Beiträge von Faustus Decimus Serapio

    Umfangen von einem schaurigen Durcheinander von damals und jetzt, schaufelte ich Erde auf die Flammen. Die Schreie, das Tosen der Feuersbrunst, das Klirren von Waffen... oder Dachpfannen...., das Krachen brechender Lanzenschäfte... oder Dachsparren... umgaben mich wie ein Orkan, und kaum nahm ich wahr, dass wir inzwischen Verstärkung bekommen hatten... äusserst zahlreiche und professionelle Verstärkung, die der Flammenwand... dem Hausbrand... systematisch zu Leibe rückte. Der Ruf eines Kameraden drang durch den Lärm und das Chaos hindurch bis zu mir, ich blickte durch eine Wolke von Russ zu ihm hin - ja, Macro, mein Gefährte in der Schlacht, der war natürlich auch hier...
    Hätte ich in jenem Moment klar denken können, so hätte ich sicherlich beschlossen, das ganze den Vigilen zu überlassen, denn natürlich war es besser, wenn Peregrine oder Freigelassene Kopf und Kragen riskierten als wenn römische Soldaten das taten. Jedoch - ich dachte alles andere als klar. Zwei Menschen waren da drin... die Kameraden kämpften, abgeschnitten von den Flammen, um ihr Leben... bedrängt vom tückischsten aller Feinde... Macro und ich mussten sie da rausholen, keine Frage. Treue, Ehre, Mut, nicht wahr?


    Mit einer schnellen Armbewegung winkte ich Macro zu mir. Ich riss mein Sagum von den Schultern, tränkte es in einem der Wassereimer, die von Hand zu Hand gingen.
    "Wir gehen jetzt da rein." Einen ganz kurzen Moment lang, sahen wir uns in die Augen - und ich denke wir verstanden uns ohne Worte. 8)
    Ich ging voran, durch das Vestibulum, in dem das Atmen schon schwerfiel. Die Fauces waren ein schwarzer Schlund, erfüllt von dichtem Qualm. Mit tränenden Augen und keuchendem Atem rückten wir vor, entlang der Wand, immer tiefer in die Gluthitze. Ich schlang mir den nassen Mantel um, duckte mich dann hastig unter meinen Schild, als ein grosses Stück der Vertäfelung herunterbrach, und, eine rote Spur hinter sich ziehend, zu Boden polterte. Asche stob uns entgegen, feine grauweisse Flocken, als wir den Eingang zum Atrium erreichten - es war bizarr, sah fast schön aus, genau so würde ich mir einen Schneesturm vorstellen...

    "Danke sehr, vale!"
    Ich marschierte weiter, die Treppe hinauf, und dachte zum einen darüber nach wo ich diesen Namen schon mal gehört hatte, zum anderen wie man sich bloss mit einer so undezenten Perücke unter die Leute wagen konnte. Modestus, Annaeus Modestus, ach ja, der war doch senatorischer Tribun bei der Prima gewesen. Ich hatte nie mit ihm zu tun gehabt, mich aber natürlich auch an den Lästereien der Soldaten beteiligt, um die wohl kein Tribunus Laticlavius drumherumkam. So erreichte ich das erste Stockwerk und machte mich auf die Suche nach der richtigen Türe.



    Simoff: Ok :)

    Bona Dea, was für ein mörderisches Unwetter! Und das ganz plötzlich! So bedrohlich türmten sich die Wolken, zuckten die Blitze über den flammenden Himmel, dass ich die Patrouille, mit der ich in der Stadt unterwegs war, erst mal unter das Dach einer öffentlichen Säulenhalle führte, da stellten wir uns unter, während die Elemente tobten, und warteten das schlimmste ab. Manche beteten leise, andere starrten, wie ich, einfach nur furchtsam und gebannt zugleich, zum Himmel hinauf, an dem der Zorn der Himmlischen mit unsagbarer Pracht und Gewalt losgebrochen war. Das Grollen, abgrundtief wie der Klang parthischer Kriegstrommeln, liess mir kalte Schauder über den Rücken laufen. Dann war es, mit einem letzten gewaltigen Donnerschlag, auf einmal vorbei. Ich hätte erwartet, dass es jetzt regnete, aber nur ein seltsamer warmer Wind schlug uns entgegen, als ich die Männer wieder in Richtung Castra führte. Es dämmerte bereits, und mit Anbruch der Nacht würden die Vigilen das Patrouillieren der Strassen übernehmen. -
    Ein sehr merkwürdiger warmer Wind war das... - der einen brandigen Geruch mit sich brachte! Ich sog die Luft ein, witterte wie ein Tier. Kein Zweifel... es war ein Geruch bei dem vor mir endlose Aschefelder auftauchten, und ein Fluss, an dem eine schmale Strasse entlangführte, daneben steile, kahle Hügel... Sogar ein paar feine Ascheflocken schwebten uns nun mit dem Wind entgegen, und als ich wieder zum Himmel hochblickte, sah ich den Rauch - eine pechschwarze Säule vor dem dämmrigen Abendhimmel. Verdammt. Ich starrte, überwältigt von dem Anblick, und von bösen, bösen Erinnerungen da hinauf, sog scharf die Luft ein und gab erst dann den Befehl:
    "Milites, cursim peergite! Los, los!!"


    An der Spitze der Soldaten lief ich die Strasse entlang, an prachtvollen Villen vorüber, auf die Rauchsäule zu. Bald konnten wir ihren Ursprung sehen, einen gewaltigen Brand, der eine grosse Villa ergriffen hatte. Die Flammen loderten wild oben aus dem Dachstuhl, und pechschwarzer Qualm verbreitete sich, wurde vom Wind in grossen Fetzen losgerissen und davongetrieben. Funken stoben. Nicht auszudenken wenn das Feuer auf die anderen Häuser übergriff, eine Feuersbrunst war das schlimmste was unserer Stadt passieren konnte. Wenigstens standen hier die Häuser in recht grossen Abständen... Ich schmeckte meine Furcht von damals wieder, wie Metall in meinem Mund. Tief atmete ich durch, und versuchte ruhig zu bleiben.
    Vigilen waren noch keine eingetroffen. Dafür standen so einige Leute auf der Strasse rum und begafften das Spectaculum. Ruppig schoben wir sie beiseite
    "Coonsistite." An einen der Männer gewandt, die auf der Strasse herumstanden, drängte ich: "Sind da noch Leute drin?"
    Aber er meinte bloss: "Das weiss ich nicht."
    "Wo ist der nächste Brunnen?"
    "Dort an der Ecke."
    Gut... "Ruhig Blut Milites." Das galt mindestens genauso sehr für mich. "Du und du, ihr lauft sofort zum Brunnen und holt Wasser mit den Helmen. Damit tränkt dann jeder sein Focale und bindet es sich vors Gesicht. Agite! - Du und du, ihr treibt Eimer auf, und bringt die Leute dazu, dass sie eine Kette bilden und beim Löschen helfen. - Wir hier schippen die Erde aus dem Garten da auf unsere Scuta und gehen erst mal damit gegen die Flammen an."
    Ich bedeutete jedem seine Aufgabe, und die Männer machten sich ans Werk. Ob wir eine Chance hatten das zu löschen, wusste ich nicht, ich war ja kein Vigil, aber ich hoffte dass wir das Feuer wenigstens an der Ausbreitung hindern konnten. Ausserdem schickte ich einen flinken Soldaten los um Verstärkung zu holen.


