Beiträge von Faustus Decimus Serapio

    "...hmhm... das mach ich." murmelte ich und nickte gerührt. Das war echt lieb, dieses Angebot, und es wärmte mir wirklich das Herz, aber gleichzeitig kam ich mir dabei wieder so... wie der sensible kleine Bruder vor, der die Dinge alleine nicht auf die Reihe brachte, und regelmässig eine Schulter zum Ausweinen brauchte. Mal sehen...


    Ja. Natürlich sagte sie ja, klar konnte sie das, Seiana war keine Plaudertasche, sie konnte schweigen... Und es tat so gut, von Hannibal zu erzählen, auch die Dinge am Rande. Ich sah ihn wieder vor mir, wie in dem Traum mit den Crysanthemen, sein feines Lächeln und wie er langsam verblasste.
    "Er war... - "
    Nein, es ging nicht. Selbst wenn sie es mit Verständnis aufnahm, sie würde von da an immer, bei all unseren künftigen Auseinandersetzungen, eine fundamentale moralische Überlegenheit auf ihrer Seite haben... ich hätte keine Chance mehr, ihr irgendwas vorzuschreiben. Andererseits hörte sie ja eh nicht auf mich. Ich blickte den Rauchschwaden nach, wie sie aufstiegen, verschmolzen und wieder zerfaserten, um sich dann im Schummerlicht des Stalles aufzulösen... Mein Mund formte die Worte ganz ohne mein Zutun.
    "Er war... ein sehr schöner Mann. Und für mich wie... die Erfüllung aller Träume. Nein, mehr, manchmal habe ich gedacht, ich selbst wäre nur ein Traum, und real erst dann wenn er mich träumt..."
    Ich hob die Hand ein wenig, und ließ sie langsam durch die Rauchschleier gleiten, mit gespreizten Fingern, wie durch Wasser.
    "Er war mein Erastes.", sagte ich leise. " Aber nur für kurze Zeit. Es ist nicht gutgegangen, genaugenommen war es ein Desaster, und am Ende wollte er nichts mehr von mir wissen. So war das..."
    Ein banges Gefühl machte sich in meiner Magengrube breit. Locker und entspannt hin oder her, ich kam mir ziemlich nackt vor, nach dieser Enthüllung. Nur Sparsus hatte ich es mal gesagt, beziehungsweise, eigentlich hatte es es selbst rausgekriegt, und er hatte klasse reagiert, war gar nicht komisch geworden oder so... Aus den Augenwinkeln suchte ich zu erkennen, wie Seiana es aufnahm. Ob sie jetzt aus allen Wolken fiel, oder es schon vermutet hatte... hoffentlich wurde sie nicht komisch.

    Zitat

    Original von Flaviana Brigantica
    Sie war hier noch gewesen und wirkte deswegen auch etwas unsicher. Besonders als die Torwache sie ansprach.
    "Äh, salve! Nein, ich will weder zum Stadtprefekten noch habe ich ein Anliegen. Also.. äh eigentlich...Ich möchte das hier seinem Besitzer zurückbringen." Sie deutete auf den Umhang, den sie zum Schutz vor Schmutz und Unrat in ein Leinentuch eingewickelt hatte.
    "Das gehört einem Centurio der Urbaner. Er heißt Decimus Serapio, oder so ähnlich. Könnte ich es ihm persönlich überbringen? Bitte!"



    Der Torwächter zeigte ein abweisendes Gesicht.
    "Kein Zutritt für Frauen. Du kannst das Ding hier abgeben."
    Die inständige Bitte der Besucherin, und ein Blick auf den kleinen Jungen, erweichte ihn dann aber soweit, dass er beschloss: "Ich lasse dem Centurio Bescheid geben. Moment."
    Und so wurde ein junger Rekrut ausgeschickt, den Centurio zu holen.


    ~ ~ ~


    Eine Frau am Tor, die zu mir wollte? Ich konnte mir keinen rechten Reim auf die Worte des Probatus machen, und während ich die Lagergasse entlangtrottete, hoffte ich nur, dass es sich nicht um eine meiner treusorgenden weiblichen Verwandten handelte, die bei mir mal nach dem rechten sehen wollte.
    An der Porta Praetoria aber wartete eine Überraschung auf mich.
    "Bridhe!" rief ich erstaunt aus. "Du lebst?!" Das war zwar nicht sehr taktvoll, aber ein ehrlicher Ausdruck meiner Überraschung und Freude. Den Nachruf hatte ich offenbar zu früh geschrieben.
    "Ich meine – es freut mich sehr dich wiederzusehen."
    Herzlich schüttelte ich ihr die Hand.
    "Und das ist dein Sohn?" Ich lächelte auf den Kleinen runter und grüßte ihn mit einem freundlichen "Salve!"
    Die Torwachen starrten uns zwar nicht an, aber ich war mir ihrer Aufmerksamkeit doch bewusst.
    "Wollen wir ein paar Schritt gehen?" schlug ich darum vor. So unabkömmlich war ich nun auch nicht, dass ich nicht mal kurz Pause machen konnte.

