Beiträge von Faustus Decimus Serapio

    Glück gehabt!! Ich lachte und pries Fortuna, hatte schon wieder vergessen, dass ich eben noch bitter mit ihr gehadert hatte. Vergnügt erwiderte ich Massas Grinsen, er war der Held des Tages, und badete in seinem Sieg - und im Sand. Mein Blick verfolgte ihn, verschleierte sich, während meine Gedanken, vom Stichwort 'Therme' angeregt, mal wieder ein Eigenleben entwickelten... abschweiften...... Ach.
    Ich blinzelte. Energisch.
    "Und in Nikopolis haben wir eine – nein sogar zwei! - Runden im Lachenden Kilikier bei Dir gut, Präfekt!" stellte ich dann strahlend fest. Das waren schöne Aussichten, und Octavius schien sich an seiner Niederlage rein gar nicht zu stören. Wahrscheinlich genoß er das kameradschaftliche Zusammensitzen genauso wie ich, oder, da er für gewöhnlich noch 'entrückter' war, sogar noch mehr.


    "Aber nun Comilites – auf zur nächsten Herausforderung!" begann ich dann, wobei ich in komplett überzogener Rednerpose bedeutsam die Rechte schwenkte. Massas Sandbad hatte mich auf eine verrückte Idee gebracht. Ich sprang auf und schnappte mir das Scutum, auf dem wir eben gewürfelt hatten. "Und zwar: zum Dünenrodeln! Auf zum Feldherrenhügel! Höher, schneller, weiter!!"
    Prustend versetzte ich Massa einen Schubs, "Komm mit compañero, sandiger kannst Du nicht werden!"
    Die Stunde war fortgeschritten, und meine Idee fand Anklang. Die Veteranen ließen sich zwar nicht von ihrem Feuer weglocken, aber einige jüngere Soldaten schloßen sich mir an, und so erstürmte ich an der Spitze einer albernen Meute die Düne, auf der die Principa errichtet war. Dort warf ich mich auf das Scutum, und HUUUIIII ging es wie auf einem Schlitten die Düne hinaub, der Sand spritzte nur so nach rechts und links. Schon war ich am Fuße der Düne angelangt und rollte, atemlos vor Lachen vom Schild in den Sand. Es tat so unglaublich gut, einfach mal nur Quatsch zu machen. Io Saturnalia! Ernst und tödlich würde unser aller Hiersein ja früh genug wieder werden.

    Na hoffentlich hatte ich mich da nicht zu weit aus dem Fenster gelehnt. Mit den Knochen eines rachsüchtigen Germanen zu würfeln... das könnte auch ins Auge gehen... den Unmut eines Lemuren auf mich zu ziehen, im Felde... - Zu spät. Alle sahen mich abwartend an. Ich lächelte verkrampft, umfasste mit der linken das kleine Phallus-Amulett, das neben den Lunulae an meinem Gürtel baumelte (alles Glücksbringer), um mich so gut wie möglich gegen die Mächte der Unterwelt zu wappnen.
    "Danke!" Todesmutig streckte ich die Rechte nach den Würfeln aus. Sie fühlten sich sehr glatt an, und irgendwie... eigentümlich, fand ich, auch wenn ich nicht genau hätte sagen können woher dieser Eindruck kam. Vielleicht hatten die Veteranen doch recht... Aber vielleicht hatte der Präfekt seinem persönlichen Glück auch selbst ein bisschen nachgeholfen. Ich schüttelte den Würfelbecher.
    "O Fors Fortuna, komm schon, steh mir jetzt endlich mal bei!"
    Mit Schwung warf ich die Würfel, sie rollten über die gewölbte Scutum-Innenseite, und klapperten dabei schaurig. Ich konnte gar nicht hinsehen... dann tat ich es doch. Eine Drei, wie bei Massa, und eine... Fünf. Genau eins weniger als Massa.
    "Neeeein....."
    Fortuna neckte mich. Ich zuckte schicksalsergeben mit den Schultern und gab die Würfel schnell zurück, froh die Dinger nicht mehr in der Hand halten zu müssen. Dann herrschte gebannte Stille, der nächste Wurf würde ALLES entscheiden! Würde Fortuna, die kapriziöse, dem Kommandanten treu bleiben, oder sich doch noch im letzten Augenblick von ihm abwenden...?!

    Es war eine lange Verhandlung, und obgleich der Präfekt einiges herausschlagen konnte, wanderten meine Gedanken irgendwann zu dem Punkt: wieviel einfacher wäre es doch, sich kurzerhand zu nehmen was wir wollten, anstatt die Wilden so zu hofieren. Ich verbarg diesen Gedanken hinter einer lächelnden Miene, ergriff wieder das Glas, das der Häuptling höchstpersönlich aufgefüllt hatte, und trank noch mehr von dem roten Zeug.
    "Ja Präfekt. Vielleicht können wir so einen Teil der verbrannten Vorräte ersetzen."
    Was den angebotenen Fährtenleser anging, so war ich etwas skeptisch, ob sich dessen wohl eher instinktives Orientierungsvermögen tatsächlich auf unsere Karten übertragen ließe. Aber ich dachte mir, dass das ein Anfang war, und man den Mann, wenn nötig, sicher vom länger bleiben überzeugen könnte.
    "Und dann mach ihm nochmal klar, Dolmetscher, dass wir hier sind um die Handelswege wieder sicher zu machen!" ergriff nun auch ich das Wort, und versicherte feurig wie ein junger Mars: "Er muss sich keine Sorgen machen wegen der Blemmyer." Ich ballte die Faust zusammen. "So großzügig Rom zu seinen Freunden ist, so schrecklich ist es gegenüber seinen Feinden. Übersetz das. Wir werden erst abziehen wenn die Blemmyer allesamt vernichtet sind!"

