Beiträge von Faustus Decimus Serapio

    Ob ich Lucullus gerächt hatte, darüber hatte ich noch gar nicht nachgedacht. Der Kampf auf dem Schlachtfeld, der war so groß und unüberschaubar gewesen - man war Teil einer Masse und stand einer anderen feindlichen Masse gegenüber - dass ich auf die Idee von persönlicher Rache gar nicht gekommen war. Und wer ihn getötet hatte, das hatte ich ja gar nicht gesehen... Aber ich hatte auch Parther getötet. Das konnte man schon Rache nennen.
    Ich nickte langsam, als die iulische Dame zu mir sprach, und erwiderte den aufmerksamen Blick mit dem sie mich bedachte. Gefasster als geradeeben fühlte ich mich bei ihren Worten; und die klangen auch nicht so als wolle sie mich nur beschwichtigen, sondern als wären sie vollkommen ehrlich gemeint.
    Ja, es stimmte, ich fühlte mich irgendwie schuldig dafür dass ich davongekommen war, während so viele andere auf der Strecke geblieben waren. Aber wenn die Götter mich beschützt hatten, dann hatte es wohl seinen Sinn... musste es seinen Sinn haben. Ich fasste an meine Brust, wo über der blutverkrusteten Tunika noch immer das kleine, auch blutverschmierte Ancilium-Amulett um meinen Hals hing, und atmete tief durch. Ich musste Mars und Bellona und Fortuna opfern, unbedingt.


    Tapfer versuchte ich ein ganz kleines Lächeln, als sie mich wegen der Narben tröstete. Vielleicht würden die ja sogar helfen, damit mich nicht mehr alle Leute spontan "Junge" nannten, oder gar "Kleiner", obwohl ich doch eigentlich gar nicht so klein war. Und als sie mir eine Strähne aus dem Gesicht strich, meinte ich beinahe, im nächsten Moment die Stimme meiner Mutter zu hören: 'Mein lieber Junge, es ist mal wieder dringend Zeit für einen Haarschnitt. Also wie du wieder aussiehst! Wie ein Grieche!'
    "Ich danke Dir, edle Iulia", sagte ich leise, und schielte auf den nassen Fleck an ihrer Schulter, "ich bin gerade einfach ein bisschen durch den Wind... verzeih."
    Das war doch die Gemahlin des Tribunus laticlavius! Ich hatte sie ja schonmal vor seinem Zelt gesehen, erinnerte ich mich, und natürlich war viel die Rede davon, dass der Tiberier seine Gattin mit dabei hatte. Manche fanden es unangebracht auf einem Vorstoss ins Feindesland, aber ich konnte mir gut vorstellen, dass diese resolute Frau mit ihrem Mann durch dick und dünn ging.
    Mit einer kleinen Handbewegung hin zu dem Schnitt in meiner Wange, der inzwischen genäht war, und meinem auf einer Seite völlig verschwollenen Gesicht fragte ich schüchtern, mit dem Versuch nicht allzu bang zu klingen:
    "Ist es denn sehr... entstellt...?"
    Ich hatte wirklich Angst davor, in den Spiegel zu sehen.


    "Lucullus", antwortete ich, mit diesmal einigermassen gefasster Stimme, als der Artorier sich nochmal umwandte und mich fragte.
    "Appius Iunius Lucullus heißt - hieß er. Aus der zweiten Centurie, so wie ich."

    Sie war echt. Ich spürte ihren resoluten Griff, als sie mir beim Aufsetzen half, und mich stützte. Nach dem ersten Schwindel ging es dann mit dem Sitzen. Staunend sah ich sie an, völlig verwirrt, hier in diesem ganzen Elend so eine urrömische, solide, tröstliche Erscheinung vorzufinden wie diese Dame. Und wie sie mir den Becher an die Lippen setzte - genau wie meine Mutter als ich einmal krank war! Ich trank Schluck für Schluck von dem Wasser. Das tat sehr gut, und nahm auch den widerlichen Geschmack in meinem Mund hinfort.
    "Danke", murmelte ich leise, und griff dann selber nach dem Becher - griff aber erst mal dran vorbei, bevor ich ihn erwischte. Weiter in ihren Arm gelehnt trank ich das Wasser aus, und es war wie die schönste Musik in meinen Ohren, als sie ihren Begleiter nach Opium aussandte. Opium... ich würde wieder in Morpheus' Arme sinken, es gäbe kein Leid, keinen Schmerz, alles wäre selig vergessen...


    Sie spendete mir Trost wie einem Kind. Das tat so gut! Aber es brach schon wieder alle Dämme, und wie ein kleiner Junge fing ich an ihrer Schulter an zu weinen, schluchzte herzzerreissend, und nässte das Gewand dieser Dame, die ich gar nicht kannte mit meinen Tränen. Abgehacktes Zeug stammelte ich dazwischen, vom Kampf und von den Parthern...
    "...mein Freund ist gestorben... sie haben ihm den Hals aufgeschnitten, diese verdammten Bastarde haben ihn einfach abgestochen, heute morgen hat er noch mir Mut gemacht und jetzt ist er tot...
    die Reiter, als die Reiter gekommen sind, die haben uns einfach zerstampft.... einer ist draufgefallen auf mich und ich dachte ich müsste sterben... aber dann hab ich ihn erstochen mit dem Pugio, sonst hätte er mich doch erschlagen...
    die wollten den Adler... von meiner Centurie sind ganz viele gestorben... und ich, ich leb noch, aber mein Gesicht, das wird bestimmt nie wieder wie es war..."

    Ja, das ganze Elend brach aus mir hervor. Dann versiegte mein Schluchzen, mich überlief ein Zittern, und ich löste mich ganz langsam wieder von ihr.
    Irgendwie war ich erleichtert, zugleich schämte ich mich schon ein bisschen, dass ich das alles nicht stumm und stoisch wie ein Mann trug. Gerade wo ich doch eben noch beschlossen hatte, dem Primus Pilus nachzueifern. Der hatte wahrscheinlich noch nie in seinem Leben eine Träne vergossen. Aber ich war halt völlig am Ende. Und wieder brannte die Wunde an der Wange vom Salz der Tränen.


    Als dann auch noch ein Miles sich näherte, nein ein Optio sogar, und zu uns herübersah, und ich in ihm den netten und so spendablen Artorier erkannte, den ich in Zeugma kennengelernt hatte, war es mir gleich noch viel unangenehmer. Ich wischte mir mit der rechten Hand die Nässe aus dem Gesicht und blickte verlegen zur Seite.
    Aber dass er dann den Begleiter der Dame so streng anfuhr, und auch noch so drohend die Hand zum Gladius führte, verstand ich überhaupt nicht. Es hätte mich eher gewundert, wenn so eine vornehme Frau ohne Beschützer hier herumgestiefelt wäre, auch wenn sie den Eindruck machte, sich ganz gut selbst behaupten zu können. Vielleicht - so kam mir ein ganz seltsame Gedanke - vielleicht war es ja ihr Schwert, und der Mann trug es nur für sie, damit sie es griffbereit hatte.

    Höflich grüßend trat ein rotwangiger Ladenbote in die Mansio. Er kam von örtlichen Sklavenhandelskontor "Thyrsus et Thelestas", und trug bei sich ein Bündel von drei Briefen, die schon ein gutes Stück Weg hinter sich hatten.
    Ein Angestellter des Handelshauses hatte sie im Trosslager der Prima, nahe Edessa, von einem jungen Soldaten entgegengenommen, und sie, zusammen mit dem ersten Schwung Sklaven nach Zeugma gebracht. Kleinvieh machte eben auch Mist, und da so mancher Soldat von der extremen Zensur der Legiopost völlig entnervt war, verdienten sich einige Leute von "Thyrsus et Thelestas" inzwischen etwas dazu, indem sie diskret deren Briefe überbrachten.
    Der Ladenbote übergab die Briefe, die allesamt an die Casa Decima Mercator, Roma, Italia gerichtet waren, dem Angestellten des Cursus Publicus, und zählte ihm dreissig Sesterzen auf den Tisch. Die eingegangene Post nahm er gleich mit, verabschiedete sich dann ebenso höflich, und verschwand.




    An
    Decima Lucilla
    Casa Decima Mercator
    Roma



    Liebe Tante Lucilla,
    Das Ancilium hat mich gerade zur rechten Zeit erreicht. Ich danke Dir! Tags darauf haben wir die erste richtige große Schlacht geschlagen. Das Amulett hat mich beschützt, und Fortuna war auch auf meiner Seite - mir ist nichts schlimmes passiert. Ich versuche übrigens, Dir diesen Brief auf andere Weise zukommen zu lassen als sonst, denn die Zensur ist völlig abartig. Bei Deinem letzten Schreiben war die Hälfte geschwärzt, als ich es in die Hand bekam, und ich kann mir nicht vorstellen, dass Du mir so viele geheime, moral-zersetzende, böse Information in den Brief gepackt hast, die das hätten rechtfertigen können. Ich hab mich trotzdem sehr gefreut, über den Brief und das Amulett. Sag mal - kann es sein, dass da noch irgendein Gebäck dabei war? Es waren ein paar Krümel zwischen den Blättern, und sie rochen irgendwie so wie die extrafeinen Gewürzplätzchen, die wir damals bei Großtante Drusilla gern gebacken haben, weißt Du noch?
    Ich hab nämlich die Meldereiter im Verdacht, dass sie die Botschaften plündern, die sie überbringen sollen. Vielleicht sind es auch die Scribae in der Poststube. Auch das ist ein Grund, warum ich diesen Brief lieber jemand anders mitgebe. Ich versuche aber, keine strategischen Dinge hineinzuschreiben, die den Parthern Vorteile brächten, falls sie die Nase in meine Privatpost stecken sollten...


