Beiträge von Faustus Decimus Serapio

    [Blockierte Grafik: http://img165.imageshack.us/img165/3010/princepspriorgargoniusrl1.jpg] | Princeps Prior M. Gargonius Marsus


    Ungnädig dass der Junge ihm vorgriff kniff Gargonius die Augen zusammen. Und notierte. Langsam strich der Stylus durch das Wachs, Striche fügten sich zu Buchstaben, diese zu Worten. Dann sah der Optio wieder auf, und legte auf einmal los.
    "Haltung, Tiro!" polterte er, "Was stehst du da so lasch und krumm, hä? Haltung, aber plötzlich, und die Hände an die Tunikanaht."
    Wenigstens das blieb dem mürrischen Kriegsinvaliden - von Zeit zu Zeit mal einen Anwärter zusammenzustauchen. Das und der Wein.
    "Hmpf. Was hast du bisher getrieben, in deinem Leben? Hast du ein Handwerk gelernt, irgendwas nützliches? Und sag mir ehrlich, Caecilius..." Gargonius beugte sich vor und durchbohrte Paulinus förmlich mit forschendem Blick, "...bist du jemals mit dem Gesetz in Konflikt geraten?"





    Mulmig war mir schon, in dem Augenblick nach dem Schlag, wo meine Hand wieder hinabsank - würde es jetzt eskalieren, würde er auf mich losgehen...? Ich schloss die Finger um den Griff der Waffe noch etwas fester - zum Glück war ich bewaffnet, er wohl nicht mehr, aber trotzdem war er immer noch gefährlich - und erwartete angespannt seine Reaktion.
    Doch er gab nach. Kuschte, so wie sich das für einen Sklaven gehört. Na also! Ich verspürte eine extreme Erleichterung: dass ich nicht mit ihm kämpfen musste, dass ich ihn in seine Schranken verwiesen hatte, und vor allem, dass ich nicht wirklich dazu gezwungen war, mich zu entscheiden, ob ich diese Drohung wahrmachte oder nicht - aber natürlich liess ich mir das nicht anmerken. Merke: erst entwaffnen, dann disziplinieren. Merke ausserdem: Milde zahlt sich nicht aus.
    ~"Gut"~, sagte ich ganz kühl, so als würde ich jeden Tag jemandem mit der Hinrichtung drohen, streifte die Faustklinge ab und liess sie bei den anderen Waffen in der Tasche verschwinden.
    ~"Noch nicht. Nimm die Arme hoch und halt still."~
    Denn ich traute ihm durchaus zu, irgendwo noch eine weitere Waffe versteckt zu haben. Parther sind ja bekanntlicherweise tückisch von Natur aus. So durchsuchte ich ihn lieber noch mal selbst, bevor jemand anders doch noch was bei ihm fand. Von Schulter bis Fuss tastete ich ihn ab. Das tat ich sehr genau, aber auch sehr sachlich. Gerade weil mir seine breiten Schultern, und die gestählten Arme, die kräftigen Hände und die schmalen Hüften, und auch... der Rest... gar nicht so schlecht gefielen. Sehr sachlich.


    Nachdem ich mich vergewissert hatte, dass da nichts weiter zu finden war, richtete ich mich auf und sah mich suchend um.
    ~"So, und jetzt brauchen wir noch etwas, das wir 'vergessen' haben. Angeblich. Hm..."~
    Ich winkte Ziaar mir zu folgen und ging langsam die Gasse entlang. Irgendwas musste sich da doch finden. Schliesslich wollte ich meine kleine schauspielerische Einlage nicht selbst Lügen strafen, auch wenn ich mir nicht sicher war, ob die Kollegen sie nicht sowieso durchschaut hatten, und ich hatte keinen Nerv jetzt noch mal in die Innenstadt auf irgendeinen Markt zu gehen. Suchend streifte mein Blick die Gasse entlang. Da lag zu Beispiel ein Haufen Backsteine...nein.. ein Reisigbesen, nein... da scharrte ein Huhn im Dreck... hmm... ach nein... oder warum nicht? Es wäre doch eine gute Ergänzung zum Puls. Oder vielleicht legte es sogar jeden Tag ein Ei?
    Vor dem Haus mit dem Huhn stand eine Bank, auf der ein alter Mann sass und gedankenvoll dreinblickte. Ich steuerte auf ihn zu, riss ihn aus seinen friedlichen Betrachtungen, und trat mit ihm in Verhandlungen um das Huhn. Und, um es kurz zu machen, erst schien er sich um nichts in der Welt von dem guten Tier trennen zu können, doch nach einigem Hin und Her erwarb ich es doch, wenn auch ziemlich teuer. Aber ich verdiente ja jetzt einen Haufen Geld, da konnte man sich schon mal was leisten.
    ~"Tsiáhar, Du nimmst das Huhn. Wir gehen zurück."~