    Die Flammen brausten, brüllten, die Hitze schlug mir ins Gesicht als ich näher ranging und der Rauch kratzte in der Kehle. Mir war als hörte ich Waffenlärm, und das Rauschen eines Flusses... die Schreie verbrennender Kameraden... In dem Moment war ich wieder am Chaboras... wieder voll da drin, in dem Inferno... Hastig packte ich einen der Soldaten am Arm, und befahl: "Miles! Du hältst Ausschau nach Bogenschützen! Warne uns rechtzeitig, falls die Dreckschweine wieder aus dem Hinterhalt kommen!"
    Das Wasser wurde rasch gebracht. Ich band mir den nassen Schal vors Gesicht, lud mein Scutum voll Erde und trug es zum Haus, um dort die erste Ladung auf das nächste Glutnest zu schleudern.

    "Salve Senator, salve Magistratus", grüsste einer der Torwächter, und überlegte - ja, der Praefectus Urbi war vorhin reingegangen, aber noch nicht wieder rausgekommen.
    "Wenn ich bitten darf die Arme zu heben - zur Durchsuchung auf Waffen. Reine Routine."
    Schon trat er auf die Besucher zu, um erst den Germanicer, dann den Octavier dieser Prozedur zu unterziehen.





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    Jedesmal, wenn ich in meine neue Unterkunft reinkam, freute ich mich aufs neue wie ein Schneekönig hier wohnen zu dürfen. Lächelnd kramte ich einen Schlüssel hervor und machte mich an der Kiste zu schaffen.
    ~"Das Huhn, ja das Huhn, sperr es erst mal da in den Nebenraum. Ich will, dass du ihm nachher einen kleinen Stall baust. Den stellen wir dann hinter der Baracke auf."~
    Ich war wirklich gespannt ob es Eier legen würde. Das wäre nicht schlecht, so zum Prandium. Nachdem der Parther sich des armen Viehs vorerst entledigt hatte, beschloss ich, ihn ein bisschen herumzuführen, und mit seinen Pflichten vertraut zu machen. So liess ich die Kiste erst mal stehen.


    ~"Komm, ich zeige Dir wo was ist. Hier der Wohnraum, klar, hier das Schlafzimmer. Zu deinen Aufgaben gehört es ab jetzt auch, für das Feuer im Ofen zu sorgen."~ Ich wies auf die daneben aufgestapelten handlichen Holzscheite. ~"Wenn das Holz alle ist, musst Du welches hacken, gelagert wird es dem Schuppen da drüben."~
    Ich öffnete das Fenster, zeigte ihm welches der Gebäude ich damit meinte, und fuhr mit meinen Anweisungen fort. In sachlichem Tonfall, aber mit einer hämischen Freude daran, dass der parthische Reiter mir dienen musste. Und nicht ich ihm. Sicherlich würde er auch noch andere Aufgaben für mich erledigen - mir schwebte da schon was vor - aber im Alltag würden es doch eher die ungeliebten Haushaltspflichten sein, die ich mit Freude auf ihn abwälzte.
    ~"Du wirst also vor mir aufstehen, Feuer machen, und das Frühstück vorbereiten. Du bist der einzige Sklave den ich habe, also obliegt es dir auch, hier sauberzumachen, das Korn zu mahlen, und den Puls zu kochen. Lass Dir von den Soldaten zeigen wie man das macht. Und meine Rüstung putzen musst du auch. - Hm, schlafen kannst du da in der Kammer, wo jetzt das Huhn ist, wir besorgen gleich noch einen Strohsack für Dich."~
    Irgendwie fand ich die Aussicht, dass noch jemand hier schlafen würde, auch ganz gut, selbst bei einem jemand wie Ziaar - es würde dann hoffentlich nachts nicht mehr so still sein.


    Danach führte ich ihn durch die Baracke, und führte ihn den Soldaten vor, damit sie sein Gesicht kannten. Musca, der auch darunter war, hatte mit diesen besagten Parther ja schon Bekannschaft gemacht, und verzog verächtlich das Gesicht bei seinem Anblick. Auch draussen drehte ich noch eine Runde mit Ziaar, und zeigte ihm wo er was finden konnte. Ein paar Latten, Werkzeug und Stroh liess ich ihn gleich mitnehmen, für den Hühnerstall.
    ~"Gut"~, meinte ich, als wir dann schliesslich wieder zurück in der Unterkunft waren, ~"alles verstanden soweit? Fragen?"~
    Dabei hob ich schon den Deckel der Truhe an, denn ich war ungeduldig sie endlich auszuräumen. Schriftrollen kamen da zum Vorschein, und ein paar zusammengelegte zivile Kleidungsstücke.

    Beschämt betrachtete ich den Fussboden, sehr eingehend. Aber es half ja nichts, ich musste es doch aussprechen, und meine Schmach kundtun..
    "Ich bin... früher... einmal von den Urbanern verhaftet worden. Und sass ein paar Tage im Carcer, in Untersuchungshaft. Weil ich... was geklaut hatte..." gestand ich kläglich, und spürte dabei wie mir das Blut ins Gesicht stieg. Nur der Harnisch, der meinen Oberkörper fest umschloss, gab mir noch etwas Halt, und verhinderte, dass ich mich auf der Stelle auslöste, und zu einem Häufchen Elend zerfloss.
    "Der Bestohlene hat aber keine Anklage erhoben, und, naja... mein Onkel, der Legat, hat mich dann da rausgeholt. Danach habe ich beschlossen ein anständiger Mensch zu werden. - Centurio Flavius, ich bereue das von damals ungeheuerlich! Ich habe wirklich mit all dem seit langer Zeit abgeschlossen, aber neulich bin ich zufällig dem Princeps Prior begegnet, der mich damals verhaftet hat, er ist jetzt nicht mehr Princeps Prior, aber er muss mich wiedererkannt haben, denn jetzt ist der Princeps Prior Peltrasius auf mich zugekommen, und er weiss über alles Bescheid, und will mir einen Strick daraus drehen, dass ich bei der Rekrutierung nichts davon gesagt habe, und will das ganze bekannt machen..."
    Händeringend beschwor ich den Flavier: "Centurio, Du bist meine letzte Hoffnung! Bitte urteile Du über mich, und sprich mit Peltrasius, ich habe lange genug unter Dir gedient um zu wissen dass Du immer gerecht bist, ich lege mein Schicksal in Deine Hände!"