    Der Feind erwiderte unsere Pilumsalven mit seinen Wurfspeeren, und wer sich da nicht rechtzeitig hinter sein Scutum duckte, war übel dran. Verletzte und Tote, in diesem Augenblick sah ich sie nur als Lücken in der Formation, Lücken, die von den diszipliniert aufrückenden Soldaten schnell wieder geschlossen wurden. Capsarii und ihre Gehilfen eilten von hinten mit Bahren heran und sammelten die Ausfälle auf, alles griff ineinander in dieser wunderbar geölten Kriegsmaschinerie...
    Das blutrünstige Kriegsgeheul der Barbaren, unser kampfeslustiger Schlachtruf, dann der Zusammenprall der Heere – ein ungeheures Getöse. Ich wusste um die enorme Wucht, die in den vorderen Reihen auszuhalten war, die Enge, erinnerte mich an das beklemmende Gefühl, zwischen den Schilden zermalmt zu werden.
    "Militeees vorwärts! Mars mit uns! - Formation halten! - Auf sie! Nieder mit den Bastarden! Stecht sie ab wie tolle Hunde!" brüllte ich, und dergleichen mehr, obwohl in diesem Höllenlärm keine Stimme mehr weit reichte. Meine Kohorte, jung und angeschlagen wie sie war, musste sich nun bewähren. Mit zusammengekniffenen Augen spähte ich über das blutige Kampfgeschehen, das da entbrannte.

    Oh nein! Bei Massas Vorschlag zur Verlierer-Aufgabe wurde mir doch ein bisschen unbehaglich. Im Speerwerfen war ich nämlich kein Held... Und so vor der ganzen Mannschaft.... Aber ich würde es auf den Wein schieben können, wenn ich nicht traf. Die Wüstenschönheit hätte ich natürlich sofort bereitwillig hergegeben – wenn ich sie denn besessen hätte.
    "Oh weh" seufzte ich dramatisch, "Fortuna hat mich verlassen... - Na Hauptsache Venus bleibt mir treu!" Mich über den gewissen Doppelsinn amüsierend, warf ich Massa ein schiefes Grinsen zu, Massa der so lebhaft über meine angebliche Eroberung schwadronierte. "Nicht so laut, compañero, sonst muss ich mir echt Sorgen um meinen Kopf machen! Meine Freundin ist Keltin, die kennen da nix!" (War ja allgemein bekannt, dass die Kelten der Kopfjagd frönten.)
    Zu gut, wie er den Kamelhändler spielte! Ich sah den schmierigen Orientalen förmlich vor mir, und prustete schon wieder lauthals heraus.


    Der Präfekt hatte sich nun zu uns gesellt, und dann – dann! - sah ich sie mit eigenen Augen, die legendären, sagenumwobenen Würfel. Im Einsatz. Bildete ich mir das nur ein, oder klang das Klappern, als er sie warf, tatsächlich irgendwie merkwürdig... unheilvoll? Wer weiß. Jedenfalls gewann er mit großen Abstand. Doppelt oder nichts... hmm... vielleicht kam ich doch noch ums Speerwerfen herum.
    "Unbedingt!" rief ich aus. Massa ging schon mal tollkühn voran, die anderen zierten sich noch. "Recht hast du! Frisch auf, den Becher zur Hand! Ich bin dabei..." Aber ich war ja nicht von gestern. Leichthin fügte ich hinzu, an den Präfekten gewandt: "...wenn ich meinen Wurf mit deinen fortunagesegneten Würfeln tun darf?"

    Singend zogen wir in die Schlacht. Ich stimmte mit ein, fügte meine Stimme zu den anderen, und der brausende Gesang ließ mein Herz höher schlagen. Mars mit uns, keine Gnade. Die Feldzeichen schwangen klimpernd im Wind, die Räder der Carroballisten knarrten, ihre Sehnen schnalzten, und dazu der donnernde Tritt von fünftausend Mitstreitern... ja, da lachten die Herzen, da verspürte wohl ein jeder die vielgepriesene Süße und Ehre für die Patria zu streiten! Und schön war es anzusehen, wie die Artillerie die feindlichen Reihen schon ein wenig lichtete. Die Männer hatten all unseren Geschützen eigene Namen gegeben. So lud ein bärtiger Immunis, mit gespitzten Lippen pfeifend, gerade die Dicke Helena nach, sein Kamerad stemmte sich mit aller Kraft in deren Winde, während daneben der Stramme Victor seinen Stachel im hohen Bogen verschoß... und einen feindlichen Speerträger einfach wegputzte! Ha! Die Geschützmannschaft jubelte.
    Zum Glück blieb mein Schlachtross bei all dem Getöse ganz ruhig. Es war ein Veteran. Auch als der Feind diese schaurig tiefen Signale ertönen ließ, und direkt auf uns zukam, zuckte es kaum mit den Ohren. Aber ein paar Grünschnäbel in den hinteren Reihen der dritten Centurie, die waren nicht so abgebrüht, die verloren da ihren Mut, zögerten, gerieten aus dem Tritt, blickten suchend nach hinten. Eine Schande war das, aber bevor ich loswettern konnte, war schon ein Optio bei ihnen und trieb sie mit harschen Worten und noch härscheren Stockschlägen zurück ins Glied.


    An den Flanken wurde es jetzt bestimmt ungemütlich. Vor allem unsere Legionsreiter hatten doch schon einiges durchgemacht. Dass wir keine Ala dabeihatten war echt ein Manko, aber wie hätten wir auch ahnen sollen dass wir es hier mit einer solchen Streitmacht zu tun bekämen. Ruhig Blut Faustus. Die Flanken werden das schon abwettern. Du aber stehst im Zentrum.
    Angespannt wie eine Bogensehne reckte ich mich im Sattel, während die Heere sich einander näherten, wir Legionäre in Reih und Glied, der Feind eher wie eine riesige, von Kriegern wimmelnde Welle, die auf uns zu flutete... es galt den richtigen Augenblick für die erste Pilumsalve abzupassen, nicht zu früh, nicht zu spät... Nun lagen noch etwa 50 Schritt zwischen den Formationen... Das Herz schlug mir bis zum Hals. Noch 40. Jetzt!
    "Scuta demittite!!" brüllte ich. ~ Schilde senken
    "Pila sursum! Tollite pila... – MITTITE!!"~Speere hoch! Zum Speerwurf bereitmachen!... - Feuer!
    Und kaum waren die Speere in der Luft befahl ich schon die zweite Salve. Dann spähte ich mit zusammengekniffenen Augen den Pila hinterher. "Fresst Eisen..." zischte ich, zwischen den Zähnen. Meine Finger waren klamm, als ich den Kinnriemen meines Helmes fester zog.


