Beiträge von Faustus Decimus Serapio

    "Drusilla! Drusilla! Miez miez miez!"
    Ich ging in die Hocke und lockte das Kätzchen, das sich heute anscheinend auf einem Inspektionsrundgang durch das Lager befand. Wie die Augusta persönlich schritt sie durch die Lagergasse. Als ich ein kleines Stückchen Speck aus dem Kessel fischte, in dem gerade unser Puls vor sich hin köchelte, gab sie allerdings ihre Gravitas auf, kam heran und strich mir um die Beine. Ich fütterte das Kätzchen und kraulte sein seidenweiches Fell bis es behaglich schnurrte.
    "Post für Dich, Decimus", erklang es, und ein Miles der Poststube kam zackig herbeigestiefelt und reichte mir einen Brief.
    "Oh, danke!", rief ich erfreut, und griff zu. Drusilla setzte ihre Inspektion fort, und ich öffnete mit klopfendem Herzen die Lederhülle des Schreibens. Von Seiana! Ich zögerte, und hatte einen Augenblick lang die Befürchtung es könnte etwas schlechtes darin stehen. Dass sie nichts mehr von mir wissen wollte, zum Beispiel, oder dass der Sklave ihrer ästhetischen Formensprache nicht entsprach. Ich musste auch an den Praefectus denken, der, laut den Gerüchten im Lager, gestern einen Brief bekommen hatte, und seitdem nicht mehr der selbe war - hiess es jedenfalls.
    Aber mein Brief enthielt erst mal eine sehr gute Nachricht! Ich las, und atmete erleichtert auf. Ein breites Lächeln trat auf mein Gesicht, so strahlend dass Musca, als er an mir vorbei ins Zelt ging, sich erkundigte:
    "Sag mal, hast Du was genommen?"
    Nein, ich hatte trotz der verlockenden Nähe von Antiochias Drogenhöhlen noch nichts genommen, ich war nur ungeheuer froh mich mit meiner Schwester wieder versöhnt zu haben. Dann las ich allerdings vom Tod meines Cousins, und das traf mich sehr. Auch wenn ich ihn mehr flüchtig gekannt hatte, es war doch Familie, und seine Eltern taten mir entsetzlich leid.


    Mit so gemischten Gefühlen war schwer eine Antwort verfassen. So liess ich den Brief erst mal ruhen, und ging nach dem Essen zusammen mit meinen Contubernales in die Stadt.
    Ach, Antiochia! Wieder hatten wir viel zu wenig Zeit, und wieder war ich überwältigt vom Zauber dieser Stadt, die mit ein paar mehr Sesterzen in der Tasche als ein Probatus, noch sehr viel mehr Möglichkeiten bot. Erst kaufte ich mich arm an bunten Stoffen und exotischen Mitbringseln, dann liess ich mich von den anderen in ein Freudenhaus mitschleppen. Silio hatte sich anscheinend vorgenommen jetzt aber mal "einen richtigen Mann aus mir zu machen" - was ja wirklich nett gemeint war, wenn auch etwas schlicht gedacht - und versuchte mir penetrant irgendwelche Mädchen schmackhaft zu machen. Ich musste ihn aber enttäuschen, sie liessen mich ziemlich kalt (Silio selbst hätte ich da weitaus schmackhafter gefunden), und ich hielt mich lieber an das köstliche Opium, das die dort servierten. Ach ja, Antiochia...


    Tag darauf als ich wieder klar war, schrieb ich Seiana zurück, wobei ich fast kein Ende fand. Es war wirklich Zeit sich mal wieder zu sehn, ich hatte so viel zu sagen. Ich gab den Brief einem Kameraden mit, der noch Ausgang hatte, damit er ihn beim Cursus Publicus abgab. Wir waren ja zum Glück wieder in zivilisierten Gefilden. Schon bald darauf hiess es wieder zusammenpacken - ich hatte arg mit meinem Gepäck zu kämpfen - und wir machten uns auf nach Seleukia Pieria, um die heissersehnte Rückreise mit den Schiffen anzutreten.


    Ein Miles der Prima, auf Ausgang in Antiochia, machte einen kleinen Abstecher in die Mansio, um dort folgenden Brief abzugeben.


    An
    Decima Seiana
    Casa Decima Mercator
    Roma


    Liebe Seiana,
    mir ist eine ganze Sierra vom Herzen gefallen, als ich Deine Antwort bekommen habe! Ich bin so froh dass Du mir nicht mehr böse bist, oder mir sogar gar nicht wirklich böse gewesen bist. Schon komisch, ich hab mir da so lange so viele Gedanken drum gemacht, dabei hätte ich mich bloss früher trauen sollen Dir zu schreiben.
    Es ist bestimmt eine gute Entscheidung nach Rom zu ziehen. Die Familie dort ist ja auch so herzlich, da fühlt man sich gleich zu Hause. Oder jedenfalls ging es mir so, als ich eine Weile dort in der Casa gewohnt habe. Zuerst hatte ich in Rom ja versucht ganz auf eigenen Füssen zu stehen, nach dem Streit und dem Zerwürfnis und dem ganzen, nicht als Decimer sondern nur als ich selbst, Du weisst schon, aber irgendwann, als ich dann doch Hilfe gebraucht habe, da war die Familie für mich da, wie ein Rettungsanker.
    Es macht mich traurig von Maximians Tod zu hören. So wirklich eng hab ich ihn ja nicht gekannt, aber trotzdem - er war doch nicht viel älter als wir! Das ist nicht fair. Arme Severa, und armer Meridius. Es muss absolut fürchterlich sein, den eigenen Sohn zu verlieren.
    Ich habe auch viel zu viele Leute sterben sehen. Das verändert einen schon. Ausserdem mache ich mir immerzu Sorgen wegen Onkel Livianus - Du wirst ja sicher schon davon gehört haben dass er verschollen ist, und es gibt einfach partout keine Neuigkeiten. Es ist so widersinnig, zu Beginn des Krieges hat er mich streng gerügt, dass ich zur Prima bin, und ihn damit zwinge mich in die Gefahr zu schicken, und jetzt ist er, der Feldherr, selber wie vom Erdboden verschluckt. Aber das ist auch so was wo man - bzw. ich - nichts machen kann ausser das beste zu hoffen.


    Appius ist in Rom? Das ist ja eine Überraschung! Ich hatte ihn völlig aus den Augen verloren, hatte keine Ahnung wo in der Weltgeschichte er sich rumtreibt. Und Scaurus ist auch da, das ist ja wunderbar! Vielen Dank für die Grüsse! Ich hoffe sie bleiben noch ein bisschen, damit ich sie bald wiedersehen kann. Dann wären wir vier endlich mal wieder komplett. Denn - stell Dir vor, unsere Legion auf dem Rückweg! Wir kommen, so uns die Götter keine Knüppel zwischen die Beine werfen, bald wieder nach Italia, und ich hoffe natürlich, dass ich dann auch mal in Rom vorbeischauen kann. Es hat natürlich einen schlimmen Anlass, den Tod des Imperators, aber trotzdem, gebe ich zu, bin ich froh dass der Feldzug einmal ein Ende nimmt. Es hat zwar den schalen Beigeschmack der Niederlage, aber trotzdem... (Naja, eine richtige Niederlage ist es nicht, aber als Sieg kann man es auch nicht gerade bezeichnen.)
    Zur Zeit sind wir schon wieder in Antiochia, weit vom Feindesland. Du musst Dir also keine Sorgen um mich machen, ausser dass ich vielleicht über eine Zeltschnur stolpern könnte oder von einem betrügerischen Fremdenführer übers Ohr gehauen werden könnte. Die sind ganz schön gewieft, diese Syrer hier. Gestern hatten wir Ausgang - wirklich langersehnt, wir kommen ja direkt vom wochenlangen, ununterbrochenen Marschieren - und Du glaubst nicht wie schnell diese Leute uns armen Soldaten den Sold aus der Tasche gezogen habe. Ach, es gibt hier ja so wunderbare Einkaufsmeilen und -hallen und -höfe! Ich habe Lucilla auch schon davon vorgeschwärmt. Die Lichterpracht und die Wasserspiele von Antiochia sind überwältigend, die Preise sind es aber auch wenn man nicht hart feilscht. Und die Stoffe die die hier haben sind derart farbenprächtig, und oft ganz wundervoll bestickt, oder mit Webmustern versehen die je nach Licht changieren - ich hätte gestern am liebsten den ganzen Laden leergekauft.


    Es war Glück, dass ich Deinen Brief noch rechtzeitig bekommen habe, wir werden nämlich schon bald nach Seleukia gehen, das ist die Hafenstadt von Antiochia, und dort die Schiffe besteigen, die uns Richtung Heimat bringen sollen. Hoffentlich bekommst Du diesen Brief überhaupt noch bevor ich leibhaftig vor dir stehe - wobei, die Legio braucht wohl immer etwas länger. Und je schneller wir uns wiedersehen desto besser. Ja, ich hab wirklich viel zu erzählen, aber ich spar mir das lieber mal auf.
    Aber, ich muss sagen, ein bisschen beleidigt war ich ja schon zu lesen dass Du mir den Soldaten nicht abnimmst. Es ist einfach Übungssache, wie vieles andere ja auch, und ich bin bestimmt nicht der Vorzeige-Soldat Nr.1, (dafür denke ich zu viel) aber schlecht bin auch nicht. Training eben. Und eine Frage des Willes ist es natürlich auch, ich hatte es mir einfach in den Kopf gesetzt, und wenn man etwa wirklich, wirklich will, dann kriegt man es auch hin. Ich will ja nicht angeben, aber nur damit Du mir glaubst: sogar die Prätorianer-Garde, die hier mit uns unterwegs war, hatte Interesse an mir, ehrlich. - Naja, und Glück ist natürlich auch dabei, das will ich ja gar nicht bestreiten. Fortuna schulde ich noch ein grosses Opfer, soviel Schwein wie ich in den Kämpfen immer hatte.