    Im ersten Moment war ich einfach nur verblüfft, als mit einem Mal, so plötzlich, all diese Vorwürfe aus Flavus' Mund über mich hinweg brandeten. Ich blinzelte perplex, wich erschrocken von diesem Ausbruch ein Stück mit dem Oberkörper zurück, und hörte mir das an... und als es immer wilder wurde, spürte ich, wie ich selbst mehr und mehr zu kochen begann! Flava versuchte noch die Wogen zu glätten, aber das war zu viel, das liess ich weder auf mir noch Onkel Livianus sitzen!
    "Entschuldige, Flava", sagte ich, noch einigermassen beherrscht, um meinem Vetter dann hitzig zu erwidern:
    "Du hast echt keine Ahnung, Flavus! Wie kannst du dir anmassen über ihn zu urteilen, du kennst ihn ja gar nicht! Und mich kennst du auch nicht! Ich weiss ganz genau wie das ist, wenn der Vater fort ist, im Krieg! Mein Vater ist in Mauretanien gefallen. Und ich bin stolz auf ihn!"
    Aufgebracht funkelte ich meine Vetter an. Wie der mich ansah! Ich holte tief Luft, versuchte kühl zu bleiben, aber meine Wut flackerte hellauf. Zivilist! Nicht einen Funken von Patriotismus im Leib.
    "Es geht nicht um Ruhm und Ehre, so'n Quatsch!" Ich machte eine wegwerfende Geste mit der Hand, und erklärte, immer lauter werdend, stur, ohne mich unterbrechen zu lassen, voll gerechtem Zorn: "Aber an unseren Grenzen gibt es nun mal einen Haufen Barbarenvölker - wilde Germanen, grausame Parther - die nicht lieber tun würden, als über das Imperium herzufallen! Davon bekommen du, und auch die meisten Leute, bloss nichts mit, weil die Soldaten des Kaisers, über die du gerade so herziehst, alles tun um das Reich zu schützen, und damit auch Deinen Arsch! - Aber solange du nicht weisst wie das ist, Flavus, wenn dir die Pfeile um die Ohren zischen, und die Kameraden neben dir sterben, und die Panzerreiter auf dich zupreschen - solange hast du nicht das geringste Recht, hier das Maul weit aufzureissen und schlecht über Soldaten zu reden die ihre Pflicht tun! Und die dafür gewaltige Opfer bringen! Wie Livianus!"

    Der Angesprochene, der gerade einige Wachstafeln aus einem Fach in einem langen Regal heraussuchte, nickte Paulinus zu. "Dort, bei Princeps Prior Gargonius musst du dich melden." Er wies auf einen Schreibtisch, an dem ein vierschrötiger älterer Herr einige Dokumente durchlas, und nun aufsah.



    [Blockierte Grafik: http://img165.imageshack.us/img165/3010/princepspriorgargoniusrl1.jpg] | Princeps Prior M. Gargonius Marsus


    "Komm hierher, Tiro", befahl der Optio mit rauher Kasernenhofstimme, für die das Offcium eindeutig zu klein war. Stechend musterte er den jungen Mann, von oben bis unten. "Hm" gab er dann skeptisch von sich - Gargonius fand grundsätzlich, dass die Rekruten von heute nicht mit denen zu seiner Zeit mithalten konnten. Er beugte sich vor, und fasste mit der linken Hand einen Griffel - dabei war zu erkennen, dass der rechte Ärmel seiner Militärtunika leer war, an der Schulter sauber umgeschlagen und mit einer Nadel festgesteckt. Hart prasselten seine Fragen auf Paulinus ein.
    "Name? Alter? Geburtsort? Eltern? Römischer Bürger? Ledig? Warum willst du hier bei den Stadtkohorten dienen?"





    Was geschah? Er lachte. Dabei hatte ich ja schon Bedenken gehabt, ihm mit der Frage zu nahe zu treten. Perplex lehnte ich mich wieder zurück, und er bestätigte ganz unbefangen meine Vermutung. Bona Dea, wie entsetzlich, der arme Mann! Betreten von so viel Unglück, gerührt von solcher Würde es zu tragen, betrachtete ich Tucca voll Mitleid, dann warf ich unwillkürlich einen Blick in die Runde, durch den Raum der Taverne, beim Gedanken daran was ihm alles entging! Weder die Gesichter der Menschen konnte er sehen, noch ihre Gestalt, nicht die Linien im Holz der alten Balken, die Formen der Schatten an den Wänden oder die komischen Fresken, nicht die züngelnden Schattierungen von Rot und Gelb und Glutweiss in der Feuerstelle, wo gerade knackend ein Scheit zerbarst. - Andererseits entgingen ihm natürlich auch die hässlichen Bilder des Lebens, aber das war es wohl kaum wert. Obwohl... ein blinder Sänger, jemand der sich von Äusserlichkeiten, vom Trug der Oberflächen nicht im Geringsten täuschen liess... das hatte schon etwas mythisches an sich, und etwas tragisches zugleich!
    "Nein nein, gar nicht", meinte ich schnell, etwas nervös auch, denn ich wollte nichts falsches sagen und ihn womöglich beleidigen, "Du hast mehr so an mir vorbeigesehen..." - konnte man da 'sehen' sagen? Eigentlich nicht. - "...äh, gestarrt - nein, nicht wirklich gestarrt meine ich, will sagen es hat so ausgesehen als würdest Du an mir vorbeisehen."