    Vorwärts, immer vorwärts. Der blutige Nahkampf stand ganz kurz bevor... und ich war es, der die Männer meiner Kohorte da hineinschickte. Man hätte natürlich auch sagen können, dass es der Kaiser war, oder der Praefectus Aegypti, oder der Praefectus Legionis... aber ich war der, der letztendlich den Befehl an sie aussprach:
    "Militeees! Peeergite! Die Reihen fest geschlossen! Schild an Schild! Gladios stringite! ~Zieht blank!
    Das dumpfe Dröhnen der Cornua, das Schmettern der Tubae erfüllte die Luft. Ich zog ebenfalls mein Schwert, reckte es hoch in den gleißendhellen Himmel und brüllte aus voller Kehle unseren Legions-Schlachtruf:
    "Mars nobiscum! ~Mars mit uns
    Mors hostibus! -" ~Tod dem Feind
    Und aus den Reihen der Soldaten erschallte der alles übertönende Gegenruf:
    " – NULLUS CAPTIVUS!!" ~Keine Gefangenen

    Zitat

    Original von Neriman Seba
    Im Zelt des Saih: ....


    Ich hatte mich getäuscht: ganz ohne Luxus war auch dieses urige Völkchen nicht. Erstaunt betrachtete ich die kostbaren Gläser, in denen das Getränk gerreicht wurde. Hübsch! Überhaupt gefiel mir die Buntheit, die hier herrschte. Aber wie kamen diese Leute an solche Güter... durch Handel? Oder doch eher durch Karawanenüberfälle?!
    "Nächstes Mal sollten wir ihnen ein paar bunte Glasperlen mitbringen." bemerkte ich. Ansonsten verhielt ich mich still, beobachtete und lauschte aufmerksam, saß mit untergeschlagenen Beinen, bereit jeden Moment aufzuspringen. Während die Krieger draussen auf ihre Weise durchaus ästhetisch waren, zeigten die alten Männer hier drin die unbarmherzigen Spuren ihres harten Barbarenlebens. Und, anders als ich es zuerst vermutet hatte, ihre Weiber hatten anscheinend nichts zu sagen. Die Frau, die wir gefangen hatten, war wohl nur ein besonders kühnes Exemplar.
    Um niemanden zu beleidigen, nippte ich todesmutig an meinem Getränk. Es war ungewohnt süß. Aber lecker. Hoffentlich nicht vergiftet. Nebenbei warf ich einen Blick zum Eingang, vergewisserte mich, dass Massa noch immer auf seinem Posten war. Er konnte einem schon etwas leidtun, so in der prallen Sonne, aber dafür hätte er bei einem meuchlerischen Angriff auf uns die besseren Überlebenschancen... Eben als ich das dachte, kamen ein paar Jungs an und bauten ihm doch tatsächlich ein Sonnensegel! Das war echte Gastfreundschaft.

    Trotz der Hitze – ein kaltes Kribbeln lief mir den Rücken hinunter. Es hatte begonnen. Die Front der feindlichen Reiter kam auf uns zu.... und eine Wolke von Pfeilen erhob sich, stürzte sich auf uns, wie ein schwarzer Schwarm giftiger Insekten... das leise Sirren, es schlug über mir zusammen, ein wohlbekanntes Geräusch, das für mich unauslöschlich verbunden war mit: Tod, einem heimtückischen Tod, den ein feiger Feind von der Sehne schnellen ließ, fern und anonym. Es bedurfte nicht erst des Befehls, damit die Soldaten sich deckten.
    "Testudo!!"
    Die Scuta hoben sich, bildeten ein Dach über den Köpfen der Legionäre, ich selbst duckte mich halb unter, halb hinter meine Parma, als der tödliche Regen auf uns herab prasselte (von wegen, als Tribun lebe man sicherer, im Augenblick hätte ich den Rücken meines Rosses, direkt hinter den Reihen meiner Kohorte, gerne für einen gutgedeckten Platz unter dem Schildkrötenpanzer hergegeben). Ein Ruck ging durch meinen Schild, als ein Pfeil sich hineingrub, die Spitze drang tief in die Schichten verleimten Holzes, bevor sie stecken blieb, der Schaft zitterte sacht. Ich schluckte... Ruhig Blut Faustus. Du hast Edessa überlebt. Den Chaboras. Circesium. Es wird auch diesmal gut gehen!!
    Vorsichtig spähte ich wieder hinter meiner Parma hervor. Jemand schrie – ein Soldat aus der vorletzten Reihe, er krümmte sich am Boden, ein Pfeil steckte quer in seinem Oberarm, aus dem floß das erste Blut des heutigen Tages. Leuchtendrot auf hellem Sand.
    Der Mann hinter ihm trat über ihn hinweg, nahm seinen Platz ein. Und auch an anderen Stellen hatten Pfeile Lücken im Schilddach gefunden und Wunden geschlagen. Hoffentlich ging es Massa gut... nicht dran denken, jetzt, konzentrier dich... Scheiß Bogenschützen! Sie wandten sich zu den Flanken unserer Legion.
    "Testudo-Formation beibehalten!" brüllte ich, mich auf dem Pferderücken reckend, den Arm auffordernd nach vorne reißend.
    "Vorwärts! Mars nobiscum!* Militeees peeergite! Heute Abend lagern wir unter Palmen!"
    Dann brach ich den Schaft des Pfeiles ab, und hielt die Parma wieder hoch, deckte mich so gut wie möglich gegen diese niederträchtigen Schützen.


    Mit dem charakteristischen Schaben und Rumpeln, das entsteht, wenn die Schildränder übereinander reiben, rückte die Testudo vor, Richtung Oase. Es war zwar höllisch anstrengend, den Schild die ganze Zeit über Kopf zu stemmen, aber es war der bestmögliche Schutz gegen die Salven. Wir durften uns nicht aufhalten lassen, mussten den Preis und den Blutzoll für das Vorrücken bezahlen, um den Feind so rasch wie möglich in den Nahkampf zu verwickeln.


    Noch waren wir nicht in Pilumreichweite. Doch meine Kohorte führte auch einige Carroballisten mit, leichte Skorpione, die auf Wägen montiert waren, und sobald wir für deren Einsatz nahe genug an die Linien der feindlichen Hauptstreitmacht herangekommen waren befahl ich:
    "Geschützmannschaften! Skorpione ausrichten! Feind anvisieren...! - Feuer!!"
    Über die Testudo hinweg schoßen die Skorpione ihre Stacheln auf den Feind. Zuerst recht ungenau, dann schoßen sie sich ein und wurden zielsicherer. Und auch wenn es keine besonders große Anzahl von Geschützen war – es war auf jeden Fall gut für die Moral, zurückzuschießen!