    "Salve Eques", grüßte der Wächter. "Centurio Decimus müsstest du bei der vierten Centurie der ersten Kohorte finden. Wenn nicht, können die dort dir bestimmt weiterhelfen. Bevor du eintreten darfst, muss ich mich aber vergewissern, dass du keine Waffen bei dir trägst."
    Routiniert nahm er die übliche Durchsuchung vor und ließ Celsus eintreten.




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    "Keineswegs." sagte ich entschieden, und schüttelte den Kopf. "Ich wollte es bloß wissen. Wo es doch eine so völlig andere Tätigkeit ist, als das was du früher gemacht hast. Aber du hast dich wirklich schnell umgestellt."
    Ich lächelte ihr zu, wandte mich dann ab und steckte den Schlüssel ins Schloss der Truhe. Es knirschte, als ich ihn herumdrehte, knarrte, als ich den Deckel anhob. Da lag in seinem Dornröschenschlaf der purpurgrundige Linothorax, die goldenen Sandalen und der ruinierte Chiton. Ich stopfte alles in einen großen Seesack. War schon schade, dass ich die Sachen nicht behalten konnte, wo sie doch eine so schöne Erinnerung bargen. Aber ich konnte mir vorstellen, dass Tricostus sie wiederhaben wollte.
    Den Sack über die Schulter schwingend, richtete ich mich auf, dabei fiel mein Blick auf Celeste, und ich weiß nicht woran es lag... an der konzentrierten Haltung ihres Kopfes, an der nüchternen Art, mit der ihre Hand den Stylus führte... wahrscheinlich daran, dass sie eine mutmaßlich sapphische Freundin erwähnt hatte.... mir kam eine Idee. Eine ganz wunderbare Idee!


    "Celeste!" Ich blickte sie an, als hätte ich sie gerade zum ersten Mal erblickt, mit leuchtenden Augen, und trat schnell auf sie zu. "Es gibt da wirklich etwas, bei dem du mir helfen könntest. Sogar sehr! - Die Sache ist nur... ähm... ein wenig ungewöhnlich."
    Ich ließ mich auf einen Stuhl fallen und fixierte meine Scriba flehentlich. Hoffentlich würde sie mich jetzt nicht auslachen.
    "Ich habe ein Problem. Meine Tanten wollen dass ich heirate. Die sind ganz wild darauf, mir eine Braut zu suchen. Aber ich will nicht! Ich bin noch viel zu jung. Will mich nicht binden, sesshaft werden und als Familienvater mit einer keifenden Frau und plärrenden Gören vorschnell ergrauen. Du weißt schon. Und deshalb muss ich unbedingt eine feste Freundin vorweisen. Ein nettes, anständiges Mädchen. Damit kann ich Zeit schinden, und vielleicht finden meine Tanten in der Zwischenzeit ein anderes Steckenpferd..."
    Ich seufzte schwer, und blickte leidend zu Boden. "Nun, leider habe ich keine feste Freundin. Ich bin einfach zu schüchtern, ich weiß... - Aber, Celeste... bei dir habe ich das Gefühl, dass du genau die richtige sein könntest!"
    Ich streckte die Hand aus, über den Tisch hinweg, und umfasste ihre Hand, sah ihr tief in die Augen.
    "Celeste... liebe Celeste... nur du kannst mich retten! Willst du meine Alibi-Freundin sein?"