    Glücklicherweise kam jetzt, bevor ich mich weiter in meinen eigenen Worten verstricken konnte, der Wein, mit dem man sich beschäftigen konnte, und Tuktuk schenkte mir freundlicherweise mit ein.
    "Danke." Ich ergriff den Becher und prostete Tucca zu. "Auf die Lieder... und die Musiker, die sie spielen, und auf die Sänger - die ihre Kehle immer gut feucht halten müssen!"
    Grinsend prostete ich auch dem Bacchus an der Decke noch zu und opferte ihn einen kleinen Schluck, den ich mit ausgestrecktem Arm über den Rand meines Bechers hinweg in die Feuerstelle schwappen liess. Dann trank ich selbst. Das tat gut! Ich setzte den Becher erst ab als er halb leer war. Ich bin ja kein Säufer, wirklich nicht, aber mehr als früher trinke ich schon, das bleibt irgendwie nicht aus beim Soldatenleben, und ausserdem verlangte diese Nacht nach einem Rausch.
    "Nicht schlecht!", lobte ich den Wein, der etwas erdiges, dunkles an sich hatte, und kostete noch den Nachgeschmack aus. In einer Ecke der Kneipe schwoll gerade der Gesang an, schief aber fröhlich hörte man da von der lustigen Romanze des durstigen Wandersmannes mit dem Wirtstöchterlein. Das hatten wir auch manchmal gesungen. In die Einsamkeit hinausgegröhlt, in die Hügel, das Schwemmland, in die Steinwüste deren grenzenlose Weite einen so verloren machen wollte. Eine fremde Leere, die die Stimmen verschluckte... eine Ebene rostbraunen Staubes. Mit Schakalen die das Blut der Gefallenen leckten. - Ich blinzelte. Schluckte und starrte in meinen Becher. Trank noch einen tiefen Zug, um dann unvermittelt, mit übertriebener Munterkeit, ziemlich hastig weiterzureden.


    "Hispania! Sagtest du nicht Du interessierst Dich für Hispana? Nun es ist - naja, das sagen viele von ihrer Heimat, aber in diesem Fall ist es schon wahr - der schönste Fleck auf der Welt den man sich nur vorstellen kann. Das Licht dort ist klarer als anderswo, es erfüllt alles, durchdringt die Dinge, und umgibt ihre Konturen mit einer Art... Glanz. Das Meer, bei Tarraco an der Küste ist von einem so irrsinnig tiefen Blau, dass man es nie vergisst wenn man es einmal gesehen hat..."
    Gesehen. Ich versuchte es mir anders vorzustellen, anders zu schildern.
    "Man hört die Möwen kreischen, und die Wellen branden und bekommt Sehnsucht selbst zur See zu fahren. Wenn der Wind von den Bergen kommt - wir haben hohe, schroffe Berge, gleich im Hinterland - bringt er den Duft der Kräuter, und der Steineichenwälder, und die Wärme der Sonne auf den Felsen mit sich, und wenn er den Hafen erreicht, spielt er in der Takelage der Schiffe, zupft auf den Wanten wie auf Saiten, lässt die Segel rauschen, die Taljen klimpern und die Masten knarren... wie eine Melodie.
    Mhm, und die Leute dort sind ziemlich entspannt, im Vergleich zu hier geht alles etwas langsamer. Aber, naja, es ist eben Provinz, viele sind etwas rückständiger in ihrem Denken... also, nichts gegen die alten Werte und die Tugenden die unser Imperium gross gemacht haben, ich meine damit eher so eine gewisse Muffigkeit, wenn Du verstehst was ich meine."

    Noch ein Schluck - schon war der Becher leer.

    Es rumpelte und polterte, da drin... Ich lauschte. Leise drangen jetzt auch Schritte von unten, vom Eingang her an mein Ohr, die sich rasch entfernten, dazu ein gedämpfter Ruf... Ich wandte mich zurück, sah Silio die Treppe hinunterspähen, dann bedeutete er mir mit einem Schulterzucken, dass er auch nichts weiter sah. Angespannt wartete ich, bis sich tatsächlich die Türe öffnete. Auch im Halbdunkel, in dem schmalen Spalt, war Decius unverkennbar, mit seinem Doppelkinn und dem zurückweichenden Kraushaar. Ich hegte ja die leise Hoffnung, er würde mich seinerseits nicht wiedererkennen, aber das war wohl ziemlich unwahrscheinlich. Jedenfalls mit mehr Licht. Vielleicht hätte ich doch besser den Helm aufgesetzt. (Ich hasse ja so Leute, die selber krumme Dinger drehen, und dafür bei anderen gross einen auf Moralapostel machen. Das ist doch heuchlerisch.)
    Ich hielt mich zurück, verlagerte nur ein bisschen das Gewicht, während ich Decius genau beobachtete, um, falls er uns jetzt gleich die Türe wieder vor der Nase zuschlagen wollte, schnell Fuss und Knie dazwischen zu stemmen.

