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III. Rostra
Ich lebe noch nicht lange in Rom. Ehrfürchtig betrat ich das Forum Romanum und war überwältigt von all den Prachtbauten, die sich mir in ungeahnte Höhen entgegenstreckten. Ich schritt also zur Rostra, um mein Anliegen vorzutragen und hoffte, dass ich Gehör finden würde.
?"Werte Senatoren, Römer, Freunde des Imperiums
ich glaube, dass ihr euch wundert, warum ausgerechnet ich - Caius Ferrius Magnus - Plebeius und homo novus mich hier erhebe und zu euch spreche, obwohl es dem Reich an überaus gebildeten und eloquenten mir überlegenen Römern nicht mangelt. Sie entscheiden hinter mir in der Curia jeden Tag und tun dies gut. Trotzdem bin ich aufgestanden. Also gestattet mir, dass ich euch nur kurz von eurer Zeit etwas stehle, denn ich weiß ihr seid beschäftigte Menschen.
Ich denke, es ist Zeit über eine strafrechtliche Reform nachzudenken. Also frage ich euch, mündige Bürger ROMS :
Brauchen wir den § 15 des Codex Iuridicialis wirklich noch ?
Wer kann sich schon anmaßen, Herr über Leben und Tod zu sein ?
Ich sage euch, dieser Paragraph gehört abgeschafft. Können wir den Richtern eine solche, starke, ausgeprägte Machtausübung gewähren ?
Ich sage euch, niemand darf sich als Herr über Leben und Tod aufspielen. Unser aller Leben hängt am seidenen Faden der Götter. Sie entscheiden über Leben und Tod.
Ich bin kein Geistlicher, aber ich bin gläubiger Römer und kann euch sagen, die Götter würden es wohl kaum gerne sehen, dass sich die Menschen in ihre Befugnisse einmischen.
Wenn ihr ein ein Geschenk des IMPERATORS erhaltet, als Auszeichnung oder Prämie für besondere Ereignisse, - so frage ich euch - würdet ihr das Geschenk verschmähen ? oder würdet ihr das Geschenk, wenn es euch nicht gefällt, zurückgeben. Wohl ich denke kaum. Zu stark, wäre wohl der Groll des Kaisers - unseres geheiligten Imperator Gaius Ulpius Iulianus - und Mißachtung wäre in diesem Fall, das wenigste, was IHR zu erwarten hättet.
Aber behaltet ihr das Geschenk nicht nur aus Angst gegenüber dem Kaiser. Ihr nehmt es freudig entgegen, weil es eine Auszeichnung für eure Taten ist. Sie erfüllt euch mit Stolz für das, was IHR seid.
Ihr fühlt euch bestärkt in eurem Selbstwertgefühl, weil IHR das seid, was IHR seid - RÖMER.
Allein, dass Ihr römische Staatsbürger seid macht euch stark.
IHR seid die Herren der Welt. Römische Armeen haben die ganze Welt gesehen, Völker der Welt sind bereit EUCH zu dienen.
Also frage ich euch nochmal : Verschmäht man so etwas ?
Warum opfert ihr den Göttern ? Dem allumfassenden Iupiter, dem Kriegsgott Mars, Merkur - dem Gott des Handels, oder Vesta, der Beschützerin des Heims und der Familie ?
Weil ihr dankbar seid. Dankbar für das, was sie EUCH gegeben haben.
Und nun - frage ich EUCH - würdet Ihr ihnen das alles zurückgeben - das kostbarste und höchste Gut, das euch verliehen wurde, euer Stolz, euer Selbstbewusstsein - das LEBEN.
Könnte nicht der Groll der Götter viel gravierender sein, als - mit Verlaub - der des Kaisers ?
Meine Bitte also, SCHAFFT die Todesstrafe und damit den § 15 endgültig AB !!!
Gratias ago."
Das Forum Romanum füllte sich schnell. Offenbar fühlten sich die hohen Persönlichkeiten dazu berufen, zu dieser Oratio Stellung zu beziehen und so sah man viele Sänftenträger und Liktoren auf dem Platze sich versammeln. Unter anderem der Senator und damalige Praetor Publius Decimus Lucidus äußerte sich wieofolgt.
Ihr sagt, die Götter entscheiden über Leben und Tod ?
Das ist richtig, Fabius Antistes wird es auch sehr schätzen, daß Ihr Euch in Eurer Argumentation auf die Götter bezieht. Aber sagt, wenn die Götter uns das Leben nehmen können, ist es dann nicht auch rechtens, wenn der göttliche Imperator dasselbe vornimmt?