    Wo war ich - die Schlacht. Du kannst Dir nicht vorstellen, was das für ein Gefühl ist, als einer von tausenden so über die Ebene zu marschieren, auf den Feind zu. Am Morgen hab ich natürlich keinen Bissen heruntergebracht. Ich hatte große Angst, und die meisten anderen auch, außer die Veteranen wahrscheinlich. Es war wahnsinnig heiß, und wir standen auf einer Ebene, die so völlig ausgedörrt von der Sonne war, und der Feind uns gegenüber auf einer Anhöhe. Sie hatten viele Bogenschützen und natürlich Reiter, und haben versucht uns zu zermürben. Sie kämpfen ganz anders als wir. Zwischendurch haben sie uns eine Masse von Leuten entgegen geworfen, die gar keine Soldaten waren, nur ein zusammengewürfelter Haufen, der es nicht lange gemacht hat. Aber ihre Reiter sind absolut furchterregend.
    Es war alles ein großes Blutvergießen, chaotisch und schrecklich, das man nicht so richtig beschreiben kann, mit Worten. Zwischendurch dachte ich zweimal, jetzt wäre es aus mit mir, aber dann ist es doch glimpflich verlaufen für mich und ich wurde nur leicht verletzt, auch weil mir Kameraden geholfen haben, obwohl man das eigentlich gar nicht tun soll. Die Legio ist wie ein großes Tier, ein Tausendfüßler mit Scutum-Schuppen und Gladius-Beißzangen, da kommt es auf den einzelnen nicht an.
    Wir waren in der Mitte der Formation, und die Parther hatten es, glaub ich, auf unseren Adler abgesehen, jedenfalls haben wir von der Ersten Kohorte es ziemlich heftig abgekriegt. Aber wir haben sie zurückgeschlagen und die Schlacht gewonnen. Am Ende hat der Imperator selbst eine Rede gehalten. Er sagte, es sei ein großer Tag für Rom und wir könnten alle stolz sein. Ich mache mir aber Sorgen, Parthia ist so groß (ich hab ein Werk mir gekauft, mit einer Reisebeschreibung und einer Karte auch), und wir sind gerade erst am Rand. Und haben schon viele Kameraden verloren.
    Ich bin furchtbar traurig weil auch ein sehr guter Freund von mir gefallen ist. Ich kannte ihn gar nicht so lange aber wir waren wie für einander bestimmt, Seelenverwandte eben. Iunius Lucullus hieß er. Er hat nicht daran geglaubt, dass dieser Feldzug irgendwozu gut ist, aber er hat trotzdem unheimlich tapfer gekämpft. Das ist wahres Heldentum, finde ich.


    Also - mein Centurio, von dem wirs hatten, besitzt einen Merkurstab, da wo bei uns ein stolzer iberischer Hengst zu finden ist. Er ist wirklich sehr freundlich und sympathisch, und dabei ein absolut unbesiegbarer Kämpfer in der Schlacht, und mich würd ja immer noch interessieren, ob du ihn kennst. (Groß, kräftig, schwarze Haare, ich sag mal: wohlgenährt, ein bisschen zerstreut und mit der Angewohnheit oft so eine Augenbraue hochzuziehen. Na?)
    Der Primus Pilus ist dagegen kalt wie ein Gletscher-Gipfel, aber ich finde ihn auch toll. Kunststück, er verkörpert ja auch alles was einen guten Soldaten so ausmacht, sonst wäre er nicht Primus Pilus. Ich habe ihn mir zum Vorbild genommen, und glaub dass das für mich ein guter Ansporn ist. Ich bin oft einfach noch viel zu weich. Bei der Schlacht musste ich kotzen, und bei dem Überfall in der Nacht auch, und ich denke ständig viel zu viel daran, dass die Parther gegen die wir kämpfen zwar Barbaren und grausam, aber trotzdem und zweifellos ja auch Menschen sind, dass sie auch Schmerzen haben wenn sie verletzt werden, dass irgendwo vielleicht eine Familie auf sie wartet, und dass sie lieber am Leben bleiben würden, als unter unseren Gladii zu sterben. Das kann so nicht weitergehen, das macht mich noch ganz verrückt.


    Ich glaub aber auch, Lucilla, Du hast eine ganz große Macht, mit der Acta. Du kannst Reputationen aufbauen oder zerstören. Ich weiß ja, dass Du nur die Wahrheit schreibst, soweit das bei einem Sprachrohr imperialer Interessen halt geht, aber ich kann mir gut vorstellen, dass es einen Haufen Leute gibt, die Dich nicht zum Feind haben wollen.
    Findest Du echt, man sollte sich Patrizier warmhalten? Ich weiß nicht - die sind oft doch so schnöselig und bilden sich wer weiß was ein. Und zum Beispiel einer aus meiner Grundausbildung, der kam sehr viel später noch dazu als ich, aber ist halt Patrizier, und schwupps landet er sofort bei der Reiterei. Das ist einfach nicht gerecht. (Aber bei uns ist die Kameradschaft eh viel besser als bei denen, also nicht dass Du denkst ich wäre neidisch oder so, es ist nur das Prinzip das mir gegen den Strich geht.)


    Der Name von Deinem Senator kommt mir tatsächlich irgendwie bekannt vor. Gab es da nicht mal so einen Riiiesen-Skandal, wo er irgendwie die Geschichte unseres Reiches verunglimpft haben soll? Klingt nach einem nicht-alltäglichen Mann, wobei ich mir natürlich nicht vorstellen könnte, dass du, liebe Tante Lucilla, Dich mit einem alltäglichen begnügen würdest. Und wenn er noch dazu nett ist, dann klingt das ja gut. Das muss schon ein besonderer Mann sein, der Dir auch ebenbürtig ist, davon gibts wahrscheinlich nicht so viele. Wisst ihr denn inzwischen wann ihr ungefähr heiratet? Ich glaub aber, Onkel Livianus und ich werden es nicht so bald nach Hause schaffen. (Den bekomm ich übrigens so gut wie nie zu Gesicht, kann ihn also nicht grüßen. Aber es wird ihm wohl gutgehen.)


    Aber sag mal - mit dem "aufregenden" großen Spartakuss, meinst Du da den Spartakuss von Gloria et Honor? Den Helden der Arena? Hattest Du etwa mal was mit einem Gladiator???!!! Das hätt ich jetzt gar nicht gedacht, da ist ja spannend, erzähl doch mal! Oder hast Du nur für ihn geschwärmt, wie ich damals für Fulvius Invictus, als ich mein ganzes Zimmer mit seinem Konterfei geschmückt hab, und Gladiator werden wollte. Naja, ich glaub die Phase hat jeder mal.


    Liebe Lucilla, ich danke Dir für Deine guten Wünsche, und nochmal für das Amulett, und überhaupt für Deine tollen Briefe. Ich zehre immer tagelang von der Freude, die sie mir bringen, hier in der Einöde, dem Krieg und all dem. Ich versprech Dir, auf mich aufzupassen, und pass Du wie immer auch auf Dich auf! Ich drücke Dich ganz fest. Wir sehen uns dann beim Triumphzug.


    Dein Faustus



    PS. Wenn Du mir antwortest, schick es bitte nicht direkt an mich, sondern schreib als Adressaten obendrauf den "Handelskontor Thyrsus et Telestas, Via Curva, Zeugma, Syria", und erst innenrein dann meinen Namen. Diese Leute sind viel unterwegs zwischen Zeugma und uns, und können das dann mitnehmen. Ich bin doch ein Patriot und möchte dem Imperium Tinte sparen.



    An
    Marcus Decimus Mattiacus
    Casa Decima Mercator
    Roma



    Lieber Onkel Mattiacus,
    Es kommt mir vor wie eine Ewigkeit, dass wir zusammen im Garten gesessen sind, und Du mir so spannend von Deinen Abenteuern im hohen Norden erzählt hast. Wie geht es Dir, was machst Du so?
    Mir geht's ganz gut, ich wollte mich einfach mal bei Dir melden. Ich bin ja zur Legio Prima gegangen, ziemlich spontan, und hab jetzt sozusagen mein eigenes großes Abenteuer. Allerdings haben wir hier in Parthia nicht wirklich Kontakt mit den Bewohnern dieses Landes, abgesehen davon, dass sie versuchen uns abzuschlachten und umgekehrt. Ein paar verdurstenden Zivilisten sind wir auch schon begegnet, die Parther haben nämlich die Brunnen auf unserem Weg alle vergiftet, aber unser Wasser hat trotzdem einigermaßen gereicht.
    Es ist schade, dass es sich darauf beschränkt, denn sie sind zwar Barbaren, aber doch wohl kulturell hochstehende, und es würde mich schon interessieren, sie zu erforschen.


    Die erste große Schlacht haben wir jetzt geschlagen, und sie gewonnen, auch wenn es ein teuerer Sieg für uns war. Die Parther sind gerissen, sie haben zu Anfang eine ganze Reitereinheit hinter sich her gelockt, zur Verfolgung, und sie dann gnadenlos mit Pfeilen niedergestreckt. Gute Reiter sind sie auch, wenn sie im vollen Galopp mit dem Bogen schießen, dann könnte man glauben, man hätte Centauren vor sich. Und ihre schweren Reiter, wenn sie so in breiter Front auf einen zurasen, scheinen direkt aus einem Albtraum entsprungen. Doch letztendlich war ihnen unsere Geschlossenheit, Formation und Standhaftigkeit einfach überlegen, denk ich mal. (Und mehr waren wir auch.)
    Ich persönlich hatte Glück in der Schlacht, und bin trotz meiner Unerfahrenheit mit so ziemlich heiler Haut davongekommen. Ich denke aber, vielleicht hätte ich es wie Du machen sollen, und mich der Legio-Familientradition doch nicht beugen sollen. Die Kameradschaft ist phantastisch, und natürlich komme ich auf diese Weise ein bisschen rum in der Welt, aber der Krieg an sich ist widerlich, und ich glaube ich bin dafür einfach nicht gemacht. Anderen macht es weniger aus, kalt lässt es, glaub ich, aber nur die wenigsten.


    Wie war das eigentlich bei Dir, wie hast du Deinen Weg gefunden, wenn ich fragen darf? Hast Du nie drüber nachgedacht sub aquila zugehen, hat Dich die Familie nie in diese Richtung geschoben? Ich würd mich jedenfalls sehr freuen von Dir zu hören, und sende Dir viele herzliche Grüße vom Ende der Welt!


    Faustus


    PS. Wenn Du mir antwortest, schick es bitte nicht direkt an mich, sondern schreib als Adressaten obendrauf den "Handelskontor Thyrsus et Telestas, Via Curva, Zeugma, Syria", und meinen Namen dann erst innenrein. Diese Leute wissen Bescheid und überbringen das dann. Die Legio-Zensur ist völlig abartig, da werden die Briefe ganz und gar verstümmelt, da kann man das Schreiben gleich lassen.