    Während des Feldzuges, als der vermaledeite Sand allgegenwärtig war, war es einer meiner sehnlichsten Wünsche gewesen, einmal wieder die wunderbaren Thermen hier zu besuchen, und es mir einfach nur ausgiebig gut gehen zu lassen, mit einer langen Massage zum Abschluss - mit Zimtöl! Doch so lange ich auch schon wieder in Rom war, ich hatte nie die Zeit dafür gefunden, ich ging immer nur schnell in die Lagerthermen in der Castra Praetoria. Aber heute hatte ich ausnahmsweise mal mit gutem Gewissen früh Schluss machen können, und da hatte ich beschlossen, den Rest des Nachmittages einfach nur der Entspannung zu widmen. Die Castra würde ja wohl nicht abbrennen, sagte ich mir, oder meine Centurie von einem wütenden Mob aufgerieben werden, nur weil ich nicht da war. Nein, die Gräberfelder waren voll von unersetzlichen Menschen. Und es gab ja auch noch den Optio.
    Ausserdem fühlte ich mich zur Zeit oft so furchtbar erschöpft, ständig angespannt, immer unter dem Druck so viel auf einmal zu erledigen, und das gut, ich wollte ja keine halben Sachen machen. Dazu schlief ich meistens schlecht. Und dann der Liebeskummer. Ich brauchte wirklich dringend eine Massage mit Zimtöl.


    Im Apoditerium legte ich meine Kleidung ab, schlang mir dann sofort ein Tuch recht hoch um die Hüften, und knotete es gut fest. Ich gab einem Sklaven einen Obolus damit er auf meine Sachen aufpasste, und trat in die herrlichen Hallen der Agrippa-Thermen. Das war wirklich ein Vermächtnis, dachte ich, als ich den Blick hinauf zu den prachtvollen Kuppeln, über die Mosaiken und mannigfaltigen Bassins schweifen liess, das Rom viel Gutes gebracht hatte. Vielleicht sogar mehr als die Feldzüge des Agrippa? Nein, das konnte man natürlich nicht vergleichen.


    Da ich heute nicht lange auf dem Campus gewesen war, begab ich mich zuallererst in den Innenhof, zur Palaestra, um ein paar Runden zu laufen. Es war relativ wenig los, was an der kühlen Luft liegen mochte. Ich fröstelte, als sie über meine blosse Haut hinwegstrich, und bekam eine Gänsehaut. Kurz blickte ich zum Himmel hinauf - er zeigte sich in einem lichten Grau, diffus bewölkt - dann lief ich los, barfuss über den Sand, der angenehm rauh unter den Fussohlen war. Von Anfang an legte ich ein schnelleres Tempo vor, um warm zu werden. Ich war gut im Training und lief stetig, mit federnden Schritten meine Runden. In der Mitte des Platzes hatten sich mehrere Paare von Ringern gefunden, die sich verbissen mit harten Griffen traktierten. Einer von ihnen hatte das wirklich drauf, und schleuderte seinen Gegner gerade mit Schwung auf den Rücken. Da lag er erstmal, wie ein Käfer.
    Daneben warfen sich zwei Knaben einen Lederball zu, und am Rande des Platzes stemmte einer Sandsäcke. Schliesslich kam ich zum Halten, verschwitzt aber nicht allzu sehr ausser Atem. Die Ringer zu beobachten, hatte mir Lust gemacht, das auch noch zu tun, bevor ich mich strigilen liess und dann in die Fluten stürzte. Mit dem Handrücken wischte ich mir eine Schweissperle von der Braue, und blickte mich nach einem potentiellen Trainingspartner um. Der Sandsackstemmer sah mir aber zu gewaltig und brutal aus, ein anderer Läufer hingegen zu schmächtig...
    "Salve" wandte ich mich dann einfach an den dritten Mann, den mein suchender Blick traf, "hättest Du vielleicht Lust auf einen kleinen Ringkampf?"






    Simoff: Die Rolle "Dritter Mann" ist schon gecastet worden ;)

    Verdammt. Ich hasse es wenn man über mich lacht, es gibt kaum etwas was ich so sehr hasse wie wenn man über mich lacht. Und das ganze auch noch vor einem mir unterstellten Soldaten. Ich hasste den blöden Spitznamen, der klebrig war wie Pech. Ich hasste Decius grinsende Lippen, die sich wie fleischige Schnecken wölbten, als er lachte, und ich hasste seinen auf und nieder wackelnden Bauch.
    Ruhig Blut, Soldat. Bleib kühl. Ganz kühl. Ich verbiss mir mit Mühe das Aufbrausen, ertrug verkniffen das Lachen. Dann, als er fertig gelacht und gehustet hatte, fasste ich Decius kalt, eisig kalt, ins Auge, und erwiderte ihm schroff:
    "Ganz recht. Bei den CU. Du kannst Centurio Decimus zu mir sagen."
    Darauf sah ich mich in dem Raum um, betont unbeteiligt, auch wenn ich innerlich brodelte. Ich hoffte, irgendwas zu finden, um Decius mit Recht Ärger zu machen. Wenn man über mich lacht, dann werde ich sehr nachtragend. Kurz sah ich auch zu Redivivus, ich wollte sehen wie er reagierte, und fürchtete er könnte jetzt auch grinsen...
    "Miles, zeig dem Mann unser Fundstück", befahl ich, "und befrag ihn dazu."
    Ich selbst trat derweil zum Fenster. Ein kühler Luftzug kam herein, die Flügel der Fensterläden standen sperrangelweit offen. Und irgendwas kam mir komisch vor. Ich meinte, ich hätte doch lauter Blumentöpfe gesehen, als ich zu der Wohnung hoch geblickt hatte. Jetzt klaffte da eine Lücke. Ich beugte mich hinaus, blickte auf das Dach eines Schuppens hinab, und auf den Hof. Da lagen lauter kaputte Schindeln, und mittendrin die Überreste einer kleinen Malvenstaude. Es war ein Bild des Jammers. Die blasslila Blüten, die dem Herbst bis jetzt getrotzt hatten, lagen zerstreut und zerdrückt inmitten der Scherben... Mein erster Gedanke: Arme Fabula!