    Meine Schwester brachte es fertig, allein durch ihre Blicke und ihr beredtes Schweigen, dass ein richtig schlechtes Gewissen in mir aufkeimte, nur weil ich mit Livianus über ihren Schwarm gesprochen hatte. Dabei war es doch klar, dass unser Pater familias es wissen musste, wenn unsere Familie so brüskiert wurde! Sagte ich mir jedenfalls.
    Seiana blieb beneidenswert kühl. Ich nicht. Und ihr nahm ich diese Fassade auch nicht ab.
    "Seiana. Ist doch klar, dass du wegen des ganzen Durcheinanders nicht allen Bescheid sagen konntest. Du hast dir nichts zu schulden kommen lassen, das wissen wir doch. Du nicht, aber dein impertinenter Verlobter!"
    Ich atmete tief durch. Diese ganze Sache ging mir gewaltig auf die Nerven!
    "Ich wusste nicht, dass du in Ägypten mit Meridius gesprochen hast. Ich weiß aber, dass dein Aelier, als er hier angetanzt ist, von Meridius NICHT die Erlaubnis bekommen hat dich vom Fleck weg zu heiraten! Wäre ja auch absurd.
    Und somit hätte dein Schwarm absolut die Pflicht gehabt, sich, nachdem er dir den Hof gemacht hat, hier einmal vorzustellen, bei Livianus oder mir, und uns von sich zu überzeugen, und ordentlich um deine Hand anzuhalten. Bevor wir durch eine Verlobung vor vollendete Tatsachen gestellt werden. Das wäre nicht nur ein Zeichen von Respekt gewesen, sondern auch das absolut MINDESTE, was der Anstand gebietet.
    Aber das ist nicht passiert. Nicht mal brieflich hat er Anstalten dazu gemacht sich bei uns vorzustellen. Statt dessen bekomme ich nach eurer Verlobung einen ganz merkwürdigen Brief, wo er mir schreibt: 'Übrigens, ich heirate deine Schwester! Prost!'. - Soviel zum 'schriftlichen Kontakt'."
    , schloss ich sarkastisch, schüttelte dann erbittert den Kopf.
    Seiana sah mich so intensiv an, wahrscheinlich wollte sie, dass ich den Mund hielt. Aber ich konnte doch nicht einfach still zusehen wie sie da auf eine so völlig verkorkste Ehe zusteuerte!


    "Nein, dieser Mann hat keine Spur von Umgangsformen, und noch viel schlimmer, er hat keinen Stil. Wie Livianus gesagt hat, entweder er brüskiert uns mit Absicht - und hält sich für zu fein, als dass er es nötig hätte, uns gegenüber den ganz normalen Respekt zu zeigen. Oder, und das erscheint mir mittlerweile fast am wahrscheinlichsten, seine Ignoranz ist einfach grenzenlos!
    Bona Dea, Seiana, ich versteh nicht wie du es an der Seite von so einem aushalten willst. Der kann dir doch nicht mal ansatzweise das Wasser reichen! Nur weil er ein Aelier ist, musst du dich doch nicht so für die Familie aufopfern! Ich gebe zu, es ist nicht gerade einfach jemanden zu finden, der dir ebenbürtig ist... aber wenn wir nur ein bisschen suchen, finden wir bestimmt jemand anderen für dich. Jemanden auf Augenhöhe!"

    Livianus' wegen zügelte ich meine Stimme. "Nicht wahr?" wandte ich mich an ihn, um Bestätigung heischend. Eigentlich glaubte ich nicht daran, dass sich das ganze irgendwie rückgängig machen ließ, dazu war Seiana viel zu entschlossen, aber man durfte ja noch hoffen.
    "Und was noch die Ereignisse nach deiner Rückkehr angeht, so hatte er genug Zeit, um es wenigstens zu versuchen, sein Versäumnis bei einem respektvollen Besuch wieder auszubügeln. Was hat er gemacht? Hat sich bei uns nicht blicken lassen. Statt dessen bestellt der Kerl mich in die Palaestra."
    Ich zuckte lässig die Schultern. "Naja, da hab ich ihn eben verdroschen."
    Oh. Davon hatte ich Seiana doch gar nicht sagen wollen. Aber es war mir so rausgerutscht. Und eigentlich konnte ich es ruhig laut sagen, dass ich die Familienehre mit Fäusten verteidigt hatte. Eigentlich hatte ich genau das richtige getan! Fand ich. Trotzdem zog ich den Kopf ein, und hoffte, dass Seiana ihn mir nicht abreissen würde.

    Zitat

    Original von Potitus Vescularius Salinator
    Salinator rief nach seinem Scriba und trug ihm auf, Centurio Decimus Serapio herzuholen.


    Es war ein vollkommen gewöhnlicher, ereignisloser Tag gewesen. Erst der Morgenapell. Dann die Frühpatrouille. Dann Training auf dem Campus. Dann Schreibkram. Und dann begann der außergewöhnliche Teil, als nämlich der Sekretär des Präfekten wie Hermes persönlich in mein Arbeitszimmer hineinschneite und mich zum Kommandanten zitierte. Gut, ich rückte mein Cingulum zurecht, band mein Focale ganz akkurat, fuhr mir schnell noch mit einem Kamm durch die Haare und machte dass ich hinkam. So oft ich das jetzt schon erlebt hatte, es war und blieb immer ein bisschen aufregend, vor den Präfekten zu treten, wenn ich nicht wusste worum es ging.