    "Mhm, das stimmt." Aber kaum zu glauben, dass Onkel Livianus, so streng und bestimmt, früher auch mal so romantisch gewesen war... Wir sassen hier sozusagen in seinem Vermächtnis - Halt. Ein Vermächtnis, das war etwas für Tote. Aber ich hatte beschlossen zu glauben, dass er noch lebte, und wie um das zu bekräftigen begann ich von ihm zu erzählen.
    "Er ist auch...einfach ein ganz grossartiger Mensch!" schwärmte ich, und sah von Flava zu Flavus und wieder zurück. "Freundlich und grosszügig und gerecht... wenn auch streng. Gut, er kann auch mal ausrasten, aber das liegt ja irgendwie in der Familie. - Genau, was ich vorhin noch sagen wollte", - ich wandte mich zu meinem Cousin - "ich kenne natürlich eure Grosseltern nicht, und ich kann mir, ähm, denken, dass das alles für sie sehr schlimm war, aber... aber Livianus kann man da doch absolut keinen Vorwurf machen! Nicht ernsthaft!"
    Ich schüttelte den Kopf, entrüstet dass jemand, selbst jemand im fernen Britannien, so über ihn denken könnte, und äusserte, mit tiefster Überzeugung:
    "Der Legat lässt niemanden im Stich. Aber als Soldat muss man dort sein, wo der Kaiser einen braucht. Wo er einen hinbefielt."

    Gemächlich tastete der Miles den Anwärter auf Waffen ab, dann wandte er sich dessen Gepäck zu, hob den Mantel und wühlte in der Tasche herum.
    "Kannst rein", knurrte er schliesslich gönnerhaft, mit einem Wink in Richtung des offenstehenden Tores. Dort vermerkte gerade ein anderer Miles 'Galeo Caecilius Paulinus, zur Probatio' im Wachbuch, legte dann den Stylus zur Seite und trat auf den Caecilier zu. Nebenbei - dieser Soldat war von deutlich gepflegterer Erscheinung. Er bedeutete dem jungen Mann ihm zu folgen, marschierte zackigen Schrittes mit ihm die Via Praetoria bis zur Principa entlang, und wies ihm dort die Türe zum Officium Conducendi.




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    "Salve" raunzte der Angesprochene, und zog die Nase hoch, "na wenn du meinst, Junge", wobei seine verdrossene Miene alles andere als ein Werbeschild "komm zu den Stadtkohorten, erlebe Abenteuer und Kameradschaft!" darstellte.
    "Name? - Und die Arme hoch zur Durchsuchung."
    Mit diesen Worten schlurfte er auf Paulinus zu, um ihn auf Waffen abzuklopfen.



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    Da schnappte ich aber nach Luft - empört dass mein Sklave es wagte so mit mir zu sprechen!
    ~"Kaum?"~, keuchte ich, und wurde ganz blass bei der Vorstellung, was das Wort 'kaum' für einen Spielraum liess, "Kaum?!!"
    Das gabs doch nicht! Ich holte tief Luft, ganz ruhig, Faustus, ganz ruhig, und beherrschte mich mühsam. Fordernd streckte ich die Hand aus und nahm erst mal die Waffen entgegen, eine nach der anderen. Nebenbei - gar nicht schlecht, diese Faustklinge. Ich legte meine Linke um den Griff, und ballte sie zur Faust. Das Ding lag gut in der Hand. Dolch und Schlagring dagegen liess ich in meiner Gürteltasche verschwinden.
    Mit verbissener Miene trat ich dann dicht an Ziaar heran. Er war um einen halben Kopf grösser als ich, und um ihm in die Augen zu sehen, musste ich mein Gesicht ein Stück anheben. Das tat ich, durchbohrte ihn mit meinem Blick und sprach zu ihm, mit ganz sanfter Stimme:
    ~"Mir scheint... mein lieber Sklave, du verkennst deine Situation. Was zwischen dir und deiner wohlverdienten Hinrichtung steht, das ist lediglich...mhm, warte lass mich überlegen"~ - ich legte die Stirn in Furchen, - ~"oh, das bin lediglich ich. - Also, wenn du unflätiger Barbar"~ - ich lächelte liebenswürdig - ~"hier noch einmal derart die Gesetze brichst, dann wird das peinlich für mich, aber tödlich für dich."~ Abfällig zuckte ich die Schultern und schloss kalt: ~"Es liegt ganz bei Dir."~
    Dann schnellte meine rechte Hand nach oben, und ich schlug ihm hart ins Gesicht, knallte ihm eine mit voller Wucht.
    ~"Und sprich nie wieder so mit mir. - Hast du das verstanden?"~

    "Ich glaub das dauert noch, bis er sich das alles durchgelesen hat. Aber" - ich war vollinformiert - "es gibt dann einen Aushang."
    Ausgiebig reckte ich meine Arme, war guter Dinge und erleichtert die Prüfung hinter mir zu haben, und den Notfallplan gar nicht gebraucht zu haben.
    "Ja, ich hab schon ein gutes Gefühl, nur am Ende, so für die beiden letzten Fragen, hatte ich zuwenig Zeit... Und bei Dir, auch gut gelaufen?" Natürlich war es das, Seiana machte solche Sachen schliesslich mit Links.
    "Mmh... naja eigentlich... - ach doch, lass uns doch noch zusammen was essen gehen, oder? Komm schon!"
    Ich packte mein Schreibzeug ein, und schlenderte Seit an Seit mit Seiana hinaus aus dem Unterrichtsraum, über Flure und Treppen und durch die ehrwürdigen Säulengänge der Scola Richtung Ausgang - unentwegt und fröhlich plaudernd.
    "War doch wirklich interessant, nicht? Ich finde das total faszinierend, dass jemand solche Widersprüche in sich vereinen kann wie Tiberius, und in seinen Taten so geradezu, ich sag jetzt mal existentiell gespalten, sein kann. Aber bestimmt ist es unheimlich schwer, auf dem Boden zu bleiben wenn man über die ganze Welt herrscht... also die ganze zivilisierte. Wenn man das mit all diesen üblen Prozessen hört, kann man doch echt froh sein, dass wir in unseren Zeiten leben, und nicht damals... -"
    An der Stelle unterbrach ich meinen Gedankenfluss, stiess Seiana in die Seite und neckte sie lachend:
    "Aber sag mal, Seiana, was würdest denn Du eigentlich machen, wenn Du Gardepräfektin und Schattenherrscherin von Rom wärst, hm?"