    Klack. Klack. Klack machte es bei jedem Schritt, als ich auf den Empfang zumarschierte. Gerüstet und behelmt war ich, mit sorgfältig drapiertem Sagum und überhaupt eine äusserst akkurate Erscheinung. Der Boden entpuppte sich als ziemlich glatt für genagelte Sohlen, ich musste darauf achten nicht auszugleiten. War das nicht das Gebäude, in dem neulich auch wegen eines Mordverdachtes ermittelt wurde? Ich war überrascht wie gross das hier war, aber klar, hinter den ganzen vielen Tempeln musste ja ein Haufen Bürokratie stecken, wie bei den Truppen auch. Ich nickte dem Mann am Empfang zu, und brachte mein Anliegen vor.
    "Salve! Centurio Decimus Serapio. Ich benötige einige Informationen zu ausländischen Kulten und Aberglauben, würdest Du mir bitte sagen an wen ich mich da wenden kann?"

    "Na los Serapio, sprich sie an!"
    "Silio, Du weisst doch genau dass ich..."
    "Ja genau, und das ist Dein Problem! Du musst mal lockerer werden mit den Frauen, Dich an sie gewöhnen. Ist alles Gewöhnungssache, sag ich Dir."
    "Ach ja? Hast Du's denn mal umgekehrt versucht?"
    "Ich?? Wo denkst du hin?? Ich? Pah! - Aber schau sie Dir doch mal an, die ist doch echt zum Anbeissen!"
    "Ja klar ist sie hübsch, das seh ich auch, ich bin ja nicht blind, aber...ich weiss nicht..."

    Seitdem ich mich neulich mit Silio wieder zusammengerauft hatte, versuchte er erneut und immer wieder, mich von den Vorzügen der Frauenwelt zu überzeugen. So auch heute. Wir standen zusammen an der Rückseite eines Gebäudes, in dem sich ständig ein Posten der CU bereithielt. Dort hatten wir an diesem Vormittag Dienst, aber es war eine ziemlich friedliche Gegend, am Rande eines gepflegten Parks, mit gutbürgerlichen Strassenzügen drumherum, so dass fast nie was zu tun war. Kurz, wir langweilten uns, und waren rausgegangen um uns, gut ausser Hörweite der anderen, lässig an der Mauer lehnend, ganz normal und ohne Hierarchiefloskeln zu unterhalten.


    Der kleine Park lag in herbstlicher Tristesse vor uns, die Bäume reckten die entlaubten Äste in den grauen Himmel, und der kalte Wind zerrte an meinem Sagum. Die aparte junge Frau, die sich in einiger Entfernung auf einer Bank niedergelassen hatte, schien das Wetter aber überhaupt nicht zu stören. Wir standen halbverdeckt von einer Pinie, und konnten sie ungeniert betrachten.
    "Sag mal, wann hattest Du zuletzt eine Frau?"
    "In Syrien..."
    "Auf der Hin- oder auf der der Rückreise?"
    "Hin..."
    "Hin?"
    Silio sah richtig entsetzt aus. "Bei Venus Titten, kein Wunder dass Du so verklemmt bist, wenn das schon so ewig her ist!"
    "Ich bin nicht verklemmt"
    , grollte ich, "ich habe nur andere Interessen."
    "Serapio mein Freund"
    , erwiderte Silio, und legte mir gewichtig die Hand auf den Arm, "versuch doch einfach mal normal zu sein. Du wirst Dich dran gewöhnen, und irgendwann wird es ganz natürlich für Dich sein. Sprich Mädchen auf der Strasse an, geh zu Festen und rempel hübsche Frauen an wo es nur geht! Das wird schon werden. Du musst nur mal den ersten Schritt tun!" Er grinste. "Und zwar die Kleine da drüben ansprechen. Ist ganz harmlos."


    "Normal sein ist langweilig. So gewöhnlich. Und unsere Gesellschaft ist einfach nur prüde, und pflegt eine heuchlerische Doppelmoral!" Aber tatsächlich, manchmal fand ich den Gedanken schon verlockend, in dieser Hinsicht so zu sein wie alle anderen auch. Ich glaubte bloss nicht dass es möglich war. Gut, so mit sechzehn, siebzehn, hatte ich schon auch mal was mit einem Mädchen gehabt, vor allem mit Cygna der Makedonin. Und noch früher in Tarraco hatte ich heftig für Elena, die Sklavin meiner Schwester geschwärmt, bloss war ich damals zu schüchtern gewesen um mehr zu tun, als ihr dezente Andeutungen zu machen und zarte - und ich fürchte ziemlich schlechte - Gedichte zu schreiben. Ja, so war das gewesen, aber sobald ich die Männer entdeckt hatte, hatten die Frauen rapide an Reiz verloren.
    "Du traust Dich nicht."
    "Doch. Aber ich bin im Dienst."
    "Um so besser! Die Frauen stehen auf Männer in Rüstung."

    Ich lachte leise, und spähte zu der jungen Frau hinüber, die sich nicht vom Fleck gerührt hatte. Sie hatte zwei Begleiter bei sich, Bedienstete wohl.
    "Ich wette Du traust Dich nicht. Um einen Krug Massiker wette ich, dass Du dich nicht traust."
    "Hm... die Wette nehme ich an. - Aber was soll ich denn sagen?!"
    "Sag: 'Hat das wehgetan?'..."
    "Wie, was?"
    "...'als du vom Himmel gefallen bist'"
    "Dea Dia, der Spruch ist ja bescheuert!"
    "Es kommt darauf an wie Du es sagst."


    Ich schüttelte den Kopf. Dann stiess ich mich von der Mauer ab, und warf mit kühnem Schwung meinen Mantel über die Schulter.
    "Ich spreche sie jetzt an."
    Silio grinste breit. Ich grinste zurück, sagte mir Auf in den Kampf, und schlug einen Bogen um das nächste Gehölz, um dann langsam den Weg entlangzugehen, der auf die besagte Bank zuführte. Blätter raschelten unter meinen Füssen, mein Cingulum militare klimperte leise, und mein scharlachrotes Sagum bauschte sich im Wind. Unaufhaltsam kam ich der Bank, und damit der Frau näher - eine zierliche Brünette, deren Haar fedrig leicht im Wind schwang, und um die ein Hauch von Schwermut in der Luft lag. Ein schönes, still herbstliches Bild war das, man hätte es malen sollen. Nein, so einen plumpen Spruch konnte ich da nicht bringen. Aber was dann? Ich war schon ganz nah, und weil mir einfach nichts spektakuläres einfallen wollte, wurde es eben sehr unspektakulär. Aber vielleicht würde die Rüstung es ja rausreissen.
    "Salve!"
    Ich blieb stehen, heftete die Augen auf die junge Frau, und lächelte strahlend, etwa so als hätte ich unversehens eine Kiste voll funkelndem Gold am Wegesrand entdeckt, um mich dann in meinem charmantesten Tonfall zu erkundigen:
    "Ist das nicht etwas kalt?"