    Das klingt ja richtig spannend mit diesem Aelier, mein liebes Schwesterchen. Nein, romantisch geradezu. Bist du jetzt also dazu übergegangen den Jungs die Köpfe zu verdrehen, anstatt sie mit den Fäusten zu verdreschen. Oh weh, die Armen, damit hast Du jetzt noch viel stärkere Waffen. Ach ja meine Liebe, rein politisch gesehen würde ich mir einen Aelier bei der derzeitigen Lage unbedingt warmhalten... - Quatsch, nimm mich nicht ernst, Du weisst ja dass ich keine sonderliche Hochachtung für die Politik hege. Ich bin immer noch der Meinung, sie verdirbt den Charakter. Wobei mir Scaurus da bestimmt energisch widersprechen würde.
    Nun ja. So langsam muss ich mich aber mal wieder meinen ungeheuerlich wichtigen Tesserarius-Pflichten widmen. Tatsächlich habe ich gerade wirklich viel zu tun, weil unser Centurio im Lazarett liegt, und ich dem Optio (der ausserdem mein bester Freund ist), bei dem ganzen Riesenhaufen Arbeit, den er jetzt hat, so gut wie möglich zu helfen versuche. Also dann, ich hoffe wir sehen uns sehr bald! Ich drücke Dich ganz fest, und bitte sag der Familie und natürlich ganz besonders Appius und Scaurus viele liebe Grüsse von mir! Und grüss auch Elena von mir!
    Jetzt aber - Vale, bis bald!


    Dein Faustus



    Sim-Off:

    Ist bezahlt. Danke :)

    Auf leisen Sohlen betrat ich das Valetudinarium. Die Zeltbahnen waren an vielen Stellen hochgerollt, um für etwas Lüftung zu sorgen, aber trotzdem war die Luft stickig, und vermischt mit dem Dunst von Fieber und von schwärenden Wunden. Die vielen Soldaten zu sehn, die hier auf ihren Lagern dahindämmerten, machte mich beklommen, fast hatte ich ein schlechtes Gewissen, dass ich im Gegensatz zu ihnen das ganze einigermassen heil überstanden hatte. Ein Medicus sah von einem Patienten mit einer scheusslichen Verstümmelung auf und blickte mich fragend an. Ich hob den Blumenstrauss in meiner Hand wie einen Passierschein, und deutete auf den Bereich wo unser armer Centurio darniederlag. Der Medicus stutzte, schmunzelte dann und nickte kurz, so schob ich mich also an den Reihen der Kranken und Verwundeten vorbei ohne dabei zu genau hinzusehen, und trat leise an das Krankenlager des Flaviers. Er schien zu schlafen, oder weggedriftet zu sein, nur manchmal bewegte er sich ein wenig und murmelte unverständlich vor sich hin. Sein Gesicht war fiebrig gerötet und seine Stirn glänzte feucht. Es tat mir in der Seele weh unseren Centurio so schwach und gequält zu sehen. Und das war ja noch nicht das schlimmste! Angeblich wollten die Medici, diese brutalen Sägenschwinger, ihm das verletzte Bein abschneiden!
    Ich unterdrückte das Seufzen, das schwer aus meiner Brust aufsteigen wollte, und wedelte ein paar Fliegen weg, die aufdringlich um ihn herumschwirrten. Ich war ja mit einer Mission hier, aber ob der Centurio diese überhaupt mitkriegen würde, da war ich mir nicht so sicher. Trotzdem stellte ich die Blumen die ich mitgebracht hatte in eine Vase - eigentlich war es eine Kanne, aber egal - und zupfte sie ein bisschen zurecht. Es war ein grosser Strauss von goldgelbem und Purpur-Sonnenhut, der meiner Meinung nach äusserst optimistisch aussah. (Die Kameraden hatten mir das Aussuchen überlassen, die hatten es nicht so mit Blumen.) Den Strauss stellte ich auf eine Kiste neben das Bett, so dass sein Blick gleich drauf fallen musste, und dann lehnte ich noch die Wachstafel daran, auf der die Genesungswünsche der Centurie standen, und wo für jedes Contubernium einer unterschrieben hatte. Geknickt von so viel Unglück setzte ich mich auf den Schemel neben dem Bett, wo sonst, fast jedesmal wenn ich hereinschaute, Naevius hockte, und leistete dem Centurio noch eine Weile stumme Gesellschaft.

    Tausende und abertausende Hände und Schwerter schlugen auf die Schilde. Ich machte natürlich mit. Es schwoll an wie ein Donnergrollen, wie ein Lawine, wurde immer lauter und gewaltiger... Eine Gänsehaut lief mir über den Rücken, ein ehrfürchtiger Schauer durch die Glieder, und ich spürte die Nähe von etwas kaum begreiflichem. Die Feuerschalen flammten rot, die Dämmerung kündigte sich an. Nach ein paar Momenten verdichtete sich der Lärm zu einem Takt, alle schlugen jetzt synchron auf die Schilde. Wie ein ungeheurer Herzschlag brandete es über das versammelte Heer.
    Ich blickte zum Scheiterhaufen und erinnerte mich daran wie ich den Imperator am Morgen der Schlacht von Edessa gesehen hatte, als er selbst das Opfer vollführt hatte, ein Bild der Erhabenheit. Auf die Dauer beharrt nichts in der Welt, dachte ich melancholisch, und dann ging mir die klagende Musik doch zu Herzen, und ich spürte meine Augen feucht werden. Er war ein grosser und gütiger Herrscher gewesen, ganz bestimmt hatte er sich einen Platz im Pantheon verdient.

    Das Gepäck war unter Deck, die Schilde gestapelt, die Pila gebündelt, und ich stand neben Sparsus an der Reling und blickte über den Hafen, über die prachtvolle Versammlung kriegerischer Schiffe. Die Atmosphäre war entspannt, es wurde geflachst und lahme Witze gerissen, bis dann alle verstummten, weil am Ufer ein Opfer stattfand. Ich stützte die Ellbogen auf der Reling, und betrachtete andächtig die schöne Zeremonie, voll Zuversicht dass unsere Heimreise gut vonstatten gehen würde.
    Bald darauf ging es wirklich los, zu Fanfarenklängen wurden die Leinen gelöst, die Ruder hoben und senkten sich, und der Bug der Vento velocior richtete sich gen Hafenausfahrt.
    "Es geht los!", bemerkte ich lächelnd, obwohl das natürlich offensichtlich war, "Ich kann's kaum erwarten wieder nach Hause zu kommen! Ob wir mit dem Caesar nach Rom ziehen, was meinst Du? Ich bin so ungeduldig meine Familie wiederzusehen..."
    Was mich prompt an das ungewisse Schicksal meines Onkel erinnerte. Ich wurde nachdenklich, und sah zurück zum Ufer. Bunte Tupfen waren die Fischerbote an der Mole, die Palmen säumten sattgrün die Mündung des Orontes, und über die Hügel mit dem ockerfarbene Häusern schweifte mein Blick zu den Bergen dahinter, deren bläuliche Silhuetten sich im Dunst verloren. Weit weit dahinter lag Parthia... Eigentlich war es schon ein Wunder dass ich noch am Leben war. Ich seufzte, und versuchte mir einzureden dass irgendwie doch noch alles gut würde.
    "Was wirst Du als erstes tun, wenn wir wieder zuhause sind?"

    Hungrig auf irgendwelche Hinweise, jeden noch so geringen Anhaltspunkt, hing ich an Salassus' Lippen. Gerüchte... allgemeine Gerüchte, das war doch schon mal besser als gar nichts! Ich nickte und beschloss diese Information sobald wir zurück waren natürlich gleich weiterzugeben.
    "Ja", sagte ich, "mein Onkel.", dann versanken wir wieder in Schweigen. Die Schatten waren länger geworden, während des Rückmarsches, die Sonne näherte sich langsam dem Horizont. Im Osten nahm der Himmel einen dunkleren Blauton an. Dura lag in dieser Richtung, und noch viel weiter, viel tiefer im Partherreich, auch Assur. Die Prima würde zu den Parther gehen, dem Legaten nachfolgend, hatte mir der Imperator gesagt... Aber da hatte er sich getäuscht. Der Imperator war tot, die Legionen zogen ab, und der Legat, falls er noch lebte, konnte auf solche Hilfe nicht mehr hoffen. Ich seufzte leise, und senkte den Kopf, betrachtete trübsinnig den Pfad unter unseren Füssen, der hart und steinig war, und auf dem keine Fusspuren zurückblieben.


    Kurz vor Einbruch der Dunkelheit erreichten wir das Lager. Ich verabschiedete mich von Salassus, dann brachten wir die Verletzten ins Valetudinarium, die Sklaven in die Pferche, und die Vorräte ins Lager. Natürlich erstattete ich gleich Sparsus Bericht, der jetzt erst mal den Centurio vertreten musste. Ausserdem galt es sich um die Bestattung der toten Kameraden zu kümmern. Kurz, ich hatte alle Hände voll zu tun; die Wache war ja auch zu organisieren, wie jeden Tag, und ich kam überhaupt nicht zum Nachdenken, was wahrscheinlich ganz gut war. Später verfasste ich dann noch den Bericht über diese unglücksselige Expedition, für Centurio Imperiosus, weil von ihm ja auch Männer dabeigewesen waren, und natürlich für den Praefectus Castrorum. Magere, nüchterne Worte schrieb ich auf die Wachstafeln, Listen und Ziffern kratzte der Stylus penibel in das Wachs. Die Schrecken des Tages, die wir erlitten ebenso wie verbreitet hatten, fein säuberlich gebannt auf eine Tessera - irgendwie absurd.
    Nichtsdestotrotz, nachdem ich die Tafeln noch kurz Sparsus unter die Nase gehalten hatte, gab ich die Berichte dann an den Zelten der Empfänger ab - bei Artorius&Artorius sozusagen.



