@ Iovianus: Habe ich da was überlesen, oder könnten die Vigiles in Tarraco dich nicht auch gut gebrauchen?
Beiträge von Sergia Plotina
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Original von Antonia Annaea Minervina
Die Erwiderung der Annaea Minervina auf ihre Beileidsbekundung machte der einsamen Sergierin wieder einmal deutlich, in welch seltsamer Situation sie hier in Rom lebte. Sicher empfand auch ihre Gesprächspartnerin Schmerz über den Tod ihrer Verwandten, doch erwähnte sie selbst auch ihre Familie, von der Sorana eben nur ein Teil gewesen war. Wie groß musste also diese Familie sein, überlegte Plotina bei sich, und in der Tat fielen ihr auf Anhieb die Namen von zwei, drei anderen Angehörigen dieser Gens ein. Wie schwer würde dagegen der Verlust auch nur eines einzigen Verwandten in ihrer eigenen Gens wiegen - und sowieso, in Rom lebte sie ja fast allein. Aber danach hatte Annaea Minervina ja gerade gefragt:
"Ja, ich lebe jetzt schon zwei Jahre hier in Rom. Ursprünglich komme ich aber aus Alexandria."
Diesen letzten Satz hatte Plotina angefügt, ohne eigentlich selbst zu wissen, warum. Beim ersten Teil der Antwort aber war ihr schlagartig bewusst geworden, dass sie nun schon eine ziemlich lange Zeit hier verbracht hatte. Und trotz aller Schwierigkeiten, besonders am Anfang, hatte sie sich im Grunde doch ganz gut eingewöhnt. Mit nichts als ihrem Enthusiasmus war sie hier angekommen in der Hoffnung, auf weitere Familienmitglieder zu treffen - ein schwieriges Unterfangen, wie sich dann herausstellte -, doch mittlerweile hatte sie auch echte Freunde gefunden. Sorana allerdings war nun von ihr gegangen. - Auch wenn Plotina durchaus merkte, dass Minervina das Gesprächsthema wechseln wollte, war es ihr ein Anliegen, noch etwas zum Tode Soranas zu sagen:
"Nach ihrer Abreise nach Germania waren Sorana und ich durch eine große Entfernung voneinander getrennt, und es wäre gar nicht einmal so etwas Besonderes gewesen, wenn der Kontakt zwischen uns dann doch eines Tages abgebrochen wäre. Dass es dann bei einem so jungen Menschen aber ausgerechnet der Tod war, der für die endgültige Trennung sorgte - das ist schon sehr schmerzhaft."
Dies hatte Plotina sehr nachdenklich gesagt und mit gesenktem Blick. Dann aber hob sie ihre Augen wieder zu Minervina, und die wohlwollende Neugierde, mit der sie das tat, schlug sich auf ihrem Gesicht in einem Lächeln wieder.
"Lebst du denn eigentlich auch jetzt in Rom? Ich meine, Annaeus Modestus ist ja Duumvir in Mantua."
Gut möglich also, dass Minervina jetzt auch dort ihre Zelte aufgeschlagen hatte.
In diesem Moment, als Plotina ihre Augen wieder erhoben hatte, spürte sie in ihrem Innern ein leichtes Unbehagen. Sie hatte keine Ahnung, worauf dies zurückzuführen sein mochte, jedoch schaute sie selbst sich jetzt instinktiv um. Und tatsächlich sah sie ein Augenpaar auf sich gerichtet, das sie nicht besonders freundlich musterte. Es waren dies die Augen der Aurelia Helena, und im selben Moment, in dem Plotina dessen gewahr wurde, fühlte sie einen Stich in ihrem Herz und dachte wieder das, was ihr erster Gedanke gewesen war, als sie die völlig überraschende Einladung zu diesem Fest in den Händen gehalten hatte: Ich sollte nicht kommen; in diese Kreise gehöre ich nicht hin. - Rasch nahm Plotina noch einen Schluck aus ihrem Becher und wandte sich wieder Annaea Minervina zu.
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Original von Marcus Aurelius Corvinus
Ich begab mich zu Plotina, neben die plötzlich auch Minervina getreten war. "Ich hoffe, es wird ein schöner Abend werden", begann ich ein Gespräch. "Ehe ich es im weiteren Verlauf vergesse, würde ich gern mit dir über dein Stellengesuch sprechen. Es wäre mir allerdings lieb, wenn wir uns das für ein andermal aufsparen täten. Würde dir übermorgen passen?" fragte ich sie ohne Umschweife. "Sisenna, um die es ja geht, müsste auch irgendwo hier im atrium sein. So könntet ihr euch schon einmal kennenlernen", schlug ich vor und sah mich suchend um.Für einen kurzen Augenblick hatte sich nun sogar der Magistrat Marcus Aurelius Corvinus zu Plotina begeben, um sie auf eine Sache anzusprechen, die für sie in diesem Moment unerwartet kam, sie freilich insgesamt auch nicht völlig überraschen konnte - und dies auch nicht tat.
"Ich bin dir sehr dankbar dafür, dass du dich mit dieser Angelegenheit befasst! Aber natürlich ist das hier nicht der richtige Rahmen für eine geschäftliche Sache."
Andere waren auf solchen Festen da weniger zimperlich, das wusste Plotina natürlich auch; ihr aber war es sehr recht, nicht zwischen Tür und Angel über dieses Vorhaben sprechen zu müssen. Für den Moment bestand ihre Aufgabe nur darin, einen guten Eindruck zu machen.