    An
    Senator Maximus Decimus Meridius
    Casa Decima Mercator
    Roma



    Salve Onkel Meridius,
    Meine respektvollsten Grüße sende ich Dir. Wie geht es Dir? Ich hoffe Du findest es nicht dreist, dass ich Dir einfach so schreibe, nachdem was ich in Rom angestellt habe. Ich weiß nicht ob Onkel Livianus Dir davon erzählt hat, aber die Urbaner sagten, sie hätten Dir meinen Siegelring übergeben, also geh ich mal davon aus, dass Du über die Misere Bescheid weißt. Ich bedauere wirklich von ganzen Herzen was ich da für Blödsinn gemacht habe, und ich hoffe Du glaubst mir, dass ich mein allerbestes tue, um es wieder gut zu machen. Deshalb bin ich jetzt ja auch hier in Parthia.
    Als ich Dich zum letzten Mal gesehen habe, ich weiß gar nicht mehr bei welchem Fest es war, war ich ja noch beinahe ein Kind. Aber ich denke Du weißt welch großen Respekt meine Mutter Dir entgegengebracht hat. Und sie hat mir immer sehr viel von Deinen Taten und Siegen, und Deinem Wirken für das Imperium erzählt. Das ist auch ein Grund, warum ich Dir schreibe - ich möchte Dich nämlich um Rat bitten.


    Aber vielleicht interessiert es Dich, erst mal vom Feldzug zu hören? (Wobei ich Dir wahrscheinlich wenig neues damit sage.) Nachdem wir den Euphrat überquert hatten, ist uns zuerst lange Zeit kein einziger Parther begegnet. Das Land war wie ausgestorben, als wäre unter der brennenden Sonne alles Leben einfach verglüht, in dieser öden, zerklüfteten Hügellandschaft. Bis auf die Schakale, die nachts um das Lager gestrichen sind, die Schlangen und Skorpione. Die Dörfer an denen wir vorbeikamen waren leer, die Leute geflohen, die Speicher leer und die Brunnen vergiftet. Dann, eines Nachts, haben sie uns zum ersten Mal angegriffen, und heimtückisch mit Brandpfeilen, und dann auch mit anderen Pfeilen, aus der Dunkelheit geschossen. Wir sind ausgerückt und haben sie vertrieben, und das war das erste mal für mich, dass ich in einem Gefecht mit dabei war. (Die Veteranen nannten es allerdings nur ein 'Geplänkel'.)


    Die erste richtige Schlacht liegt jetzt auch hinter uns. Nahe der ersten großen Stadt auf unserem Weg haben die Parther sich uns gestellt in einer offenen Feldschlacht. Sie sind auf einer Anhöhe aufmarschiert, wir kamen von der Ebene her. Es war Mittag und sehr sehr heiß als die Heere aufeinandergetroffen sind. Erst einmal haben sie uns mit Pfeilen überschüttet, dann kamen haufenweise zusammengewürfelte, ziemlich disziplinlose Fußtruppen, und dann die schweren Reiter. Die ganze Zeit dröhnte dazu ihre Kriegsmusik, so ein unterirdisches Grollen und Trommeln, als würde es direkt aus Dis' Reich hervordringen.
    Wir haben diese Schlacht gewonnen, aber es war - jedenfalls aus meiner Perspektive - ein gar nicht einfacher Sieg. Aber ich war ja auch mittendrin und ohne Überblick, von aussen sah das vielleicht anders aus. Mir jedenfalls schien es mir zwischendurch auf Messers Schneide zu stehen.
    Wie ein riesiger Keil sind die parthischen Panzerreiter in unsere Reiterabwehr gebrochen. Das war eine Wucht, die ist einfach unvorstellbar. Von den Kameraden ganz vorne sind viele einfach zerschmettert oder zertrampelt worden. Diese Pferde sind Bestien, mehr wie Rhinozerosse als wie die schönen edlen Tiere die unsere Familie züchtet, sie sind so blutgierig wie ihre Herren und zertrampeln jeden, der ihnen unter die Hufe kommt. Der Feind hatte es wohl ganz besonders auf unseren Adler abgesehen, deshalb haben wir in der Mitte der Formation es ziemlich abgekriegt. Aber ihnen ist es natürlich noch schlimmer ergangen, und als dann die Reservetruppen und unsere Reiterei noch eingegriffen haben, haben sie sich zur Flucht gewendet. Ich habe wirklich erlebt, jetzt in dieser Schlacht, wie Formation das ein und alles ist, und Disziplin natürlich, um nicht aufgerieben zu werden.
    Viele aus meiner Centurie sind gefallen, und ich hab auch einen wirklich guten Freund verloren. Ich selbst bin zwar nicht ohne Blessuren davongekommen - das ist, glaub ich, niemand - aber es ist nichts schlimmes. (Onkel Livianus kann auch nichts ernsthaftes passiert sein, sowas hätte sich ja gleich verbreitet wie ein Lauffeuer.)
    Nach der Schlacht hat dann der Imperator selbst das Wort an uns gerichtet, sagte wir hätten Rom Ehre gemacht, und es sei ein großer Tag für Rom.


    Ja. Das ist die eine Seite. Die andere ist: ich hab Zweifel. Deshalb wende ich mich an Dich, denn Du hast doch so viele Schlachten geschlagen und Feinde des Imperiums niedergerungen, und vielleicht weißt du eine Antwort für mich?
    Es ist doch so - das Land in dem wir hier kämpfen ist endlos weit weg von Rom. Und wir sind auch nicht in Armenia, um das, wie ich gehört habe, dieser Krieg ja überhaupt entbrannt ist. Die Parther, gegen die wir hier stehen, die verteidigen ihre Heimat. Und ich kann mir gut vorstellen, dass sie mit den Übergriffen auf Armenia gar nichts zu tun haben, gerade die einfachen Soldaten sowieso nicht. Sie haben uns nichts getan. Mein Centurio sagte mir anfangs, die Parther seien keine "richtigen" Menschen, nicht so wie wir, aber ich habe gesehen, dass sie genauso Schmerzen haben wie wir, und genausowenig sterben möchten.
    Und dann sind da die Zivilisten. Die können doch erst recht nicht dafür. Ich habe Kinder gesehen, die eingefallen vor Durst am Wegesrand kauerten. Sie haben uns um Wasser angebettelt, aber wir hatten Order, ihnen nichts zu geben. Es hat ja für uns selbst kaum ausgereicht. Es ist furchtbar.
    Der Imperator hat uns kundgetan, dass wir hier sind, um die Wege zu schützen, auf denen die fremden Völker ihren Reichtum zum Zentrum der Welt, nach Rom bringen. Und zur Vergeltung natürlich. Mein Centurio sagt, wir sind hier um die Menschen in unserer Heimat zu schützen.
    Ich weiß nicht was ich glauben soll. Ich will ja für Rom kämpfen und meinen Beitrag leisten, um das Imperium zu beschützen - aber gibt es wirklich einen guten Grund, dafür dass wir hier sind, der all die Greuel rechtfertigt, und all die toten und verstümmelten Kameraden?
    Ich weiß dass Krieg kein Spaziergang ist, und vielleicht bin ich naiv. Aber wenn das hier alles keinen Sinn haben sollte, dann wäre es das größte und widerlichste Verbrechen dass man sich überhaupt vorstellen kann...
    Kannst du mir das sagen, Onkel Meridius? Und auch wie man den Ekel los wird, jemanden zu töten? Mir dreht sich bei dem ganzen Blutvergießen immer der Magen um.


    Ich hoffe ich belästige Dich nicht zu sehr mit diesen ganzen Fragen. Aber ich bin gerade ziemlich verzweifelt. Ich schicke Dir diesen Brief nicht über die Legiopost, sondern gebe ihn jemandem mit.
    Wenn Du mir antwortest, dann schick es bitte auch nicht direkt an mich, sondern an: "Handelskontor Thyrsus et Telestas, Via Curva, Zeugma, Syria", ich hab mit denen eine Abmachung.
    Bitte sag auch Tante Severa von mir ganz liebe Grüße. Ich hoffe euch beide, und die ganze Familie, bald wiederzusehen.
    Vale!


    Faustus Serapio




    Sim-Off:

    Porto bezahlt

    Nicht lange währte die weiche, warme, trostspendende Umarmung des göttlichen Schlafmohns. Viel hatten die mir nicht gegeben. Ich wurde wieder wacher, und die Schmerzen kehrten zurück. Die Augen hielt ich geschlossen, aber die Bilder, die sich mir im Laufe des Tages eingeprägt hatten, die kamen jetzt zurück und bestürmten mich wild, ohne Unterlaß sah ich wieder das Blutvergießen und Sterben.... und Lucullus... mein schöner Held... wie er bleich und tot auf dem Boden lag.....
    "Nein...", schluchzte ich, und wandte den Kopf zur Seite, vergrub ihn in der Beuge des rechten Armes, "Lucullus..."
    Ich würde ein Gedicht schreiben für ihn, eine Eloge, eine Hymne, beschloss ich, das war ja das mindeste, und wenn ich wieder nach Hause käme - falls ich wieder nach Hause käme - würde ich zu seinen Verwandten marschieren, und sie allesamt zur Schnecke machen, dass sie ihm kein einziges Mal geschrieben hatten, dann würde ich ihnen erzählen, wie heroisch er gestorben war, und am Ende würden sie mit mir bittere Tränen weinen, und sich vor Trauer und Schuld an die Brust schlagen....


    Meine Lippen waren trocken und ausgedörrt. Ich leckte mir mit der Zunge darüber und öffnete blinzelnd die Augen. Pelzig und gallig schmeckte mein Mund. Ich hatte Durst, schrecklichen Durst, und ein unstillbares Verlangen nach mehr Opium. Matt hob ich einen Arm, um mich irgendwie bemerkbar zu machen, aber die Capsarii waren ganz und gar beschäftigt, und eilten flink vorüber an der Ecke in der ich lag, hin zu Leuten, denen es noch dreckiger ging.
    Ich versuchte mich aufzusetzen, aber ich war wohl doch noch ziemlich abgeschossen, und wieder wirbelte alles um mich herum, wurde mir kotzübel. Durch einen verschwommenen Schleier wurde ich Zeuge einer Szene, die mir zuerst wie ein Traum, eine seltsame Ausgeburt des Mohntrunkes erschien: eine streitbare Matrona, schön und herrisch überwand einen mürrischen Medicus, der ihr den Weg ins Zelt verwehren wollte, wischte ihn mit einem Wortschwall einfach zur Seite und erkämpfte sich, flankiert von einem Bewaffneten den Zugang zum Zelt.
    Mit großen Augen - nein, mit einem großen Auge, das linke ging immer noch nicht auf - sah ich benebelt auf diese Erscheinung, deren Strenge und zugleich Erhabenheit mich ziemlich an meine Mutter erinnerten, und wehklagte leise:
    "Bitte... ich hab so Durst... - und ein bisschen Opium... kann ich noch ein bisschen Opium haben, bitte...?"