    *Mars mit uns!

    "Pass gut auf und höre auf das was er sagt, Faustus", diese Worte hatte mein Vater mir mit auf den Weg gegeben, im Bezug auf Octavius Dragonum, als ich mich nach Ägypten aufmachte. Und so achtete ich nun sehr genau auf die Art und Weise, mit der er den Wilden gegenübertrat: primo demonstrierte er jede Menge Mut, indem er einfach in ihr Lager spazierte, secundo war er höflich, tertio kam er gleich zum Punkt. Und tatsächlich, es schien zu funktionieren, der alte Häuptling schien durchaus interessiert. Was mich weiter beruhigte war, dass er uns als Gäste bezeichnete – schließlich war allgemein bekannt, dass man seine Gäste nicht umbringen kann, ohne dass die Götter es einem fürchterlich vergelten. Und das Zelt sah sehr verlockend aus, ich hoffte, dass der Kommandant auf die Einladung einging.
    Auch weiterhin beobachtete ich alles aufmerksam, für den Fall, dass ich mal in die Lage käme mit Barbaren zu verhandeln, und ich muß sagen, ich war zunehmend angetan von diesen Leuten hier – ihre simple, aber würdevolle Art, das harte, unkomplizierte Leben, das sie führten, unverdorben durch Luxusartikel oder städtische Laster! Wie urtümlich! Wie romantisch! Unbelastet von den Verfeinerungen der Zivilisation, von Bildung und Grübelei, lebten diese kernigen Naturburschen, frei wie der Wüstenwind, jeden Tag aufs neue den Elementen trotzend...

    Terumm! Terumm! Terumm! marschierte meine Kohorte ins Feld. Ganz vorne. Mein Mund war trocken, eine fiebrige Erwartung irgendwo zwischen Euphorie und Furcht (und Durst) erfüllte mich.
    "Militeees! Schlachtformation einnehmen!" tönte ich, von meinem hohen Roß aus. Sein blankgestriegeltes Fell glänzte wie rotes Gold, war von der Sonne erhitzt. Mit zusammengekniffenen Augen sah ich über die flirrende Weite, rüber zu den feindlichen Truppen – noch waren sie nur ein verschwommener schwarzer Strich. Darüber zeichneten sich die schlanken Silhouetten von Palmen ab - ein Anblick der auch den kleinmütigsten Legionär dazu bringen musste, heute mit vollem Einsatz zu kämpfen! Endlich stellten sich die Rebellen, endlich standen wir diesem schattenhaften Feind am hellichten Tag gegenüber.
    "Sechs Reihen tief!" gab ich die Anweisungen des Präfekten an meine Kohorte weiter, und die Centurionen nahmen wiederum meinen Ruf auf. Die Marschkolonne fächerte sich auf, die einzelnen Centurien ballten sich zusammen, fügten sich zur Schlachtformation. Herrlich, diese Präzision, da konnten die Wilden mal sehen was Ordnung und Disziplin waren. Sechs Reihen waren gut. Genug, um einem etwaigen Aufprall von Reiterei standzuhalten (falls der Feind so tollkühn war), aber nicht so tief, dass wir dadurch Breite verschenkt hätten. Ich nahm an, dass Octavius durch die Aufstellung der Kohorten den Feind vorerst über unsere wahre Stärke täuschen wollte. Er wusste was er tat, und ich war voll Zuversicht - auch wenn der Feind doch überraschend zahlreich war... und meine Kohorte, so vorne mittig, sicher sehr ehrenvoll aber auch sehr exponiert platziert war...
    Mit den Fingerspitzen fuhr ich über das Ancilium-Amulett auf meiner Brust, das gute altgediente, und über das Serapis-Amulett. Zudem trug ich unter dem prunkvollen Harnisch, über dem Herzen, eingenäht in meine Tunika, das kleine Portraitbild, das Manius mir auf meine Bitte hin zugesandt hatte. Ich war also in jeder Hinsicht gut gewappnet. An den Vorzeichen war auch nichts auszusetzen: die heiligen Hühner, die wir mitführten, hatten sich heute Morgen mit gesundem Appetit auf ihre Körner gestürzt.
    "Aciem dirigite! Aequatis passibus! Peeergite!"
    Cornua und Tubae ertönten, die Feldzeichen ragten stolz über den Wald von Pilumspitzen.
    Terumm! Terumm! Terumm! Eine schnurgerade Schlachtreihe rückte vor.

    Diese Veteranen! Machten sich nen Spaß draus, die Jüngeren ins Bockshorn zu jagen. Ich lachte herzlich und rückte ein Stück zur Seite (näher zu Massa, mal wieder), um Octavius Platz in der Runde zu machen. Worum es ging, "Ja nun, der Verlierer nach Punkten muss eine, ähm, bestimmte Aufgabe lösen, die ihm die Runde stellt. Oder ein Pfand abgeben. Praefectus." Da er mich mit Rang angesprochen hatte, tat ich das jetzt auch, trotz Saturnalien. Während der Erklärung tat ich meinen Wurf, und – fluchte.
    "Jolín!"
    So ein Mist! Es war der Hundswurf. Ich schnitt eine Grimasse, rollte mit den Augen und reichte die Würfel weiter. Einer der Soldaten verzeichnete die Punkte im Sand. Tja, ich konnte mich schon mal darauf gefasst machen, die Runde unterhalten zu dürfen. Was sie sich wohl ausdenken würden?