    --- Bericht ---
    Vexillatio zum Requirieren von Verpflegung
    II. ID Febr. 858 a.u.c.


    Unter dem Kommando von Princeps Flavius Aristides brachen wir zur hora secunda auf - 23 Mann aus der Coh.I Cen.II und der Coh.IX Cen.IV, dazu drei Equites und zwei Maultierkarren mit Fahrern. Keine Vorkommnisse während des Vormittages. Zur hora octa trafen wir auf ein Dorf, und begannen mit dem Beschlagnahmen der Lebensmittel. Dabei gerieten wir jedoch in einen Hinterhalt und wurden von einer Abteilung parthischer Reiter, die sich in dem Dorf verborgen hatte, angegriffen. Auch die Dorfbewohner schlossen sich dem Angriff an. Wir schlugen den Angriff zurück, bis die verbliebenen Reiter sich zur Flucht wandten. Verluste auf unserer Seite: drei Milites, ein Maultierknecht. Centurio Flavius erlitt schwere Verletzungen und war nicht mehr einsatzfähig. Zur Vergeltung veranlasste ich die Versklavung der Männer der Dorfes und das Abbrennen der Häuser.
    Der weiteren trafen wir dort auf einen Soldaten der Legio X, Salassus Scato sein Name, der seit der Schacht am Chaboras in Gefangenschaft der Parther gewesen war. Er kehrte mit uns zurück. Befragt über mögliche Hinweise auf den Verbleib des Legaten Decimus Livianus berichtete Salassus, er habe von hochrangigen Gefangenen gehört. Einige seien nach Dura gekommen, er habe aber auch von einem Tribun gehört den man nach Assur gebracht habe.
    Zur hora duodecima Rückkehr in die Castra.


    -------------


    Liste der Verluste:
    Miles Sp. Plancius Gnipho
    Miles L. Critonius Fimbria
    Miles Cn. Iturius Albinus
    Mulio Timotheus


    Verletzte, z.Zt. nicht einsatzfähig:
    Centurio M. Flavius Aristides
    Eques Gn. Velius Valenus
    Miles Ser. Toranius Pulcher
    Miles L. Nerius Nacca


    Verlust an Material:
    Ein Wagen, zwei Maultiere
    Zwei Scuta


    Requiriertes Gut:
    27 Sack Korn, 5 Säcke Sesam
    1 Kuh, zwei Ziegen, acht Hühner
    1 Reitpferd
    13 Sklaven



    Faustus Decimus Serapio, Tesserarius Coh.I Cen.II


    Als letzter betrat ich den Bootssteg, der uns vom Kai auf das Schiff führte. "Vento Velocior" lautete der Name am Heck, und das Schiff sah wirklich recht schnittig aus. Vorsichtig setzte ich meine Füsse, denn ich hatte in Antiochia meinen Sold in einen ganzen Haufen von Souvenirs und Mitbringsel für zu Hause (und Extra-Proviant für die Schiffsreise) investiert, und so war ich heute besonders schwer bepackt. Wie gut, dass das Schiff für uns die Fortbewegung übernehmen würde. Auch wenn es bestimmt wieder eng und muffig werden würde, auch wenn es aufgrund der Jahreszeit vielleicht etwas rauher würde, freute ich mich auf die Überfahrt. Vom Marschieren hatte ich derart die Schnauze voll! Ob wir wohl Delphine sehen würden? Aufatmend setzte ich mein Gepäck auf dem Deck des Schiffes ab, das schon leicht hin und her schwankte.


    Zitat

    Original von Marcus Iulius Sparsus
    "Tesserarius Serapio - Stärke 76 Mann. Passt das so, oder darf ich jemanden als Vermisst melden?"


    "76? Oh. Dann fehlen noch zwei, Optio", meinte ich etwas erschrocken. Wäre peinlich unterwegs einfach so jemanden zu verlieren, gerade wenn die Leute von der Classis, auf die wir so gerne überlegen hinabsahen, das mitbekamen. Aber das konnte doch nicht sein, ich hatte doch aufgepasst.
    "Moment."
    Ich zog aus meiner Gürteltasche eine Tessera hervor, die mit der Stärkemeldung, um mich zu vergewissern dass ich keinen Unsinn erzählte, und rekapitulierte:
    "Also, unsere Centurie hat noch eine Stärke von 92 Mann. Drei Mann kommen erst mit dem schweren Gerät nach. Fünf liegen mit Blessuren im Lazarett, vier mit Ruhr, und einer mit..." - es war was ganz ekliges, das wollte ich jetzt hier nicht so offen sagen - "...mhm Du weisst schon. Dann kommt noch der Centurio dazu und - ach natürlich, Naevius! Der hat ihn doch begleitet!"
    Den hatte ich ganz vergessen, er hatte aber auch so was an sich, dass das leicht mal passieren konnte.
    "Fehlt aber noch einer. - Hast Du Dich auch mitgezählt?"
    Die Frage war mir rausgerutscht, bevor mir auffiel dass sie vielleicht ein bisschen frech war. Ich machte eine entschuldigende Geste und spähte aufs Kai. Und tatsächlich...! Da entdeckte ich doch, inmitten des ganzen Gedränges Gillo, auch Segelohr-Gillo genannt, wie er gerade ganz unverfroren bei einem fliegenden Händler stand, und sich gemütlich eine Tüte Pomeranzen kaufte.
    "Gillo!", brüllte ich - meine Stimme hatte sich mittlerweile erholt -"Schwing Deine morschen Knochen hier hoch, aber nen bisschen plötzlich!"
    Es machte mir eine klammheimliche Freude, auch mal so rumzuschreien. Gillo setzte sich in Bewegung und bequemte sich zu uns. Er hatte sogar den Anstand ein bisschen zerknirscht auszusehen, aber wahrscheinlich war das nur um Sparsus milde zu stimmen.
    "Das wären dann alle, Optio", meldete ich, vergnügt dass es gleich losgehen würde.

    Ich hasse es wenn man mich auslacht.
    "Ja genau.", gab ich mit zusammengebissenen Zähnen zurück, "Ich.", und starrte diesen Möchtegern-Meuterer sehr eindringlich an.
    Ruhig Blut. Immer schön kühl bleiben. Dass ich vor nicht so ungeheuer langer Zeit noch ein Grünschnabel gewesen war, da hatte er leider recht, das konnte ich nicht bestreiten. Aber um so mehr musste es ihn wurmen dass er jetzt in diesem Moment mir gehorchen musste.
    Tatsächlich war Vullius sich trotz seiner grossen Klappe offenbar doch nicht ganz so sicher, denn er begann sich nach den anderen umzusehen. Obwohl manche feixten, und es wohl gerne gesehen hätten wenn er mich klein gekriegt hätte, sich zu exponieren und ihm offen beizustehen, das wagte dann doch keiner. Hin und wieder mag ich über den blinden Gehorsam, zu dem man die Soldaten drillt, gespottet haben - aber in diesem Moment war ich echt froh darüber! Auch die Anwesenheit des Kameraden von der Zehnten, der absolut gelassen blieb, war gut, ich hatte dadurch das Gefühl nicht ganz alleine dazustehen.
    Schlussendlich gab er doch nach, Vullius dieser Vervex, und räumte das Feld. Ich sah ihm kurz nach, und versuchte mir meine Erleichterung nicht zu sehr anmerken zu lassen. Aber ich merkte mir ganz genau die Gesichter der Leute die bei seinen Worten gegrinst hatten! In sowas bin ich nachtragend. Die konnten sich gleich schon mal auf ein paar der besonders beliebten Hundewachen gefasst machen.
    Was der Centurio dazu sagen würde, ob er mein Handeln gutheissen würde, da war ich mir zwar gar nicht so sicher, aber es war jetzt echt nicht der Moment sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Und falls Vullius das ein anderes mal 'austragen' wollte - zurück in der Castra war ja Sparsus wieder in der Nähe, der würde mich sicher nicht im Stich lassen.
    Puh.


    Das Plündern ging weiter. Nachdem Vullius den Schwanz eingezogen hatte, beschränkten sich die Kameraden jetzt tatsächlich darauf die Männer zusammenzutreiben. Ein paar Frauen verzogen sich, ihre Kinder am Rockzipfel, andere blieben, jammerten und kreischten, verfluchten uns hasserfüllt und wollten ihre Männer nicht hergeben. Ich trat zu den Sklaven, und sah mit grosser Genugtuung, dass auch der hyänenhafte Alte, der uns in die Falle geführt hatte, darunter war. Sie wurden gefesselt, und in einer langen Reihe aneinander gebunden, damit wir sie mit uns führen konnten. Sonst gab es ja nicht viel zu holen in dem Kaff, aber in der allgemeinen Raffgier machten die Kameraden vor nichts halt, krallten sich selbst verbeulte Kessel oder Kleidungsstücke die derart armselig waren, dass man dafür kaum ein As bekommen würde.
    Ich gebe zu, dass mich auch ein wenig die Habsucht packte. Gerade stand ich neben einem Pferdekadaver, den schon jemand um das Zaumzeug erleichtert hatte, und auch eine der Satteltaschen war aufgeschlitzt, aber da war noch eine auf der anderen Seite, halb begraben unter dem toten Tier. Ich beugte mich runter, zerrte sie hervor und durchwühlte sie. Erst mal sah ich nur Proviant darin - langweilig, aber dann fiel mir, eingeschlagen in ein schmutziges Tuch, eine kleine Statuette in die Hände, aus schimmerndem Alabaster. Sie stellte eine Frau mit langem Lockenhaar dar, in dem sie die Mondsichel trug, sie hatte Augen aus milchigblauem Mondstein, mit denen sich mich verklärt anzusehen schien. Gebannt betrachtete ich das wunderschöne Stück, dann steckte ich es schnell weg, bevor jemand es mir womöglich streitig machen konnte.