"Übermorgen kommt mir sehr gelegen, ja, wenn das für dich nicht zu früh ist."
Plotina fragte sich nämlich, ob dann schon alle Nachwirkungen dieses Festes - welcher Art auch immer sie waren - beseitigt sein würden. Gerne aber wollte sie sich der optimistischen Zeitplanung des Vigintivir anschließen und lächelte ihm noch einmal zu. Aus den Augenwinkeln heraus begann sie sich aber nun auch nach Sisenna umzusehen. Ihre dunklen Augen fahndeten nach einem goldigen, anschmiegsamen Wesen - denn da Sergia Plotina noch keine eigenen Kinder großgezogen hatte, war sie in dieser Hinsicht noch sehr naiv.
Auf den Boden der Tatsachen aber holte sie nun auch in aller Brutalität das zurück, was Annaea Minervina ihr jetzt über Sorana berichten musste. Stumm und ihre Hand fest um ihren Becher gekrallt, hörte sie sich das Unfassbare an. Sorana tot - Sorana, die sie als eine solch fröhliche junge Frau kennengelernt hatte; und sie sollte sich also zu einem verlassenen Haus begeben haben? Was um alles in der Welt hatte sie dort gewollt? Oder war es vielleicht doch ein wenig anders zugegangen?
"Das ist wirklich eine sehr, sehr traurige Nachricht, die du da hast. - Erlaube mir die Frage, aber handelte es sich wirklich um einen Unfall? Doch nicht gar um ein Verbrechen?"
Hatte nicht vielleicht sogar etwas in der Acta darüber gestanden? Wenn Plotina ehrlich war, verhielt es sich nämlich so, dass sie die Nachrichten aus den Provinzen, mit Ausnahme ihrer Heimat Alexandria et Aegyptus, manchmal nur oberflächlich zur Kenntnis nahm - das war unprofessionell, natürlich, aber sie hatte schließlich noch einen Haushalt zu versorgen. - Erst als sie bei diesen unpassenden Gedanken angelangt war, bemerkte Plotina, wie selbstsüchtig sie sich gerade verhielt. Sofort blickte sie wieder zu Annaea Minervina auf:
"Ach, auch du hast ja mit Sorana eine Verwandte verloren! Mein herzliches Beileid!"
Beim bevorstehenden Opfer würde Plotina sicher nicht in erster Linie an die Weingöttin denken.
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Original von Antonia Annaea Minervina
Sim-Off: Arrrgh, wir haben gleichzeitig gepostet! Aber jetzt kommt was!
... Vielleicht war es aber nur wieder einmal so, dass sich die sensible Sergierin zu viele Gedanken machte. Aus Grübelei und Apfelsaft-Verköstigung wurde sie nun nämlich durch die sanfte Stimme einer Frau geweckt, die ihr soeben vorgestellt worden war, nun aber freundlicherweise selber noch einmal ihren Namen nannte. Für einen kurzen Moment dachte Plotina daran, ob sich ihr Fauxpas bei der Hochzeit von Germanica Aelia und Corvus etwa schon reichsweit herumgesprochen hatte, als sie so furchtbar mit den Namen durcheinander gekommen war, sehr zur Erheiterung der anderen Gäste. Aber nein, so wichtig war sie natürlich nicht, dass diese Begebenheit die Runde gemacht hatte, und so konnte sie sich jetzt mit frischem Mut ihrer neuen Gesprächspartnerin zuwenden. Der Name allerdings gab ihr auch sogleich zu denken, verbunden mit einer anderen Tatsache, die sie glaubte, eben bei der allgemeinen Vorstellungsrunde aufgeschnappt zu haben.
"Salve! Verzeih mir, ich war ganz in Gedanken! Ich bin Sergia Plotina. Aber habe ich das eben richtig gehört, du kommst aus Germania?"
Doch, auch Prisca hatte Annaea Minervina ja danach gefragt.
"Dann muss ich dich gleich noch einmal um Entschuldigung bitten, denn mir brennt eine Frage auf den Nägeln, die gar nicht dich betrifft, sondern wohl eine Verwandte von dir. Auf einem Fest hier in Rom hatte ich nämlich das Glück, eine Annaea Sorana kennenzulernen. Es ist schon länger her, sie ist dann auch wieder nach Mogontiacum gereist, und ich habe ihr einmal einen Brief geschrieben - und seitdem leider nichts von ihr gehört. Wie geht es ihr?"
Dies war aus Plotina nur so herausgesprudelt, aber sie machte sich ehrliche Sorgen um Sorana.
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Versonnen stand Plotina ein wenig abseits und nippte an ihrem Apfelsaft, der wirklich vollmundig schmeckte, dabei aber nicht zu süß. Doch auf ihre Geschmacksnerven achtete die empfindsame Sergierin in diesen Momenten eher weniger; viel zu sehr war sie von der Beobachtung all dessen beansprucht, was um sie herum vor sich ging, und innerlich hing sie immer noch an den Worten, die Prisca ihr zugeflüstert hatte.
Ein Theaterstück?! Dieser Abend versprach in der Tat etwas Besonderes zu werden, wenn sich zu dem nicht ganz ungefährlichen Wein- auch noch ein erlesener Kulturgenuss gesellen würde. Plotina freute sich schon sehr, denn sie konnte sich kaum noch daran erinnern, wann sie das letzte Mal im Theater war. Ach ja, in der "Antigone" - aber das war wirklich lange her. Und nun hatte Prisca ihr die Nachricht von dem Theaterstück mit einer solchen Verschwörermiene zugeflüstert, dass sie geneigt war zu glauben, dass möglicherweise ihre patrizische Bekannte selbst an der Einstudierung mitgewirkt hatte. Oder hatte sie es gar abgefasst? Für Plotina stand fest, dass Aurelia Prisca dazu sicherlich die Fähigkeiten hatte.
