Beiträge von Mamercus Brigio

    Der Reitplatz lag in den Abendstunden leer vor Brigio. Er stieg auf und ritt einige Runden im Schritt. Dann trieb er Justitia an und galloppierte, wechselte in den Trab und wieder zurück in gestreckten Gallopp.
    Nach einer dreiviertel Stunde schwitzte sein Pferd ordentlich und er auch, aber er fühlte sich herrlich, nach den doch eher ruhigen letzten Tagen.
    Müde und zufrieden stieg er ab und führte Justitia wieder in die Stallungen, um sie kräftig abzureiben und sie mit Wasser und Futter zu versorgen.

    Brigio merkte, wie Merowech ihn von hinten antippte. Er blickte auf und sah, daß der Decurio eingetreten war. Schnell stand er auf und raunte seinen Kameraden ein kurzes "Achtung" zu. Sofort wurden die Würfel weggeräumt und die meisten Probati standen stramm und salutierten.

    Da immer noch kein Vorgesetzter erschien, begannen sich einige der Probati sich zu langweilen. Manche zogen Würfel heraus und begannen zu spielen, andere schlossen die Augen und dösten vor sich hin. Auch Brigio senkte den Kopf und träumte vor sich hin.

    Brigio war gerade auf dem Weg zu den Latrinen. Unterwegs sah er Corax, den neuen Probaten der es in Rekordzeit geschafft hatte, sich selbst im wahrsten Sinne des Wortes in die Scheiße zu reiten.
    Er grüste ihn. "Morgen Corax. Wie ich sehe, hat dir der Duplicarius ein eigenes Ertüchtigungsprogramm aufgegeben. Das ganze Lager kennt dich schon. Wenn ich dir einen Tip geben darf, leg dich nicht mit jedem hier an. Das oberste Prinzip hier heißt, vor allem in der Anfangszeit: Maul halten.
    Ansonsten können dir deine Vorgesetzten und deine Kameraden das Leben hier zur Hölle machen.
    Ach und noch etwas, frag mal den Decurio bei Gelegenheit, welcher Gruppe du angehörst, denn dann solltest du auch in das entspechende Quartier einziehen."

    "Ja, gestern war ein harter Tag. Gut, daß die zwei Kameraden nicht schwer verletzt oder gar tot sind. Glaub mir, das hätte einen Riesenärger gegeben."
    Brigio schaute sich um. Noch waren nicht alle Probati da und von den Vorgetzten ließ sich auch noch keiner sehen.
    "Du wolltest doch wissen woher ich komme. Ich bin Germane vom Stamm der Badaner. Warum ich zur Ala gegangen bin ist eine lange Geschichte, die erzähl ich mal, wenn wir bei einer Patrouille viiieel Zeit haben."

    Brigio drehte sich um. "Morgen Merowech. Nun, hier wird uns wohl beigebracht, warum die römische Armee die beste der Welt ist." sagte Brigio und grinste leicht.
    "Hast du dir schon ein Pferd ausgesucht? Ich sah dich bei den Stallungen."

    Heute sollte also die theoretische Ausbildung beginnen. Theorie war noch nie Brigios Ding gewesen, aber heute freute er sich richtig, seine noch schmerzenden Muskeln etwas schonen zu können.
    Allmählich betraten immer mehr Probati die Schola und schauten sich verwundert um, denn die meisten hatten in der Kindheit keine Schulausbildung erhalten.
    Brigio setzte sich auf einen Platz am Fenster und wartete darauf, daß es losging.

    Müde zog Brigio seine Ausrüstung aus und verstaute sie in der Truhe. Dann ließ er sich auf sein Bett fallen und nahm dankbar einen Schluck Wein aus einer Trinkamphore, die ihm einer seiner Kameraden hinhielt. Bis Merowech aus dem Valetudinarium zurückkam, legte sich Brigio auf die Seite und schloß die Augen. Kurz darauf schlief er ein.

    Auf dem Weg zu den Unterkünften machte Brigio noch einen kleinen Abstecher in den Stall. Er wollte kurz nach Justitia schauen. Völlig ruhig stand die Stute im Stall und selbst als Brigio ihr ein Bündel Heu hinhielt, schnaubte sie nur kurz durch die Nüstern und fraß es auf.
    Zufrieden klopfte Brigio ihr den Hals und verließ den Stall. Unterwegs traf er den neuen Stallburschen, der Alexis hieß. Schien wohl ganz tüchtig zu sein.
    Er grüßte ihn und bat ihn, falls er aufgrund von Übungen nicht dazu kam, Justitia morgen etwas zu bewegen. Dann ging er hundemüde zu den Unterkünften.