    Fast! Fast wär's mir gelungen! Aber als er Venus anrief, überkam mich erneut das Gelächter, nahm meiner Attacke den Schwung, und da hatte er schon meine Hand gepackt. Ich rang darum, die Kohle doch ihrer Bestimmung zuzuführen, kämpfte grinsend um jeden Fingerbreit, aber dann... dieses Funkeln in seinen Augen, das spielerische Kräftemessen... dann fühlte es sich, jedenfalls für mich, gar nicht mehr so unschuldig an. Besser ich hörte auf, hier mit dem Feuer zu spielen...
    "Gnade?" widerholte ich mit Grabesstimme, "Hast du etwa Gnade gesagt?!" Das war zu gut, wie er flehte, und spätestens bei "unbedeutendes Sandkorn" lachte ich schon wieder lauthals los.
    "Du appellierst umsonst an meine Größe! Denn, Saturn sei mein Zeuge, heute sind alle Sandkörner genau gleichgroß!" prustete ich, und flugs nahm ich die Kohle mit der linken Hand aus meiner gefangenen Rechten und rieb ihm einen (kleinen) schwarzen Fleck auf die Wange. "Jetzt sei dir verziehen!" sprach ich sehr pompös, richtete mich wieder auf und strich mir mit der Hand die Weinspritzer aus dem Gesicht – dummer Fehler. Die Umsitzenden, die eh schon die ganze Zeit genauso albern waren wie wir, starrten mir dann alle auf die Nase und stimmten ein weiteres Gelächter an, und als ich mir hastig nochmal übers Gesicht fuhr, wurde das Gejohle noch lauter. Sei's drum. Ich rieb mir die Hände an der Tunika ab und zog, genau wie der Miles eben, Massa wieder in die Senkrechte. Aber, Bona Dea, als hätte ich mir ordentlich Hanf reingezogen, ich konnte Massa gar nicht ansehen, ohne wieder dem Gelächter anheimzufallen! Mein Bauch tat schon weh. Neben mir lag noch mein süßes Saturnalienbrot, ich brach es entzwei und gab Massa den Teil, in den ich noch nicht reingebissen hatte. "Hier, Orpheus."


    Das Würfeln war mittlerweile unmerklich, von den Sesterzen weg, hin zu einem anderen Einsatz gedriftet. Der Verlierer musste jetzt komische Aufgaben erfüllen. Einer gurgelte gerade das Lied vom Schwein, das auf Reisen ging. Ein Kunstgenuß ohnegleichen! Ich verspeiste zufrieden mein Stück Brot.
    Dann hatte ich wieder die Würfel, ich ließ sie im Becher klappern und blickte rüber zur Veteranen-Runde, wo es nicht ganz so ausgelassen wie hier zuging. Der Wein machte mich kühn, ich grinste zum Kommandanten rüber und lud ihn herzlich ein: "Octavius Dragonum, komm, erweise uns die Ehre und würfel ne Runde mit uns!"
    (Wäre sicher nett, ihn ein Lied gurgeln zu hören... :])

    Als der Präfekt Massa so zurechtwies, konnte ich mich einer gewissen, klammheimlichen Genugtuung nicht erwehren... Einheiraten! Ich unterdrückte ein Auflachen, schob es auf meine angespannten Nerven. Denn jeder Schritt brachte uns näher an das Nomadenlager heran. Die Düne hinab war es wie ein Waten und Rutschen, bis zum Knöchel sank ich ein, spürte den heißen Sand zwischen den Zehen. Es war nur eine kleine Ansammlung von Zelten, auf die wir zuhielten. Auch wenn der Weg nicht besonders weit war... er schien endlos, jeder Schritt währte eine gefühlte Ewigkeit.


    Schließlich traten aus dem Flirren und Blenden die Gestalten der Barbaren hervor, die uns dort erwarteten. Krieger und alte Männer, wobei die Alten vorne standen, um einen, der wohl der Häuptling war. Auf seine Geste hin senkten die Stammeskrieger ihre Waffen... und ich atmete ein wenig auf, natürlich ohne die Wachsamkeit erlahmen zu lassen. Diese Leute hatten durchaus etwas faszinierendes an sich, wie sie da standen, scheinbar ungerührt angesichts unserer himmelhohen Überlegenheit, mit ihren hinterwäldlerischen Waffen, und uns aus exotischen schwarzen Gesichtern entgegensahen. Sie waren ebenso fremdartig wie diese lebensfeindliche Landschaft, die sie bewohnten, und nichts verriet, ob wir es hier mit edlen Wilden zu tun hatten, oder mit verschlagenen Primitiven.
    Um Höflichkeit bemüht, nickte ich ihnen gemessen zu, und machte ein freundliches Gesicht. Ich achtete auch darauf meine Hände vom Schwertknauf entfernt zu halten. Das Wort zu ergreifen, überließ ich natürlich dem Kommandanten.

    "Alles Vertrauen der Welt" hatte ich in meiner Naivität geschrieben. Und so traf es mich wie ein Schlag vor den Kopf, als mich bald darauf ein Brief meines Vaters erreichte, und ich darin lesen mußte: "Mattiacus hat als mein Verteidiger zwar getan was in seiner Macht stand, aber letztendlich wurde ich in beiden Fällen vom Praetor und seinen beiden Beisitzenden schuldig gesprochen."


    Fassungslos starrte ich auf die Zeilen, las sie noch einmal, noch zweimal, und konnte einfach nicht verstehen. Das war doch unmöglich! Vollkommen absurd, dass mein Vater, nach allem was er für das Imperium getan hatte, wegen solch lächerlicher Kleinigkeiten verurteilt worden war. Wie ein Verbrecher! Und dass mein Aton daran beteiligt gewesen sein sollte....! DAS wollte nicht in meinen Kopf hinein. Verstört und wütend tigerte ich durch mein Zelt. So sehr konnte ich mich doch nicht in meinem Geliebten getäuscht haben!!!
    Schließlich sagte ich mir, dass hier zweifellos ein Mißverständnis vorlag. Es stand ja nicht in dem Brief, dass beide Beisitzer gegen Livianus entschieden hätten... Der Prätor war schuld, und die Anstifter, wer immer sie auch waren... Sollte wirklich der Stadtpräfekt damit zu tun haben? Was mein Vater mir mitteilte war mehr als besorgniserregend... aber vor allem war ich empört, und aufgebracht über diese himmelschreiende Ungerechtigkeit, die Livianus da widerfahren war!!
    Verfluchtes Intrigantenpack! Mieser Politikerklüngel! Während ehrliche Soldaten für das Imperium kämpften und die größten Opfer brachten, hockten die in Rom auf ihren fetten Ärschen und hatten nichts besseres zu tun, als echte Helden in den Dreck zu ziehen!!