    Es war schön zu hören, wie begeistert meine Cousine von Rom war. "So ging es mir am Anfang auch hier", grinste ich - sowohl mit dem Verlaufen, als auch mit dem Zauber, den diese Stadt ausübte, war es so gewesen. Und um wieviel mehr musste sie die beiden beeindrucken, die gerade aus Britannia angekommen waren - wo die Zivilisation im Vergleich zu hier doch sicherlich bloss rudimentär war.
    "Ja, grossartig!", fiel ich ein, mitgerissen von ihrem Enthusiamus, "Glückwunsch!"
    So wie Flava strahlte, musste es für sie eine ganz grosse Bedeutung haben. Unwillkürlich sah ich hoch zu der Statue der Göttin, deren schönes weisses Antlitz unbeteiligt über uns hinwegsah. Es war das erste Mal, so sinnierte ich, dass ich mitbekam wie eine Tochter in die Fusstapfen der Mutter trat, sonst lag es doch immer nur bei den Söhnen die Fackel der Väter weiterzutragen... Der Einklang, der ganz offenkundig zwischen den beiden Geschwistern war, machte mich ein klein bisschen wehmütig, erinnerte mich daran, dass Seiana weit weg, auf einer ziemlich gewagten Reise, im fernen Ägypten war. Ich fing einen Blick von Flavus auf, der mich wiederum musterte, und sah einen Moment lang fragend zurück, bevor er sich wieder Flava zuwandte. Die Hände um den Rand der Steinbank gelegt, lehnte ich mich ein wenig zurück, auf die ausgestreckten Arme gestützt. Das war schon interessant, fand ich - so schroff Flavus wirkte, so liebenswert erschien seine Schwester.

    Zitat

    Original von Ziaar


    Uups! 8o Jetzt war Improvisation gefragt. Die netten Kollegen in Schwarz guckten ja auch schon! Unmöglich konnte ich meinen Sklaven hier vor aller Augen von seinem Waffenarsenal entkleiden. Und noch unmöglicher konnte ich ihn schwerbewaffnet mit in die Castra nehmen - das war strengstens verboten. Das liess nur eine Möglichkeit offen: den taktischen Rückzug.
    ~"Was meinst du, ach so, ja stimmt, das haben wir ganz vergessen."~ gab ich kaltblütig auf Ziaars Enthüllung zurück, fasste mir kurz an die Stirn und schüttelte lächelnd den Kopf, aber nicht zu übertrieben, nur als eine dezente Pantomime von 'wie kann man nur so vergesslich sein?'.
    ~"Dann gehen wir's gleich mal holen."~
    Ob der Princeps Prior Griechisch verstand wusste ich nicht, also teilte ich ihm mit: "Ich habe noch was vergessen, bin gleich wieder da." (Das war nicht mal gelogen, ich hatte tatsächlich was vergessen, und zwar meinen Sklaven vorher zu entwaffnen! Aber wer konnte denn ahnen...)
    Die Kiste schob ich mit dem Fuss ein Stück zur Seite, an die Mauer wo sie nicht im Weg stand.
    ~"Komm mit"~ befahl ich barsch Ziaar, und wandte mich zum Gehen, entfernte mich mit ihm in die Richtung aus der wir gekommen waren ohne noch mal zu den Wächtern zurückzuschauen. Falls sie jetzt doch feixten, wollte ich das gar nicht sehen...

    Erst als zwei Häuserecken zwischen dem Tor der Castra Praetoria und uns lagen, in einer abschüssigen Seitengasse der Via Tiburtina blieb ich stehen. Wandte mich zu meinem Parther und fauchte ihn zornentbrannt an: "Nequissimus! Cucurbitae caput!! Du Galgenstrick, du Haderlump!!! ~ Bist du völlig wahnsinnig geworden? Mala leche! Hast du Sehnsucht nach dem Kreuz oder was? Was fällt dir ein bis an die Zähne bewaffnet durch die Stadt zu spazieren, hm Tsiáhar?! Du weisst haargenau dass das verboten ist, dass das mehr als verboten ist, Sklave!"~ :motz:
    Ich hätte ihn erwürgen können, diesen Kerl! Wie sollte ich denn bitte einen rechtschaffenen Urbaner darstellen, wenn nicht mal mein Sklave sich an die Gesetze hielt?! Warum nur, warum hatte ich mir diesen Drecksparther angeschafft?? - Ich musste sturzbesoffen gewesen sein... ich war sturzbesoffen gewesen. - Warum hatte ich mir nicht statt dessen zum Beispiel einen samthäutigen, sanftmütigen Ägypter gekauft? Warum...?
    ~"Gib mir die Waffen heraus"~, verlangte ich, presste die Worte förmlich zwischen den Zähnen hindurch, ~"aber sofort!"~