    An einem Ziehbrunnen holte ich mir einen Eimer Wasser hoch, trank in tiefen Zügen und füllte meinen Schlauch wieder auf. Ich klatschte mir auch ein paar Handvoll Wasser ins Gesicht und wusch mir das Blut und den Russ ab. Der Eques, den ich vorhin ausgesandt hatte, kehrte zurück, zusammen mit dem jüngeren seiner Kameraden. Aber er führte ein weiteres Pferd am Zügel, mit dem reglosen Körper seines anderen Kameraden quer über dem Sattel. Sein Gesicht war starr, als er mir berichtete:
    "Die Parther sind etwa zweieinhalb milia passum entlang des Flusses geritten, haben dann Halt gemacht und sind abgesessen. - Werden wir sie verfolgen?"
    Er schien begierig darauf zu sein Rache zu nehmen. Aber ich schüttelte den Kopf - ich würde heilfroh sein wenn wir wieder zurück in der Castra waren.
    "Nein. Es ist wichtiger die Verletzten ins Valetudinarium zu bringen.", meinte ich, und reichte ihm den Wassereimer weiter, so dass er die Pferde tränken konnte. Wenn die Parther noch in der Nähe weilten, dann war es jetzt wirklich Zeit zu gehen. Ich holte tief Luft und heiser rief ich die Soldaten zusammen.
    "Milites! Convenite!"
    Der ein oder andere brauchte natürlich etwas länger. Während sie eintrudelten nahm ich mir ein Bündel trockenes Reisig, und steckte es an der glimmenden Ruine, den Überresten des Räucherhauses an. Sacht blies ich auf die kleinen Flämmchen, bis sie höher brannten und züngelnd begannen, das dürre Holz zu verzehren. Ich reckte mich ein wenig, und hielt den Feuerbrand an das Dach der nächsten Kate. Schilf deckte es, und sofort sprangen die Flammen über, frassen sich knisternd ihren Weg.


    "Wir ziehen ab.", befahl ich. "Zurück zur Castra. Den Wagen nehmen wir in die Mitte, und die Sklaven auch. Die Toten tragen wir abwechselnd auf den Schilden. - Die beiden Reiter an die Flanken. Die anderen in Zweierreihen. Pergite!"
    Der Zug setzte sich, wenn auch etwas verzögert, in Bewegung. Einige ausser mir hatten auch schon gebrandschatzt, und so flammten jetzt an mehreren Stellen im Dorf die Brände auf. Als wir durch den Wall hindurchzogen, und diesen Unglücksort endgültig wieder verliessen, warf ich noch einen Blick zurück. Ich sah wie das Feuer sich ausbreitete, die Dächer umhüllte, von First zu First sprang. Des nachts wäre das, rein ästhetisch gesehen, sicher ein schönes Bild gewesen, aber jetzt am hellen Tag kam es nicht richtig zur Geltung... Das war das einzige was ich in dem Moment dachte. Um über richtig und falsch nachzugrübeln war ich inzwischen einfach zu erschöpft.
    Wieder überquerten wir das Meer golden wogender Gräser. Ich lenkte meine Schritte neben den Wagen, und warf einen Blick über den Rand hinweg, auf den Centurio. Richtig übel zugerichtet sah er aus, und nicht gerade so als ob er jetzt mit einem Lagebericht was anfangen könnte. Ich biss auf meiner Unterlippe herum und kämpfte gegen den Kloß in meinem Hals. Durch seine väterliche Art, und dadurch wie er für mich eingestanden war, hatte ich den Centurio wirklich ins Herz geschlossen, und ich hoffte inständig dass er sich wieder erholen würde!


    Es war ein sehr schweigsamer Zug, abgesehen von den Verwünschungen mit denen die Kameraden den Sklaven Beine machten. Nach einer Weile gesellte ich mich wieder an die Seite des ehemaligen Gefangenen. Ich räusperte mich, um ihm dann meine Frage zu stellen.
    "Sag mal... Als Du in Gefangenschaft warst, hast Du da vielleicht... zufällig irgendetwas gehört von Decimus Livianus?! Dem verschollenen Legaten der Prima?"
    Eigentlich dachte ich inzwischen, dass so gut wie keine Aussicht mehr bestand meinen Onkel jemals wiederzusehen, aber trotzdem klopfte mein Herz heftig bei der Frage. Ich wollte einfach die Hoffnung nicht aufgeben.

    "Dann würde ich sagen: wir sind quitt.", meinte ich noch zu Salassus.
    Eine Frage, die mir sehr wichtig war, hätte ich ihm gerne auch noch gestellt, aber er versank in düsteres Brüten nachdem er die schlechte Nachricht gehört hatte. Kein Wunder. Es war eines, diesen ganzen Mist hier mitzumachen, in dem Wissen dass es für den Kaiser war, für den Sieg Roms über die Barbaren, also letztendlich schon einen Sinn hatte - aber ganz etwas anderes, wenn es auf einmal alles so vergeblich erschien...
    Darüber würde ich allerdings ein andermal sinnieren müssen. Vullius' Widerworte kamen zwar nicht wirklich überraschend, aber sie erwischten mich doch ziemlich kalt. Verdammt, wie ich mir doch gerade den Centurio zurückwünschte! Was würde der Primus Pilus jetzt tun? Ganz kurz fragte ich mich, ob der Veteran nicht vielleicht sogar recht hatte? Dem Sieger die Beute, etc. Aber das Weinen, obwohl es mittlerweile verstummt war, stach mir immer noch in den Ohren, und ich dachte mir einfach: Irgendwo muss doch mal Schluss sein! Sogar im Krieg...
    Viele sagen ja, Mitleid ist Schwäche, und ein echter Mann soll seine Pflicht stoisch erfüllen ohne sich von so zarten Seelenregungen beeinflussen zu lassen, aber das war mir in dem Moment egal. War ich halt ein Weichei, na und, war mir ja nichts neues.


    Ausserdem war mir klar: wenn ich jetzt nachgeben würde, hätte ich mein bisschen Autorität gleich verspielt. Die Zweifel verbannte ich weit weg, und geradeaufgerichtet, ohne mit der Wimper zu zucken, unter seinem bedrohlichen Blick, sah ich Vullius fest in die Augen. Ich fühlte in mir mit einem Mal eine ungewohnte Entschlossenheit. Zwar war ich nur Tesserarius, doch durch die Verkettung der Umstände hatte ich jetzt nun mal das Sagen hier. Eine so gewaltige Hierarchie wie die unserer Armee in meinem Rücken zu wissen, das stärkte mir eben jenen enorm.
    "Miles Vullius", gab ich zurück, schneidend kalt, aber ohne die Stimme zu heben (die hätte das auch kaum verkraftet), "ich habe einen Befehl erteilt. Und den werde ich nicht mit Dir diskutieren. Aber Du wirst ihn jetzt ausführen. Und dann werd ich Deinen ... Auftritt hier vergessen. - Wenn aber nicht, dann sorge ich dafür dass Du wegen Befehlsverweigerung ausgepeitscht wirst bis..." - und wieder mal flocht ich ein Zitat meines Idols ein, man möge es mir nachsehen - "...mindestens ein Dutzend Vites an Deinem Rücken brechen."
    Das meinte ich ganz ernst. (Und hoffte dass man mir das auch anmerkte.)

    Manchmal hatte ich gedacht, wir kämen niemals wieder aus Parthien, dann niemals wieder aus Syrien, weg. Aber jetzt ging auf einmal alles ganz schnell. :]
    Es war seltsam, wieder am Hafen von Antiochia zu sein, wo wir bei unserer Ankunft auch an Land gegangen waren, wo wir zum ersten Mal den Fuss auf asiatische Erde gesetzt hatten. Voll Tatendrang, Erwartung und Neugier waren wir - oder jedenfalls ich - gewesen. Jetzt waren wir abgekämpft, erschöpft von den Märschen und gewaltig dezimiert von den Schlachten. Unser Legat war verschollen, von unserem Feldherren dem Imperator war nur mehr Asche in einer Urne geblieben. Und auch mein Centurio schwebte irgendwo zwischen Leben und Tod, und war schon vorneweg auf das Flaggschiff, das anscheinend als Lazarett diente, gebracht worden.
    So war Sparsus derjenige, der unsere Centurie auf das richtige Schiff bugsieren musste. Unterstützt natürlich von Cafo und von mir. Ein Tribun der Flotte wies uns den Weg, und wir marschierten in Zweierreihen den Hafen entlang, bis zu der Galeere, die uns wieder in die Heimat bringen sollte. Die Heimat! Ich konnte es noch gar nicht wirklich glauben. Der Geruch nach Salz, das schrille Kreischen der Möwen, sogar der Gestank von Fischabfällen und brackigem Hafenwassers - all das dünkte mir so lieblich, denn es sprach ja von Heimkehr. Ich ging als letzter, und achtete mit Adleraugen drauf dass in dem Getümmel keiner verlorenging - sollte ja schon mal vorgekommen sein dass Soldaten sich in solchen Augenblicken im Schiff irrten - sein Gepäck verlor oder aus der Reihe tanzte.