    Erst als ich mich ein klein wenig abgeregt hatte, das heißt, mein noch immer unverminderter Zorn etwas abgekühlt war, widmete ich mich dem Rest des Briefes. Dieses Urteil warf tatsächlich ein anderes Licht auf meine Idee, meine Schwester mit meinem Kommandanten zu verkuppeln. Auch wenn ich mir ganz sicher war, dass Octavius Dragonum nichts mit den Machenschaften seines schleimigen Verwandten zu tun hatte... sie waren doch beide Octavier. Ich seufzte und rieb mir die Schläfen. Dass es so schwer war, den richtigen Mann für meine wunderbare Schwester zu finden! Das hatte ich so garnicht bedacht, als ich anfing, mich in dieses Thema einzumischen...
    Und mein Vater trug sich also auch mit Vermählungsgedanken. Eine Iulierin... Vor meinem inneren Auge erschien das imposante Bild der Iulia Helena, die damals unerschrocken ihren Mann in den Krieg begleitet hatte, dann das von Tante Severa. Hm... ich wünschte meinem Vater natürlich Glück bei seinen Plänen, aber... es wäre schon komisch eine Stiefmutter zu haben. Womöglich eine die jünger war als ich.
    Der folgende Abschnitt jagte mir einen kalten Schauer über den Rücken! Da stand: "Bei all dem sollten wir uns aber auch langsam Gedanken über eine standesgemäße Braut für dich machen. Hast du vielleicht bereits selbst eine junge Frau in die nähere Betrachtung gezogen oder wäre es dir lieber, wenn ich mich auf die Suche begebe und meine Kontakte zu den Familien spielen lasse?"
    Oh nein! Oooh nein... Gequält schloß ich die Augen. Jetzt fing das schon wieder an. Und noch dazu von Seiten Livianus'. Meine Tanten mussten ihm diesen Floh ins Ohr gesetzt haben. Ihn konnte ich doch nicht anlügen... Sowieso war ich die Verstellung satt, mehr als satt, hatte absolut die Nase voll davon! Aber die Wahrheit konnte ich ihm natürlich auch nicht sagen. Nach allem, was er für mich getan hatte – und dem Vertrauen, das er mir durch die Adoption entgegengebracht hatte, und dem väterlichen Stolz, der da schwarz auf weiß aus diesem Brief sprach - konnte ich ihn unmöglich so enttäuschen.
    Es war ein verdammtes Dilemma.

    Es vergessen, pah! Wenn das so einfach wäre. Dass diese "Schatten der Vergangenheit" mir bis ins Zwölfmeilenland nachkrochen, das war doch wirklich zum Verzweifeln! Und es war mir schon gar nicht recht, dass auch Massa die ominöse Andeutung zu Gesicht bekommen hatte. Und jetzt versuchte er auch noch mich aufzumuntern. Roms Zukunft?! Nee! Ich zog eine unwillige Grimasse. Er vielleicht... aber mir würde dieser alte Scheiß ewig nachhängen, egal was für Meriten ich mir in der Zwischenzeit verdient hatte...
    Bevor ich mich noch tiefer in diese Misere versenken konnte, tauchte urplötzlich ein Krug vor mir auf, und Massa forderte mich zum Trinken auf. Wo hatte er den hergezaubert? Ich blickte runter auf den Wein, dann wieder hoch, in Massas lachende Augen, und wider Willen wich mein Groll - auf den Brief, den Schreiber und vor allem auf mich selbst... - von mir.
    Es war eine großzügige Gabe, ich zögerte ganz kurz, mich von Massa einladen zu lassen, aber dann ergriff ich dankbar den Krug. Nunc est bibendum. Ich prostete ihm zu und trank mit ihm um die Wette, in tiefen Zügen ohne abzusetzen.
    Er schlug mich allerdings um Längen (aber nur weil er sich die Hälfte über die Tunika kippte, ganz sicher). Unter seinem Schlag ruckte ich nach vorne, verschluckte mich, musste zugleich über seine Faxen lachen, so dass mir der Wein aus der Nase schoß, mir die Tränen in die Augen traten, und ich mich hilflos japsend vor Lachen krümmte.
    "He! Das kriegst du zurück!" schwor ich, sobald ich wieder Luft bekam, knuffte ihn vetterlich herzhaft in die Seiten und schnappte mir ein Stück Kohle. "Mars mit mir! Keine Gnade!" flaxte ich und stürzte mich übermütig auf ihn, mit der festen Absicht, ihm jetzt als Revanche das Gesicht kohlrabenschwarz anzumalen!

    Wie Massa sich freute, das war so richtig ansteckend. Heiße Bräute! Ich lachte laut auf, und widersprach in scherzendem Tonfall, ihm zuzwinkernd: "Na doch! Das Mädchen, das ich da auf Patrouille eingefangen habe, die ist doch gar nicht so schlecht, oder?"
    War natürlich alles nur Verstellung. Genau wie der ganze Zirkus mit Celeste. Ich hatte einfach mordsmäßig Angst davor, dass die Truppe erfuhr wie ich wirklich drauf war.
    In diesem Sinne war es nicht gerade hilfreich, dass Massa, der strahlende Massa, heiter und beschwingt, mir auf einmal sehr nahe war, ganz unschuldig meinen Arm, dann meine Schulter berührte. Ich nahm ihn, seine körperliche Präsenz, sehr intensiv wahr, und atmete unwillkürlich etwas tiefer ein, wandte den Kopf zu ihm und fixierte ihn. Schon wieder, wieder mal, hatte ich größte Lust, ihn auf der Stelle in mein Zelt zu verschleppen und... - Ach verdammt. Schnell schlug ich die Augen nieder, verankerte meinen Blick auf dem Brief, straffte die Schultern.
    "Danke." war alles was ich erstmal sagte. Ich starrte auf das Papier ohne zu lesen, gab mir aber den Anschein, ganz darin vertieft zu sein.
    Procurator a Memoria? Das verblüffte mich jetzt, also dass Verus nochmal jemanden dazu hatte bewegen können, ihm ein Amt zu geben. "Ganz bestimmt."
    Beim Thema Familientreffen klang Massa so enthusiastisch, dass ich nur ungern antwortete: "Glaub eher nicht, sollte schon Rom sein. Mmh... ja, erstmal die Rebellen zertreten, bevor wir weitersehen. Aber schön wärs schon, mal wieder alle auf einem Haufen zu haben. Die letzte große Familienfiesta war klasse, das war nach Livianus' Heimkehr aus dem Osten."