Noch einmal sah sie zu ihr hinüber, sah sie neben ihrer genauso berückenden Verwandten Helena, und sah eben auch, dass dieser Abend so ablaufen würde, wie es in einer Zivilisation wie der römischen unvermeidlich war. Prisca war eine ungewöhnlich intelligente Frau, als sie aber zu Plotina von dem Platz neben sich gesprochen hatte, war doch einmal aufgeblitzt, wie jung sie eigentlich noch war. Denn natürlich war es völlig ausgeschlossen, dass dies geschehen würde, und schon jetzt, da das Atrium gut gefüllt war, aber wohl noch nicht alle Gäste eingetroffen, befanden sich alle in genau den Positionen, die ihnen von den Sitten her zukamen und von ihnen erwartet wurden: Helena und Prisca Aurelia bereits umringt von Verehrern, die aurelischen Männer in politische Gespräche vertieft, um ihrer Karriere Anschub zu verleihen, und sogar die Sklaven schienen schon zueinander gefunden zu haben. Und sie selbst, Sergia Plotina, ein weibliches, plebejisches, berufstätiges und lediges Unding von 23 Jahren am Rand mit ihrem Saft.
Der Saft schmeckte köstlich, stellte sie gerade wieder einmal fest.
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Als Plotina die Worte aus dem Mund ihres Cousins hörte, blieb sie völlig ungeachtet ihrer Eile wie angewurzelt stehen und sah ihn an - zunächst selbst mit offenem Mund, dann aber mehr und mehr lächelnd. Schließlich konnte sie nicht mehr an sich halten und klopfte Lupus auf die Schulter:
"Das ist natürlich DIE Idee. Genau so machen wir es! - Aber sag' mal, lernt ihr solche Ermittlungsmethoden bei den CU?"
Vielleicht, ging es Plotina durch den Kopf, war diese Geschichte mit dem Capsarius nur eine Tarnung, und Lupus wurde in Wirklichkeit für Sonderermittlungen eingesetzt. So, wie er sich hier zur Überraschung seiner Cousine zeigte, wäre er sicher der richtige Mann für verdeckte Ermittlungen in Sachen Wirtschaftskriminalität unter den Angehörigen des Ordo Senatorius. Auch Mereb strahlte über das ganze bronzene Gesicht, als er sah, wie sein Vorbild Sergius Lupus so geehrt wurde. Ob er auch alles von dem verstanden hatte, was Lupus vorgeschlagen hatte, musste einstweilen offen bleiben.
Indem sie Lupus noch einmal einen achtungsvollen und auch stolzen Seitenblick zuwarf, setzte sich Plotina nun wieder in Bewegung, um endlich dem Rätsel "Ad Bovem" auf die Spur zu kommen. Und tatsächlich schien der Sklaven Charops seiner neuen Herrin wenigstens in diesem Punkt keinen Bären aufgebunden zu haben. Denn als die drei Wanderer nahe genug an der entsprechenden Bretterbude standen, prangten dort zwar keine Buchstaben, die den Namen des Etablissements preisgegeben hätten, jedoch schaukelte im Herbstwind ein Schild, das wohl einen Ochsen darstellen sollte, der allerdings eher schmächtig wie ein Ziegenbock aussah, nur dass der Gamsbart fehlte - und noch etwas, das man bei Böcken in der Mythologie gerne darstellte, zu dem ein Ochse aber nicht mehr fähig war. Verstohlen blickte Plotina auf ihren Cousin und stellte sich dabei vor, wie diesem wohl ein Ziegenbärtchen im Gesicht stehen würde; diese andere Sache stellte sie sich an ihm natürlich nicht vor.
Stattdessen besah sie sich jetzt eine Abzweigung von der Via Flaminia, die also auch, wie von Charops beschrieben, an der Taverna "Ad Bovem" zu treffen war. Allerdings wollte die kritische Sergierin ganz sicher gehen, bevor sie mit ihren Begleitern diesen Weg einschlug. Sie wandte sich deshalb an einen kräftigen, aber schon älteren Mann, der vor der Taverna auf einer Bank über eine Schüssel Puls gebeugt saß.
"Salve! Ist das hier die Taverna "Ad Bovem"? Und diese Abzweigung hier: Führt sie nach Osten?"
Dies hatte Plotina mit ihrem schönsten Lächeln im Gesicht und in angenehmen Ton gesagt; umso perplexer war sie über die Reaktion des Mannes:
"Sag' mal, hast du keine Augen im Kopf, Mädel?? Was ist dein Problem, häh?"
Dabei richtete er sich drohend ein wenig auf und fuchtelte mit seinem Pulslöffel in der Luft herum.
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Typisch: Wenn erst einmal einer vorausmarschiert, kommen sie alle hinterher. - Das jedenfalls dachte sich Plotina, als sich, kaum dass sie selbst sich vorgestellt hatte, das Atrium schlagartig mit weiteren Gästen zu füllen schien. Die energische Sergierin kannte diese Rolle des Vorausmarschierens schon seit ihrer Kindheit zur Genüge und war wiederholt dafür von ihrem paedagogus getadelt worden, doch war ihr klar, dass er sie insgeheim auch ein bisschen für diese Eigenschaft bewunderte.