    Auf einmal war es, als hätte man wilde Hunde von der Kette gelassen. Die Kameraden plünderten, und liessen dabei ihrer Zerstörungswut freien Lauf. Wie schon in Circesium.... ansonsten ganz nette, freundliche Leute legten auf einmal Seiten an den Tag die man ihnen sonst überhaupt nicht zugetraut hätte. Aber wir hatten jedes Recht dazu! Die hatten uns angegriffen - da mussten wir nun mal Vergeltung üben! Eigentlich waren meine Befehle noch viel zu zaghaft, eigentlich hätten wir, nach ur-römischen Gebräuchen des Krieges, alles lebendige was es da gab erschlagen müssen...
    Ich fingerte an meinem Verband herum und versuchte die Schreie zu überhören. Sowas passierte nun mal im Krieg, so was war normal... Aber da war so ein Kinderweinen dabei, ein dünnes, jämmerliches Greinen, das mir in die Ohren stach und in seiner Verzweiflung an meine Nerven sägte... am liebsten hätte ich dem ganzen wieder Einhalt geboten. Aber ich befürchtete, dass die Soldaten mir dann einfach nicht mehr gehorchen würden.
    Einige hatten doch noch ein Vorratslager entdeckt, und schleppten Getreidesäcke herbei. Wir luden sie auf den Wagen. Keine grosse Ausbeute war das. Ein paar Hühner kamen noch dazu, dann die Kuh, ein lahmendes Pferd, und ein paar magere Ziegen die ebenfalls hinten dran gebunden wurden.
    Oben auf den Säcken würden die Verwundeten, die nicht mehr laufen konnten, und der bewusslose Centurio Platz finden. Die Toten würden wir tragen müssen, auf den Schilden...
    Immer noch das Weinen. Dünn und penetrant. Ich legte den Kopf in den Nacken und blickte in den Himmel hinauf, aus keinem besonderen Grund.


    Der Kamerad von der Zehnten musste ganz schön was durchgemacht haben. Nein, er musste entsetzliches durchgemacht haben. Die Verbitterung, die um ihn war, war fast mit Händen zu greifen. Ich sah in sein ausgemergeltes Gesicht, in die Augen die wie ein grauer, verhangener Wolkenhimmel waren, nickte nur, und wünschte dabei ich könnte ihm etwas aufmunterndes sagen. Eben war alles rasendschnell gegangen, aber als ich ihn jetzt so ansah kam vage ein Bild zurück - Salassus mit einem Schlüssel in der Hand - das ich in dem Moment, in meiner Panik vor dem Feuer nicht weiter beachtet hatte.
    "Drecksparther. - Kann... kann das sein dass Du uns geholfen hast da raus zu kommen? Gerade im rechten Moment... "
    Ich wies auf die schwelende Brandruine, die verkohlten Balken, und wieder lief mir ein Schauer über den Rücken. Nervös rieb ich mir den Nacken. Was für ein gewaltiges Glück dass wir es noch rechtzeitig hinaus geschafft hatten! Mein Dank kam aus tiefster Seele.
    "Danke, Commilitio, Du hast uns echt den Arsch gerettet!"
    Natürlich fragte er nach dem Stand des Krieges. Unwillkürlich zögerte ich einen Moment, aber es half ja nichts es nicht zu sagen, also berichtete ich möglichst sachlich:
    "Die Truppen sind auf dem Rückzug. Der Imperator ist tot. Er wurde am Chaboras verwundet, und ist im Lager vor Dura gestorben. Alle Legionen hier, also die Erste, die Zwölfte, die Sechzehnte und der Rest der Zehnten haben dem Caesar die Treue geschworen, und dann wurde die Belagerung abgebrochen. Der Feldzug ist vorbei..."


    Es war gewiss nicht die Sorge um das Wohlergehen der Bauersfrauen, die Lucius Vibullus umtrieb. Ich schüttelte den Kopf, auf seine Frage hin, und verschränkte die Arme hinter dem Rücken als ich bestimmt antwortete:
    "Nein. Die Männer haben uns angegriffen, die Männer sollen dafür bezahlen, die Männer nehmen wir mit als Sklaven! Nicht die Frauen und nicht die Kinder."
    Ich hob das Kinn und starrte ihm ins Gesicht, mit einer Miene die sehr viel entschlossener war als ich mich fühlte. Der Mann war Veteran, er war wohl etwa doppelt so alt wie ich, und dazu einen halben Kopf grösser.
    "Lasst sie einfach laufen, jagt sie davon. Dann legen wir Feuer und machen uns auf den Rückweg."
    Wer wusste schon ob die Reiter wirklich weg waren. Oder was sich hier noch alles in der Gegend rumtrieb.

    Wenn Blicke töten könnten! Ja, wenn Blicke töten könnten, dann wäre der Tonto in jenem Moment mit durchspiesstem Herz zu Boden gegangen und hätte qualvoll sein Leben ausgeröchelt.
    Aber natürlich war dieser Klotz viel zu ignorant um solcherlei subtile Attacken überhaupt zu bemerken. Ich presste die Lippen zusammen und überliess Sparsus das Reden. Er machte das wirklich gut, liess sich keinen Deut von dem Gehabe des Kolosses einschüchtern. Sparsus, mein Held. Anfangs hatte ich ja gefürchtet er könnte etwas unüberlegtes tun, aber irgendwie wandelte sich das gerade, und die Vorstellung wie er - nein, natürlich wie wir beide gemeinsam - diesem Armleuchter unüberlegterweise die Hackfresse polierten, die erschien mir gerade in leuchtenden Farben, und ganz ungemein reizvoll.

    Haltlos und schwertlos rollte ich durch den Staub, fortgeschleudert von dem Tritt des Parthers, und einen Augenblick lang blieb ich benommen liegen, rang einfach nur nach Luft. Den Griff dieses Ungetüms spürte ich immer noch an meiner Kehle, wie er mir die Gurgel zerquetschen, mir die Luft abschnüren wollte. Ich richtete mich auf. Gleich lief mir frisches Blut in die Augen. Ich fuhr mir mit dem Handrücken über die Brauen, ertastete eine aufgeplatzte Stelle an der Stirn, und sah mit weitaufgerissenen Augen um mich, suchte die nächste Bedrohung zu erkennen, suchte eine Waffe... Doch die Reiter zogen ab! Bona Dea, wir hatten sie tatsächlich in die Flucht geschlagen! (Wenn das nicht bloss wieder ein fieser Trick war, natürlich.) Kurz erblickte ich noch mal den Säbelhelden - verdammt, ich wünschte ich hätte diesen Irren umgebracht - aber dann erfüllte mich unendliche Erleichterung als sie ihre Pferde wandten, und sich in einer Staubwolke davon machten.
    Oh Fortuna ich danke Dir! Und Mars, Dir natürlich auch.
    Ich öffnete den Mund, um meiner Erleichterung Ausdruck zu verleihen, aber nur ein Krächzen entwich meiner malträtierten Kehle. Die fühlte sich an wie ein Reibeisen, und sah sah ich stumm wie nun auch die letzten Fellachen hastig das "Schlachtfeld" verliessen. Sie liessen die Waffen fallen, rannten davon, und ich sah durch eine Lücke zwischen den Katen einen ganzen Pulk dieser verräterischen Bauersleute wie sie mit Kind und Kegel, noch zwei Ziegen an Strick, aus dem Dorf flohen.
    "Nicht nachsetzen!"
    Ich wollte es rufen, aber erst mal war es wieder nicht mehr ein heiseres Flüstern. Ich hustete und versuchte es noch mal:
    "Milites, nicht nachsetzen!"
    Naja, ich glaube die wenigsten konnten es hören, aber wir waren ja inzwischen alle durch Erfahrung äusserst misstrauisch wenn etwas parthisches sich anscheinend zur Flucht wandte, und so sahen die Kameraden auch so von einer Verfolgung ab.


    Jetzt, nach dem Abflauen der Gefahr, kam wie so oft der Moment wo meine Knie weich werden wollten. Ich stemmte die Füsse in den Boden und atmete ganz tief. Hinter mir krachte gerade funkenstiebend das Räucherhaus zusammen. Auf den Boden lagen Tote und Verwundete. Einer der Wägen die mit uns gekommen waren, war gegen eine Hauswand gekracht und nur noch ein Haufen Trümmer.
    Ich hob irgendein Gladius vom Boden auf, und presste mir einen Zipfel des Focale gegen die Stirn, um die Blutung zu stillen. Meine Augen brannten, ich blinzelte wieder und suchte erst mal nach dem Centurio, erfüllt von der vernunftwidrigen Hoffnung er wäre wieder wohlauf, oder wenigstens in der Lage zu entscheiden was jetzt getan werden musste.
    Jemand sprach mich an, und überrascht blickte ich auf den Mann, der so vollkommen verwildert aussah, dass ich ihn im ersten Moment eher für einen der Dörfler gehalten hätte. Aber natürlich nur bis er den Mund aufmachte. Ob ich der kommandierende Offizier wäre wollte er wissen.
    "Salve", quetschte ich mit Reibeisenstimme hervor, verwirrt wo der auf einmal herkam, "nein, ich bin der Tesserarius, Decimus Serapio, von der Prima, unser Centurio ist allerdings gerade, äh...-"
    Tja, und da brachte einer der Soldaten auch schon die Kunde. Bewusstlos. Mist. Immerhin nicht tot.
    "Also doch", revidierte ich meine Aussage - zwar nicht Offizier aber kommandierend. Mir wurde sehr unbehaglich als sich so viele fragende Blicke auf mich richteten. Das war echt ein übles ins kalte Wasser springen! Aber eben hatte es doch auch funktioniert, mit den Befehlen. Salassus auszufragen verschob ich auf später, ich überlegte kurz und krächzte dann:
    "Zuerst bringen wir unsere Verwundeten weg von dem Brand, rüber zu dem Wagen, da haben sie auch Deckung falls diese Schweinehunde wiederkommen sollten."
    Das brennende Haus war mir unheimlich, immer wieder barst da etwas in Flammen, flogen glühende Splitter in weitem Umkreis durch die Luft. Ich deutete auf den Karren, der noch fahrtüchtig war.
    Dann wandte ich mich einem unserer Eques zu, der noch zu Pferd war, die beiden anderen sah ich gerade auch nicht, und befahl: "Reite ein Stück in die Richtung in die der Feind verschwunden ist, und sieh nach ob sie sich auch wirklich zurückgezogen haben. Oder ob noch mehr in der Gegend sind. Ähm... aber sieh vorher zu dass Du Deine Kollegen findest, sie sollen mit Dir reiten wenn sie noch in der Verfassung dazu sind."
    Wenn sie noch am Leben sind. Einer alleine auf Spähmission war schlecht.