    Wie immer salutierte ich gleich nach dem Eintreten zackig, machte ein jungdynamisches Gesicht und nahm Haltung an.
    "Ave Praefectus Vescularius! Melde mich wie befohlen."
    Sein Besucher kam mir bekannt vor. War das nicht... nein, der müsste doch in Germanien sein... - doch, er war es.
    "Salve Tribunus Octavius!" grüßte ich auch ihn, wirklich erfreut ihn wiederzusehen. Ich erinnerte mich sehr gut an den Tribun, an dessen Seite Macro und ich uns durch das Feuer gekämpft hatten. Unsinnigerweise zwar, aber dafür äusserst heroisch. Und ich war ihm verteufelt dankbar dafür, dass er mein kleines Chaboras-Problem so taktvoll behandelt hatte, und, nicht nur das, mich später sogar noch lobend erwähnt hatte.

    Was ich an Rom so mochte war, dass es hier wirklich alles gab, und sei es noch so ausgefallen. Die Taberna, in der ich mich mit dem interessanten Quintilier verabredet hatte, lag günstig, direkt an der breiten Uferpromenade der Insel, an der Ecke zur Passage zum Faunustempel. Sie hatte erst vor kurzem eröffnet. Auf dem Schild, das über dem Eingang hing, von einer Laterne beleuchtet, waren die Farben noch frisch und kräftig. Das Bild zeigte drei schlanke, exotisch anmutende Türme, inmitten von hohen Sanddünen, und in apart geschwungenen Buchstaben stand dabei: Irem und Taberna homeritica.
    Die Dämmerung war schon angebrochen, als ich dort eintraf. Ich hatte etwas länger gebraucht, um mich zu entscheiden, was ich anziehen sollte. Letztendlich war meine Wahl auf eine Tunika in dunklem Amethyst, mit dezent eingewebten silbergrauen Clavi gefallen, unverschnörkelt aber ganz auf der Höhe der Zeit. Ausserdem hatte ich mir ein klein wenig, nur einen Hauch wohlduftenden Zimtöls auf Nacken und Handgelenke gerieben.
    Durch eine mit Schnitzereien geschmückte Türe trat ich ein, und fand mich in einer orientalischen Schatzhöhle. Ziselierte Räucherschalen säumten den Eingang, würziger Rauch kräuselte sich von dort aus in den tiefen Raum, der mit bunten Teppichen ausgelegt war. Ich dachte mir, dass die Räucherschalen im Sommer sicher bitter notwenig waren, um den Flußgestank zu übertünchen. Farbenfroh gemusterte Wandbehänge stürzten wie Kaskaden von der Decke, und überall hingen oder standen unzählige Laternen, durch deren durchbrochene Wände das Licht in fremdartigen Ornamenten auf die Umgebung fiel. Kohlepfannen glühten, eingelassen in den Rücken großer, geflügelter Greife, die reptilienhaft die Zunge reckten.


    Ich blickte mich um, ganz angetan von diesem exotischen Flair. Da hatte ich ja schon immer einen Hang dazu. Die Taberna war ziemlich voll, erfüllt von dem Gewirr vieler Stimmen. Zum Glück hatte ich gestern einen Sklaven zum Reservieren vorbeigeschickt. In einer Ecke zupfte ein malerischer Orientale die Saiten einer Art Harfe. Die Gäste allerdings sahen allesamt nach gutsituierten Römern aus. Das fand ich schade, so ein wirklicher Geheimtip schien diese Taberna nicht zu sein, und augenblicklich fragte ich mich, was hier wohl "authentisch" und was bloß Klischee war. Aber es gefiel mir trotzdem.
    Die junge Dame, die mich mit starkem Akzent begrüsste, schien jedenfalls die fleischgewordene Idee einer Wüstenprinzessin, sie hatte pechschwarzes Haar, das sich wie Schlangen über ihre olivfarbenen Schultern wand, und ebenso dunkle, kunstvoll ummalte Mandelaugen. Halb durchscheinende Schleier bauschten sich, als sie mich zum reservierten Tisch führte, und ein blutroter Stein funkelte in ihrem Bauchnabel.
    Der Tisch war nur kniehoch. Er lag in einer der Fensternischen, die von aus Palmblättern geflochtenen Zwischenwänden begrenzt wurden. Es gab keine Klinen, nur feste Sitzkissen mit Trodeln. Ich ließ mich etwas umständlich auf einem davon nieder, so dass ich den Raum gut im Blick hatte, und bestellte mir auf Empfehlung hin einen Dattelwein. Da sass ich dann, nippte an dem süssen Wein, ließ meine Blicke schweifen, und versuchte mich mit der Betrachtung meiner Umgebung davon abzulenken, dass die Aussicht den Quintilier wiederzusehen, in so einem völlig un-dienstlichen Rahmen, mich, obwohl ich es ja selber vorgeschlagen hatte, schon ein bisschen nervös machte.