An diesem Abend in der Villa Aurelia erbrachte ihr ihr Vorausstürmen zumindest die Gelegenheit, die gastgebenden Aurelier in genauen Augenschein nehmen zu können, bevor ihr andere, längere Gäste die Sicht und andere, bedeutendere Gäste den Zutritt zu den Patriziern versperren würden. Besonders erfreut aber war Plotina über die Begrüßung durch Aurelia Prisca:
"Prisca! Ich freue mich, dich wiederzusehen! Auch wenn du offenbar keines der Kleidungsstücke trägst, die du bei Eurydike auf dem Markt erstanden hast, muss ich sagen, dass du hier alles überstrahlst! Aber was rede ich; deine Schönheit wird man an diesem Abend sicherlich noch oft loben!"
Eine Frage nach ihrem Befinden erübrigte sich angesichts der unfassbaren Schönheit Priscas von selbst. Als nächstes kam die Sergierin in den Genuss einer Vorstellung der gesamten Aurelia-Gens, soweit sie sich bereits im Atrium versammelt hatte, durch Aurelius Corvinus selbst. Dessen Schmeicheleien registrierte sie durchaus, doch durchschaute sie sie augenblicklich als von einer solchen Art, wie er sie sicherlich den gesamten Abend jeder Frau gegenüber äußern würde, die sich nicht weit genug von ihm entfernt hielt. Aber immerhin:
"Aurelius Corvinus, ich freue mich sehr, dich kennen zu lernen und damit endlich einem Mann gegenüberzustehen, dessen rasanten Werdegang ganz Rom gebannt verfolgt dank der Acta Diurna, für die ich in der Tat ab und zu schreibe, ja."
Der Vigintivir stellte der Subauctrix nun noch zwei seiner Verwandten vor, deren Namen Plotina neu waren und die sie deshalb nur mit einem freundlichen Nicken begrüßte. Sie überlegte allerdings, ob es sich bei diesen beiden wohl nicht um die neu aufgenommenen Sodales bei den Salii Collini handelte, von denen die Acta berichtet hatte. Verstohlen musterte sie die Figuren der beiden, um abzuschätzen, wer von ihnen bei Vortanzen wohl die bessere Figur machen würde, allein sie kam noch zu keinem abschließenden Ergebnis, zumal nun noch der Duumvir von Mantua, Annaeus Modestus, mit einer Verwandten das Atrium betrat, ihr vorgestellt wurde und ebenfalls begrüßt werden wollte, was Plotina mit einem Lächeln und einem Nicken auch tat. Als nun eine weitere Verwandte der Aurelier hinzutrat, die ebenso schön anzuschauen war wie Prisca, bemerkte Plotina, dass nun bereits der Zeitpunkt gekommen war, von dem sie natürlich gewusst hatte, dass er alsbald eintreten würde: Nun stand die kleine Plebejerin störend im Weg. Indem sie Aurelia Helena, der neu Hinzukommenden, und natürlich noch einmal Prisca zulächelte, trat sie einen Schritt zurück und nahm dankbar einen Becher mit Apfelsaft an, den ein Sklave anbot. Bis zum Opfer würde es vermutlich doch noch etwas dauern.
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Während Plotina durch die Villa Aurelia zu ihrem Bestimmungsort geführt wurde, hatten sich angesichts der prachtvollen Ausstattung und der ungemein passenden und einfallsreichen Dekoration ihre Gedanken wieder vom ägyptischen Totenbuch entfernt. Schließlich war sie hier ja auch nicht auf der Sonnenbarke unterwegs, sondern immer noch auf ihren eigenen Beinen, auch wenn es sie in Gegenwart dieses Luxus nicht verwundert hätte, hätte man ihr angeboten, die wenigen Schritte in einer Sänfte zurückzulegen.
Dass es im römischen Imperium derartigen Luxus gab, hatte Plotina natürlich schon in ihrer Kindheit gehört, und gerade in Alexandreia geizte die Oberschicht damit keineswegs. Bereits die kleine Sergierin war aber von ihrem Lehrer zu Einfachheit und Bescheidenheit angehalten worden und sah sich nun auch hier an Ort und Stelle trotz ihrer unklaren Herkunft eher im Besitz der römischen Tugenden als so mancher andere - womit sie natürlich keineswegs an die Gens Aurelia dachte, deren Mitglieder sie ja nun kennenlernen sollte, vielmehr: schon gegenüberstand.
Denn das atrium, in dem das Opfer stattfinden sollte, war schnell erreicht, und sofort erkannte Plotina Aurelia Prisca wieder zusammen mit einigen Männern, die ihr ganz offensichtlich nahestanden die die Sergierin daher für Familienangehörige hielt. Oder war für Prisca etwa schon ein Mann ausgesucht worden und buhlte hier um sie? Plotina jedenfalls hatte natürlich keinesfalls vor, hier um irgendetwas zu buhlen, sondern ihr strahlendes Lachen kam von Herzen und richtete sich ganz natürlicherweise auf die anmutige Aurelierin. Was aber würde der kleine Sklavenjunge machen, der Plotina bis hierher geführt hatte? Würde er sie den Gastgebern vorstellen, womöglich sogar mit einem weiteren Reim? - Die energische Sergierin beschloss, die Sache selbst in die Hand zu nehmen:
"Salvete! Mein Name ist Sergia Plotina. Zu meiner großen Überraschung erhielt ich eine wirklich ungewöhnliche und originelle Einladung, die mich zu dieser heutigen Feier lockte. Dafür möchte ich mich herzlich bedanken! Denn - ich irre mich doch nicht und stehe hier den Gastgebern gegenüber?"
