze Bande eingesperrt, bis auf euch zwei. Dann seid ihr beide also die neuen Anführer?"
    Die Beiden sahen sich kurz an und grinsten dann dümmlich und nickten.


    "Na, warum sollten wir dann nicht mit euch ins Geschäft kommen?"
    fragte Brigio. Die Beiden überlegten kurz und waren dann einverstanden.
    Die Zeit im Kerker der Ala hatte ihnen offensichtlich sehr zugesetzt und die Aussicht so zerlumpt bei ihren Familien aufzutauchen, schien keine wirkliche
    Lösung zu sein. Also willigten sie kurzentschlossen ein und beschrieben den Weg zum Versteck. Es lag auf einer Anhöhe am Rheinufer.

    In einiger Entfernung zum Lager der Ala II Numidia warteten Brigio und seine zwei Begleiter auf die zwei verdächtigen Schmuggler.
    Nach kurzer Zeit tat sich am Lagertor etwas und sie setzten ihren Karren in Bewegung, um zu verfolgen, welchen Weg die Schmuggler einschlugen.


    Doch das Schicksal meinte es gut. Nachdem die zwei Schmuggler sich etwas unsicher umgeschaut hatten, sah einer der Beiden den Wagen auf sie zurollen.


    Er ging ein paar Schritte auf den Wagen zu und fragte in einem germanischen Dialekt: "Entschuldigt, ihr Herren. Fahrt ihr Richtung Mogontiacum?"


    Brigio nickte und brummte ein Hhmmm.


    "Könntet ihr meinen Freund und mich ein Stück mitnehmen, ihm geht es nicht besonders gut, er kann kaum laufen."


    Brigio blickte zu dem anderen Schmuggler, der ihnen entgegenhumpelte.
    Tja, ein unfreiwilliger Aufenthalt in einem römischen Lager war mitunter ziemlich ungesund.
    Aber es kam Brigio in diesem Fall natürlich sehr entgegen und so bedeudete er ihnen mit einem kurzen Lächeln auf ihren Wagen zu steigen.
    "Steigt auf, wir nehmen euch ein Stück mit. Landsleuten helfen wir doch gerne."
    Und so rumpelten sie Richtung Mogontiacum los.

    Brigio trat auf die Via Praetoria, wo schon Samnorix und Belgar, zwei Eques aus der Turma I warteten. Sie waren wie Brigio Germanen und kannten sich in der Gegend gut aus. Natürlich hatte Brigio sich vergewissert, daß sie den Gefangenen weder hier im Lager noch früher einmal begegnet sind.


    Sie sassen auf einem Wagen, den ein Händler hier einmal stehen hat lassen, nachdem er Hals über Kopf aus dem Lager verschwunden war. Nun diente der Wagen als Hilfsmittel, um die Schmuggler zu täuschen.


    Brigio zog seine Uniform aus und gab sie einem seiner Kameraden, der sie in die Stube brachte. Dann zog er sich Wollhosen aus grobem Stoff und ein einfaches gewebtes Hemd an.


    Sie fuhren Richtung Haupttor um auf der Straße die zum Lager führte, wie zufällig vorbei zu kommen, wenn die Gefangenen rauskamen.

    Brigio betrat den Keller der Principa. Er ging in den Wachraum, wo die diensthabenden Eques ihn grüßten. Brigio grüßte zurück und wandte sich dann an den Anführer.


    "Salve Trebonius. Auf Befehl von Decurio Cupidus sind die beiden jüngsten Gefangenenen unverzüglich zu entlassen. Als Begründung gibst du an, daß gegen sie keine ausreichenden Beweise vorlägen und sie deshalb nach Hause können."


    "Es muss aber schnell gehen. Sie dürfen unter keinen Umständen mit den anderen Gefangenen sprechen. Verstanden? Führt die zwei vor das Haupttor, ich nehme sie dort verkleidet mit zwei Kameraden in "Empfang." Aber kein Wort zu irgendjemanden. "


    Trebonius hatte verstanden. Er schickte zwei Wachen los, um die Gefangenen zu holen. Brigio verabschiedete sich und machte sich auf den Weg nach draußen.

    Auch Brigio nahm einen tiefen Schluck, bevor er antwortete.


    "Ich glaube, daß es sinnvoll wäre, die zwei jüngeren frei zu lassen. Sie sind noch unerfahren und schöpfen vielleicht nicht so schnell Verdacht, daß sie beschattet werden."


    "Es wäre dann auch wichtig, daß sie von Männern verfolgt werden, die sie noch nicht gesehen haben, z. B. bei den Verhören. Am besten wären natürlich germanische Soldaten, die nicht weiter auffallen."

    Brigio trat ein.


    "Salve Cupidus. Danke, einen Becher Wein lehne ich nicht ab. Du hast ja schließlich nicht den schlechtesten."


    "Ich habe mir mal unauffällig die Gefangenen etwas genauer angeschaut u. auch die Berichte gelesen. Viel ist ja noch nicht rausgekommen. Deshalb wollte ich dich fragen, ob es nicht sinnvoll wäre, einen der jüngeren freizulassen und sich dann an seine Fersen zu heften."


    "Wer weiß, vielleicht führt er uns auf eine neue Spur, einen Kontaktmann oder weiteres Schmuggelgut. Was meinst du?"

    Wieder einmal stand Brigio vor der Tür seines Decurios. Er hatte in der Zwischenzeit die Gefangenen im Keller inspiziert und die Berichte durchgelesen.
    Viel war noch nicht herausgekommen.
    Vielleicht würde Cupidus ja auf seinen Vorschlag eingehen, es war auf jeden Fall einen Versuch wert.


    Er straffte sich kurz durch, wie er das immer machte, wenn er mit Vorgesetzten redete und klopfte an, das obligatorische "Herein" abwartend.


    "Tok, tok, tok."

    Brigio stieg ins Wasser und begrüßte Romanus und Merowech und nickte den anwesenden Probaten zu.
    "Ja, ja das Lagerleben. Wenn du draußen in der Wildnis bist, wünscht du dir nichts sehnlicher wie deine Stube im Lager."


    "Und wenn du im Lager bist, meinst du die Monotonie und der Alltagstrott nehmen kein Ende. Das ist immer so."

    Brigio nahm den Becher mit Wein, prostete Cupidus zu und trank.
    Nicht schlecht, als Decurio konnte sich Cupidus anständigen Wein leisten.


    [B]"Alles klar, ich habe verstanden. Was die Schmuggler betrifft, habe ich vielleicht schon eine Idee. Ich informiere dich sofort, wenn ich einen Plan fertig habe."[/]


    Da Cupidus zum Praefectus gerufen wurde, erhob sich Brigio und verabschiedete sich.

    Brigio hatte sein Pferd angebunden und betrat die Taverne.
    Einige Eques aus der Turma III, die ebenfalls frei hatten grüßten kurz und wandten sich dann wieder ihrem Wein zu.
    Brigio setzte sich auf einen freien Platz an der Theke und rief.


    "He, Wirt. Einmal das Tagesessen und einen Becher Roten, aber italischen."


    Das Essen hier kannte er nicht, aber schlechter als im Castellum konnte es auch nicht sein. Und beim Wein ging er kein Risiko ein.