    "Da hast du absolut nichts verpasst." bekräftigte ich noch, zum Thema Mantua. "Ähm, hab ich gerade Grab gesagt, ich meinte natürlich das Geburtshaus." Dass ich mich da versprochen hatte, das lag sicher an der Grabesruhe, die in Mantua herrschte.
    Oh, Valeria war gar nicht verheiratet. Wie ungewöhnlich! Ich sah sie verblüfft an, und wunderte mich wirklich, denn sie wirkte doch sehr nett, patent und gar nicht zänkisch. Ich konnte mir überhaupt nicht vorstellen wie es kam, dass so eine Frau keinen Mann gefunden hatte!
    Aber ich nickte nur, und zügelte meine Zunge, um nicht zu fragen "Wieso?"
    "Das freut mich", meinte ich ehrlich, als sie erklärte, erst mal bleiben zu wollen, und dachte so bei mir, wie schön es doch war, wenn die Familie beisammen war.


    Aber dieser trauliche Gedanke verblasste sogleich wieder, angesichts von Valerias aalglatter Gegenfrage. Wieder konnte ich nicht umhin, betreten zu Venusia hin zu sehen. Warum nur sah sie nicht ein, dass ich ein ganz schlechter Kandidat zum Ehestiften war? Und warum hatte sich wohl Mattiacus so fix wieder aus dem Staub gemacht? Bestimmt hatte er die Gefahr gewittert. Und warum sah Tante Venusia eigentlich so streng zu mir hin?! Ob sie sauer war, dass ich ihr meine imaginäre Freundin noch nicht vorgestellt hatte? So schnell konnte sich die gemütliche Familienrunde in ein Tribunal verwandeln.
    "Nein, als Centurio fällt man auch noch unter das Ehe-Verbot." erklärte ich Valeria, gewillt diese Frage ganz auf der theoretischen Ebene zu behandeln. "Ich denke, das kommt daher, dass man, obwohl man Offizier ist, aus der Mannschaftslaufbahn stammt. Und es ist ja auch sinnvoll, schließlich trägt man genausoviel Risiko wie, nein sogar eher mehr Risiko, als ein Miles gregarius. Ausnahmen werden nur äußerst selten gemacht. Erst ab dem Rang eines Praefectus Castrorum darf man dann heiraten."
    Und damit widmete ich mich lieber wieder eifrig dem Essen, und hoffte, dass das leidige Thema in dem Austausch zwischen den gelehrten Damen einfach untergehen würde.

    Ein kräftiger Torwächter wandte sich der Besucherin und dem Kind zu, und sprach, auf eine monotone, leiernde Weise, die darauf schließen ließ, dass er diesen Satz heute schon viele dutzend Mal gesagt hatte:
    "Salve. Der Stadtpräfekt ist nicht zu sprechen. Wenn du ein Anliegen hast, kannst du es schriftlich hier hinterlassen."




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    Der Prunk dieser Villa schüchterte mich ein. Es war unübersehbar, über was für einen verschwenderischen Luxus diese Patrizier doch verfügten. Mit jedem Schritt, der mich näher an jenes Arbeitszimmer heranführte, kam ich mir zunehmend fehl am Platz vor, ausserdem schoß mir mit einem Mal der Gedanke durch den Kopf, dass es Aton vielleicht gar nicht recht war, wenn ich hier einfach so erschien. Hatte er doch geschrieben "sende dein Wort" und nicht "stürme meine Villa".
    Bestimmt hatte er Familie. So als Senator, da war das anzunehmen. Und ich tappte hier einfach blindlings hinein in seine Kreise... Als ich vor einer Türe anlangte, an der ein sehr hellblonder Mann Aufstellung bezogen hatte, war ich beinahe an dem Punkt, wo ich mir wünschte, hinter dieser Türe möge sich der falsche Senator Flavius befinden! Dem würde ich dann ein paar Fragen stellen und mich schnell wieder aus dem Staub machen.


    Der Junge klopfte und öffnete mir die Türe... und - ach! - meine Zweifel begannen rasant zu schmelzen, in dem blendenden Schein der Sonne Ägyptens. Er war es! Natürlich wesentlich weniger exotisch gekleidet, und ohne die aparten Acessoires eines Sonnengottes... nein, hinter diesem gewichtigen Schreibtisch sitzend, ein Schriftstück vor sich, umringt von den Insignien der Aristokratie, in diesem dezenten Gewand und von nobler Blässe... da schien es beinahe unmöglich, dass dieser respektable Senator und der zügellose Aton ein und der selbe waren. Aber er war es, und obgleich ich meine Miene streng zu beherrschen versuchte – denn ich wusste nicht, ob die Sklaven mich noch beobachteten – begannen meine Augen hellauf zu strahlen. Er sah so gut aus!
    Und wenn er makedonische Eroberer mochte, dann würde er mir den Überfall bestimmt nachsehen.
    Forschen Schrittes trat ich ein. Doch da ich nicht wusste, ob es noch irgendwelche Zuhörer gab, und da ich natürlich kein Risiko eingehen wollte, ihn zu kompromitieren, begann ich ganz konventionell. Ich räusperte mich und verschränkte die Arme hinter dem Rücken.
    "Salve Senator Flavius. Ich bin Centurio Decimus Serapio von den Stadtkohorten. Ich danke dir, dass du mich gleich empfängst. Es geht um eine Frau, die früher in dieser Villa als Scriba gearbeitet hat, und vor kurzem leider einem Verbrechen zum Opfer fiel.. Ich möchte dir einige Fragen stellen, um, wenn möglich, etwas Licht in das Dunkel ihrer Vergangenheit zu bringen."
    Passend zur Sonne. Ich machte eine kurze Pause, während der ich den Blick senkte. Dann tat ich einen Schritt auf Aton zu, blickte ihm direkt ins Gesicht. Mein Atem ging schneller, meine Nasenflügel erbebten, bei dem Gedanken, was wir hier so alles miteinander anstellen könnten.
    "Unter vier Augen."