Was Prisca anging, war da jedenfalls jeder Irrtum ausgeschlossen.
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Dass sie ein breites Kreuz hatte, wusste Plotina seit dessen Ausprägung; sie war damals etwa 14 gewesen. Dass sie damit allerdings so breit wirkte wie zwei durchschnittliche Plebejerinnen ihres Alters, war ihr selten so charmant hinterbracht worden wie von diesem musischen Sklaven hier.
Während er seine Verse deklamierte, musterte die entwöhnte Sergierin den Mann, den man, nun - ein wenig gewöhnungsbedürftig ausstaffiert hatte. Das bisschen Laub auf dem Kopf hätte es da vielleicht auch alleine an seinem Leib getan, dachte Plotina für einen kurzen Moment - um sich dann sofort dafür zu schelten und sich auf das zu besinnen, was sie besser zu beherrschen glaubte als schlüpfrige Phantasien:
"O! Wer hat dir beigebracht,
wie man solche Verse macht?
Offenbar bist du Vergil,
genial und so vir..."Nein, sie sagte das nicht zu Ende, arbeitete es in ihrem Kopf doch schon wieder. War es nicht vielleicht auch möglich, Mereb an der Porta der Casa Sergia solche Verse beizubringen? Er wüsste dann immer, was er würde sagen müssen, hätte nicht immer so viel Angst, wenn es klopfte und würde auch nicht mehr weglaufen, ohne zu öffnen, so dass letztendlich doch immer Plotina selbst nach dem Rechten sehen musste. - Aber nein! Lateinische oder griechische Verse würde sich der Ägypter niemals merken können. Doch demotische vielleicht? Oder wie wäre es mit Sprüchen aus dem ägyptischen Totenbuch an der Porta der Casa Sergia? Ein interessanter Gedanke ...
Selbst noch ganz in Gedanken, nahm Plotina eine Amphore entgegen, die man ihr in dieselbigen drückte und folgte einem kleinen Jungen in das Innere der Villa.
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Am Morgen dieses Festtages hatte sich auch Plotina in die Stadt begeben, vorgeblich, um vielleicht doch noch neue Kleidungsstücke für den Abend zu erwerben, in Wahrheit aber, um bei einem ausgedehnten Spaziergang ihre Gedanken über viele Dinge, die sie im Moment bewegten, zu ordnen. So hatte sie schließlich die Märkte auch nur gestreift und dabei nicht einmal der ihr befreundeten Händlerin Eurydike "Salve" gesagt, und am Ende war sie gar auf dem Forum gelandet. Hier allerdings wurde sie Zeugin eines eigenartigen Schauspiels, welches gewisse Befürchtungen in ihr nur noch bestärkte.
Anlässlich des Weinfestes hatte also der decemvir Aurelius Corvinus, der am Abend in der heimischen Villa ja noch eine entsprechende Privatfestivität steigen lassen wollte, eine öffentliche Brotverteilung organisiert. Plotina, die abseits stand und auch nicht eine Krume dieses Brotes gegessen hätte, machte sich darüber so ihre eigenen Gedanken. War sie denn so naiv? Niemals wäre sie auf die Idee gekommen, dass die Aurelier diesem Fest eine solche Note zu geben gedachten. In ihr stiegen schlimme Befürchtungen auf und Misstrauen, und so wandte sie sich bald von dem sie ermüdenden Schauspiel ab und beschloss, ganz gegen ihre Gewohnheit schon jetzt irgendwo Wein zu trinken, um für den Abend besser gerüstet und schon einmal geübt zu sein.
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Als Lupus seinen Arm hob, um auf ein Gebäude zu deuten, das möglicherweise die herbeigesehnte Taverna "Ad Bovem" war, stand Plotina einen Moment lang in der Versuchung, sich nun ihrerseits an ihren Cousin heranzudrängen, um nachzusehen, worauf er denn da genau zeige - Plotina stand in dieser Versuchung, erlag ihr aber nicht, sondern ging ruhig weiter, bis auch sie endlich das Bauwerk erkennen konnte: eine Bruchbude mit vornüberhängendem Dach. Dafür war das Wort "Taverna" maßlos übertrieben; dass Durchreisende dort aber vielleicht einen Eintopf erhalten konnten, war durchaus möglich. Sobald dieser Gedanke im Kopf der dunkelhaarigen Sergierin Fuß gefasst hatte, beschleunigte sie ihren Schritt, um aus der Nähe endlich abschließend feststellen zu können, ob dies die gesuchte location sei. Dabei fiel ihr allerdings auch wieder die Bemerkung ihres Cousins ein:
"Du hast ganz Recht, ich habe es auch ziemlich eilig, weil ich endlich wissen möchte, woran ich mit diesem Charops bin."
In diesen Worten schwang freilich noch der Ärger der Plotina über sich selbst mit, weil sie nicht vorher noch in Rom irgendwo Erkundigungen eingezogen hatte.
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Mit einem sehr unguten Gefühl hatte sich Plotina in der goldenen Abendsonne auf den Weg zur Villa Aurelia gemacht. Die schnellen Schritte, die sie gehen musste - und das möglichst, ohne ins Schwitzen zu geraten - brachten sie jedoch bald auf andere Gedanken, so dass sie fast ohne Erwartungen schließlich an der Porta der besagten Villa anlangte.