    Ich hatte die diffuse Vorstellung, wenn die Reiter früher zu Hilfe gekommen wären, könnte Lucullus vielleicht noch leben. Mit zusammengepressten Lippen blickte ich an Andronicus vorbei, als er mit anfasste, und wir dann zu viert die Totenbahre trugen. Eine lange, lange Reihe von Soldaten war es, die sich da durch die Dämmerung aus dem Lager heraus zu den errichteten Scheiterhaufen bewegte, von denen manche schon brannten. So viele tote Kameraden...
    Wir betteten Lucullus auf dem Scheiterhaufen. Hier gab es keine Zypressenzweige, keine Blumen für die Toten. Man musste ja schon froh um das Holz sein. Das einzige was ich gefunden hatte, was blühte, war dorniger Stechginster, daraus hatte ich einen bescheidenen kleinen Kranz gewunden, wie getupft von den gelben Blüten. Den legte ich neben ihn. Ein Wind wehte von den Hügeln her, er zupfte an dem Leichentuch, unter dessen hellem Faltenwurf sich die Form des toten Körpers abzeichnete, und riss einen Zipfel davon frei. Kurz flatterte eine Ecke vom Tuch munter im Wind, bevor ich sie wieder feststeckte, und zurücktrat.


    Unser Centurio sagte noch ein paar Worte. Die klangen ehrlich, und gingen mir sehr zu Herzen. Eine Träne stahl sich aus meinem Augenwinkel, ich wischte sie schnell weg und senkte meine Fackel zu einem Feuer, entzündete sie daran.
    Dann nickte ich auf die Frage des Centurios hin, schluckte und trat vor. Ja, ich wollte noch was sagen, um meinen Freund zu ehren. Vielleicht war sein Schatten ja noch hier und würde sich darüber freuen. Gut möglich, dass er es aber auch furchtbar kitschig finden, oder herzlich darüber lachen würde, da war ich mir nicht so sicher. Trotzdem zog ich aus dem Gürtel das Papyrus hervor, auf das ich vorhin hastig ein paar Verse zu seinen Ehren gekritzelt hatte. Ich straffte mich, räusperte mich und wandte mich dem Scheiterhaufen zu, auf dem sein Körper trohnte.
    Die Fackel in der einen Hand, den Zettel in der anderen, begann ich mit zunehmend fester Stimme, Lucullus eine schwärmerische Laudatio zu halten.


    "Zu Mittag, mein Freund, in der Schlacht, als hoch im Zenit stand die Sonne,
    Und gleißend hinabsah auf das hitzig entbrannte Getümmel,
    Welch lodernde Glut verströmte da Dein blitzendes Auge!
    Furchtlos und tapfer botest Du die Stirn dem anstürmenden Feinde,
    Wiewohl Du schon ahntest Dein Ende,
    Und dass leer stünde Dein Platz beim Feste des Sieges.


    Doch heller strahlte Dein Mut als Sol strahlenbekränztes Gestirn,
    Und feurig entflammtest Du Kühnheit im Herz der Verzagten,
    als der Boden erbebte und eindrang der Feind auf erzgewappnetem Rosse.
    Und mit Göttergewalt - als ein Held vor den Toren Ilions,
    hast Du gewütet unter der ruchlosen Horde, strecktest so viele darnieder,
    tränktest den Boden mit dem Strom ihres Blutes.


    Doch gefällt war Dein Los, bestimmt Dein Geschick,
    Und tückisch traf Dich der Stahl, da sankest Du hin,
    Da entriß Dich dem Leben die eherne Hand des Dis,
    Und nimmer kämpfst Du mit uns, oder lachst, oder trinkst... -"


    An dieser Stelle wankte meine Stimme heftig, Tränen quollen hervor, und erstickten den Rest der Strophe. Ich schniefte, wischte mir übers Gesicht, und rang um meine Beherrschung. Dann kam ich zum Ende.


    "Finsternis deckt nun Dein Antlitz, mein Freund, und der Sterne Gezweig,
    Da wir um Dich stehen, am Abend, dunkel die Herzen vor Trauer.
    Fern bist Du schon, wandelst auf schweigenden Pfaden, am Asphodelen-Ufer,
    Hinab zum Fluß ohne Wiederkehr. Da trägt dich der Nachen hinfort.
    Zu den Gefilden Elysiums, wo sanft der Zephyr stets weht vom kühlenden Okeanos,
    Da lebst Du glückselig und ewig. Da seh'n wir uns bald."


    Tief atmete ich durch, und schloss meine Finger so fest um das Blatt, dass es ganz zerknitterte. Ich senkte den Blick und wartete, ob sonst noch jemand etwas sagen mochte.


    Dann war es Zeit den Scheiterhaufen zu entzünden. Die anderen kannten Lucullus länger als ich, deshalb blickte ich Imperiosus fragend an, doch er schien mir den Vortritt zu gewähren. Ich trat also neben den Holzhaufen, und wandte den Blick ab. Langsam näherte ich die brennende Fackel dem Holz. Trockenes Gestrüpp war darunter, und ausgedörrte Kakteen, die wie Zunder Feuer fingen. Schnell breiteten die Flammen sich aus, huschten vom Wind angefacht über das Holz, knisterten und knackten, und beleckten den Leichnam mit ihren roten Zungen. Immer höher wuchsen sie dann, ließen Funken in den sternenreichen Nachthimmel stieben, loderten und brausten. Ich spürte die Hitze in meinem tränennassen Gesicht, als die Flammen den toten Körper verschlangen.
    Nach einer Weile setzte ich dann die Flöte an die Lippen, und blies die ersten Töne, ganz langsam und getragen. Es war eine Totenklage aus meiner hispanischen Heimat, die ich dann spielte, eine Melodie von herzzerreißender Trauer und Verlust durchdrungen, während überall um uns herum die Leichenfeuer brannten, überall die gefallenen Freunde und Kameraden betrauert wurden.

    Es war gut, dass der Tesserarius von der Ersten Centurie auch mit half, denn mein linker Arm war arg malträtiert. So konnte er mit links an der Totenbahre anfassen und ich mit rechts, als es dann zum Platz der Verbrennung gehen sollte. Ich starrte auf den Boden, leer und trostlos, und dachte daran, wie kühn und unerschrocken Lucullus ausgesehen hatte, als die Reiter auf uns zugeprescht waren. Und wie ich zu verängstigt gewesen war, um ihm auf seinen letzten Gruß richtig zu antworten.
    Dann näherten sich Schritte, ich sah auf und blickte in das Gesicht von Andronicus. Frisch und unversehrt stand er vor uns, und ich spürte Wut auf einmal, dass wir die Kastanien aus dem Feuer hatten hohlen müssen, geblutet und gestorben waren, während gewisse Patriziersöhnchen vom Pferderücken aus wahrscheinlich schön gemütlich zugesehen hatten.
    "Salve Andronicus.", sagte ich leise, mit spröder Stimme, und sah ihn abweisend an, "ihr habt euch ja ganz schön zurückgehalten heute. Da hat Dein Bruder Dir wohl gerade noch zur rechten Zeit ein sicheres Plätzchen verschafft, was?"
    Dass es nicht fair war, ihm das vorzuwerfen, war mir eigentlich im selben Moment schon klar. Wahrscheinlich war ich auch ein bisschen neidisch. Und fix und fertig sowieso. Ich grub die Zähne in die Unterlippe, starrte zu irgendeinem Punkt in der Ferne, atmete langsam ein und aus und kämpfte gegen die Tränen, die schon wieder hervorbrechen wollten.

    Heiß und stickig war es in dem Zelt. Fliegen summten. Auf einer Matte auf dem Boden lag ich, die Augen geschlossen, um nicht die Schreckensbilder um mich rum zu sehen. Meine Ohren hätte ich am liebsten auch versiegelt, um nicht das Stöhnen und die Schreie zu hören, und wie manche schwer Verletzte - erwachsene Männer, gestandene Soldaten, nicht so Frischlinge wie ich - wimmerten und weinten.
    Mein Kopf hämmerte und dröhnte, und die linke Hälfte von meinem Gesicht war völlig zerschlagen von der Faust des Panzerreiters. Mein Haar war starr von dem getrockneten Blut aus einer Platzwunde am Kopf, und meine aufgeschlitzte Wange brannte wie Feuer. Am schlimmsten war aber der linke Arm, der blutete zwar nicht mehr, aber die Schulter sah komisch verformt aus und wenn ich versuchte ihn zu bewegen waren die Schmerzen unerträglich. Dazu die Schnitte am Bein, und überhaupt war ich rundrum zerschunden, und sah wahrscheinlich wie ein Monstrum aus, aber das beschäftigte mich in dem Moment gar nicht, denn ich war noch immer völlig durch den Wind von der Schlacht und Lucullus' Tod.
    "Bitte - Opium.", flehte ich den Medicus an, der nach einer Weile des Wartens bei mir erschien, und mich zügig untersuchte. Er zog mein zugeschwollenes Auge auf, blickte mir kritisch hinein, ließ mich Finger zählen und die Augen rollen, begutachtete dann die Schnitte und meine Schulter.
    "Ist nur ausgerenkt, Junge, das wird ganz schnell wieder.", versprach er nüchtern, und gab mir tatsächlich einen Becher mit einem Kräutertrunk, aus dem ich den Geschmack des wunderbaren Mohnsaftes herausschmeckte.
    Die Dinge rückten fort von mir, die Schmerzen verklangen. Aber dann begannen sie zu dritt an meinem Arm herumzuziehen, und glühendheiß stach die Pein durch die weiche Decke, die das Opium über alles gelegt hatte. Ich schrie laut auf und wieder liefen mir die Tränen übers Gesicht. Naja, ich war halt noch nie ein Held was sowas angeht. Bein zweiten Versuch begab mein Arm sich dann wieder dahin wo er hingehörte, und ich konnte ihn auf einmal auch wieder ganz vorsichtig bewegen.
    Meine zerschnittene Wange wurde genäht, meine Schulter bandagiert. Während auch die kleineren Blessuren versorgt wurden, sah ich, halb weggetreten, dem Primus Pilus zu, der nicht weit von mir eine Weile lang an einem Pfosten lehnte. Er schien ordentlich was abgekriegt zu haben, aber zugleich schien er mir so kühl, so ungerührt angesichts all der schlimm Verwundeten. - Das war der Weg, den man gehen musste, um bei diesem Wahnsinn hier nicht den Verstand zu verlieren, erkannte ich, auf einmal ganz klarsichtig! Man musste sein wie ein schneeiger Gipfel, ein Eisberg, kalt und gefühllos, gleichgültig angesichts des Todes, des Elends und der ganzen Greuel...
    Ergo: Ich musste so werden wie der Primus Pilus, um eine Chance haben, das alles irgendwie zu überstehen. Leichter gesagt als getan, aber versuchen würde ich es ganz gewiss..... Mein neues Vorbild verließ dann wieder das Zelt. Mein Kopf sank zurück, und opiumumfangen dämmerte ich vor mich hin.