    Es war in der ersten Nacht in meiner neuen Unterkunft, als ich aufwachte, und eine tiefe Stille um mich spürte. Um mich, im Raum, und ebenso auch in mir, meinem Bewusstsein, hatte sie sich ausgebreitet und alles andere verdrängt. Sie lastete schwer, war kaum zu ertragen, und da gab nichts, mit dem ich sie hätte vergleichen können. So lag ich.... blickte in die Dunkelheit.... und wartete... ich weiss nicht worauf. Schliesslich war es das Geräusch meines Atems, das sich ganz langsam wieder in den Raum vortastete. Auch das Klopfen meines Herzens nahm ich wieder wahr, und wie es das Verrinnen der Zeit anzeigte. Ich konnte nicht länger still daliegen, erhob mich schnell und ging nebenan in das grosse, fast leere, Zimmer.
    In der Feuerstelle dort glommen rot ein paar Glutreste. Ich setzte mich davor, schob einige Späne hinein, und betrachtete wie sie sich langsam schwärzten und Feuer fingen, dann legte ich ein Scheit nach und fachte die kleinen Flammen mit meinem Atem an. Ihr Schein spiegelte sich in den blanken Metallsegmenten meiner Rüstung wieder, und auf dem Helm, die in der Ecke auf einem hölzernen Ständer drapiert waren... sie sahen so aus, als könnten sie jeden Moment zum Leben erwachen und ohne mich davonmarschieren.
    Unweigerlich schweiften meine Gedanken zu Hannibal. Ständig versuchte ich mir einzureden, dass es gut war, dass ich seine Verlogenheit gesehen hatte, dass ich nun von einem üblen Wahn geheilt war, und dass ein Sklave eben einfach von niedrigerer Natur war als ein freier Römer, punktum. Aber in den Flammen stieg sein Bild vor mir auf, blickten mir seine dunklen Augen unergründlich entgegen. Ich kratzte an den Brandblasen an meiner Hand herum, und starrte lange ins Feuer. Tagsüber hatte ich genug zu tun, da gelang es mir ganz gut das ganze auszublenden, aber nicht in der Nacht, in der Stille.


    Die Dunkelheit begann schon ein wenig bläulich zu werden. Ich schätzte die Stunde etwa auf die Mitte der vierten Wache, und beschloss auf den Morgen zu warten. So zündete ich mir einige Öllampen an, und suchte nach etwas zu lesen, um mir die Zeit und das Grübeln zu vertreiben. Bei den Sachen, die ich neu hierher geholt hatte, nachdem sie lange in der Casa Decima auf dem Speicher gestanden hatten, fiel mir ein Buch in die Hände, ganz zerlesen, mit Oden des Horaz. Das hatte ich früher wirklich verschlungen! Als ich es aufschlug, glitt zwischen den Seiten eine gepresste kleine Mohnblume hervor. Ich zog eine Grimasse und nahm das zarte Ding zwischen die Finger, hob es hoch und betrachtete, wie der Feuerschein hindurchfiel, und die filigranen Adern in den Blütenblättern sich abzeichneten. Kurz war ich versucht, sie ins Feuer zu werfen, aber legte ich sie doch wieder zurück zwischen die Seiten. Ruhe sanft, kleine Mohnblume.
    Den Stuhl rückte ich neben die Feuerstelle, setzte mich, legte die Füsse hoch, und hielt das Buch etwas schräg, damit genug Licht auf die Seiten fiel. So vertiefte mich in die wundervollen Oden, bis der Tag anbrach und der Weckruf der Tubae laut durch das Lager schallte.

    "Ja unbedingt!" Allerdings fragte ich mich schon, wie, oder ob, ein Blinder so eine Reise bewerkstelligen konnte. Sicherlich nur mit viel Hilfe - das musste ganz schön lästig sein, immer auf andere angewiesen zu sein. Entsetzlich! Was war ich froh, dass mit meinen Augen alles in Ordnung war. Vielleicht hatten mir die Götter den blinden Tucca heute nach über den Weg laufen lassen, damit ich mir gewahr wurde, was ich doch alles hatte. Vielleicht lag ich auch immer noch auf meinem Lager in der Castra, und träumte bloss, ich träfe einen blinden Sänger... auf dem Scheitel des Brückenbogens, einen blinden Mann, der von einem schwarzen Mann geführt wurde, und mit dem ich aus dem wüsten Wetter in die einladende Taverne ging... so betrachtet, schien mir das alles von tieferer Bedeutung, ich wusste bloss nicht von welcher. Was Musca wohl dazu sagen würde, der mir auch meinen Traum von der Hundemeute so sachkundig gedeutet hatte?
    Ich stützte das Kinn auf die Faust, und hing diesem Gedanken nach, mit einem vagen ironischen Lächeln, und geriet so in einen dieser seltenen, seltsamen Augenblicke, in denen ich mir weder der Welt um mich, noch meiner selbst in ihr, noch ganz gewiss bin. Der Tavernenlärm verschmolz zu einem flachen Rauschen, ich fühlte mich wie losgelöst, etwas unangenehm dabei, einfach merkwürdig. Ich selbst - was heisst das überhaupt ich selbst - Faustus, könnte auch von jemand ganz anderem geträumt werden, vielleicht von Hannibal, daran hatte ich schon häufiger gedacht. Geträumt, leider nicht erträumt. Wenn er die Augen aufschlug, würde ich dann verlöschen, ohne Spur, oder im Licht des Tages nach und nach verblassen, oder würde ich erhalten bleiben, als ein Bewohner des Landes hinter der hörnernen Pforte? Vielleicht fand man dort alles, was jemals ein Mensch geträumt hatte...