Für einen kurzen Moment schienen ihre Bedenken zurückzukommen, und der bereits zum Anklopfen erhobene Arm sank nieder. Dann aber verankerte die energische Sergierin in ihrem Kopf den Gedanken, dass sie zum Grübeln auf diesem Fest noch mehr als genug Gelegenheit haben und einsamer sein werde als zu Hause allein in der Casa. Mit diesem Gedanken hob Plotina erneut ihren Arm und
klopfte.
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In seiner offenen und freundlichen Art hatte Lupus seine Cousine nach ihrem Befinden nach der offenbar von allen Beteiligten als schmerzhaft empfundenen Trennung gefragt. Da dieses Befinden wie auch bei den beiden Männern gut war, stand einer Fortsetzung der Wanderung nun nichts mehr im Wege. Weit griffen deshalb schon bald wieder die Schritte der drei Wanderer auf der Via Flaminia aus, flankiert vom Andenken an die Toten in Gestalt der unzähligen Grabsteine. Dass man bei diesem Anblick nach dem Grab der eigenen Familie fragen konnte, schien Plotina naheliegend, ihr Cousin schien sich jedoch darüber zu wundern; oder war es ihm nur unangenehm, dass er diese Frage nicht beantworten konnte?
Plotina jedenfalls beschloss, diese Sache auf sich beruhen zu lassen, da sie an eigene schmerzliche Erinnerungen rührte, kannte sie doch nicht einmal das Grab ihres eigenen Vaters, von ihrer Mutter ganz zu schweigen ...
Beinahe mit Gewalt lenkte die sensible Sergierin ihre Gedanken von diesem Gegenstand weg und begann sich, nachdem schon wieder einige Zeit vergangen und ein weiteres gutes Stück Weg zurückgelegt war, zu fragen, wann denn nun endlich die erwähnte Taverna "Ad Bovem" auftauchen würde, an der sie laut Wegbeschreibung abbiegen mussten. Noch aber war nichts davon zu erkennen, jedenfalls nicht für Plotina. Sie wandte sich daher an ihren Cousin:
"Lupus, kannst du schon irgendwo eine Taverna erkennen?"
Hoffentlich existierte diese überhaupt. Je länger sie nämlich so wanderten, desto größer wurde Plotinas Misstrauen gegenüber Charops, dem Verwalter ihrer Kelterei. Wenn dieser sie nun angelogen und ihr eine falsche Wegbeschreibung geschickt hatte? Außerdem ärgerte Plotina sich im Stillen über sich selbst, dass sie als Berufs-Journalistin in dieser privaten Angelegenheit das Einmaleins ihrer Tätigkeit nicht beherzigt und im Vorhinein recherchiert hatte. In der Taverna Apicia in Rom, wo sie ja ein und aus ging, hätte man ihr bestimmt sagen können, ob es an der Via Flaminia eine Taverna "Ad Bovem" gab.
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Auf die Worte Stellas über das Zimbelspiel hin musste Plotina lachen.
"Stella, du hast so ein Talent, einem richtig Mut zu machen! - Ja, ich glaube, ich probiere noch mal, auf der Zimbel zu spielen, wenn ich mal bei dir bin!"
Schon die ganze Zeit über, da Plotina hier im Officium saß, bemühte sich der neue curator libris fast aufopfernd um das Wohl seines sergischen Gastes; so hatte Plotina es an gleicher Stelle schon einmal erlebt, in diesem Moment aber kam ihr das schon fern und fast ein wenig unwirklich vor. Und es fehlte im Gespräch mit Furia Stella auch jene Spannung, die das Gespräch mit ihrem Vorgänger so heikel gemacht hatte, freilich auch so reizvoll.
Aber dies gehörte ja nun schon zu eben dem Thema, das Plotina nun nicht mehr hier anzuschneiden gedachte, sondern für die Therme oder sonstige spätere Gelegenheiten aufbewahren wollte. Ein kurzer Blick in ihren Trinkbecher bestätigte ihr, dass sie diesen schon geleert hatte. So kam ihr die Bemerkung, die Stella nun ihrerseits noch einmal über die Therme machte, sehr gelegen, und Plotina griff sie sogleich auf.
"Auf unseren Thermen-Besuch freue ich mich auch schon! Du lässt mir dann eine Nachricht zukommen?"
So hatte es die beiden Frauen ja vorhin schon einmal angesprochen; die sorgfältige Sergierin wollte sich nur noch einmal vergewissern, bevor sie jetzt ging. Denn schon hatte sie sich von ihrem Stuhl erhoben und noch einmal einen verstohlenen Blick durch das Arbeitszimmer schweifen lassen.
"Stella, ich bedanke mich bei dir noch einmal ganz herzlich für deine Gastfreundschaft und deine aufmunternden Worte! Hoffentlich bin ich dir nicht ein zu unangenehmer Gast gewesen, aber in zwei Wochen kann auch ich meinerseits dir vielleicht schon mehr Freude bereiten."
Lächelnd blickte die Sergierin ihre Freundin an.
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Für die wohlerzogene Sergierin Plotina war es eine Selbstverständlichkeit, auf die überraschende und äußerst ehrenvolle Einladung in die Villa Aurelia so schnell wie möglich zu antworten. Ihren Brief brachte sie persönlich vorbei - auch damit sie am avisierten Festtage nicht etwa den Weg in das ihr ansonsten eher unbekannte noblere Rom nicht verfehlen würde.