    Am hellichten Tag und auf offener Strasse war er niedergestochen worden, und in der Gosse verblutet, Octavius Cato, ehemals Praefectus Castrorum der Vigiles und angehender Politiker mit einem verschlungenen Werdegang. Ermordet nach einer verlorenen Wahl, wahrscheinlich auf dem Nachhauseweg, soviel war leicht herauszufinden gewesen. Ob es 'nur' ein Raubmord gewesen war, bei dem die Täter zu früh das Weite suchen mussten, als dass sie ihn vollständig hätten ausrauben können, oder ob da mehr dahinter steckte, diese Frage stellte sich natürlich. Sein Vater hatte angegeben, Octavius Cato habe keine Feinde gehabt, und auch sonst war bei den ersten Ermittlungen nichts zündendes herausgekommen. Wahrscheinlich waren die Mörder längst wieder in den gesichtslosen Massen der Hauptstadt untergetaucht... - gingen mit frechem Schritte, durch der Römer Mitte, genossen ihres Frevels Frucht, während sie die Rache sucht... - und diese Bluttat würde sich einreihen zu den unzähligen, die hier in dieser Stadt, im diesem Sumpf des Verbrechens, ungesühnt blieben. Manchmal begann ich zu verstehen, warum viele von den älteren Kollegen so einen resignierten Eindruck machten. Es war ein täglicher Kampf, mit ungleichen Mitteln...


    Jedoch - eine Spur gab es noch, und um diese zu verfolgen, waren wir hier, standen heute, an diesem kalten Herbstnachmittag, an dem es ausserdem schon viel zu früh dunkel wurde, mitten in der Subura vor einer heruntergekommenen Insula. Vielleicht war es nur das trübe Wetter, aber mir schien das Gebäude heute besonders trostlos: die fleckige Fassade, von der die rote Farbe abblätterte, brüchige Steine, beschmiert mit Kritzeleien, die Fensterhöhlen klaffende Löcher, die mich an starre Augen erinnerten, oder an weit aufgerissene Münder, die allesamt das selbe sagten: Urbaner, verpisst euch!
    Aber hinter manchen dieser Löcher brannte Licht. Ich legte den Kopf zurück, zählte die Stockwerke ab, und tatsächlich, da wo - soweit ich mich erinnerte - die Wohnung lag, der wir einen Besucht abstatten wollten, drang durch Vorhänge gedämpftes Licht hervor, und vor dem Fenster standen bunt angemalte Blumentöpfe, wie ein vergeblicher Versuch die überwältigende Tristesse dieses Ortes zu überwinden.
    "Da oben ist es, da wo die Blumentöpfe stehen", teilte ich den anderen mit gedämpfter Stimme mit. Ich hatte, um nicht unnötig für Aufsehen zu sorgen, nur vier weitere Soldaten mitgenommen, ausserdem Anweisung gegeben die Helme wegzulassen und die Paenulae über den Rüstungen zu tragen. Das mit den Mänteln war sowieso ganz gut bei der Kälte, und so konnte man uns wenigstens nicht schon von weitem erkennen. Silio, Rupus und Macro waren dabei, alte Kameraden denen ich absolut vertraute, und Redivivus, der ja den Wettschein gefunden hatte. Hoffentlich würden wir nicht mit einer der örtlichen Banden zusammenstossen, die hier in der Gegend galten als ziemlich rabiat.
    "Der Mann ist ein Gauner, ich denke aber nur ein kleiner Fisch, er nennt sich Decius, und beschäftigt sich auch mit Wetten. Bestimmt kann er uns weiterhelfen, mit dem Wettschein... er hat auch eine Frau, die heisst Fabula. Wir versuchen es erst mal im Guten, aber wenn er uns keine Auskunft geben will, ziehen wir andere Seiten auf, und machen ihm klar, dass wir ihn ohne weiteres gleich mitnehmen können. Ich bin sicher er hat genug Dreck am Stecken. Rupus, Macro, ihr postiert euch hier unten am Eingang, Silio, Du oben im Flur." (Meine beiden - ehemaligen - Contubernales waren alle beide ziemlich reizbar, und ich wollte nicht, dass es sofort auf Möbel zertrümmern, rumprügeln und Frauen belästigen hinauslief. Wir waren ja nicht mehr in Parthien.)
    Ich nickte den vieren zu. "Agite."


    Der Eingang der Insula war eng und düster. Rupus und Macro blieben dort zurück, wir anderen stiegen die Treppen hinauf. Ich ging zuerst, und gab acht leise aufzutreten, nicht wie das Sturmkommando persönlich die Stufen hochzutrampeln und alle aufzuschrecken. Hier... das musste der richtige Treppenabsatz sein. Hoffentlich wohnte Decius überhaupt noch da, und hoffentlich war er zu Hause. Auch Silio bezog seinen 'Posten', von wo er die Treppe und die nächsten Wohnungen im Augen behalten konnte. Vielleicht war es übertrieben, aber hier in dem Viertel, als Urbaner, war ich lieber zu vorsichtig als zu sorglos.
    "Redivivus." Ich wandte mich zu dem Miles, wies auf die Türe zu Decius' Behausung und bestimmte ganz zuversichtlich: "Für's erste übernimmst Du das Reden. Du machst das schon."
    Decius hatte mich nie gemocht. Ich ihn auch nicht. Jemand anderes würde bestimmt bessere Chancen haben, im Guten eine Auskunft von ihm zu erlangen. So liess ich Redivus den Vortritt.