    Tucca sang wunderschön. Sollten wir wirklich alle nur Traumgespinste sein, musste sein Träumer ein wahrer Poet sein, oder der, der den Träumer geträumt hatte, oder der davor, oder... Nein, genug, das führte bloss ins Endlose. So klangvoll war seine Stimme, dass es mich wie zurückzog, und das merkwürdige Gefühl verging. Ich legte den Kopf schräg, lauschte andächtig, und schmunzelte über die charmante Mischung von Nostalgie und Humor in dem Lied.
    "Bravo!", rief ich begeistert als er geendet hatte, "Das trifft es genau, da bekomme ich richtig Sehnsucht gleich das nächste Schiff zu nehmen. - Du hast eine wundervolle Stimme, Tucca! Sag mal, trittst Du eigentlich auf? Ach, nein, Du sagtest ja ich soll keinem verraten dass Du singts. Aber Du solltest auftreten, unbedingt! Du bist ein Demodokos - nein ein Orpheus! Und das Lied musst Du mir beibringen."
    Ich ergriff den Krug und schenkte uns beiden die Becher wieder voll, und da sich das Ende dieser Kanne schon abzeichnete, und die Bedienung gerade in der Nähe war, winkte ich sie gleich an unseren Tisch. "Wir hätten gerne noch einen Krug. Habt ihr auch einen guten hispanischen Wein, einen feurigen?"
    "Ja, einen neuen Segovier haben wir anzubieten.", antwortete die dralle Person.
    "Dann probieren wir den - oder doch den Dalmatier? Na erst mal den Segovier, einverstanden Tucca?"


    Wer aber keinen Wein trank, das war sein exotischer Begleiter. Wenn ich den so sah, mit seiner Milch, lief es mir kalt über den Rücken. Ausserdem hatte er so gut wie gar nichts gesagt, die ganze Zeit.
    "Schmeckt das denn?" fragte ich freundlich, um ihn auch ein bisschen ins Gespräch zu ziehen, und drängelte grinsend: "Probier doch lieber auch was hiervor! Wein ist eine Gottesgabe, komm, nimm doch wenigstens einen Schluck Bacchus' zu Ehren!"
    Der Bedienung rief ich hinterher: "Und noch einen Becher bitte!" Oder ob er nichts trinken durfte, weil er Tucca führen musste? Nun ja, ein Schluck zum Anstossen würde ihn ja wohl nicht umhauen. "Woher kommst Du eigentlich, also abgesehen von Ravenna, ich meine von woher stammst Du, Tuktuk? Was macht man in Deiner Heimat für Musik?"

    Hätte ich es nicht besser gewusst, ich hätte Decius diese faustdicke Lüge glatt abgekauft. So unverfroren, so 'freundlich-harmlos' blickte er drein, dass ich unwillkürlich noch mal genauer hinsah, ob ich mich nicht vielleicht auf den ersten Blick getäuscht hatte und doch jemand anderes vor uns stand. Er war wirklich ein Meister. Ich halte mich ja, was das Schwindeln angeht, für recht talentiert, aber von Decius hätte ich noch eine ganze Menge lernen können. Redivivus blieb so ausnehmend höflich, dass mir die Idee kam, wir könnten vielleicht das 'guter Urbaner, böser Urbaner'-Spiel spielen. Ausserdem war ich ungeduldig und etwas nervös, wegen dem Rumpeln und den Geräuschen von unten.
    So lehnte ich mich gegen die Türe, um sie ein Stück weiter aufzuschieben, als Redivivus nach vorne trat. Ich zog eine finstere Miene und meinte in diesem typischen ruppigen Urbaner-Tonfall:
    "Vorerst nicht, aber wenn du uns nochmal so anlügst könnten wir glatt auf die Idee kommen dass du unsere Ermittlungen behindern willst. Mach jetzt sofort die Tür auf, Decius, wir haben ein paar Fragen."

    Als es dann schon spät war, nach dem wunderbaren Festmahl und dem Wiedersehen mit meiner Cousine, spazierte auch ich in dem Brautzug mit, der sich wie eine Schlange mit feurigen Augen durch die Stadt wand. Sehr stimmungsvoll, sehr schön war das mit den Fackeln, ich hatte mir auch eine geschnappt, und trug in der anderen Hand meinen Weinbecher, von dem ich mich nicht hatte trennen wollen. Ich für meinen Teil war ziemlich angeheitert, wie so einige, aber noch nicht so betrunken wie manche. Lauthals lachte ich über die Reime, die die beiden Glücklichen aufs Korn nahmen. Am Vortag hatte ich mir schon ein anzügliches Verslein ausgedacht, jetzt nahm ich schnell noch einen Schluck Wein um meine notabene Campus-trainierte Stimme zu ölen. Dann hob ich meinen Becher wie zum Zuprosten und legte äusserst theatralisch los:


    "Auf das Schwert des Aristides!
    Eine starke Klinge, die des
    Flaviers Ziele stösst mit Kraft,
    Massenhaft Verzückung schafft,
    Meistens steht und selten hängt,
    Tausendfach Vergnügen schenkt,
    Und zum Himmel hochgereckt,
    Jede Maid darniederstreckt! -


    Claudia kommt heut nacht in den Genuss,
    Des Centurios ruhmreichen Gladius':
    seiner Manneskraft OPTIMUS MAXIMUS!"


    Der Pulk von Soldaten, in dem ich lief, gröhlte los. Dreckiges Lachen schallte durch die Nacht, und es wurde immer wieder auf das Gladius getrunken. Ich trank mit, johlte und lachte mit, nur dummerweise alles gleichzeitig, so dass ich mich erst mal gehörig am Wein verschluckte.

    Wie machten das die professionellen Lenker der Factiones bloss, während des Rennens gezielt irgendeine Taktik zu verfolgen, nach einer bestimmten Strategie zu fahren? Geta hatte gesagt, ich solle die Pferde nicht gleich verausgaben, und Kräfte für die letzte Runde aufsparen, aber der hatte gut reden, das einzige was ich tun konnte, war wie wild vor dem Wagenknäuel hinter mir davon zu hetzen, damit ich nicht auch da hinein geriet...
    Ich glaube, es war diese Dringlichkeit, die sich meinen Pferden mitteilte - sind ja schlaue Tiere. Sie zogen wieder in perfektem Gleichklang, als wären ihnen Flügel gewachsen, und in der nächsten Kurve war ich tatsächlich wieder gleichauf mit dem Blauen. Worauf der Drecksack versuchte mich abzudrängen! Aber diesmal sah ich es kommen, und lenkte rechtzeitig eine Spur nach aussen, so war ich zwar gezwungen die Kurve in grösserem Radius zu nehmen, und fiel erneut ein Stück zurück, aber Mars und Epona sei Dank geriet ich nicht noch mal ins Schlingern wie zuvor.
    "Bastardo!", zischte ich wütend.
    So langsam wurde es persönlich, mit dem Blauen. Der Kerl hatte die ganzen Tricks drauf, das war schon deutlich, aber dafür fuhr ich ein hispanisches Gespann, und hatte mehr Sinn für meine Pferde, da war ich mir sicher, wenn ich sah wie der Blaue auf seine einpeitschte.
    Der Fahrwind brauste mir um die Nase. Ich kniff die Augen zusammen, und die Lippen, um nichts von dem Sand abzubekommen, den die Hufe vor mir aufwirbelten, beugte mich vor, über den Rand der Kanzel, und führte die Zügel mit höchster Konzentration. Na warte... Es war eine Lust zu sehen, wie die Muskeln sich wölbten unter dem rotglänzenden Fell meiner Pferde, wie ihre Adern als verästeltes Netz hervortraten, zu hören wie die Hufe machtvoll auf den Boden donnerten.
    "Vamos, vamos! Zieht an, zieht an, rennt meine Tapferen! Lauf Velox, flieg Volucer!", redete ich auf sie ein, und sie spielten mit den Ohren, streckten sich und wurden noch schneller... so dass ich mich wieder an den Blauen heranschob. Stück für Stück..... Ja! Jetzt lagen wir Kopf an Kopf!