    Wir brachten die Verwundeten rüber, wie ich gesagt hatte. Dem Capsarius musste ich natürlich nicht sagen was er zu tun hatte, ich sah ihn schon über den Centurio gebeugt, die Hände rege. Beim Anblick von dessen Bein - war das Weisse da Knochen der durch das Fleisch stach? - musste ich heftig schlucken. Hoffentlich kam er durch!
    Auch die Toten trugen wir beiseite und legten sie nebeneinander. Vier Mann hatten wir verloren, bei diesem Überfall. Ganz schön viele. Dazu die Verwundeten. Eine harte kalte Wut regte sich in mir, auf dieses tückische, schlangengleiche Partherpack dass uns in die Falle gelockt hatte. Einer der Feinde auf dem Boden war noch nicht ganz tot, ein der Dörfler, er krallte die Hände in den Boden und versuchte davonzukriechen. Mit ein paar Schritten holte ich ihn ein. Er hob das Gesicht, stierte mich mit blutunterlaufenen Augen an, und ich erkannte das Milchgesicht wieder - das war das Schwein das den Centurio so verletzt hatte.
    "Cabrón!", zischte ich, packte ihn am Schopf und stiess ihm das Gladius hinters Schlüsselbein. Röchelnd hauchte er sein Leben aus. Direkt daneben schnitt gerade einer der Kameraden einem toten Parther den Kopf ab. Es berührte mich kein bisschen, in dem Moment, in meiner Wut. Wenn ich daran dachte, wie mir das mit den abgeschnittenen Köpfen damals, beim allerersten Scharmützel auf dem Weg nach Edessa, an die Nieren gegangen war!


    "So. Jetzt teilen wir uns auf."
    Ich hatte mich sozusagen warmgeschwommen, und obwohl ich immer noch Angst hatte was falschzumachen, ging das Befehle geben immer leichter. Zwei Gruppen bildete ich, eine kleine und eine grössere.
    "Ihr bleibt bei den Verwundeten, und das kampfbereit", meinte ich heiser zu der ersten, und zu den Männern in der zweiten: "und ihr durchsucht zusammen zügig diese Bruchbuden hier nach was Essbarem und bringt es her. Wer von den Männern von diesem heimtückischen Bauernpack noch da ist, der wird versklavt wenn er sich ergibt, ansonsten getötet. Aber nur die Männer. Danach zünden wir alles an. Age."
    Die Vergeltung für solche Attacken wie wir sie gerade erlitten hatten war nun mal harsch, und das machte ja auch Sinn. Die hatten uns bei lebendigem Leibe verbrennen wollen, da geschah es ihnen gerade recht wenn jetzt ihr armseliges Dorf dran glauben musste.
    Noch immer sickerte Blut über meine Stirn. Ich schnappte mir einen Streifen Verband vom Capsarius, nahm im Schatten des Wagens meinen Helm ab, und wickelte mir den Stoff fest um den Kopf herum.
    "Salassus", wandte ich mich dann wieder an den Kameraden von der Zehnten, "wie kommst Du hierher? Warst Du in Gefangenschaft?"
    Sein erbärmliche äussere Erscheinung, und die roten Ränder an seinen Handgelenken liessen jedenfalls darauf schliessen. Ein Deserteur war er wohl kaum, sonst hätte er sich ja nicht als Soldat vorgestellt.

    [Blockierte Grafik: http://img443.imageshack.us/img443/921/soeldnerfuehrerca1.jpg] | Xvásak


    Anfangs war der Überfall ja ganz gut gelaufen, doch nachdem die Römer sich berappelt hatten, dazu noch Verstärkung aus dem brennenden Haus bekommen hatten, setzten sie sich energisch zur Wehr. Xvásak liess sich ein wenig zurückfallen, denn er überliess, als Savaran Salar und als Denker, gerne mal den anderen die Blutarbeit und die Gefahr an vorderster Front. Überhaupt liess das Töten ihn mittlerweile eher kalt, er hatte es im Laufe der Jahre ja auch schon zu Genüge ausgekostet. Mit kalten Augen musterte er das Kampfgeschehen, nahm den Bogen von Sattelknauf und sandte den ein oder anderen Pfeil über die Köpfe seiner Leute hinweg in die römische Formation hinein. Arik wütete mal wieder. Xvásak zielte genau, liess einen weiteren Pfeil von der Sehne schnellen, verfolgte dessen Bahn mit den Augen und sah, mit dem Hauch eines Lächelns, wie dieser einem der römischen Hurensöhne in die Kehle fuhr. Der Hauch verflüchtigte sich, als sein Bruder wieder in Sicht kam - schwergetroffen. Das war schlecht. Sie tauschten einen Blick - Rückzug war angesagt. Um ein paar Sklaven, Waffen und Rüstungen lohnte es sich nicht aufs ganze zu gehen.
    "Rückzug!", kommandierte auch Xvásak. Er reichte einem verletzten Waffengefährten die Hand, zog ihn zu sich aufs Pferd, und dann wandte sich die ganze Rotte um, zog sich ziemlich geschlossen zurück. Ein paar weitere Pfeilschüsse schreckten etwaige übermütige Verfolger ab, während die Söldner in Windeseile auch noch ihren halbtoten Kameraden aus der Scheune bargen, dann hinaus aus dem Dorf jagten, den Fluss entlang.
    Sorgenvoll blickte Xvásak zu seinem Bruder, der gar nicht gut aussah, sich aber noch immer eisern hielt. Sie würden sehr bald halt machen müssen, um seine Wunde, und auch die der anderen Verletzten, zu versorgen. Wie gut dass diese Römer, die wie Ungeziefer auf ihren eigenen Füssen auf der Erde krabbelten, so langsam waren. An die Dörfler verschwendete der Sogde keinen Gedanken, sollten die Römer sie doch massakrieren. Jetzt hiess es erst mal die Wunden zu lecken, und dann ab nach Süden...
    Eine dichte rotbraune Staubwolke wirbelte auf, unter den Hufen ihrer Rösser, als die Söldner sich immer weiter entfernten. Dann verklang der Hufschlag, und der Wind, der gleichmütige Wind, verwehte auch den Staub, bis der Himmel sich erneut bis zum Horizont in strahlender, stählerner Bläue zeigte.

    Wie ein Wirbelsturm, wie ein Gewitter aus Stahl kam der bluttriefende Säbel auf mich zu... ich hielt krampfhaft mein Scutum fest, riss es hoch, versuchte nur noch mir diese schreckliche Klinge vom Leibe zu halten. Zum angreifen kam ich überhaupt nicht mehr, so schnell und so wuchtig attackierte mich der Parther, und es war nicht schwer zu erkennen dass dieser Säbelheld mir beim Fechten bei weiten überlegen war. Ein eisiger Angstschauer rieselte mir über den Rücken, und mir war auf einmal wieder sehr klar dass ich, privates Schauspiel hin oder her, nicht der Primus Pilus war.
    Verdammte Scheisse, oh verdammte Scheisse, warum hilft mir denn keiner, oh Fortuna bitte hilf mir, der sticht mich ab, der macht Hackfleisch aus mir, im Handumdrehen macht der mich kalt, oh nein.... raste es mir im Kopf herum, als die Schläge auf mich runterprasselten, dumpf auf meinem Schild wiederhallten. Die Wucht pflanzte sich in meinen Unterarm fort, und ich konnte das Scutum kaum noch halten. Tiefe Scharten schlug der Säbel in das Holz. Dabei sprach der Parther auch noch, in einem unverständlichen Kauderwelsch, in dem man doch, auch über die Sprachgrenze hinweg, ganz deutlich den Hohn triefen hörte.


