Ich hasse es wenn man mich auslacht.
"Ja genau.", gab ich mit zusammengebissenen Zähnen zurück, "Ich.", und starrte diesen Möchtegern-Meuterer sehr eindringlich an.
Ruhig Blut. Immer schön kühl bleiben. Dass ich vor nicht so ungeheuer langer Zeit noch ein Grünschnabel gewesen war, da hatte er leider recht, das konnte ich nicht bestreiten. Aber um so mehr musste es ihn wurmen dass er jetzt in diesem Moment mir gehorchen musste.
Tatsächlich war Vullius sich trotz seiner grossen Klappe offenbar doch nicht ganz so sicher, denn er begann sich nach den anderen umzusehen. Obwohl manche feixten, und es wohl gerne gesehen hätten wenn er mich klein gekriegt hätte, sich zu exponieren und ihm offen beizustehen, das wagte dann doch keiner. Hin und wieder mag ich über den blinden Gehorsam, zu dem man die Soldaten drillt, gespottet haben - aber in diesem Moment war ich echt froh darüber! Auch die Anwesenheit des Kameraden von der Zehnten, der absolut gelassen blieb, war gut, ich hatte dadurch das Gefühl nicht ganz alleine dazustehen.
Schlussendlich gab er doch nach, Vullius dieser Vervex, und räumte das Feld. Ich sah ihm kurz nach, und versuchte mir meine Erleichterung nicht zu sehr anmerken zu lassen. Aber ich merkte mir ganz genau die Gesichter der Leute die bei seinen Worten gegrinst hatten! In sowas bin ich nachtragend. Die konnten sich gleich schon mal auf ein paar der besonders beliebten Hundewachen gefasst machen.
Was der Centurio dazu sagen würde, ob er mein Handeln gutheissen würde, da war ich mir zwar gar nicht so sicher, aber es war jetzt echt nicht der Moment sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Und falls Vullius das ein anderes mal 'austragen' wollte - zurück in der Castra war ja Sparsus wieder in der Nähe, der würde mich sicher nicht im Stich lassen.
Puh.
Das Plündern ging weiter. Nachdem Vullius den Schwanz eingezogen hatte, beschränkten sich die Kameraden jetzt tatsächlich darauf die Männer zusammenzutreiben. Ein paar Frauen verzogen sich, ihre Kinder am Rockzipfel, andere blieben, jammerten und kreischten, verfluchten uns hasserfüllt und wollten ihre Männer nicht hergeben. Ich trat zu den Sklaven, und sah mit grosser Genugtuung, dass auch der hyänenhafte Alte, der uns in die Falle geführt hatte, darunter war. Sie wurden gefesselt, und in einer langen Reihe aneinander gebunden, damit wir sie mit uns führen konnten. Sonst gab es ja nicht viel zu holen in dem Kaff, aber in der allgemeinen Raffgier machten die Kameraden vor nichts halt, krallten sich selbst verbeulte Kessel oder Kleidungsstücke die derart armselig waren, dass man dafür kaum ein As bekommen würde.
Ich gebe zu, dass mich auch ein wenig die Habsucht packte. Gerade stand ich neben einem Pferdekadaver, den schon jemand um das Zaumzeug erleichtert hatte, und auch eine der Satteltaschen war aufgeschlitzt, aber da war noch eine auf der anderen Seite, halb begraben unter dem toten Tier. Ich beugte mich runter, zerrte sie hervor und durchwühlte sie. Erst mal sah ich nur Proviant darin - langweilig, aber dann fiel mir, eingeschlagen in ein schmutziges Tuch, eine kleine Statuette in die Hände, aus schimmerndem Alabaster. Sie stellte eine Frau mit langem Lockenhaar dar, in dem sie die Mondsichel trug, sie hatte Augen aus milchigblauem Mondstein, mit denen sich mich verklärt anzusehen schien. Gebannt betrachtete ich das wunderschöne Stück, dann steckte ich es schnell weg, bevor jemand es mir womöglich streitig machen konnte.