    Zitat

    Original von Marcus Flavius Aristides
    „Junge, er ist tot. Gehe ins valetudinarium und lass nach Dir sehen. Noch einen Toten können wir nicht gebrauchen.“


    Ich weinte bitterlich neben Lucullus' totem Körper. Was um mich rum passierte, bekam ich gar nicht mehr mit. Irgendwann drang dann die Stimme meines Centurio bis zu mir vor. Er stand neben mir und legte mir die Hand auf die Schulter, wie ein Vater. Ich hob die verheulten Augen zu ihm und starrte ihn trostlos, mit abgrundtiefer Verzweiflung an. Er nickte mir zu und ging weiter.
    Valetudinarium. Ja. Ich versuchte aufzustehen. Die Welt schwankte heftig, und ich wäre gleich wieder auf die Nase gefallen, wenn nicht ein Kamerad - er war wohl von der Ersten, ich kannte ihn nicht - zugepackt und mich festgehalten hätte. Dann zog er meinen rechten Arm über seine Schultern, und so, mit seiner Hilfe, humpelte ich los.
    Ich bekam aber noch mit wie der Imperator selbst ein paar Worte an die Truppe richtete. Wir hatten also Rom Ehre gemacht. Ein großer Tag für Rom. Das war mir im Moment geradezu gleichgültig, und in meiner Trauer tönten mir diese kaiserlichen Worte sogar falsch und taktlos in den Ohren - denn sie klangen ja danach, als wäre alles in bester Ordnung. Dabei war gar nichts in Ordnung! Lucullus war tot! Hatte sein Leben gegeben, für den Imperator dort auf seinem Ross, und das obwohl er nicht an den Sieg geglaubt hatte. Ich hätte den Parthern in diesem Augenblick den Adler in den Rachen werfen können, wenn das Lucullus wieder lebendig gemacht hätte.
    In den aufkommenden Jubel und die Huldigungsrufe an den Kaiser stimmte ich nicht ein, sondern schleppte mich nur, gestützt von dem Kameraden, vom Schlachtfeld und zum Valetudinarium.

    Camerinus und Rusticus hatte mein Contubernium verloren. Damit waren wir, so zynisch das klingt, noch gut weggekommen. Zum Abend war ich wieder auf den Beinen, wenn auch wacklig. Während ich mit den anderen schweigend die Körper meiner Kameraden wusch und auf die Verbrennung vorbereitete, dachte ich an Camerinus, wie er oft so freundlich gewesen war, wie er mir Mut gemacht hatte unter der Testudo, wie er mal einfach so an meiner Stelle das Korn gemahlen hatte, wie er mir heute Morgen einen Riemen an meiner Rüstung geschlossen hatte. Und an Rusticus, der mich schikaniert hatte, und seine Sandalen grundsätzlich nicht selber geputzt hatte. Aber er hatte auch mutig unser Zelt zu löschen versucht, als die Brandpfeile flogen, und war in letzter Zeit nicht mehr ganz so eklig gewesen. Jedenfalls war er tot und ich ihm nicht mehr böse.
    Musca war jetzt der Contuberniumsälteste. Er hatte wegen der Verletzung beim Überfall vor ein paar Tagen nicht an unserer Seite gekämpft und schien sich dafür zu schämen.
    Ein älterer Soldat, einer der Veteranen, trat heran, als ich gerade leise die Hirtenflöte ausprobierte, die ich mir von einem Trossklaven ausgeliehen hatte, um darauf für die Toten zu spielen. Sie hatte einen schönen Klang, und es ging gerade so mit der verletzten Wange.


    Zitat

    „Der centurio schickt mich. Meine Kameraden sind alle tot. Hilfst Du mir, Lucullus war doch Dein Freund, hm?“


    Allein den Namen von Lucullus wieder zu hören versetzte mir einen schlimmen Stich. Ich war nur noch erschöpft, und dumpf traurig, wie benebelt.
    "Ja. Natürlich.", sagte ich leise und folgte ihm nach, zu dem Leichnam meines Freundes. Mit leeren, ausgeweinten Augen sah ich ihn an. Fremd schien er jetzt. Das Gesicht so bleich, die Wangen so eingefallen. Artorius Imperiosus, der mich auf der Sauftour in Zeugma so freundlich eingeladen hatte, kümmerte sich schon um ihn, hatte ihn gewaschen und angekleidet. Ich hatte gar nicht gewusst dass Lucullus mit ihm befreudet war. Aber ich hatte ihn ja eigentlich auch gar nicht lange gekannt.
    Stumm gesellte ich mich dazu. Ich legte Lucullus noch das Cingulum militare um, und band ihm das Fokale um den Hals, so dass die klaffende Wunde ganz verdeckt war. Vorsichtig strich ich ihm die Haare glatt. Seine Stirn war so kalt. Das Herz wollte mir zerbrechen, als wir das Leichentuch über ihn zogen, und ich wusste dass ich sein Gesicht nie wieder sehen würde.
    So viele Tote warteten schon auf ihre Bestattung. Ich nickte als der Centurio fragte, ob wir bereit wären. Fest biss ich mir auf die Lippe, die schon wieder zu zittern begann, und verkrampft drehte ich die Flöte in den Händen.

    Anscheinend hatten wir gesiegt. Der Adler stand noch, die Reserve donnerte herbei, die Parther wichen zurück.
    Ganz langsam stützte ich meinen Oberkörper auf. Gleich fing die Welt an zu schwanken. Mir war kotzübel und schwindelig und alles tat weh. Meinen linken Arm konnte ich gar nicht bewegen. Von oben bis unten war ich blutbesudelt. Durch das eine Auge was noch aufging blinzelte ich auf meine Umgebung, und der Schrecken über meine Verwundung ging unter, in einem noch viel größeren Grauen. Ich lag auf blutgetränktem Boden, ziemlich nah neben der Adlerstandarte und der Bereich um mich herum war übersät von Toten.
    Verstümmelte, verkrümmte, ausgeblutete Leiber. Feinde und Kameraden zugleich. Kadaver, die sich gegenseitig umgebracht hatten, und im Tod nun einträchtig und still nebeneinander, übereinander, ineinander verknotet lagen... Es stank nach Blut und Exkrementen. Verzerrt waren die Gesichter. Leere Augen, glasig und blöde starrend. So sah also der süße und ehrenvolle Tod für das Imperium aus.
    Und Verwundete. Jede Menge schrecklich Verwundete... Kein Wunder dass noch kein Capsarius zu mir gefunden hatte. Immerhin hatte ich ja noch alle Gliedmassen.


    Einige Leute jubelten laut. Unweit konnte ich kurz Sparsus erkennen, wie er entschlossen einen Rest unserer Centurie kommandierte, und wie sie die Feinde weiter zurückdrängten. 'Der wird bestimmt mal ein guter Centurio' dachte ich bei diesem Anblick benebelt. Unser Centurio stand aber noch, zum Glück...
    Nur - wo war Lucullus? Er hatte mich doch gerade noch gerufen. Ich wandte den Kopf, langsam, weil mir so schummrig war, konnte ihn aber nirgendwo ausmachen. Überhaupt konnte ich von unserer Centurie nicht gerade viele mehr auf den Beinen sehen.
    Aber dann fiel mein Blick auf eine Stelle, wo gerade ein paar Leute damit begonnen hatten, die toten Kameraden nebeneinander in eine Reihe zu legen. Da war Lucullus. Tot.
    "Neeeeeiiiiiiinnnn....."
    Auf allen Vieren kroch ich dorthin. Da lag er. Weiß wie ein Laken. Tiefrot dagegen die aufgeschnittene Kehle. Haltlos fing ich an zu weinen. Ich streckte die Hand aus und berührte seine Schulter, seine starke Schulter an die man sich so wunderbar anlehnen konnte, beugte mich über ihn und schluchzte seinen Namen. Die Tränen strömten mir übers Gesicht und brannten in meiner aufgeschnittenen Wange, und tropften auf sein Gesicht. Seine Augen waren geschlossen. Er sah ruhig aus. Er würde nie wieder lachen, oder mich mit diesen schönen warmen braunen Augen so rätselhaft, und ein bisschen unheimlich auch, ansehen. Und wir würden auch nie zusammen die Opiumvorräte aus dem Valetudinarium plündern, wie wir es vorgehabt hatten.
    "Lucullus....."
    Zittrig streckte ich die Finger nach seinem Gesicht aus und wischte ihm die Blutspuren fort.
    "Wir sehen uns dann, ja....", flüsterte ich, und wurde wieder vom Schluchzen geschüttelt, heulte Rotz und Wasser um meinen gefallenen Freund.

    Weit, weit weg rief jemand meinen Namen - Faustus, Faustus...
    Ich wollte Antwort geben, rufen dass ich ja hier sei, doch die schwere, dumpfe Dunkelheit ließ mich nicht los. Es war als würde ich durch eine zähe schwarze Masse hindurchtreiben, die jeden Gedanken erstickte, jede Bewegung verhinderte.
    Lucullus... - es war Lucullus' Stimme erkannte ich, und unendlich langsam trat mir das Bild vor Augen, wie er lächelnd, die Füße ins Wasser hängend und eine Sandale putzend, mir versprochen hatte: Ich pass auf dich auf, Blauauge.
    Mein Held, mein Alexander...


    Ich versuchte die Augen zu öffnen, aber die Schwärze ließ mich nicht los. Etwas furchtbar schweres drückte mich zu Boden, und, noch gedämpft, kamen langsam die elenden Schmerzen zurück... Dann wurde die Last von mir genommen, ich konnte besser atmen, und in dem Nichts um mich war eine Bewegung - ein Schwanken - ich wurde getragen und geschleift, lag dann wieder auf dem Boden, und wieder war eine vertraute Stimme in meiner Nähe. Lucullus? Nein... Sparsus. Hatte er mich getragen? Als würde ich schwere Bleigewichte stemmen, so fühlte es sich an, als ich mühsam das rechte Augenlid öffnete - das linke ging nicht, es war zugeschwollen. Die Sonne stach mich wie ein scharfes Messer, mein Kopf wollte zerspringen vor Schmerz und meine Wange brannte wie Feuer. Leise wimmernd sah ich glasig um mich, erkannte kurz die Gestalt von Sparsus, der sich gerade abwandte und in einem wilden Kampfgetümmel verschwand.