An:
Die Gens AureliaVerehrte Angehörige der Gens Aurelia,
verehrte Veranstalter des Festes in der Villa Aurelia!Manche sagen es ganz schlicht,
andre schreiben ein Gedicht!Eures traf den rechten Ton.
Und: Ja klar, ich freu' mich schon,
bald schon bei Euch einzukehren,
mich an Eurem Wein zu laben,
dem Vergnügen nicht zu wehren
und ganz großen Spaß zu haben!Bald schon werd' ich zu euch wallen -
heut' sei Dank gesagt Euch allen!gez. Sergia Plotina
PS.: Herzliche Grüße an Aurelia Prisca!
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Als Stella so fachkundig über die Instrumentensammlung in ihrer Wohnung erzählte und über das gemeinsame Musizieren mit ihrer priesterlichen Freundin, bemerkte Plotina einmal mehr die echt hellenische Erziehung, die ihre Gesprächspartnerin genossen hatte. Über diese Tradition hinaus schien Stella allerdings auch einen ganz persönlichen Zugang zur Musik gefunden zu haben, der Plotina versperrt geblieben war. Die Erwähnung einer Zimbel aber machte ihre Gesichtszüge wieder strahlen:
"Die Zimbel war das Lieblingsinstrument meines Lehrers; ich würde mich freuen, wenn ich die Gelegenheit bekäme, mal wieder auf einer zu spielen, auch wenn das für deine Ohren sicher keine Freude werden wird."
Dass sich in der Casa Sergia keine Zimbel befand, dessen war sich Plotina so gut wie sicher. Weniger sicher war sie sich allerdings, was Stella mit ihrer Frage nach Freizeitbeschäftigungen meinte; allerdings dämmerte ihr allmählich, dass damit wohl nicht nur lesen und putzen gemeint sein könne.
"Nun, jetzt wo ich dich kenne, nehme ich zu meinen Freizeitbeschäftigungen noch die folgenden hinzu: Musizieren, tratschen und in die Therme gehen. Vielleicht könnten wir die letzteren beiden miteinander verbinden; wir hatten ja sowieso vor, bald einmal in die Therme zu gehen. Dann erzähle ich dir mehr."
Der taktvollen Sergierin kam nun nämlich wieder zu Bewusstsein, dass sie das Officium des Curator Libris eigentlich schon vor einer ganzen Weile hatte verlassen wollen, jetzt aber immer noch da saß und Stella ihre Zeit stahl.
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Die diskrete Sergierin Plotina hatte selbstverständlich überhaupt keine Eile damit, die Via Flaminia wieder mit der Anwesenheit ihrer beiden recht großen Füße aufzuwerten, sondern wartete geduldig, dass man sie rufen würde. Dieses Warten währte nun allerdings schon eine ganze Weile, so dass Plotina sich den Kopf zerbrach, was bei ihrer akribischen Planung dieser Ochsentour schief gelaufen sein könnte. Sollte ihr tatsächlich zum ersten Mal seit ihrer Kindheit der Honigkuchen misslungen sein? War er nicht durchgebacken gewesen? Es gab eigentlich keine andere Erklärung für das, was sich gemäß den Befürchtungen der Sergierin gerade nur einen Steinwurf weit entfernt von ihr abspielte - dass dies nicht der Realität entsprach, konnte sie ja nicht wissen. Stattdessen grübelte sie über das launische Schicksal, dass offenbar ihr die durchgebackenen Stücke des Kuchens beschert hatte, Lupus und Mereb aber wohl die klitschigen.
Es war schließlich Mereb, der sich fast gleich einer Schlange im Nilschlamm an seine Herrin heranschlich und sie aus ihren Grübeleien riss. Erschrocken blickte Plotina auf und musterte sein Gesicht, doch die bräunliche Haut des Ägypters wies nirgends die hässliche Grünfärbung auf, die sich bei so mancher Vergiftung einstellt. Eilig steuerte die besorgte Sergierin nun auch wieder auf die Via Flaminia zu, wo ihr Cousin bereits auf sie wartete und es offenbar gar nicht mehr abwarten konnte, weiter zu marschieren. Auch sein Gesicht hatte seine natürliche Farbe bewahrt, so dass Plotina erleichtert auflachte, ihm freudig zu nickte und ihm zusammen mit Mereb folgte. Das erste Abenteuer auf dem Wege, der Verzehr von Sergia Plotinas Honigkuchen, war glücklich überstanden.
Die Sorge um ihre Begleiter hatte jedoch bei Plotina ihre Spuren hinterlassen, und ein flüchtiger Blick an den Wegesrand tat ein Übriges, die Sergierin zu folgender Frage zu veranlassen:
"Lupus, weißt du eigentlich etwas darüber, ob wir irgendwo in der Nähe von Rom ein Familiengrab haben?"
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Nachdem Plotina mit abgedunkelter Stimme ihre eigene Abwesenheit von der Casa Sergia verkündet hatte, versuchte sie, sich ein selbstgewisses und zugleich freundlich-joviales Aussehen zu geben. Dabei war sie aber verstohlen damit beschäftigt, ob sie unter den Trägersklaven nicht den einen oder anderen entdecken musste, der sie vielleicht doch kannte, so dass ihre Maskerade aufflog. Insbesondere fahndete Plotina mit pochendem Herzen nach dem kleinen Smeagol. Aber weder dieser noch ein anderer ihr bekannter Sklave aus dem Hause Octavia schien sich in der Via Nomentana eingefunden zu haben.