    Und da war er schon durch meine Deckung hindurch! Gerade mal den Kopf ein Stück zurück und zur Seite zu reissen gelang mir noch (sonst hätte ich eben jenen wahrscheinlich verloren), so traf mich nicht die Schärfe der Klinge, sondern "nur" ein widerliche Masse von Metall und Faust. Das Scheppern meines Helmes dröhnte ohrenbetäubend, mein Kopf schien zu platzen als gleissende Funkengarben darin explodierten. Alles schwankte, und vom Boden her erhob sich, wie dunkle, kriselige Wellen, die Ohnmacht, und steckte ihre schwarzen Arme aus um mich zu empfangen. Mein Schild entglitt meiner Hand, ich hörte ihn zu Boden poltern. Ich keuchte vor Schmerz und wankte, aber mir war völlig klar zu Boden gehen heisst sterben, und ich klammerte mich ans Bewusstsein wie ein Schiffbrüchiger an ein Stück Treibholz im Sturm, mit einer Zähigkeit von der ich gar nicht gewusst hatte dass ich sie besass. Blut floss mir über die Stirn, und in die Augen. Ich blinzelte. Alles schien sich mit einem Mal ganz ganz langsam abzuspielen, die Welt zerbrach für mich in einzelne Bilder, wie Scherben, verwischte Bilder in blutigrot und grellem Weiss...Die Augen des Parthers. Schwarze Abgründe in denen der Tod stand. Sein Mund, breite Lippen über dem struppigen Bart, die sich bewegten, losgelöst von allem anderen, die Worte formten. Triumph, Spott, Häme, Hohn, was auch immer... Und der Säbel der schon wieder ausholte... Und der Schild der.... ein Stück hinabsank!


    Der Mann hätte mich problemlos umgebracht, wenn er in genau jenem Augenblich nachgesetzt hätte. Aber er machte einen Fehler: Er redete zuviel.
    Und er unterschätzte mich. Und während er seinen Triumph auskostete, und Worte sprach, die mit dem Lärm des Gefechtes vermengt über mich hinweg brandeten, blinzelte ich das Blut aus meinen Augen und wurde wieder etwas klarer.
    Ich fiel. Nicht nach hinten, sondern nach vorne, ich liess mich praktisch gegen ihn fallen, er war ja schon ganz nahe, und dabei packte ich mit der linken den Rand seines Schildes. Ich schlang den Arm darum, drückte es auf diese Weise noch ein Stück weiter runter, und stach zugleich mit der rechten zu. Wir waren so nah aneinander, dass ich seinen stinkigen Atem roch. Über den Rand des Schildes hinweg traf ihn die Spitze des Gladius zwischen Brust und Schulter, und ich trieb sie weiter, umkrallte mit schweissiger Hand den Knauf und legte mich mit aller mir verbliebenen Kraft in den Stoss hinein.

    Erstickender Qualm drang mir in Mund und Nase, die Augen tränten, ich rang nach Luft, sah nur noch Schwärze und rot leckende Flammenzungen. Verzweifelt rüttelte ich an der Türe, hebelte mit dem Eisen, krallte mir die Finger an den Brettern blutig, doch das Ding hielt unseren halbblinden Bemühungen stand, und ich dachte, zum wiederholten Mal auf diesem Feldzug: Das wars dann wohl. Umgekommen beim Essen besorgen auf dem Rückzug, oh verdammt, da hätte ich in Circesium doch als Held sterben können, und jetzt sang und klaglos in irgendeinem Kuhdorf, tja, Chance verpasst, ruhmlos aus und vorbei..... - da öffnete sich mit einem Mal doch die Türe, und ohne dieses Wunder zu hinterfragen stürzte ich über die Schwelle, hinaus, ins Helle, ins Leben...
    Oder bessergesagt mitten hinein in ein wildes Kampfgetümmel. Ich keuchte und war noch vollauf damit beschäftigt Atem zu schöpfen, frische reine Luft in meine Lungen zu saugen, und mir den Russ aus den Augen zu reiben, als schon von irgendwoher ein Hackebeil nach mir geschwungen wurde. Mehr instinktiv wich ich zur Seite, es zischte knapp an mir vorbei, und ich schlug mit dem nächsten besten was ich zur Hand hatte - das war der Schürhaken - blindlings zurück. Ich drosch auf den Angreifer ein, traf ihn mitten ins Gesicht, und der Kerl jaulte auf, taumelte zurück, die Hand aufs Auge gepresst, und gab mir so Zeit mein Gladius zu ziehen. Es war nur einer von den Dörflern - ein Bauer! Die hatten es tatsächlich gewagt uns anzugreifen! Als ich das Gladius gegen ihn stiess, und ihn dabei auch ein wenig ankratzte, wich er schnell zurück und machte sich aus dem Staub.


    Ich holte tief Luft - meine Kehle schmerzte, war ganz wund - und versuchte den kurzen Moment in dem es keiner auf mich abgesehen hatte zu nutzen um mich zu orientieren, zu erkennen was hier eigentlich los war.Woher diese Reiter kamen, da machte ich mir in dem Moment keine Gedanken, aber der Kampf... der Kampf sah gar nicht gut aus. Die Männer die draussen gewartet hatten waren hart bedrängt von den Parthern, ihre Reihe zerbrach an manchen Stellen sogar in Einzelkämpfe. Die Kameraden, die mit dem Centurio und mir gerade der Flammen-Falle entronnen waren, eilten zur Hilfe wenn sie noch konnten, aber es war doch ein grosses Durcheinander.
    Schilde und Speere hatten wir vor dem Räucherhaus gelassen als wir da hineingegangen waren. Ich schnappte mir meine jetzt wieder und folgte dem Centurio um mich einzureihen, gegen die Reiter, und ich war mir, bei allem Schrecken, doch sicher dass er jetzt gleich mit ein paar klaren Befehlen die Situation wieder im Griff hätte...


    Da geschah es. Centurio Flavius ging getroffen zu Boden, gefällt von einer... (ich wage ja kaum es niederzuschreiben...) einer Mi....einer Mis... sagen wir einer Stangenwaffe. Sein roter Helmbusch verschwand einfach, in einem Wirrwarr von Staub, Füssen, Waffengeklirr und stampfenden Hufen.
    Oh Scheisse. Nein. Nein, das ist jetzt nicht wahr.
    Unwillkürlich wandte ich den Kopf nach dem Optio, doch da durchfuhr es mich siedendheiß: wir hatten gar keinen Optio dabei! Ergo musste der Tesserarius ran. Ich. ICH?! Per omnes deos! Ich stand ganz starr, und spürte wie mir ein Tropfen Angstschweiss leicht kitzelnd über die Stirn rann. Was sollte ich denn jetzt nur machen?! Die waren dabei uns aufzureiben! Ganz... starr....
    Aber dann gab ich mir einen kräftigen Ruck, verschob die Schreckstarre auf später, und nahm in meiner Not Zuflucht zu meiner geheimen Strategie: ich stellte mir vor es wäre alles nur ein Bühne (ist das Leben vielleicht ja auch), und ich müsste dort eine Rolle spielen. In diesem Schauspiel war ich... - na wer wohl, ich glaube man kann es leicht erraten wen ich mir da zum Vorbild nahm. 8)
    "Militeees",
    rief ich heiser krächzend, und dann brüllte ich es nochmal, wirklich laut, aus voller Kehle um durch den Kampfeslärm zu dringen.
    "Militeees, haltet die Linie! Ihr da rechts, zurück in die Linie, sofort! Haltet die Formation zusammen!!
    Wer aus dem Haus kommt in die zweite Reihe! Mit den Pila! Stecht den Pferden in die Hälse!"

    Und mitgerissen von meiner kühnen Rolle trat ich in die Lücke die der Centurio in der Formation hinterlassen hatte - oder jedenfalls in etwa an die Stelle, der Kampf wogte ja wild - um diese zu schliessen.
    Tatsächlich, meine Befehle bewirkten, dass die Formation wieder etwas klarer zutage trat, und dass die russgeschwärzte Verstärkung aus dem Haus sich als zweite Reihe formierte, und den Pferden mit den ragenden Eisenspitzen zu Leibe rückte. Teils waren es ja Kameraden aus der ersten Kohorte, die wussten genau wie der Hase lief, aber teilweise auch aus der neunten, mit wenig Kampferfahrung. Die Reiter sahen ganz schön wild aus, und schienen entschlossen uns in den Boden zu stampfen - aber wir hatten vor Edessa sogar gegen Panzerreiter gesiegt!


    "Standhalten! Formation halten!", brüllte ich, und riss mein Scutum hoch, wehrte Säbelhiebe ab, stiess meinerseits zu und schlitzte einem Reiter das Bein auf. Kreischend glitt eine Klinge von meinem Schulterschutz ab. Mein Schwertarm blutete aus einer Fleischwunde, aber wiederum spürte ich es kaum. Ein Pferd brach vor mir zusammen - die Gedärme hingen ihm aus dem Bauch heraus - und die Hufe wirbelten umeinander. Einer erwischte mich, schleuderte mich zur Seite. Die Luft um mich herum war erfüllt von Waffen, Stahl gleisste blendenhell in der Sonne, in der Nähe rauschte die Feuersbrunst. Ein Pfeil grub sich knirschend in meinen Schild hinein. Pfeile, auch das noch! Stur rappelte ich mich wieder auf, parierte Schläge und teilte aus, reihte mich wieder ein, und brüllte aus Leibeskräften:
    "Militeeees, langsam vor! Zuuugleich! Und vor! Und vor!"
    Unglaublich aber wahr, wir gewannen ein Stück Boden. So kam auch der Centurio wieder in Sicht, und wurde gleich nach hinten zum Capsarius gezerrt. Oder jedenfalls hoffte ich sehr, dass wir noch einen Capsarius hatten. Aus dem Augenwinkel konnte ich nur erkennen, dass der Centurio sich nicht regte, aber immerhin noch alle Gliedmassen hatte. Jetzt war auch nicht Zeit darüber nachzudenken. Einer der Parther, der wohl schon sein Pferd verloren hatte, hatte mich ins Auge gefasst - blutbesudelt war er, breitgebaut, schwang einen gewaltigen Säbel, und murmelte finster vor sich hin, etwa so als würde er, während des Kampfes selbst, Zwiesprache mit seinen blutrünstigen Götzen halten. Die Mütze die er auf dem Kopf trug hätte bei jedem anderen drollig ausgesehen, aber nicht bei diesem Mann... dem sprühte die blanke Lust am Morden aus den Augen!