    Mit klopfendem Herzen trat ich über die Schwelle. Nach der Kälte draussen schien es mir hier drinnen sehr warm. Ich entledigte mich meiner Paenula, übergab sie einem Sklaven und zog nervös die Tunica militaris unter der Rüstung glatt. Der kleine Laufbursche brauchte nicht lange. Ich folgte ihm. Jetzt würde es sich herausstellen, bei welchem Senator Flavius ich landen würde, die Chancen standen eins zu eins, dass es der richtige sein würde...

    "Ja, da kommt man einfach nicht drumrum." scherzte ich unbeschwert über unsere soldatische Familientradition – auch wenn ich früher damit ein gewaltiges Problem gehabt hatte, aber mittlerweile hatte ich mich ja eines viel besseren besonnen. Inzwischen konnte ich, bei oberflächlicher Betrachtung jedenfalls, einen richtigen Vorzeige-Decimer mimen.
    Dass Valeria auch am Museion gewesen war, und eine richtige Medica, das beindruckte mich schwer. Es war nicht zu fassen, wie klug die Frauen meiner Familie waren – alle, sogar die angeheirateten.
    "Nicht direkt. Mein damaliger Centurio, der hat sich hierher versetzen lassen, und konnte einfach nicht auf seinen Optio, also mich, verzichten." Ich erzählte das schief grinsend, sollte ja nicht zu angeberisch klingen. "Aber ich war ganz froh darüber. Zwar war's schade, die Prima zu verlassen – sie ist nun mal die absolut beste Legion des Imperiums – aber Mantua ist leider ein Kuhkaff. Öder geht's nicht. Das einzig interessante dort ist das Grab von Vergil, und eben das Legionskastell."
    Unwillkürlich irrte mein Blick zu Tante Venusia – denn ihre Pläne bezüglich meiner Zukunft liessen mir das ruhige Kastell im Grünen (Eintritt für Frauen verboten) seit neuestem wieder unheimlich verlockend erscheinen.
    "Da bist du echt viel rumgekommen", meinte ich noch zu Valerias Erzählung, etwas schwärmerisch, denn ich hätte ja so gerne auch mehr von der Welt gesehen, "Was sagt denn dein Mann dazu? Und wirst du jetzt hierbleiben? Ich meine nur, diese Stadt lässt einen doch nie so richtig los, selbst uns zugereiste Provinzler nicht, als gebürtiger Stadtrömer ist das, dieser... Sog, doch bestimmt noch viel heftiger."

    Jetzt fragte ich mich, ob "meine Freundin" gleichzusetzen war mit "eine Freundin" oder mit "Freundin im sapphischen Sinne". Einerseits war es ein wirklich intensiver Kuss gewesen, den ich da gesehen hatte. Andererseit sprach sie von einem Gott, der ihr die Zeit vertrieben hatte. Aber natürlich schloß sich das beides keineswegs gegenseitig aus.
    Was war ich froh, als Celeste sich einverstanden erklärte, und zudem alles auf den Rausch schob. (Genau das hätte ich auch tun sollen, in dem Brief an Tante Lucilla, verdammt noch mal, warum hatte ich daran überhaupt nicht gedacht?! Ich war zu aufgebracht gewesen, und hatte so dafür gesorgt, dass das Kind jetzt vollends in den Brunnen gefallen war.)
    "Ja. Genau. Der Rausch." Ich lachte künstlich und hob die Handflächen in einer hilflosen Geste gen Decke.. "Ja, im Rausch, da tun man Dinge.. also, Dinge..." Ich schüttelte entschieden den Kopf und presste streng die Lippen zusammen. "Die man sonst niemals tun würde."
    Und jetzt ganz schnell zu etwas anderem...
    "Nein, nein, du störst überhaupt nicht. Wollte nur was holen. Mach ruhig weiter. " Ich ging zu der Truhe und kramte in meiner Tasche nach dem Schlüssel. "Und das macht überhaupt nichts. Weißt du, ich bin sehr froh, dass du dich so gewissenhaft darum kümmerst. Wirklich sehr froh. Es zeigt sich ja auch schon an den Erträgen."
    Den Schlüssel hatte ich gefunden, blieb aber stehen, ihn in der Hand haltend, und musterte Celeste, die zierliche Bezwingerin der Papyrusberge. "Und... wie ist es eigentlich bei Dir so, bist du zufrieden mit der Arbeit?"