    Bewegung war neben mir, und über mir, Waffen klirrten, und dann trat auf einmal jemand auf mich drauf, mit einem schweren Stiefel, genau da wo mich das Pferd getreten hatte. Ich stöhnte, und versuchte mein Bein wegzuziehen, aber derjenige - ein Parther, und seine Rüstung blitzte mächtig golden - schien irgendwie zu stolpern oder so, hob schon wieder den Fuß, und benommen sah ich wie auf einmal eine Klinge ihm den Hals öffnete. Dann erschienen in meinem Blickfeld die rotbebuschten Köpfe von meinem Centurio und vom Primus Pilus, und der Adler! Der Adler stand. Alles war gut.


    Beinahe wäre ich wieder weggedämmert, aber meine Wange tat so schrecklich weh. Ganz langsam hob ich die rechte Hand und tastete danach. Ich griff in klebriges Blut hinein, und erfühlte einen großen Schnitt! Heilloser Schrecken überkam mich. Ich will ja nicht gerade sagen dass ich eitel bin, aber man hat mir doch das ein oder andere mal durchaus zu verstehen gegeben, dass ich ganz gut aussehe. Und jetzt das! Ich war entstellt! Verstümmelt! Meiner Schönheit beraubt! Mit achtzehn schon ein Kriegsinvalide! Aufstöhnend vor Entsetzen barg ich meine Wange in der Hand.

    Zitat

    Original von Marcus Flavius Aristides


    Mein Centurio persönlich war es, der mich packte und mit Schwung wieder in die vorderste Reihe beförderte. Nun ja - von einer Reihe konnte man eigentlich nicht mehr so wirklich sprechen. Ich hatte nicht den geringsten Überblick mehr, überall um mich rum starben Menschen auf bestialische Weise, und je weniger wir wurden, desto mehr wurden die Parther - schien es mir jedenfalls.
    Ob man wohl einmal Edessa im selben Atemzug mit Carrhae nennen wird?
    Stämmig und fremdartig waren die Axtkämpfer, die nun, nach den Reitern, wild auf uns eindrangen. Ich hatte eben noch gezittert und gebebt, geheult und gekotzt, aber jetzt war ich einfach nur noch schicksalsergeben, leer und erschöpft vom Kämpfen in der Gluthitze.
    Eine Axt an der Blut und Haare klebten, hochgeschwungen um mir den Schädel zu spalten, fing ich mit dem Schild ab. Der Schmerz loderte auf, in meinem verwundeten Arm, und die Axt hackte in das Holz, brach ein großes Stück heraus. Splitter flogen mir um die Ohren, doch ich setzte nach, irgendwie mechanisch - so wie mein Optio mir das vor nicht allzulanger Zeit gezeigt hatte: Schild hoch und schnell drunter durchstoßen - und mein Gladius stach tief in den Oberschenkel des feindlichen Soldaten! Und wieder polterte die Axt gegen meinen Schild, dass ich meinte mein Arm würde brechen. Ich keuchte, mit aufeinandergebissenen Zähnen, und drosch den Schildbuckel, und den scharfkantig abgebrochenen Rand dem Mann mit aller Kraft ins Gesicht. Ich glaube, er bekam Splitter in die Augen - jedenfalls schrie er etwas, was ich nicht verstehen konnte - eine Stimme von abertausenden, die um mich herum brüllten, lärmten, ächzten und heulten - und fasste sich ins Gesicht. Da konnte ich ihm das Gladius in den Hals stoßen, ihn abstechen wie ein Opfertier... Blut troff von meinem Gladius, floss in vielen roten Rinnsalen über meinen Arm hinweg.


    Ich versuchte, mit den verbliebenen Kameraden in der Formation zu bleiben, als wir uns auf Befehl des Centurio den Weg durch das Schlachtgetümmel in Richtung der ersten Centurie bahnten. Bessere und längergediente Männer als ich fielen auf dem Weg. Die Kameraden von der Ersten schienen, wenn das möglich war, in noch ärgerer Bedrängnis als wir. Empörung stieg in mir auf, als ich sah, wie ein Reiter sich den Adler schnappen wollte, und Triumph, als ein feindlicher Anführer, in abenteuerlich prunkender Rüstung, zu Fall gebracht wurde.
    Ja, den Adler zu schützen, das war eine hehre, große Sache, und der Gedanke, wenn schon, dann für so was erhabenes zu fallen, beseelte mich, durch die Benommenheit der Schlacht hindurch, mit einer richtig patriotischen Kampfeswut!
    Wie erreichten die Erste und verstärkten wie befohlen den Kreis, den sie um den Adler gebildet hatten, berannt von allen Seiten. In der Ferne schmetterten laut Signale zum Vormarsch, jemand rief was von Verstärkung und Reserve. Ich schützte mich mit meinem halb zertrümmerten Schild so gut es ging, stach zu wenn ich konnte, und konnte in all dem Chaos und Blutvergiessen irgendwie gar nicht glauben, dass es irgendwo noch frische, unversehrte Soldaten in ordentlichen Reihen geben sollte. Und auch nicht dass sie rechtzeitig kommen würden.
    Mehrere der absolut furchterregenden, albtraumhaften Panzerreiter, sprengten schon wieder auf uns zu, schienen uns im nächsten Moment in Grund und Boden zu stampfen.
    Wenn ich hier sterbe, blitzte es in meinen Gedanken auf, bei der Verteidigung des Adlers, dann wird Onkel Livianus aber wenigsten endlich einmal stolz auf mich sein!!!


    Ich setzte meinen kaputten Schild an die meiner Nebenmänner, stemmte die Füße in den aufgewühlten Boden, und hielt stand, als die Reiter kamen. Ein Huf zerschmetterte den Rest von meinem Schild, ich prallte zurück wurde von der Wucht von den Füßen gerissen. Die Reiter drängten einfach zwischen uns. Ein mächtiger gepanzerter Leib, kaum einem Pferd ähnlich, eher einem Rhinozeros, das ich in Tarraco mal in der Arena gesehen hatte, schob sich über mich. Ein Huf trat gegen mein Bein, es tat entsetzlich weh, aber ich rollte mich zur Seite bevor das Monstrum mich zerstampfen konnte und brüllte aus voller Kehle "Roma Vixtric!!!", als ich hochsprang und mich an dem Harnisch des Reiters festkrallte, mich mit aller Kraft dranhängte, um ihn aus dem Sattel zu zerren!
    Zwei Kameraden halfen mit, der Panzerreiter kam ins Rutschen - und schlug zugleich rasant mit dem Krummschwert nach mir. Ich hörte ein Sausen, fuhr zurück, spürte den Luftzug der Klinge in meinem Gesicht, einen scharfen Schmerz in meiner Wange, und wie mir heiß das Blut übers Gesicht strömte. Mein Helm wurde mir vom Kopf gerissen und flog scheppernd zu Boden.
    Dann fiel er, der Schwergepanzerte - und riss mich mit sich. Es presste mir die Luft aus den Lungen, als ich hart auf den Boden prallte, von dem schweren Kerl halb erschlagen, ich wusste nicht mehr wo oben und unten war und wo mein Gladius abgeblieben war sowieso nicht. Aber mein Pugio... einen Arm bekam ich frei und riss den Dolch aus der Scheide. Doch als ich damit zustieß, gar nicht mehr patriotisch beflügelt, nur noch panisch um mein Leben kämpfend, glitt die Klinge harmlos an dem schweren Harnisch des Mannes ab.
    Der Parther drosch mir die gepanzerte Faust ins Gesicht. Ich sah Sterne, dunkle Strudel die mich hinabziehen wollte, und hörte mein elendes Ächzen wie aus weiter Ferne. Aber mit meiner letzten Kraft und meinem letzten Willen krallte ich mich am Bewusstsein fest.
    Wieder raste die Eisenfaust auf mich hinunter, aber zugleich stieß ich verbissen den Pugio nach oben, die Klinge schabte über das Metall, dann bohrte sie sich in eine Ritze zwischen Halsschutz und Helm des Parthers. Bis zum Anschlag stieß ich sie hinein. Ein Schwall von Blut quoll hervor und über mich. Die Faust traf mich wieder, und jetzt riss die Dunkelheit mich endgültig mit sich. Von ganz weit weg nahm ich noch wahr, wie der Parther sich röchelnd aufbäumte und schließlich, mich halb unter sich begrabend, leblos zusammensackte.
    Dann verschlang mich tiefe, fühllose Schwärze.

    Meine kleine "Verschnaufpause" bei den Capsarii währte nicht lange. Einer von ihnen begutachtete knapp meine Schulter - sie tat höllisch weh - betastete sie so kräftig, dass mir hören und sehen verging, bewegte meinen Arm durch, ließ mich die Faust auf und zu machen und erklärte mich für weiterhin kampftauglich.
    Er wickelte mir einen behelfsmäßigen Verband um die Schulter, scheuchte mich in den Kampf zurück, und wandte sich einem Kameraden zu, der eben herangeschleppt wurde und weiß wie eine Wand den Stumpf umklammerte, wo einmal sein Schwertarm gewesen war. Mit großen, starren Augen blickte ich den Verstümmelten an, sah das Blut, das zwischen seinen Fingern hervorquoll, und hörte sein entsetzliches, leises Wimmern.


    Mir war so schlecht. Schwarze Flecken wirbelten vor meinen Augen herum. Ich tat ein paar unsichere Schritt, und nahm einem Gefallenen sein Schild weg - meines war ja verloren gegangen - dann drehte sich mir auf einmal heftig der Magen um.
    Ich kotzte auf den blutigen, zertrampelten Boden. Tränen liefen mir über das Gesicht, und der Ekel und die Angst schüttelten mich wie am ganzen Leib wie ein heftiges Fieber. Irgend jemand, ich weiß nicht wer, brüllte mich an ich solle mich zusammenreissen, und irgendwie tat ich das dann auch - richtete mich auf, wischte mir übers Gesicht, berührte kurz mein Ancillium-Amulett und begab mich schniefend wieder in die Reihen meiner Centurie. Was sonst hätte ich tun können.