    Fest entschlossen diesmal ihn abzudrängen, heftete ich den Blick aufs Ende der Spina, und liess mein Gespann bei jedem Galoppsprung ein Stück weiter nach innen driften, um zu versuchen ihn gegen die Bande zu drängen, so dass ich ihn dann in der Kurve den Weg abschneiden könnte - so war jedenfalls mein Plan - als ich auf einmal aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahrnahm.
    Etwas sauste blitzschnell durch die Luft heran! Reflexhaft riss ich den linken Arm hoch, um mich vor was auch immer zu schützen. So klatschte die Zunge seiner Peitsche voll auf meinen Unterarm. Das tat verdammt weh, ein übler beissender Schmerz!
    Ich fuhr zusammen, fluchte erbittert: "Cabrón!!, und zudem entglitten meiner linken Hand dadurch die Zügel. Es passierte alles so rasendschnell!
    Durch den Ruck zogen meine Pferde jetzt immer weiter nach links, immer dichter an das blaue Gespann heran, ich hörte schon ein schrilles, kreischendes Geräusch, als unsere Deichseln gegeneinander schrammten. Mit der Rechten haschte ich nach den Zügeln, versuchte sie wieder zu fassen zu bekommen. Zugleich schwang das Band der Peitsche weiter, haarscharf an meinem Gesicht vorbei (zum Glück, denn ich mag mein Gesicht, und mir reicht eine Narbe bei weitem), und legte sich beim Zurückschwingen um meinen schmerzenden Unterarm. Da ergriff die Gelegenheit und packte es - genauso wie ich das mal bei einem sehr berühmten Auriga gesehen habe - wickelte es um meinen Arm, biss die Zähne fest zusammen und versuchte meinem heimtückischen Rivalen seine Waffe mit einem Ruck zu entreissen!

    Zitat

    Original von Decima Calvia


    "Doch, das Meer vermisse ich schon..., meinte ich mit vollem Mund - schluckte dann und besann mich wieder auf meine Manieren. Die waren leider ein bisschen verkommen in der letzten Zeit, doch vor meiner stilvollen Cousine, die früher schon auch erzieherischen Einfluss auf mich gehabt hatte, wollte ich mich jetzt nicht unbedingt daneben benehmen. Aber komisch, sie ass ja fast nicht!
    "Du muss unbedingt davon probieren!" Enthousiastisch zeigte ich auf die Siebenschläfer. "Ganz phantastisch!" Ich selbst kostete mich weiter durch, und widmete mich dann besonders einem Kapaun.
    "Artorius Menas, ja, ich kenne ihn. Er war anfangs in unserer Centurie. Er ist wirklich sehr motiviert, fest entschlossen, und hat sich gut gemacht." Nur ein bisschen eigenbrötlerisch war er, wurde nicht so richtig mit den Kameraden warm, aber vielleicht brauchte er da bloss etwas mehr Zeit, und überhaupt mochte ich Calvia lieber von den positiven Dingen erzählen. "Jetzt gerade ist er aber zu der Kohorte in Ostia versetzt worden, für den nächsten Ausbildungsabschnitt." Warum war mir nicht so ganz klar, aber die Bürokraten in ihren Schreibstuben dachten sich sicher was dabei wenn sie die Rekruten so hin und her schickten.


    Genüsslich biss ich in das saftige weisse Schenkelfleisch des Kapauns, warf mal einen Blick zu den anderen Gästen hin, und zu der Braut, erfreute mich an dem bunten Bild, dem leichten Wind, der Musik und dem fröhlichen Stimmengewirr. Es war einfach das perfekte Fest! Beschwingt erwiderte ich das Lächeln meiner Cousine, nachdem ich ihr das von Lucilla erzählt hatte. Sie zeigte ihre Freude auf ihre ganz eigene sanfte Art, die ich sehr charmant finde.
    "Oh, es gibt viele Neuigkeiten. Onkel Meridius geht es gut, aber ich sehe ihn ganz selten, er hat ja immer wahnsinnig viel zu tun" - was kein Wunder war, bei so einem bedeutenden Mann; meine Stimme war ehrfürchtig als ich von ihm sprach - "und er trifft Vorbereitungen für die grosse Reise, mit Onkel Mattiacus zusammen..." Ich verstummte einen Moment, liess den Blick über die Hügel der Stadt in die Ferne schweifen, und setzte dann inbrünstig hinzu: "Ich hoffe so sehr dass sie Erfolg haben!"
    Die zarten Klänge einer Dreiecksharfe und einer Flöte wehten zu uns hinüber, und die Oleanderblüten leuchten in der Sonne.
    "Ja, und sonst", fuhr ich fort, "der kleine Optatus, der wächst und gedeiht... Mein Bruder Appius ist jetzt auch sub aquila gegangen, nach Germanien. Und Seiana ist nach Alexandria gereist, stell Dir vor! Naja, sie will halt auch mal was von der Welt sehen, aber ich mache mir schon ein bisschen Sorgen."