Ich bin sicher, daß sich unser schon zu Lebzeiten als Gott verehrter Imperator etwas dabei gedacht hat, als er diesen Paragraphen in den Codex aufnahm. Ich vermute, daß er so in seiner ihn kennzeichnenden Güte die Bürger warnen wollte, daß er auch von diesem ultimativen Schritt zur Sühne von Ungerechtigkeiten Gebrauch machen wird wenn es denn sein muß.
Oder, was denkt Ihr?
Um einiges drastischer drückte sich da sein ehemaliger Amtskollege, Cicero Octavius Anton, aus. In seiner Ansprache verwarf er meine unakzeptable Forderung und verteidigte die Todesstrafe als unbedingtes Muss bei bestimmten Verbrechen. Er persönlich würde jedenfalls im Senat nie einem Gesetz zustimmen, welches die Todesstrafe abschaffen würde.
Meine Argumente dagegen waren doch sehr einschränkend und nicht wirklich überzeugend gegen die geballte Macht der römischen Curia. Wie konnte ich damals auch nur annehmen, der allwissende, gnädige Imperator Lucius Ulpius Iulianus gehe irgendwann den gleichen Weg wie der gemeine Pöbel und sei vielmehr den Göttern unterworfen wie alle Menschen. Mag es an meinem demokratischen Selbstverständnis als Grieche gelegen haben oder an der Tatsache, daß ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht Gelegenheit hatte, den ehrwürdigen Herrscher des Imperiums zu treffen, biß ich doch mit meiner Argumentation auf Granit. Publius Decimus Lucidus wies dann auch hilfreich daraufhin, daß
unser Imperator seinen irdischen Körper ablegt und sich zu den Göttern gesellt, kann man doch nicht mit dem unrühmlichen Ende eines Sterblichen wie Ihr und mich vergleichen.
Und eiskalt schmetterte Octavius Anton meine Aussagen mit den Wortenab
Glaubt mir mit grauer Theorie führt und erhält man kein Weltreich!
Aber auch gegen Angriffe von anderen Seiten bemühte ich mich zu erwehren. Die von Octavius aufgestellte Maxime, die Todesstrafe sei unverzichtbar, manifestierte sich bei einigen Zuhörern in der Angst, kein adäquates Mittel in der Bestrafung von möglichen Verschwörern wie Catilina oder Piso zu haben. Da mußte ich mich doch fragen, wie sehr ist ein Reich zum Untergang bestimmt, daß für seine schlimmsten Verbrecher nur die Möglichkeit der Verbannung von allen irdischen Genüssen vorsieht.
Mit der Zeit mußten sich auch einige Christen oder Iuden unter die Menge vor der Curia gemischt haben, denn es fielen aufeinmal Worte wie Erlösung und Qualen. Über die sogenannte Christensekte will ich in einem späteren Kapitel nochmal genauer drauf zu sprechen kommen. Aber ich merkte aufeinmal wie wankelmütig dieses römische Volk war. Es brauchte nämlich immer einen Sündenbock, einen Gegner, gegen den es vorgehen kann. Unter dieses Umständen ist die wachsende Entwicklung des Reiches natürlich zu erklären.
Richtete sich diese Strömung zunächst gegen den Redner auf der Rostra. entbrannte sie jetzt zu einem wahren Glaubenskrieg zwischen iüdischer und römischer Philosphie.
Der Tod ist jedoch nur eine Erlösung. Es mag eine Frage der Philosophie sein, was man empfindet, während man das Irdische verlässt, doch ich sehe den Tod als Erlösung von Krankheiten und Qualen an. So frage ich Euch: Warum wollt ihr Verbrecher erlösen? Ist es nicht sinnvoller, sie ins Exil zu bringen in entlegene Provinzen und sie dort zur Sklavenarbeit zu zwingen?
War das so einfach, konnte man einen römischen Bürger - ganz egal, wie er sich verhalten haben mag - so einfach in die Sklaverei schicken ? Diese Frage stellten sich auch die zahlreichen Schaulustigen an diesem Tag. Und es stellte sich die Frage, ob denn ein Catilina sich überhaupt als würdig erwiesen habe, sich Römer zu nennen. Das war eine interessante Frage. Konnte ein Römer seine Würde als römischer Bürger verlieren ?
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