    edit: Macro dazugeschrieben

    Zitat

    Original von Decima Calvia
    Freundlich lächelte Calvia zurück, als Serapio sie so herzlich begrüßte. Es war ihr eine große Freude, ihren jungen Vetter wiederzusehen, denn lange war es zuletzt her, dass sie sich wiedersahen. >Faustus< begrüßte sie ihn und ließ sich umarmen. >Lass dich ansehen< Der kleine Faustus schien zu einem Mann gereift zu sein. Unwillkürlich fuhr Calvia mit den Fingerspitzen sanft über die Narbe im Gesicht des jungen Decimers, vermutlich Zeugnis einer Schlacht. Serapio war etwas besonderes, schon immer gewesen. Auch, wenn nun vor ihr nicht mehr jener kleine Junge, der weinend zu ihr kam und den sie oft genug in Schutz genommen hatte vor dem Hausdrachen, der ihn zur Welt gebracht hatte, war er für sie immer noch ihr kleiner Vetter und würde es wohl bleiben. Calvia folgte Serapio's Einladung und setzte sich neben ihren Vetter. >Ich kann mich nicht beschweren. Das Anwesen von Avitus, wo ich den Sommer verbracht habe, erlaubt einem ein recht bequemes Leben. Frische Luft, Luxus und Komfort. Und glaub es oder nicht, aber selbst mit meiner Schwiegermutter komme ich gut aus. In Rom bin ich erst kürzlich angekommen und du bist, um ehrlich zu sein, der erste aus der Familie und Verwandtschaft, den ich wiedersehe<


    Ich liess mich ansehen - war ein bisschen stolz, als Calvia meinen Schmiss würdigte, und ein bisschen erleichtert, dass sie nicht sagte 'Was bist Du aber gross geworden' - und betrachtete im Gegenzug meine liebe Cousine. Ja, sie wirkte entspannt und in sich ruhend. Ich nickte verständig als sie von ihrer Schwiegermutter sprach, ich hatte schon öfters gehört, dass das für eine Ehe ganz entscheidend war, wie es mit der Schwiegermutter klappte. Das freute mich echt für Calvia, schliesslich war für eine Frau bekanntlicherweise eine gelungene Ehe das wichtigste, und ich wünschte meiner grossen Cousine nur das Beste. Den besten Mann hatte sie ja schonmal, auch wenn ich mir irgendwie überhaupt nicht vorstellen konnte, dass dieser auch eine private Seite hatte.
    "Schön! Du siehst auch echt entspannt aus. Dann bleibst Du jetzt also erstmal in Rom? Ach, das ist ja klasse. Hier ist immer so viel los, an jeder Ecke, dagegen ist Tarraco ein verschlafenes Nest, findest du nicht? Und echt provinziell, naja, Du weisst ja dass ich damit meine Probleme hatte, aber hier trifft man so viele interessante, kluge Leute jeder Couleur."
    Ein Sklave nahm mir die Sandalen ab und hielt mir eine Schale hin, in der ich meine Hände benetzte und wusch, was mich kurz davon abhielt, mein Geplauder mit dem üblichen lebhaften Gestikulieren zu unterstreichen, aber mein Mundwerk beeinträchtigte es nicht.
    "Weisst Du überhaupt schon, dass ich jetzt bei den Stadtkohorten bin? Das ist wirklich eine spannende Arbeit. Ach, dann bist Du gar nicht auf dem neuesten Stand, denk nur, Lucilla steht kurz vor der Entbindung, sie ist auch auf dem Land zur Zeit, Grosstante Drusilla kümmert sich um sie."
    Vollbeladene Platten, eine verlockender als die andere schwebten vorbei. Ich schnappte mir zwei Siebenschläfer-Spiesse, streckte mich auf der Kline aus und kostete andächtig. Phantastisch! Die süsse Kruste schmolz im Mund, darunter die zarten Knöchlein, knusprig und so fein dass man sie einfach mitessen konnte, umhüllt von dem köstlichsten Fleisch das man sich überhaupt vorstellen kann... ich sollte häufiger auf Patrizierfesten eingeladen sein.