    Doch uns alle erwartet die eine Nacht.....
    Scheu streifte mein Blick den Leichnam des bis vor wenigen Tagen mächtigsten Mannes der Welt, als ich herantrat, um an der reichgeschmückten Totenbahre meinen Platz einzunehmen. Es war eine Ehre, eine grosse Ehre, ihn ein kurzes Stück des Weges mit tragen zu dürfen. Ich löste einen Kameraden ab, umgriff mit beiden Händen das Holz der Tragestange und schob meine Schulter darunter. Im Gleichschritt mit den anderen trug ich die Bahre, und irgendwie konnte ich es immer noch nicht so ganz glauben. Der Imperator, unser Feldherr, der Vater unserer Legion, er war gestorben wie jeder andere auch..... an einer Pfeilwunde.
    Es war wieder ein heisser Tag, und unter dem Duft der Öle und wohlriechenden Essenzen mit denen man den Leichnam gesalbt und balsamiert hatte, drang, nur ganz leicht aber unverkennbar, ein Hauch von Verwesung hervor. Diesen süßlichen Geruch, den hatten wir während des Feldzuges so oft in der Nase gehabt. Ich setzte einen Fuss vor den anderen, achtete darauf nicht aus dem Tritt zu geraten, und kämpfte mit der Erkenntnis dass, am Ende, auch der Körper eines Imperators aus Fleisch und Blut und dem Verfall anheimgegeben war.
    Wie zuversichtlich waren wir ihm gefolgt, ins Feindesland hinein! Gesungen hatten wir noch auf dem Weg nach Dura. Jetzt brachte jeder Schritt uns näher an die Heimat heran. Ich hatte ein schlechtes Gewissen, dass ich so erleichtert über den Rückzug war, denn er war doch mit dem Tod des Kaisers "erkauft" worden. Wäre der Imperator nicht gefallen, er hätte gewiss nicht mal an Rückzug gedacht bevor wir Kthesiphon eingenommen hätten! Schwer war er nicht zu tragen - wir waren ja genug Männer an der Bahre - doch die Last auf unseren Schultern war auch die eines gewaltigen Scheiterns. Wozu all die Toten, wozu all das Leid, da wir uns nun doch halbverrichteter Dinge zurückzogen?! Die Götter hatten einen Schlusstrich gezogen unter diesen Krieg, und trübe dachte ich: Vielleicht ist selbst ihnen das Schlachten zuviel geworden.


    Klageweiber gab es keine, hier in der Einöde, so war es an uns den Toten zu beweinen. Ich trauerte, aber nicht auf einer persönlichen Ebene (ich machte mir eher Sorgen um uns, die wir ohne unseren Heerführer dastanden, und um das Imperium, das in solchen Zeiten von allen möglichen Seiten bedroht war), dafür war der Imperator zu fern gewesen, zu streng und erhaben. Selbst wenn er sich unter uns Soldaten gemischt hatte, auf seinen Gängen durch das Lager, hatte ihn doch, ausser einer Masse von Praetorianern natürlich, auch noch etwas anderes von uns abgeschirmt, wie dicke Wände aus Glas. Ein strenger, sehr ferner Vater...
    Wir alle waren unrasiert, uns allen stand wohl die Erschütterung ins Gesicht geschrieben. Die Musiker, die voraus gingen auf diesem tagelangen Trauermarsch, spielten getragene Klänge, die mischten sich mit dem Stampfen der Caligae auf dem steinigen Boden, und ständig hörte man Klagerufe, manche weinten auch.
    Wie es sich also gehörte, begann auch ich zu wehklagen, wobei mir mein natürlicher Hang zur Theatralik sicher zugute kam.
    "Oh ihr Götter", so klagte ich herzzereissend, "warum nur hab ihr ihn uns entrissen, unseren Imperator dem wir in den Krieg gefolgt sind! Unseren Feldherren, den Tapfersten der Tapferen, der uns mit seinem Mut immer beflügelt hat! Der uns allen ein Vorbild war an Selbstzucht und Grossmut und Güte!"


    So langsam kam ich in Fahrt. Mit einer Hand hielt ich die Stange auf der Schulter fest, mit der anderen schlug ich mir in jammervoller Gebärde an die Brust, und meine Tunika hätte wohl dran glauben müssen, wenn ich nicht meine Lorica darüber getragen hätte, was ein effektvolles Zerreißen nun mal unmöglich machte.


    "Weh! Der Kaiser ist tot. Unermesslich ist unsere Trauer! Den wahrhaft grössten und edelsten Mann, den hat der Tod dahingerafft, viel zu kurz war seine Lebenszeit! Jedem ist sein Tag bestimmt, wir alle gehen einmal den selben Weg, doch ihn, unseren erhabenen Imperator, den habt ihr uns zu früh genommen! Welch schwarzer Tag für das Reich, als der heimtückische Pfeil, gesandt vom niederträchtigsten aller Feinde, ihn traf! Oh ihr Götter der Unterwelt, straft diesen Mörder! Möge die frevelnde Hand, die diesen Pfeil von der Sehne sandte, verdorren und zu Staub zerfallen!
    Wir waren seine Legion, wir waren wie seine Söhne, und wie Waisen trauern wir nun um ihn - unseren Vater, der uns verlassen hat, der uns nicht länger leiten wird! Unendlich viel Segen hat er dem Reich geschenkt, nun ist es ohne ihn wie ein Schiff ohne Steuer und Ruder in der wilden See! Weh! Keiner kam ihm gleich an Weisheit und Staatsklugheit und Wohlwollen! Unsere Liebe gilt seinem grossmütigen Herzen, unsere Verehrung seinem unerschütterlichen Pflichtgefühl! Ein grosses, leuchtendes Vorbild war er uns als ein guter und edler Herrscher und Mensch, und wir werden ihm auch im Tod unwandelbar treu sein!
    Oh ihr Götter, nehmt ihn auf in eurer Mitte, den vergöttlichten Imperator Lucius Ulpius Iulianus, damit er auch in Zukunft gnädig auf uns herabschaut, und weise über das Imperium wacht! Möge er von den Sternen herab seinem Thronfolger mit all seiner Güte beiseitestehen, auf dass dieser die Geschicke des Reiches ebenso gut und gerecht lenken möge wie der grosse Verstorbene!"


    Auf diese Art fuhr ich fort, während wir die Bahre trugen, ich klagte und schluchzte und schlug mir verzweifelt an die Brust und lamentierte wie es dem Toten eben gebührte, bis ich am Ende völlig erschöpft war - seelisch und körperlich - und komplett heiser dazu.

    Ob Sparsus mich für einen Feigling hält? Ob ich ein Feigling bin? Diese Fragen drängten sich mir auf, während ich schicksalsergeben neben ihm her tappte, Richtung Praetorium. Früher hätte ich wahrscheinlich zu einem 'Ja' tendiert. Aber inzwischen, so im Krieg, war viel passiert, und manchmal war ich dabei über mich selbst hinausgewachsen. Manchmal aber auch nicht. Von Natur aus erst mal kein Held zu sein, heisst das automatisch dass man feige ist? Wobei - kann man überhaupt wirklich mutig sein, wenn man keine Angst überwinden muss? Fragen über Fragen. Wenn es drauf ankam hatte ich doch immer ganz gut geschlagen, fand ich... Aber als mir Marcus so freundlich auf die Schulter klopfte, erinnerte mich die ganze Situation auf einmal fatal an früher, als ich klein war, wenn mir irgend jemand ein Unrecht getan hatte, und Seiana, oder Drusus, oder Scaurus, mich dann an die Hand genommen und verteidigt hatten... Ja, bei so vielen wehrhaften grossen Geschwistern, die sich immer gleich energisch um so was gekümmert hatten, da war es doch kein Wunder dass ich, naja... in so Sachen eben nicht so geübt war...
    "Ach, aber das bringt doch sowieso nicht..." zagte ich, doch Sparsus strahlte förmlich vor Entschlossenheit und liess sich kein bisschen beirren. Sicher meinte er es auch noch gut.
    Das Praetorium kam in Sicht, und davor auch der Tonto dessen Schuld das alles war. Als ich diesen Muskelberg allein schon sah lief es mir gleich kalt den Rücken herunter. Diese klobige Visage! Die Fäuste wie Backsteine! Alles an ihm sprach von Stumpfsinn, gepaart mit Brutalität.
    Äusserst unbehaglich blieb ich neben Sparsus stehen, wippte kurz nervös auf den Fusspitzen, und versuchte möglichst kühl und unbeteiligt zu schauen, während Sparsus dem Koloss seine Frage stellte.

    Dieser Tag, dieser Abend wurde immer noch ein Stück schlimmer. Erst das schmerzhafte Fädenziehen. Dann stauchte mich der neue Legat zusammen. Und zuletzt verlor auch noch mein Centurio den Verstand und redete wirr. Ich senkte den Kopf, trabte ihm hinterher, um zu versuchen ihn doch noch irgendwie zum Valetudinarium zu lotsen, und wünschte mir währenddessen zum wiederholten Male, ich wäre doch lieber einer der sprichwörtlichen faulen Beamten von Tarraco ;) geworden anstatt Soldat. Oder - wo er gerade vom Museion sprach - noch besser Akroates in Alexandria! Ein fauler, der Familie auf der Tasche liegender Bummel-Akroates... ja, das würde gut zu mir passen, das wäre schön....
    Soviel zu diesem Abend. Mehr Worte möchte ich darüber nicht verlieren.