    Das Herannahen der Panzerreiter erlebte ich wie im Traum. Das Getöse, das Beben der Erde, die Furcht, als wir auf einmal vor ihnen zurückwichen - das alles war so gewaltig und schrecklich dass es wieder ganz weit weg von mir rückte. Ich war leer im Kopf und folgte einfach nur den Befehlen. In einer der hinteren Reihen stehend, reichte ich Pila nach vorne, und versuchte beim Zurückweichen nicht über die Leichen und Leichenteile zu stolpern, die den Boden bedeckten. Mit aller Kraft lehnte ich mich dann gegen meinen Schild, als wir in die Reiterabwehr gingen, und ich muss gestehen, ich dankte heiß Fortuna, jetzt nicht mehr vorne zu stehen!
    Noch nie habe ich etwas so brutales, so vernichtendes erlebt, wie den Moment, als die Reiter auf uns trafen, unsere Linien einfach zerbrachen, wie eine Naturgewalt. Die unbeschreibliche Wucht des Aufpralls pflanzte sich bis nach hinten fort, und schleuderte mich heftig zurück. In den vorderen Reihen musste es einfach nur mörderisch sein! Das Gladius in der Faust stemmte ich mich wieder gegen den Schild, mit zusammengebissenen Zähnen und aller Kraft, um den Druck zu halten, während vor mir ein unbeschreibliches Gemetzel losbrach.

    Schwarz zeichnete sich der grobe Dreschflegel vor der Sonne ab, und rasant sauste die ungeschlachte, primitive, mit rostigen Nägeln bestückte Bauernwaffe auf mich hinunter, der ich halb totgetrampelt, halb unter meinem Schild begraben am Boden lag. Einen Fuß setzte der Angreifer auf meine Brust und drückte mich erbarmungslos nach unten, so dass ich keine Luft mehr bekam, mich nicht rühren konnte. Völlig hilflos sah ich die Waffe auf mich zukommen, die mich zerschmettern wollte, mich zermalmen, mein Gesicht zu blutigem Brei schlagen.
    Ich dachte wirklich jetzt sei alles aus. Es muss alles unheimlich schnell gegangen sein, aber für mich waren diese Bruchteile eines Augenblickes, in denen der Flegel unaufhaltsam auf mich zukam, wie eine Ewigkeit. Und ich hatte sogar Zeit mich zu wundern, dass ich nicht die Bilder meines Lebens an mir vorbeiziehen sah, wie man so behauptet. Aber das mag daran gelegen haben, dass - wie meine Großtante Drusilla das sagen würde - es noch nicht aller Tage Abend war. Im letzten Moment bäumte ich mich mit aller Kraft auf, konnte ein klein bisschen Luft gewinnen, und dann warf ich mich zur Seite!
    Eine Handbreit neben meinem Kopf schlug der Flegel in den Boden ein. Erdbrocken und Steine spritzten auf, so wie sich sonst wahrscheinlich mein Hirn in der Gegend verteilt hätte. Halbblind riss ich den Arm mit dem Gladius frei und stach nach dem Bein des Parthers. Tief, richtig tief glitt es in seine Wade, ich spürte den Knochen, und ein Schwall von Blut strömte hervor und tränkte warm und klebrig meine Brust.


    Zitat

    Original von Kaeso Caecilius Macro


    Brüllend zog der Parther sein Bein zurück und holte gerade wieder aus, als sich mir auf einmal eine Hand hinstreckte - eine blutverschmierte, kräftige, rettende Hand, die ich auf der Stelle und blindlings ergriff, und mit deren Hilfe ich wieder auf die Beine kam.
    Genau rechtzeitig! Wieder knallte der Flegel auf den Boden, da wo ich gerade noch gelegen hatte, so wuchtig, dass sich Risse in dem trockenen Boden bildeten. Da umklammerte ich vor Schrecken die hilfreiche Hand gleich noch fester. Sie gehörte dem schwarzhaarigen Miles, der mir vorhin schon so aufmunternd zugenickt hatte, merkte ich jetzt. Wie unglaublich dankbar ich ihm doch war, in diesem Moment! Ich wäre ihm um den Hals gefallen, wenn Zeit dazu gewesen wäre. Aber ganz schön angeschlagen sah er aus. Völlig blutüberströmt, und mit einem Pfeil in der Schulter!
    Der Parther, der es auf mich abgesehen hatte, funkelte mich mordgierig an und ließ nicht locker, auch andere, die durch die Lücke (die, so fürchte ich, wohl meinem Fall zu verdanken war...) hineingeströmt waren, drangen auf uns ein. Die hilfreiche Hand musste ich also leider wieder loslassen. Seite an Seite mit meinem Kameraden versuchte ich, ebenso wie er, mich mit dem Gladius der Angreifer zu erwehren.


    Zum Glück entstand in diesem Moment eine Bewegung um uns herum, die die Parther zurückdrängte. Ich hörte die Befehle des Centurios, sah ihn kämpfen und wie er fachkundig ein paar durchgebrochene Feinde niedermachte. Auch der Mann mit dem Dreschflegel wurde hingemetzelt. Ziestrebig marschierte Optio Tallius an uns vorbei und kittete als erster die Lücke. Das Feldzeichen blitzte über uns in der Sonne. Fest und sicher erklangen die Befehle. Die Linien wurden wieder hergestellt, das Vorrücken ging weiter, und wir beide, die eben noch vorne gewesen waren, waren auf einmal in den hinteren Reihen angelangt. Ein Capsarius kam auf uns zu und zog uns mit sich ein Stück zur Seite, wo in Deckung einiger Schilde gerade ein paar Kameraden verarztet wurden.
    Dass ich noch am Leben war, schien mir ein gewaltiges, kaum fassbares Wunder. Ein unkontrollierbares Zittern überkam mich jetzt, so im Nachhinein, und als der Capsarius uns erst mal was zu trinken in die Hand drückte, verschüttete ich die Hälfte davon. Vollkommen erschüttert, kreideweiß im Gesicht, starrte ich meinen Kameraden an, der mir gerade ziemlich wahrscheinlich das Leben gerettet hatte, dann holte ich tief Luft und brachte ein brüchiges "Danke..." hervor.

    Zitat

    Original von Kaeso Caecilius Macro


    Aus den Augenwinkeln sah ich, wie der hochgewachsene Miles rechts von mir mir zunickte, als ich voller Angst - über meinen gefallenen Vordermann hinweg - in die erste Reihe aufrückte. Ich kannte ihn nur vom sehen, aber diese kleine Geste ermutigte mich irgendwie, machte mir klar dass ich von Kameraden umgeben war, und auch Teil von etwas was viel, viel größer war als ich...
    Der Pfeilbeschuss ebbte ein bisschen ab, und vorsichtig spähte ich über den Rand meines Schildes. Eine wilde Horde stürmte auf uns zu, ohrenbetäubend (und unverständlich) war ihr Schlachtruf. Ich schwitzte Blut und Wasser, als die Barbarenmeute auf uns zu raste.
    OhbeiallenGötternwarummussausgerechnetichhiervornestehen?!!


    Mein Scutum war gespickt von Pfeilen und sah beinahe wie ein Igel aus. Ein Stück schwerer war es auch geworden. Der Schweiß lief mir in Strömen herunter, Staub knirschte zwischen meinen Zähnen und die Sonne, senkrecht über uns, versengte uns mit ihren Strahlen. Der Optio brüllte immer "Linie, Linie!", während wir über gefallene Parther und Britannier einfach drüber hinweg trampelten. Weich und rutschig war das unter den Sohlen. Manche stöhnten noch.
    Ich blieb gleichauf mit meinen Nebenmännern, Schild an Schild, während die Horde immer näher kam. Atmete die heiße Luft, in die sich der Geruch von Blut und von Gedärm mischte. Blickte ganz schnell zu Lucullus hinüber und hoffte inständig, dass ihn keiner dieser verfluchten Pfeile getroffen hatte. Suchte einen festen Stand und zog auf den Befehl des Centurios hin mein Gladius. Spürte im Rücken den Druck meines Hintermannes.


    Dann prallte die parthische Horde auf uns, und wuchtig wurde ich nach hinten geschoben, bei diesem Ansturm. Die Legion hielt gegen. Ich meinte zerquetscht zu werden zwischen den Schilden. Verzerrt sah ich die Gesichter vor mir, sie waren nur Fratzen für mich, sonnenverbrannte, wilde, brüllende Visagen.
    Die verschiedensten Waffen wurden da geschwungen. Ein Speer zuckte durch das Getümmel und über mein Schienbein hinweg, warm lief das Blut über meinen Fuß, aber in der seltsamen Entrückung des Kampfes tat es nicht sehr weh. Und wieder sausten auch Pfeile vom Himmel herab.
    Wie im Training, sagte ich mir, genau wie im Training, und stieß stur mit dem Gladius zu. Mein Geist war leer. Ich stieß einen Parther nieder, der mit seinem Spieß nach unseren Füßen haschte, stach ihm das Schwert in den schlecht gepanzerten Brustkorb, riss es schnell zurück, Blut spritzte mir warm ins Gesicht und der Parther fiel und versank zwischen den anstürmenden Männern...
    Das waren keine ausgebildeten Soldaten! Denen waren wir weit überlegen! Eine merkwürdige Euphorie kam über mich, Angst hatte ich auf einmal keine mehr, ich sah nur noch das Gewimmel vor mir, keine Gesichter mehr, nur noch schlecht gedecktes feindliches Fleisch, und ich stieß zu, deckte mich, zog zurück, immer wieder, und erneut grub sich meine Klinge in einen Torso, ein bärtiges Gesicht verzog sich in Agonie, dunkle Augen brachen - einer weniger von den Bastarden...


    Auf einmal hing einer von ihnen an meinem Schild dran, ein sehniger Kerl, zugleich schwang er einen langen eisenbeschlagenen Flegel, aus dem spitze Nägel heraus ragten. Ich bekam das Scutum nicht mehr hoch! Hastig parierte ich mit dem Gladius, doch der Flegel schlug einfach darum herum, und traf mit unheimlicher Wucht meine Schulter.
    "Aaaaaaaahhhhh!"
    Ich schrie vor Schmerz, als die Spitzen sich da wo meine Rüstung endete in das Fleisch bohrten. So heftig war außerdem der Schlag, dass ich taumelte, auf dem blutigen Boden ausglitt und zu Boden gerissen wurde. Halb war mein Scutum auf mir gelandet, aber mein Schildarm war wie taub von dem Schlag. Irgendwie hackte ich mit dem Gladius nach den Beinen des Parthers, versuchte mich wieder aufzurappeln, aber schon drängten andere hinter ihm durch die entstandene Lücke, sie traten auf mich drauf und ich kam einfach nicht wieder hoch. Ein Chaos von Beinen, Pfeilen, Caligae, Stiefeln und blutigem Staub sah ich um mich, dann wie hoch über mir wieder der Flegel geschwungen wurde - ein schwarzer Schemen vor der Sonne - und rasend schnell auf mich zu sauste.....
    Bona Dea. Ist das das Ende?