An einem Ziehbrunnen holte ich mir einen Eimer Wasser hoch, trank in tiefen Zügen und füllte meinen Schlauch wieder auf. Ich klatschte mir auch ein paar Handvoll Wasser ins Gesicht und wusch mir das Blut und den Russ ab. Der Eques, den ich vorhin ausgesandt hatte, kehrte zurück, zusammen mit dem jüngeren seiner Kameraden. Aber er führte ein weiteres Pferd am Zügel, mit dem reglosen Körper seines anderen Kameraden quer über dem Sattel. Sein Gesicht war starr, als er mir berichtete:
"Die Parther sind etwa zweieinhalb milia passum entlang des Flusses geritten, haben dann Halt gemacht und sind abgesessen. - Werden wir sie verfolgen?"
Er schien begierig darauf zu sein Rache zu nehmen. Aber ich schüttelte den Kopf - ich würde heilfroh sein wenn wir wieder zurück in der Castra waren.
"Nein. Es ist wichtiger die Verletzten ins Valetudinarium zu bringen.", meinte ich, und reichte ihm den Wassereimer weiter, so dass er die Pferde tränken konnte. Wenn die Parther noch in der Nähe weilten, dann war es jetzt wirklich Zeit zu gehen. Ich holte tief Luft und heiser rief ich die Soldaten zusammen.
"Milites! Convenite!"
Der ein oder andere brauchte natürlich etwas länger. Während sie eintrudelten nahm ich mir ein Bündel trockenes Reisig, und steckte es an der glimmenden Ruine, den Überresten des Räucherhauses an. Sacht blies ich auf die kleinen Flämmchen, bis sie höher brannten und züngelnd begannen, das dürre Holz zu verzehren. Ich reckte mich ein wenig, und hielt den Feuerbrand an das Dach der nächsten Kate. Schilf deckte es, und sofort sprangen die Flammen über, frassen sich knisternd ihren Weg.
"Wir ziehen ab.", befahl ich. "Zurück zur Castra. Den Wagen nehmen wir in die Mitte, und die Sklaven auch. Die Toten tragen wir abwechselnd auf den Schilden. - Die beiden Reiter an die Flanken. Die anderen in Zweierreihen. Pergite!"
Der Zug setzte sich, wenn auch etwas verzögert, in Bewegung. Einige ausser mir hatten auch schon gebrandschatzt, und so flammten jetzt an mehreren Stellen im Dorf die Brände auf. Als wir durch den Wall hindurchzogen, und diesen Unglücksort endgültig wieder verliessen, warf ich noch einen Blick zurück. Ich sah wie das Feuer sich ausbreitete, die Dächer umhüllte, von First zu First sprang. Des nachts wäre das, rein ästhetisch gesehen, sicher ein schönes Bild gewesen, aber jetzt am hellen Tag kam es nicht richtig zur Geltung... Das war das einzige was ich in dem Moment dachte. Um über richtig und falsch nachzugrübeln war ich inzwischen einfach zu erschöpft.
Wieder überquerten wir das Meer golden wogender Gräser. Ich lenkte meine Schritte neben den Wagen, und warf einen Blick über den Rand hinweg, auf den Centurio. Richtig übel zugerichtet sah er aus, und nicht gerade so als ob er jetzt mit einem Lagebericht was anfangen könnte. Ich biss auf meiner Unterlippe herum und kämpfte gegen den Kloß in meinem Hals. Durch seine väterliche Art, und dadurch wie er für mich eingestanden war, hatte ich den Centurio wirklich ins Herz geschlossen, und ich hoffte inständig dass er sich wieder erholen würde!
Es war ein sehr schweigsamer Zug, abgesehen von den Verwünschungen mit denen die Kameraden den Sklaven Beine machten. Nach einer Weile gesellte ich mich wieder an die Seite des ehemaligen Gefangenen. Ich räusperte mich, um ihm dann meine Frage zu stellen.
"Sag mal... Als Du in Gefangenschaft warst, hast Du da vielleicht... zufällig irgendetwas gehört von Decimus Livianus?! Dem verschollenen Legaten der Prima?"
Eigentlich dachte ich inzwischen, dass so gut wie keine Aussicht mehr bestand meinen Onkel jemals wiederzusehen, aber trotzdem klopfte mein Herz heftig bei der Frage. Ich wollte einfach die Hoffnung nicht aufgeben.