    "Ich... brauche Deine Hilfe Centurio. Es ist etwas geschehen, das... für mich in einer wirklichen Katastrophe enden könnte. Es ist so, dass ich..." Oh verdammt, jedes Wort blieb mir schier im Halse stecken, lähmte mir die Zunge, stak sperrig in meinem Mund fest. Unsicher verstummte ich, biss mir auf die Lippe, wusste nicht weiter.
    Hatte ich mich nicht schon genug vor dem Centurio offenbart?! Mehr als genug. Jetzt würde er gleich denken: Aha, der Mann ist also nicht nur schwul, er ist auch noch kriminell. Toll, damit hätte ich dann jedes blöde, bornierte Vorurteil bestätigt. Ich war ein wandelndes Klischee! Wäre ich eine Figur in einem Drama, ich würde den Autor wegen Geschmacklosigkeit verklagen. Oder, hätte ich den Faustus von damals erwischen können, ich hätte ihn gepackt und im hohen Bogen den tarpeischen Felsen runtergestossen. Oder ihn jedenfalls heftig geschüttelt, damit er zur Vernuft kam. So blöd, sich wegen dieses falschen Traumzeugs derart die Zukunft zu versauen!
    Ich atmete tief durch, fixierte meine Augen fest auf das Gesicht Aristides', und versuchte es nochmal.
    "Vielleicht erinnerst Du Dich noch, nach der Schlacht am Chaboras, an dem Abend als wir alle völlig fertig waren, auf dem Wall, da haben wir damals darüber gesprochen, was es war, das uns sub aquila geführt hat. Bei mir war es vor allem, dass ich neu anfangen wollte, und mein Leben in den Griff bekommen. Und das ist mir auch gelungen, dank der Armee, und ich denke, ich habe auch gezeigt, dass ich hier am richtigen Platz bin, und bereit bin alles zu geben für Rom und für den Kaiser!" Ich nickte entschlossen, und wusste, ich war wirklich dazu bereit, es begeisterte mich für etwas einzustehen das so unendlich viel grösser war als ein einzelner Mensch es jemals sein konnte.
    "Aber jetzt ist etwas aufgetaucht", fuhr ich mit wachsender Verzweiflung fort, "etwas von früher, das alles zerstören könnte... " Fahr dahin, Stolz... "Bitte Centurio", flehte ich, "bitte, Du musst mir helfen, niemand sonst kann mir helfen, sie werden mich sonst... rauswerfen!"

    "Ja, Princeps Prior, er ist mein Sklave, und er wird ab jetzt in meiner Unterkunft hier in der Castra wohnen, also wird er auch manchmal rein und rausgehen müssen", erklärte ich dem Optio, der gerade den Wachdienst führte, jetzt schon zum zweiten Mal. "Vermerk das bitte im Wachbuch, mit einer kurzen Beschreibung. Tsiáhar heisst er. Hm, keine Ahnung wie man das richtig schreibt. Ja, er ist Parther, aber ganz vernünftig. Besondere Kennzeichen, ähm..." Grossmäulig? Eingebildet? Ehemals blutrünstiger Partisane? "...er hat eine Narbe hier seitlich am Kopf. - Gut... Ja. Sicher muss er durchsucht werden, selbstverständlich."
    Das alles war aufwendig, aber es war auch gut so, schliesslich durfte hier nicht jeder rein. Ich wandte mich zu meinem gutgebauten Souvenir von der Front, das sich anscheinend langweilte, und herrschte es an: ~"Schnauze Tsiáhar! Was in der Kiste ist wirst Du noch sehen."~
    Wenn das mein seliger Hauslehrer wüsste, dass ich mein Griechisch vor allem dadurch übte, dass ich mich mit meinem Sklaven stritt... Ach, ich freute mich schon, dem Parther die ganze Arbeit aufzuhalsen, er sollte schuften und ackern und büssen für den Tod von meinem Kameraden Verax, er sollte erkennen wo sein Platz war, und Demut vor uns Römern lernen, solange bis er es nicht mal mehr wagte einen von uns scheel anzusehen.
    ~"Jetzt heb die Arme"~, befahl ich streng, ~"damit ich Dich durchsuchen kann."~
    Ich ging auf ihn zu, um dieses Vorhaben in die Tat umzusetzen. Er würde doch wohl keine Waffe dabeihaben... (Das wäre peinlich vor den Torwachen.) Oder?

    Das war ja... ungeheuerlich. Dem Vater nicht die Kinder zu gönnen! Ich war echt betroffen von der ganzen Geschichte, und suchte noch nach den richtigen Worten - es war schlimm, schlimm die Mutter zu verlieren, aber bei Livianus' lag da doch eindeutig keine Schuld - als leichte Schritte sich näherten; davon abgelenkt wandte ich den Kopf zum Eingang der Laube und sah ein Mädchen eintreten, das uns mit einem Lächeln bedachte, so strahlend als hätte an diesem verblassten Herbsttag auf einmal der Frühling seinen Einzug gehalten. Das war ansteckend - "Salve" grüsste ich zurück, und erwiderte das Lächeln ganz von selbst, überrascht aber herzlich. Flavus stellte uns vor und ich erhob mich rasch, staunend über diese plötzliche Vermehrung meiner näheren Verwandschaft. Flavus und Flava. Ich sah von einem zum anderen. Schon verrückt wie das Schicksal so spielte. Es nahm Onkel Livianus alles, und liess dafür auf einmal Zwillinge, die doch ein Zeichen für die Gunst der Götter sind, auftauchen... aber das war bestimmt ein gutes Omen. Musste es sein.
    "Es ist mir eine Freude Dich kennenzulernen, Flava! Wir haben uns gerade ein bisschen bekannt gemacht. Faustus ist mein Praenomen. Ich muss zugeben, ich bin gerade ziemlich überwältigt, ich hatte nicht die geringste Ahnung dass ihr... aber das hatte ja wohl keiner. - Setz Dich doch zu uns wenn Du magst." Auch ich nahm wieder Platz und fragte, weil es gerade so viele Fragen gab, dass ich lieber mal eine nicht so komplizierte wählte, aber voller Interesse an meiner neuentdeckten Cousine: "Und, wie gefällt es Dir so hier in Rom?"