    Zitat

    Original von Appius Iunius Lucullus
    „FAUSTUS! WIR SEHEN UNS DANN AUF DER ANDEREN SEITE!“


    Zitternd und zagend umklammerte ich meinen Schild, während das Dröhnen immer lauter wurde, der Boden schwankte wie bei einem Erdbeben - oder war ich das, der schwankte? - und die Reiter uns jeden Moment zermalmen mussten. Ich sah wie Lucullus' Mund sich bewegte, wie er zu mir herüberschrie, und konnte ihn doch kaum verstehen.
    Auf der anderen Seite?! Leichenblass, starr vor Furcht sah ich ihn an. Er war so mutig, so heroisch! Aber ich wollte noch nicht sterben! Kein Wort konnte ich herausbringen, starrte ihn nur mit angstverzerrtem Gesicht an und nickte schwach und jämmerlich.
    Aber wir wurden gar nicht überrannt. Auf einmal mischte sich ein Zischen und Sirren in das Getöse, und eine Wolke von Pfeilen ging auf uns nieder. Bibbernd verkroch ich mich unter meinem Schild, in das wuchtig die Pfeile einschlugen. Um mich herum waren Schreie, das Splittern von Holz, das Kreischen von Metall auf Metall, ich sah Kameraden fallen, niedergemäht von den grausamen Partherpfeilen...
    Ich will nicht sterben...
    Der Beschuss ging einfach immer weiter. Wir rückten wieder vor, auf die Reiter zu. Centauren waren sie, aus einem bösen Traum entsprungen. Meine Todesangst entrückte mich dem Geschehen. Ich hörte Camerinus neben mir schreien, sah ihn taumeln und zu Boden fallen - ein Pfeil hatte die Wangenklappe seines Helmes durchschlagen, stak in seinem Gesicht - und dachte von ganz fern: aber er wollte doch eine Ölmühle sich kaufen, später mal...
    An meinem Ohr zischte es, schemenhaft sausten die Pfeile vorbei, schlugen immer wieder in das Holz meines Schildes. Es kam der Befehl die Pila zu werfen. Ich holte aus, voll panischer Angst, mich so hinter meinem Schild vorwagen zu müssen, und schleuderte das Pilum dem Feind entgegen... Fortuna steh mir bei...
    Mir stand sie bei, aber nicht meinem Vordermann, der auf einmal getroffen zurück fiel, gegen mich prallte, sich dann auf dem Boden krümmte... Mit weichen Knien stieg ich über ihm und füllte die Lücke, die er hinterlassen hatte.

    Das Entsetzen über das Desaster an der rechten Flanke stand mir noch ins Gesicht geschrieben. Bei allen Göttern! Unsere Reiter hatten ja keine Chance gehabt. Kaltblütig hatte der Feind sie aus der Distanz abgeschossen, sie waren gestorben ohne sich zur Wehr setzen zu können, sinnlos und grausam!
    Der Knoten in meinem Magen zog sich immer fester zusammen während wir vorrückten. Ich kniff die Augen zusammen, die vom Staub schon tränten und zog mir das Fokale über Mund und Nase um nicht die dicken Staubschwaden einzuatmen. Mein Herz klopfte schnell und hart, ich schwitzte heftig, nur meine Finger, die ich krampfhaft um Scutum und Pilum krallte, waren ganz klamm...
    Dann war da dieses Geräusch... was war das?! Zuerst dachte ich verwirrt, ein Gewitter müsse aufgezogen sein, dann wurde es immer lauter. Es klang als würde es tief aus dem Tartaros zu uns dringen, es war entsetzlich und ich meinte das Blut würde mir in den Adern gefrieren.
    "Was ist das.....?"
    Ich geriet aus dem Tritt und blickte ich mich voll Angst um, zu den Kameraden an meiner Seite. Camerinus spähte angespannt nach vorn, die Lippen so schmal zusammengepresst, dass sie ganz weiß in seinem sonnenverbrannten Gesicht waren. Er antwortete mir nicht. Ein Stück weiter erblickte ich Lucullus, der ebenso wie ich der zweiten Reihe gelandet war, und ich dachte, dass er doch recht hatte und auf uns alle hier nur der Tod wartete.


    Dann kamen die Reiter. Die Erde erzitterte.
    Noch nie hatte ich so was beängstigendes gesehen, wie diese breite schwarze Welle, die sich da oben auf dem Hügel erhob und auf uns zu stürmte.
    Sie würden uns zermalmen. Einfach zermalmen.
    Panik erfasste mich, als sie immer näher kamen und bleich vor Furcht wich ich einen Schritt zurück, stolperte hart gegen meinen Hintermann, der irgendwas brüllte und mich unsanft mit den Schild nach vorne drückte. Befehle erklangen. Die kräftige Stimme des Centurios drang durch den ohrenbetäubenden Lärm. Kaum konnte ich ihn verstehen. Mit weichen Knien und zitternden Händen tat ich völlig konfus, was alle um mich herum taten - suchte nach einem festen Stand und hob mein Scutum, um es zur Reiterabwehr auf das meines hingeduckten Vordermannes zu legen, und mich dann dagegenzustemmen wenn sie auf uns prallen würden... Der Druck von hinten war enorm, ich meinte jeden Moment zerquetscht zu werden. Pila wurden an mir vorbei durch die Schildwand hindurchgestreckt.
    Jetzt konnte ich die Reiter nicht mehr sehen, nur das Donnern der Hufe wurde immer noch lauter, ein ohrenbetäubendes Getöse das wie eine Lawine über uns zusammenschlug.
    Oh Mars und Bellona steht uns bitte, bitte jetzt bei!!!
    Gleich mussten sie da sein.

    Sim-Off:

    macht doch nix :)


    Erleichtert aufseufzend lehnte ich mich an ihn, überließ mich der Geborgenheit seiner HERRLICH starken Arme.
    "Mmmhh...", murmelte ich, als er mich so tröstete wie ein kleines Kind. "Kommst Du dann auch mit...?", fragte ich undeutlich, den Kopf an seine Schulter gelegt, und schloss die Augen, weil ich müde war, und weil ich ihn so besser spüren konnte - sein Herz, dass sehr schnell schlug, das Auf und ab seiner Brust, seine kräftigen, genau richtig muskulösen Schultern. Und wie er mir über die Haare strich... Ganz tief atmete ich seinen Geruch ein. Es war ein wunderbarer Moment, den ich nach dem Aufruhr der Gefühle um so intensiver wahrnahm. Geborgenheit, mit einem Hauch Unberechenbarkeit, einer Prise Brutalität und einer Messerspitze Melancholie, darauf stand ich schon immer. (Siehe Hannibal, siehe Minax oder auch Rufio... die mir alle kein Glück gebracht haben.) Langsam beruhigte ich mich wieder, und war ihm auch gar nicht mehr böse... aber Lucullus war noch immer sehr angespannt, das merkte ich. Zärtlich streichelte ich seine Schultern und flüsterte leise:
    "Entspann Dich doch..."
    Aber das Gegenteil war der Fall. Auf einmal räusperte sich jemand, sprach, und Lucullus löste sich von mir. So sehr ich meinen guten Kamerad Sparsus schätze, in dem Moment als ich ihn da erblickte wünschte ich ihn dahin wo der Pfeffer wächst. Erst einen Augenblick später, verspürte ich, wenn auch gedämpft in meinem köstlichen Rausch, das Gefühl der Verlegenheit... Bona Dea, was würde er denn jetzt von mir denken? Womöglich gar das Richtige...
    "Ja, haha, was denn für Lärm, haha... Salve Sparsus, was machst Du den hier... wir haben ähm, eine nichtige Unstimmigkeit gehabt, und uns gerade, ähm, kameradschaftlich versöhnt..."
    Ich schniefte und lächelte mein breitestes unschuldigstes Lächeln. Aber - das Aufblitzen eines Lichtreflexes fing meinen Blick - war das etwa ein Messer was Lucullus gerade wegsteckte?! Wollte er Sparsus was tun? Ich blinzelte, wischte mir die letzten Tränen weg um klar zu sehen. Aber als ich wieder hinsah, da war kein Messer in seiner Hand. Vielleicht hatte nur das Wasser des Baches, in der Sonne funkelnd, meine entgrenzten Sinne getäuscht...


    Aber ein beklommenes Gefühl blieb, ein Unbehagen, eine unheimliche Ahnung das dieser Trip ganz nah dran war umzukippen und einer von den grausigen zu werden.
    "Sparsus!" Irgendwie war ich auf einmal doch sehr froh dass er da war. Komisch war das... Ich strahlte ihn an, tat einen schwankenden Schritt auf ihn zu, hob überschwenglich die Hände und fing - mit ziemlich schleppender Sprache - an zu plappern.
    "Mein GUTER Kamerad. Ich FREU mich dich zu sehen in dieser elenden Wüste, in diesem meinem unberechenbaren Traum voller Abgründe, haha, und Fratzen, haha... Kennst Du Lucullus? Er ist in der selben Centurie wie wir..."
    Euphorisch stellte ich sie einander vor.
    "Iulius Sparsus - Iunius Lucullus. Iunius Lucullus - Iulius Sparsus. Iulius - Iunius, haha, der reinste Zungenbrecher... Angenehm, sehr erfreut. Ja, die Sandalen zerrinnen einem doch stets zwischen den Händen... Lucullus hat mir geholfen. Musst du wissen, Sparsus. Leider ist nichts mehr übrig, sonst könntest Du uns folgen. Wider den Tag, Du verstehst schon. Naja, vielleicht nächstes Mal."
    Schelmisch zwinkerte ich ihm zu, bückte mich dann auch und erhaschte ein paar Sandalen.
    "Mann, Mann, was fürn Haufen Schuhe... Danke Lucullus. Ja, dann mal auf... Huch! Hoppla... blöder Stein."
    Fast wär ich drauf ausgerutscht. Aus Rache versuchte ich ihn wegzukicken, traf aber nicht. Da ging ich eben aussenrum. Unsicheren Schrittes marschierte ich auf das Lager zu.