    Wie... mit wem ich hier sei? Calvias Frage brachte mich aus dem Konzept. Meinte sie womöglich gar, ich wäre mit einer Freundin hier?
    "Nein!", wehrte ich ab, ganz erschrocken von dieser Vorstellung. "Ähm. Also weder noch. Der Bräutigam ist mein Centurio. Er hat viele von uns Soldaten eingeladen."
    Jetzt hatte ich das Bedürfnis das Thema zu wechseln.
    "Aber wenn Du jetzt hier bist, dann lass uns doch mal was zusammen unternehmen. Hm, ja, ich würde sogar..." - bei diesen Worten beugte ich mich zu ihr und sah ihr übertrieben todernst und kühn in die Augen - ".. ich würde mich nicht scheuen, mich mit Dir auf einen..." - ich dämpfte die Stimme - "...Einkaufsbummel zu begeben, liebe Cousine. Wenn Du magst? Oder.." - und hier grinste ich breit, und breiter, und verschwörerischer - ".. wenn es mal wieder gute Gladiatorenspiele gibt, könnten wir uns die anschauen... " Meine letzten Worte gingen in ein ausgelassenes Lachen über. Warum, das war unser beider Geheimnis.

    [Blockierte Grafik: http://img165.imageshack.us/im…cepspriorgargoniusrl1.jpg] | Princeps Prior M. Gargonius Marsus


    Mürrisch streckte der Princeps Prior seine linke Hand aus, und nahm die Tafel entgegen. Für seinen Geschmack hatte der Tiro die Fragen in viel zu kurzer Zeit beantwortet: das konnte ja nichts geworden sein. Gargonius las. Zuerst mit gerunzelter Stirn, dann wanderten seine Augenbrauen empor, was ihm den Ausdruck einer verdutzten Bulldogge verlieh.
    " Hmpf. Das ist..." - nur äusserst widerwillig gab er zu: "...ausgezeichnet."
    Um das Lob nicht so stehen lassen zu müssen - das ging gegen sein Prinzip - suchte er schnell, ob er nicht doch noch irgendwas zum Bemängeln fand, und zeigte schliesslich kritisch auf ein Detail der letzten Frage.
    "Aber hier! 'Gewisse Aufgaben' - viel zu vage!"
    Er vermerkte das Ergebnis auf der Tafel mit den Daten des Rekruten, klappte diese zusammen und gab sie Paulinus.
    "Die nimmst du mit ins Valetudinarium. Dort entlang. Falls - falls du dort für tauglich befunden wirst, lässt du sie vom Medicus abzeichnen, und gehst weiter in die Rüstkammer, nimmst deine Ausrüstung entgegen - und lässt die Tafel abzeichnen - und gehst dann zur... - hm, wo stecken wir ihn denn hin... - vierten Centurie der ersten Kohorte, und lässt dir eine Unterkunft zuweisen. Darauf rüstest du dich, legst im Fahnenheiligtum den Eid ab, und meldest dich bei deinem Centurio. Alles verstanden?"
    Gargonius wartete nicht auf ein Ja. "Age!"





    Wir waren wieder da, nach unserem kleinen Abstecher. Ich ging vorneweg, auf die Porta Praetoria zu, mit todernstem Gesicht. Mir folgte mein Parther, der brav das Huhn trug. Er hielt es an den Füssen fest, was dem Vieh nicht zu gefallen schien; gackernd äusserte es seinen Unmut, und hin und wieder schlug es ärgerlich mit den Flügeln. Die Torwachen waren immer noch die selben wie vorhin, wir waren ja nur kurz weg gewesen.
    "Salvete", grüsste ich sie, ohne dabei eine Miene zu verziehen, ohne von den Blicken, die sich entgeistert auf das Huhn richteten, Notiz zu nehmen. Einem der Urbaner befahl ich: "Miles, durchsuche meinen Sklaven.", während ich selbst zu der Kiste trat, die noch immer da stand wo ich sie gelassen hatte, und sie hochhob. Schwer, das Ding. Der Soldat tat wie ihm geheissen, und kam zu dem Ergebnis: "Sauber."
    Ich nickte milde, und meinte ganz ernst zu dem pedantischen Princeps Prior: "Na dann hat ja alles seine Ordnung, Princeps Prior."
    "Ja Centurio...", antwortete er und sah dabei irgendwie irritiert aus. Wahrscheinlich überlegte er gerade, ob auch das Federvieh im Wachbuch zu verzeichnen war.
    Nonchalant ging ich an den Prätorianern vorüber. Ich liess Ziaar an der Kiste mit anfassen, und so betraten wir endlich die Castra.
    ~"Dieses Kastell"~, dozierte ich im Gehen für meinen Parther, ~"die Castra Praetoria, ist etwa achzig Jahre alt. Es wurde unter Tiberius errichtet, dem zweiten unserer Kaiser. Der Hügel auf dem wir hier stehen ist der Viminal. Vi-mi-nal. In diesem Bereich hier sind die Stadtkohorten stationiert, dort drüben die Prätorianer. Dort drüben hast du demzufolge nichts zu suchen, merk dir das. - Und hier liegen die Baracken der ersten Kohorte, und hier meine Unterkunft..."~

    Am Ende der langgestreckten Baracke der vierten Centurie der ersten Kohorte lagen meine Räume. Für mich, der ich gewohnt war, mir mit sieben anderen die Stube unseres Contuberniums zu teilen, boten sie schier unglaublich viel Platz. Ein grosses, helles Arbeitszimmer gab es da, was mir endlich erlaubte aus meinem schäbigen Optio-Officium auszuziehen, daneben lag ein Raum für den Schreiber, und zwei Lagerräume. Dahinter kam der private Teil: ein Cubiculum zum Schlafen, ein grosser Raum zum Wohnen, daneben noch ein kleiner - alles sehr schlicht, aber für mich der pure Luxus! Noch herrschte eine gähnende Leere in den Räumen, die weissverputzten Wände waren kahl, ich hatte nur die allernotwendigsten Möbel verteilt, dazu meine wenigen Habseligkeiten, und es wirkte alles sehr spartanisch.

    [Blockierte Grafik: http://img165.imageshack.us/img165/3010/princepspriorgargoniusrl1.jpg] | Princeps Prior M. Gargonius Marsus


    So, ein ganz vornehmer war das also. Lesen! ritzte Gargonius grimmig in das Wachs. Na, ob der Junge es lange machen würde? Bisschen schmal sah er auch aus... aber das war Sache des Medicus. Wenigstens machte er einen aufrichtigen Eindruck, und prahlte nicht mit gladiatorgleichen Kampfkünsten.
    "Lesen, aha", wiederholte Gargonius missbilligend, denn das fiel für ihn keineswegs unter 'was nützliches'.
    "Setzen, Tiro!"
    Herrisch wies er auf einen Nebentisch mit Stuhl, und schob Paulinus eine Tabula mit einigen Fragen und einen Stylus herüber.
    "Das ist der Aufnahmetest. Den musst du bestehen, danach gehts zur Musterung im Valetudinarium. Age!"