    Nun las ich wirklich den Brief. Und grinste breit, bei Verus' skuriler Schilderung seines misslichen Liebesabenteuers. Doch als ich zu den an mich gerichteten Worten kam, fand ich das gar nicht mehr so komisch. Mit gerunzelter Stirn las ich die Stelle nochmal, murmelte leise "Was zum Hades..."
    Wie kam Verus dazu, hier meine Jugendsünden aufzurühren?! Er schrieb, er wolle sie nicht ansprechen und hatte damit doch genau das getan. Was sollte das denn!? Ich hasste es, daran erinnert zu werden, es lag weit hinter mir und klebte doch wie Pech, alle naselang grub es irgendjemand aus und belästigte mich damit!!
    Verärgert ließ ich den Brief sinken. Von Verus, der, ungeachtet seines reifen Alters, die Familie nicht zu knapp blamiert hatte, brauchte ich nun wirklich weder Absolution noch gönnerhafte Ratschläge! Verdrossen drückte ich den Brief wieder Massa in die Hände und griff erneut zum Würfelbecher, der inzwischen einmal die Runde gemacht hatte. Ich schüttelte ihn mit Ingrimm und prompt warf ich bloß eine Zwei und eine Eins - was jetzt auch nicht gerade meine Laune hob.

    Diese Stimme kannte ich. Ich folgte dem Gesang, er führte mich zu einer fröhlichen Runde. Da blieb ich stehen, und lauschte ganz gebannt, mit vielen anderen, summte dann leise mit. Als die meisten wieder mitsangen, fiel ich auch ein, und verstummte erneut, als Massas Stimme sich klar und schön über das allgemeine, fröhlich-schiefe Mitsingen erhob. Das war echt außergewöhnlich, und auch wenn es in dem Lied (natürlich) mal wieder um irgendein hübsches Mädchen ging, sprach es mich sehr an. Ich lächelte verzückt in mich hinein, und konnte mich nicht so recht entscheiden, was mir jetzt besser gefiel, das Lied an sich, oder der Sänger, der so sehr versunken war in sein Tun, dass seine Züge mir wie verklärt erschienen.
    Außerdem bekam ich Lust, mal wieder selbst zu musizieren, und fand es schade, dass ich das Flötenspiel in den letzten Jahren so hatte schleifen lassen – aber es sah für einen Offizier halt einfach zu weichlich aus.
    An einem jeden anderen Tag, hätte ich meine Schritte gleich weiter gelenkt, aber heute - Saturn sei Dank!! - musste niemand befürchten sich ungehörig zu verhalten. Sogar der Präfekt hatte sich unters Volk gemischt und feierte mit. Den hatte ich mir eigentlich immer nur ernst und gefasst vorstellen können, aber heute, da sah er geradezu fröhlich aus.


    Mit einem vergnügten “Io Saturnalia!!“ trat ich in die Runde. Ich grinste Massa zu und hielt ihm mit ausladender Geste den Brief vor die Nase. “Post! Decimus Verus hat uns geschrieben.“
    Ich überließ ihm das noch ungeöffnete Schreiben erstmal, schließlich war er ungleich näher mit Verus verwandt als ich, und suchte mir einen Platz in der Würfelrunde. Der wurde mir bereitwillig eingeräumt.
    “Kann ich da noch einsteigen? Ah, perfekt!“
    Hurra Saturnalia! Im Schneidersitz ließ ich mich auf dem Sand nieder, setzte ein paar kleine Münzen und schüttelte eifrig den Würfelbecher. Die Würfel klapperten und bescherten mir eine vielversprechende erste Runde! Ha! Ich war eben ein Liebling Fortunas! :]
    Zwischendurch beugte ich mich zu Massa und erkundigte mich heiter: “Und, was schreibt er so?“

    An
    Celeste - Stella pulcherima!
    Insula Astarte (über dem Gemüseladen)
    Via Canopi
    Broucheion
    Alexandria




    Liebe Celeste,


    wie geht es Dir? Wir jagen hier immer noch den Rebellen hinterher, Dünen rauf, Dünen runter. Einmal haben wir einen Trupp von ihnen zu fassen bekommen, als sie uns nachts überfallen haben, mit Brandpfeilen haben sie uns das Lager angezündet, sehr unfein. Da gab es ein hitziges Gefecht. Ich habe meine Kohorte erfolgreich in den Kampf geführt, und es selbst gut überstanden, aber mein armer Noctifer ist jetzt leider im Pferdehades.
    Erzähl mal, was treibst Du so, hast Du Dich weiter in Alexandria eingelebt und neue Bekanntschaften gemacht? In der Stadt wird es nie langweilig.


    Ich habe eine Bitte an Dich, und zwar geht es um die verschlossene Botschaft, die ich diesem Brief beigelegt habe. Sie ist für einen Freund in Rom bestimmt, aber ich kann sie ihm unmöglich direkt zusenden. Bitte bring den Brief in die Taberna "Zur Lachenden Hyäne" in Rhakotis, und übergib sie dem Wirt mit dem Worten "für den Läufer der Sonne". Er wird wissen was gemeint ist. Und gib ihm bitte dazu auch hundert Sesterzen. Pontia wird sie Dir erstatten – oder nein, besser ich gebe Dir die Summe dann selbst, wenn ich wieder in Nikopolis bin. Diese Botschaft ist mir sehr, sehr wichtig, und wirklich nur für die Augen meines Freundes bestimmt! Ich verlasse mich in der Hinsicht voll und ganz auf Dich.


    Drück mir die Daumen, dass wir den Feind bald stellen, ich habe so langsam genug von dieser verdammten Wüste. Was gäbe ich für eine ordentliche Therme, und ein schönes Theaterstück, aber hier gibt es nur Sand, noch mehr Sand, überall Sand...



    Vale bene,


    Faustus

    Atons schiefes Lächeln, das mir so voll verschmitzter Verheißung und Hoffnung geschienen hatte... jetzt sah ich darin nurmehr: Spott. Mit umwölkter Stirn starrte ich auf sein Bildnis, ich hatte es vor mich auf das Schreibbrett gelegt, um ihm nahe zu sein, wenn ich den Brief an ihn verfasste. Zu verfassen versuchte, bessergesagt. Bona Dea, meine Worte klangen alle so falsch, und Aton, meine Sonne, mein Traummann, lächelte mir höhnisch zu. Faustus, du Heuchler. Dabei war das alles ernstgemeint!
    Gequält rieb ich mir die Nasenwurzel... kaute grüblerisch auf dem Schreibrohr. Dass ich eine kleine Schwärmerei für den schönen Massa hegte, dass ich fern der Heimat und angesichts der ständig präsenten Gefahr auch mal ein bisschen Entspannung und... ja, auch ein wenig menschliche Wärme... haben mochte... das konnte mir doch ernsthaft niemand vorwerfen. Oder? Nein!!
    Entschlossen tunkte ich das Schreibrohr wieder in die Tinte. Einfach weiterschreiben...