    Brigio stand während der Gardinenpredigt des Decurio mit seinen Männern etwas abseits. Als dieser dann sich auf den Weg zum Praefectus machte, gab Brigio einen knappen Befehl zum Wegräumen des Baumstammes. Die Männer arbeiteten schweigend. So hatten sie den Decurio noch nicht erlebt.
    Brigio sprach sie kurz an. "Männer, es war ein harter und lehrreicher Tag. Vergißt den Wettbewerb, der interressiert jetzt nicht mehr. Geht in die Unterkünft oder die Therme und erholt euch. Wir sehen uns morgen in der Schola."
    Nachdem alle gegangen waren hielt er Merowech zurück. "Geh bitte kurz in die Krankenstation und schau, wie es den verletzten Kameraden geht. Komm dann in die Unterkunft, dort können wir reden und etwas trinken. Hier ist nicht der richtige Ort dafür."

    Endlich gelangten die Männer der Falken mit ihrem Baum auf den Übungsplatz.
    Fast zeitgleich ließen die Männer die Seile los und ließen sich an Ort und Stelle hinfallen, wo sie keuchend und schwer atmend liegen blieben.
    Sie mußten ein Bild für Götter abgeben, wie sie wie tote Ameisen neben dem Baum lagen.
    Brigio rappelte sich auf und meinte:"Männer, wer noch ein Fünkchen Kraft in sich hat nimmt sich eine Axt, wir müssen noch die vier Halteäste abhauen."
    Die Antwort war ein unverständliches Grunzen, aber nach einer kleinen Weile kamen doch ein paar auf die Beine und begannen mit den Äxten die Äste zu bearbeiten. Es dauerte ewig, ehe auch nur der erste Ast ab war.
    Endlich waren alle Äste ab und die Männer hielten ihre von den Seilen aufgeriebenen Hände unter die Wasserflaschen, um endlich etwas Linderung zu erfahren.
    Brigio blickte sich um, wo die anderen Gruppen blieben.

    Nachdem Brigio das Zeichen gegeben hatte, zogen alle gleichzeitig an den Seilen. Zuerst bewegte sich gar nichts, aber nach einer kleinen Ewigkeit bewegte sich der Stamm langsam vorwärts.
    Brigio gab nur kurze "zuuugleich, zuuugleich", von sich, damit keine zu ruckhaften Bewegungen entstanden und vielleicht einer der Äste abbrach.
    Nach ca. 30 m kamen sie aus dem Wald heraus auf ebenes Wiesengelände, hier zogen alle gleichmäßig und der Baum glitt dank des feuchten Bodens viel leichter.
    Zwanzig Minuten später kam das Lagertor in Sicht, Jupiter sei Dank. Das fröhliche Grinsen war allen aus den Gesichtern gewichen, jeder blickte verbissen nach vorne. Meter für Meter kamen sie dem Lagertor näher um es nach letzter Kraftanstrengung zu erreichen.

    "Nur keine falsche Bescheidenheit, bei uns zählt jede Meinung." antwortete ihm Brigio. Die Idee von Merowech schien Sinn zu machen. Die Männer nahmen seinen Vorschlag gleich an und schlugen einige Äste nur halb ab.
    "Aber was unsere Rücken anbelangt, mach dir keine falschen Hoffnungen, bei der Entfernung zum Castellum werden wir alle unsere Rücken morgen nicht mehr spüren." sagte Brigio grinsend zu Merowech.
    Nach einiger Zeit waren die Äste ab, oder in der richtigen Länge. Brigiio
    sagte:"Männer, nehmt alle nochmal einen kräftigen Schluck aus eurer Feldflasche. Dann bringt ihr die Seile an."
    Nachdem alle getrunken hatten, nahm sich jeder ein Seilende der vier um die Äste gelegten Seile.
    Brigio nahm sich auch ein Seilende und rief:"Seid ihr bereit Männer?"

    Endlich traf Osorius mit den Äxten ein. Die Germanen hatten die besten Kenntnisse, was Bäume betraf und so fanden sie nach kurzer Zeit den Richtigen. Sofort machten sie sich über ihn her und im Nu war der Wald erfüllt vom Schlagen der Äxte.
    Es dauerte nicht lange und der Baum fiel mit einem lauten Knirschen. Im ersten Moment kam Brigio der Baum ziemlich dünn vor, aber der Decurio hatte ja nichts über die Dicke gesagt. Und die Länge war in Ordnung.
    Schnell übernahmen die anderen vier von der Germanen die Äxte und begannen die Äste abzuhauen.

    Brigio rief Merowech zu sich. "Willkommen bei den Falken. Mein Name ist Brigio, die anderen lernst du noch im Laufe der Zeit kennen. Du bist neu hier, also halte dich in der Anfangszeit an mich, falls du Fragen hast.
    Ansonsten ist der Dienstweg einzuhalten.
    So, und jetzt gehen wir erst mal unsere Aufgabe erledigen, später kannst du dann deine Sachen in unser Conterbinum bringen. Alles klar? Dann los."