    Arme Alaina. Erst wurde sie in einer dunklen Gasse grausam erwürgt, und dann benutzte ich ihren Tod auch noch als Vorwand, um mich unauffällig meinem Meditrinalia-Liebhaber zu nähern. Es war ein eiskalter Winternachmittag, die Sonne war nur ein blasse Ahnung von Zitronengelb am pastellweißen Himmel, und in den Schatten der Häuser lag noch immer der Rauhreif. Mein Atem gefror, und das Metall meiner Lorica war so kalt, dass man beinahe daran festfror. Ich war in voller Montur, gerüstet und behelmt, eingehüllt in eine warme dunkelrote Paenula. So marschierte ich den Quirinal hinauf, erreichte die Villa Flavia, und obgleich ich den festen Vorsatz hatte, Vergangenes ruhen zu lassen, stand es mir sofort wieder lebhaft vor Augen: an genau dieser Strassenecke hatten Hannibal und ich uns geküsst, zum Abschied. Und in genau dieser Villa, in die ich jetzt hinein wollte, hatte er mir den Laufpass gegeben.
    Vielleicht sollte ich doch lieber ein kleines Billet schreiben... Aton und ich könnten uns ja woanders treffen, zum Beispiel geheimnisvoll in einer geschlossenen Sänfte, nachts im Erostempel vor der Stadt, oder etwas in der Art – wäre sicher sehr romantisch. Aber nein, ich durfte mich nicht von solchen Gespenstern beherrschen lassen. Ihnen entgegenzutreten war bekanntlicherweise der beste Weg sie loszuwerden. Und glücklich zu sein, auch das vertrieb die Lemuren. Ich war wahnsinnig glücklich, seit ich Atons Liebes- nein, seien wir vorsichtig und sagen wir lieber: - Leidenschaftsbrief erhalten hatte.


    Entschlossen klopfte ich an, dann sprach ich mit seriöser Miene zum Ianitor:
    "Salve! Ich bin Centurio Decimus Serapio von den Stadtkohorten, und ich würde gerne den Hausherrn sprechen, so er denn anwesend ist. Es geht um eine ehemalige Angestellte dieses Hauses, die bedauerlicherweise Opfer eines Verbrechens geworden ist. Ich habe ein paar kurze Fragen zu ihrer Person."
    Hoffentlich war er da... Ich hatte bewusst eine Zeit gewählt, zu der die Senatssitzungen für gewöhnlich vorbei waren. Hach, war ich aufgeregt...

    Und ich entdeckte gleich noch eine Gemeinsamkeit – so ganz unbefangen schien mir Celeste hier bei dieser Begegnung auch nicht zu sein. Ich kniff argwöhnisch die Augen zusammen, bei ihrer launigen oder auch provokanten Bemerkung und musterte sie mit leicht schräggelegtem Kopf.
    "Ja... ich hatte jede Menge Spass." Ich lächelte sie zuckersüß an. "Du ja auch, wenn ich mich recht erinnere, liebreizende... Celeste."
    Es war eine Pattsituation.
    Mir kam der Gedanke, wie riskant es war, sie mit dem Wissen über mich hier in der Casa herumschwirren zu haben.. ob ich sie entlassen sollte? Aber dann wäre sie bestimmt sauer, und würde mich um so eher verraten... Und fair wäre es auch nicht. Und dann müsste ich mich wieder selbst mühselig, im Schweiße meines Angesichts um all die furchtbaren Papyrusberge, die endlosen Zahlenkolonnen und Warenauflistungen kümmern, die Celeste so scheinbar mühelos im Griff hatte... Nein, unmöglich, ganz ausgeschlossen.
    "Ich denke, wir sollten uns darauf einigen, dass der Nebel um den Olymp äusserst dicht und, ähm, vollkommen undurchdringlich ist... abgesehen für die verfluchten Parzen... Einverstanden?"