Schon glaubte sich die Sergierin gerettet, als sich auf einmal einer der Sklaven ihr näherte und ihr eine äußerst unangenehme Frage stellte. Im Kopf der Plotina arbeitete es nun fieberhaft; leider fehlte ihr um diese Tageszeit noch der entscheidende Schluck Wein, der ihr vielleicht einen letzten Schub an Kreativität und Hemmungslosigkeit gegeben hätte. So dauerte es einen Moment, bis eine clevere Antwort ersonnen war; als sie geäußert wurde, war von der abgedunkelten Stimme leider auch nichts mehr zu hören, sondern die ganz gewöhnliche Plotina-Stimme erklang:
"O, wenn ihr auf Anordnung des Senators Lucius Octavius Detritus kommt und eine gewisse Sergia Plotina abholen sollt - dann muss die Herrin ohnehin zuvor noch ein Bad nehmen. Einer derart einflussreichen Persönlichkeit sollten eigentlich überhaupt nur die Schönsten der Schönen gegenübertreten."
Für eine solche hielt Plotina sich nun ganz gewiss nicht; sie hätte aber ihre Hand dafür ins Feuer legen mögen, dass andere Frauen aus genau dieser Kategorie die Casa Octavia in diesen Tagen nach der Ernennung des Detritus zum Senator geradezu belagerten; immerhin war es Stadtgespräch, dass er noch ledig war, wenn er auch schon einen Sohn hatte.
"Ich werde euch verdünnten Wein bringen, derweil ich auch dafür sorgen werde, dass ihr meine Herrin nicht zu Gesicht bekommt, solange sie nicht gebadet ist."
Mit diesen Worten zog sich Plotina nun wieder in die Casa Sergia zurück, schloss die Tür hinter sich und begann, hektisch nach Mereb zu suchen, dem einzigen Sklaven neben der alten Küchensklavin, den sie nicht hatte verkaufen müssen. In Windeseile wurden einige Schläuche mit verdünntem Wein gefüllt, die Plotina nun in gemeinschaftlicher Anstrengung mit Mereb zu den Sklaven Detriti beförderte; der alten Küchensklavin wollte sie diese Arbeit beim besten Willen nicht mehr zumuten. Diese aber öffnete immerhin noch die Porta, so dass Plotina und Mereb unbehindert hinaustreten und die Schläuche unter die Sklaven verteilen konnten.
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Mereb hatte mittlerweile ganze Arbeit geleistet und alle Sachen wieder gut in seinem Beutel verstaut; allerdings schaute er Plotina derartig jammervoll an, dass dies wohl auch Sergius Lupus nicht entgehen konnte. Sergia Plotina jedenfalls entging es nicht.
"Mereb, was ist denn?",
fragte diese denn auch bald besorgt in jenem angenehmen Tonfall, in dem man mit Kindern spricht, wenn man befürchtet, sie hätten zu viel Kuchen gegessen und nun Bauchweh. Dies nun schien hier nicht der Fall zu sein, obwohl es ja möglich gewesen wäre; aber etwas anderes, Ähnliches lag in der Tat vor. Der Ägypter zeigte nun nämlich auf den einen leeren Weinschlauch in der Tasche und sah dann betroffen an sich herunter. Plotina rätselte einen Moment lang; an ihrer Nasenwurzel bildete sich wieder die eine Falte, die sich dort immer zeigte, wenn sie angestrengt überlegte. Mit einem Male aber glättete sich die Falte wieder, und das Gesicht der Sergierin zog sich dadurch in die Breite, dass sie schmunzeln musste: Der schamhafte Mereb.
"Also, Mereb, geh schön mit meinen Cousin. Ich gehe dafür in die andere Richtung."
Immerhin konnte es ja nicht schaden, diese Pause, in der man soviel Wasser aufgenommen hatte, dazu zu nutzen, den Flüssigkeitshaushalt des Körpers auch wieder zu regulieren - Plotina dachte da ganz medizinisch und machte sich nicht viel daraus. In wenigen Minuten würde man sich ja auf der Via Flaminia wiedersehen.
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Als Stella ihre sicherlich gut gemeinte Bemerkung mit der Lyra machte, zuckte Plotina ein bisschen zusammen, denn sie fühlte sich ertappt, da ihr auch hier wieder aufgezeigt wurde, wie wenig sie von Musik verstand. Weil sie außerdem mitanfühlen musste, wie ihre Wangen sich röteten, sah sie sich gegenüber ihrer Freundin zu einer Erklärung genötigt:
"Meine Lyra, ja. Weißt du, ich hatte natürlich eine, in Alexandria. Aber die ist auch da geblieben. Und ob in der Casa Sergia eine ist, weiß ich gar nicht."
Trotz ihrer ausgedehnten Putzfeldzüge in selbigem Haus war dies eine Sache, die Plotina entgangen war. Auf die Frage Stellas, womit sie sich sonst noch beschäftige außer mit Schreiben und mit Wein, hätte die reinliche Sergierin daher auch fast mit "Putzen" geantwortet. Das erschien ihr aber irgendwie doch zu langweilig.
"Die Führung des Geschäftes und das Schreiben für die Acta beansprucht mich schon; wahrscheinlich liegt das daran, dass ich beides nicht so besonders gut kann. Bei der Acta-Arbeit verschlingt gar nicht einmal das Schreiben selbst, sondern vor allem auch die Recherche viel Zeit, immerhin wollen wir ja auch über wirklich interessante Dinge berichten. - Also, wenn du mal eine spannende Angelegenheit beobachtest, zögere nicht, dich beim Domus der Acta Diurna zu melden - oder bei mir!"