    Manius amatus meus!


    Mein ferner Geliebter, ich wünschte ich wäre bei Dir. Dann würde ich Dich nur allzugerne beim Wort nehmen! Dem greulichen Alltag würde ich mich mit gezücktem Schwert entgegenstellen, und das Glühen meiner Waffe würde, so Du dies zulässt, gewiss einen hochlodernden, einen verheerenden Brand entfachen. Gib acht was Du Dir wünscht, meus carus... ich habe iberisches Blut und einen Hang zum Maßlosen!


    Ich vermag Dir gar nicht zu sagen, wie sehr ich mich über Deinen Brief gefreut habe. Hier, am Ende der Welt, abgeschnitten von allem, doch von Dir zu lesen, das ist... ein Jubilieren der Seele! Ich bin vollkommen überwältigt. Ich danke Dir auch für das Bildnis. Dein Lächeln darin wiederzufinden, das hat mir unsere letzte Begegnung wieder ganz deutlich vor Augen stehen lassen, als wäre es gestern gewesen. Es ist perfide, wie die Woche, die läppische Woche, die zwischen uns und einem Wiedersehen lag, sich zu dieser Ewigkeit aufgebläht hat. Ich vermisse Dich. Ich fürchte mich davor, dass die Zeit eine Kluft zwischen uns reißt, die schwer zu überbrücken ist. Hier, auf dem Feldzug, im Grenzland, ist man wie in einer anderen, in sich geschlossenen Welt, und die Meditrinalia, und wir, das erscheint mir tatsächlich wie ein Traum, glanzvoll strahlend, unvorstellbar schön, und darum doch um so entrückter, ferner.


    Wir müssen uns bald wiedersehen. Ich habe beschlossen, um meine Versetzung nach Rom zu ersuchen, sobald wir diese vermaledeiten Barbaren zurück in ihre Schranken gewiesen haben. Ich liebe Deine Briefe, aber ich will endlich wieder Deine Arme um mich spüren, und Deine warmen Lippen küssen, nicht das trockene Pergament! Und ich will mit Dir zusammensein, und Dich richtig kennenlernen dürfen... und mich mit Dir zusammen auf die Suche machen, nach dem was Aristophanes verspricht!
    In Alexandria, als ich mit einer Freundin im Theater war - sie haben die Elektra der Euripides aufgeführt - da habe ich unter den Zuschauern einen Erastes mit seinem Eromenos gesehen, die da beide ganz selbstverständlich Arm in Arm saßen, und nicht verbargen wie sehr sie sich zugetan waren, und es hat sich niemand daran gestört. Wie habe ich sie beneidet!
    Und wie habe ich Dich an den Meditrinalien vermisst... Wir sind da gerade, auf einem stinkenden Kahn eingepfercht, den Nil hinauf geschippert. Wie hast Du das Fest verbracht? Erzähl mir davon, und überhaupt, erzähl mir von Dir, ich weiß so viel und so wenig zugleich.


    Zur Zeit sind wir denkbar fern jeder Zivilisation. Die Wüste ist auf ihre Weise großartig, die majestätische Leere, das Meer der Dünen, die phantastischen Farben bei Sonnenauf- und Sonnenuntergang... Aber mittlerweile sägt diese verbrannte Öde doch ziemlich an meinen Nerven. Bisher hatten wir ein größeres Gefecht, da haben die Rebellen uns nachts mit Salven von Brandpfeilen attackiert. Wir sind dann raus, ich habe meine Kohorte da zum ersten Mal in den Kampf geführt. Wir haben den Feind in den Nahkampf verwickeln können und viele von ihnen getötet. Dabei hat sich herausgestellt, dass sie wilde Barbarenkrieger, aber keine mythischen Monstrositäten sind. Seitdem lassen sie sich nicht mehr blicken, es ist als hätte die Wüste sie verschluckt. Wir suchen weiter nach ihrem Hauptheer, und versuchen auch, einheimische Verbündete für uns zu gewinnen. Ich hoffe inständig, dass wir dieses verdammte Gesindel schnell aufspüren und vernichten, damit ich bald zu Dir zurückkehren kann.


    Te amo!


    [Blockierte Grafik: http://img222.imageshack.us/im…/fromaegyptuswithlove.png][Blockierte Grafik: http://img403.imageshack.us/img403/1089/fds3.png]




    PS. Daß gerade Du bei diesem Prozess als Iudex bestimmt wurdest, ist schon ein komischer Zufall, aber eigentlich ist es eher beruhigend für mich zu wissen, dass wenigstens einer der Richter von unbezweifelbarer Integrität ist. In letzter Zeit häufen sich nämlich die Intrigen gegen meine Familie, besonders natürlich gegen meinen Vater, dessen überragende Verdienste anscheinend die Neider auf den Plan gerufen haben. Und auch, dass er sich nicht scheut, mal ein klares Wort zu sprechen, ist manchem Leisetreter wohl ein Dorn im Auge. Aber ich habe alles Vertrauen der Welt in Dich, dass Du gerecht entscheiden und diese lächerliche Anklage abschmettern wirst.



    Ich rollte das Papyrus schmal zusammen und verschloß es mit Siegelwachs, aber ohne Siegel, das fand ich zu verräterisch. Während die rote, glänzende Masse erkaltete, kam mir eine Idee... kurzentschlossen drückte ich meine Lippen in das Wachs! Mit einem leisen Lachen betrachtete ich den Abdruck, den sie da hinterlassen hatten, dann verpackte ich die Rolle in einer Lederhülle und verschnürte sie fest.
    Bloß... wie sollte ich sie meinem Geliebten zukommen lassen? Direkt schicken war ausgeschlossen, und der mysteriöse Bote war für mich nicht greifbar. Ich beschloß, dass es am besten wäre, ihn zu meiner bezaubernden Alibifreundin zu senden – ihr hatte ich sowieso schon längst mal schreiben wollen - damit sie ihn dann in die "Lachende Hyäne" brachte. Ja.... könnte klappen. Ich griff erneut zum Schreibrohr.


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