    Ich hatte richtig Hunger, und belud mir ein Brot mit Eischnitzen, vielen Muscheln, und kleckste reichlich Garum darüber. Darum musste ich erst mal aufkauen, und winkte Matticus nur mit der Hand, als er schon wieder aufbrach, winkte entschuldigend zu meinem Mund hin, als Valeria mir eine Frage stellte.
    "Ich bin Centurio bei den Stadtkohorten", verkündete ich dann, als es mir wieder möglich war. "Zuerst war ich bei der Legio Prima, aber nach dem Krieg wurde ich dann hierher versetzt." Und ich gab auch gleich noch ein bisschen mit meiner Schwester an. "Seiana schreibt für die Acta, und ist eine angehende Gelehrte. Sie war sogar schon am Museion in Alexandria." Ich grinste meiner Schwester zu, die jetzt bestimmt gleich behaupten würde, ich würde übertreiben.
    "Ja, wir kommen aus Tarraco, sind dort aufgewachsen. Woher stammst du denn? Und habt ihr das eigentlich ernst gemeint, mit der Kollegin, eben?" Dann müsste Valeria ja eine Advocatin sein, oder eine Medica. Nicht schlecht.

    Es gab eine Menge Unausgesprochenes, das mir auf der Seele lastete. Da war es unglaublich... angenehm, die Anteilnahme meiner Schwester zu spüren. Nach und nach legte sich eine wohlig-wolkig-weiche Schwere über die Dinge, und ich hörte auf, darüber nachzudenken, was ich sagen sollte und konnte und was nicht... Ich ließ mich einlullen vom Hanf und von Seianas Verständnis, vergass ganz die Machtfrage, und dass ich meiner großen Schwester doch eigentlich hatte zeigen wollen, wie souverän und stark ich war. Sie sagte, ich solle auf mich aufpassen, und rechtzeitig aufhören. Das war süß.
    "Einer muss es aber tun. Andere sind irgendwo an den Grenzen stationiert, und riskieren da ihr Leben. Einfach aufhören geht nun mal nicht... Und was würde die Familie dann denken. Nee, nee... Aber ich komme schon klar, weißt du, allein es mal zu erzählen, so wie jetzt, das macht es echt schon viel besser, ehrlich..."
    Auf dem Feldzug, da waren meinen Kameraden manchmal wahrscheinlich fast die Ohren abgefallen, besonders Sparsus, weil ich mir immer alles von der Seele reden musste. Hier bei den Cohortes war das etwas anders, mein Rang grenzte mich von der Mannschaft ab, und die Atmosphäre war auch eine ganz andere.


    Auch als das Thema dann in Folge auf diesen sehr, sehr wunden Punkt kam, hätte ich Seiana am liebsten einfach alles erzählt. Wem, wenn nicht ihr konnte ich es sagen? Sollte ich sie etwa anlügen, wie ich es bei Tante Venusia getan hatte? Nein... lügen war hässlich... und vor allem so anstrengend... und es machte einsam. Ich hatte es satt, immerzu mein Geheimnis mit mir herumzuschleppen, ständig auf der Hut zu sein. Aber ich tat das schon so lange, dass es mir schier undenkbar schien, es jetzt einfach sein zu lassen.
    "Er war... geheimnisvoll", sagte ich leise, und mir war, als würde der Nebel immer dichter und ich würde mich dadurch vorantasten, unbeholfen, Schritt für Schritt, immer nur ratend, immer nur irrend. "Jemand, der sich nicht gerne in die Karten blicken lässt. Und widersprüchlich... manchmal sehr hilfsbereit... und mutig, er hat mir geholfen, damals als ich alleine in Rom war und so... abgedriftet bin, hat mich bei sich wohnen lassen, und mich verteidigt, als ich in richtig schlimmen Schwierigkeiten war... und dann war er wieder kalt und schroff und düster. Einmal hab ich in einem Strassentheaterstück von ihm mitspielen dürfen, also, nur so was ganz kleines, aber es war ein voller Erfolg. - Ich glaube, er war auch in nicht so ganz legale Sachen verwickelt... Aber ich habe ihn nie durchschaut... Anfangs wusste ich nicht, dass er ein Sklave war, er wirkte auch gar nicht so, ganz im Gegenteil. Dass er als Sklave geboren wurde, das kann eigentlich nur ein entsetzlicher Irrtum gewesen sein, so eine Art Flüchtigkeitsfehler im Kosmos. - Ich weiß auch gar nicht was genau er überhaupt getan hat, dass sie ihn......"
    Meine Augen quollen über, und ich wischte mir verstohlen die Feuchtigkeit von den Wangen, schniefte leise. Wann würde ich endlich über diese Sache hinweg sein! Ich spürte Seianas Präsenz neben mir, tröstlich und nah. Die Tränen runterschluckend, zog ich die Beine an mich, und umschlag meine Knie mit den Armen.
    "Seiana...", murmelte ich mit erstickter Stimme, und blickte eindringlich in ihr rauchumwogtes Gesicht, "kannst du ein Geheimnis bewahren?!"