Beiträge von Faustus Decimus Serapio

    Zusammen mit einigen anderen späten Rekruten hatte ich, ziemlich weit hinten aufgestellt, den Ansprachen und Reden gelauscht. Es kam mir immer noch völlig unwirklich vor, jetzt ein Teil dieser gewaltigen Macht namens Legio I zu sein. Ich sah nach rechts, ich sah nach links: überall grimmige Mienen, wilde Entschlossenheit, und alle Männer gleich gekleidet und gerüstet - ebenso wie ich, natürlich.
    Noch immer kam ich mir in den neuen Sachen wie verkleidet vor. Und SCHWER war das Zeug! Außerdem drückte der Helm. Ich rückte ihn zurecht und rieb mir den Nacken, der jetzt so ungewohnt frei war, nachdem man mich (zu meiner größten Trauer) dann doch dazu genötigt hatte, meine Haare schneiden zu lassen.


    Obgleich ich es dem Prafectus Matinius immer noch nicht vergeben hatte, dass er meine Familie des Obstraubes bezichtigt hatte, fand ich seine Rede sehr mitreißend. Und dann erst, als um mich herum alle dem Eid auf den Kaiser sprachen!
    Ich bekam eine Gänsehaut, als ich mit einstimmte, in ein Meer von Stimmen eintauchte, und mich von der feierlich-blutrünstigen Stimmung mitreißen ließ. Das war sehr erhaben!
    Der zweite Sprecher wiederum machte mir Angst. Vertraut auf euer Gladius! Meines war im Moment eher dekorativ als gefährlich. Ich hatte doch noch überhaupt gar keine Ahnung vom Soldatsein! Bei einigen anderen Rekruten meinte ich dieselben Bedenken auszumachen, und das beruhigte mich etwas. Die Leute hier würden uns das schon noch alles rechtzeitig beibringen... hoffte ich.


    Mit großen Augen bewunderte ich das Kunststück mit dem aufbäumenden Pferd, und dann ging es auch schon los. Die Aufbruchsstimmung, die diese ungeheure Menge von Menschen ergriffen hatte war unglaublich mitreißend. Uns Rekruten reihte man zwar gegen Ende des Zuges ein, so mussten wir noch eine ganze Weile warten, doch dann verließen auch wir mehr oder weniger geordnet die Tore des Kastells. Und schwerbepackt, doch von den feurigen Reden beschwingt, tat ich die ersten Schritte eines sehr, sehr langen Marsches...


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    Mir schien, dass Mattiacus meine Kritik an der römischen Gesellschaft nicht so ganz teilte... Oder hatte ich es falsch ausgedrückt...? Die Worte, ebenso wie die Gedanken, hatten ihr übermütiges Eigenleben gewonnen, und versuchten ständig mir zu entwischen. Aber ich war so herrlich entspannt, das mir das alles überhaupt nichts ausmachte...
    Glückselig streckte ich mich auf der Kline aus, und zog mir eine der langstieligen weißen Blumen herüber, die ich eingehend betrachtete. Welche unglaubliche PERFEKTION in der Anordnung ihrer Blätter, im Schwung ihrer Blütenblätter, in der unaufdringlichen Betörung ihres Duftes, in der Komposition ihrer gesamten Existenz. Ich seufzte von Begeisterung, bemühte mich aber doch redlich, dem Gespräch noch zu folgen...


    "Mhm, versucht ist das richtige Wort.", bemerkte ich zu meinen Theater-Erfahrungen. Aber da war doch zumindest ein Abend gewesen, wo ich rauschenden Beifall bekommen hatte, und die Zuschauer vor Begeisterung sogar die Bühne gestürmt hatten - oder aus Empörung? - wie auch immer, sie waren jedenfalls bewegt gewesen...
    "Ja, die Musen unterliegen dann leider oft der Mode...", stimmte ich leise zu, ließ die Blüte wieder los, und neckte Mattiacus lachend: "Aber ich sehe schon, Du willst mir nicht verraten was Du für den Kaiser tust. Ist es denn soo geheim? - Und die Germaninnen, sind sie mehr kühl oder eher feurig? Ich habe ja gehört, sie sollen oft richtige Furien sein. Hast Du auch welche näher kennengelernt?"

    Ich machte ein langes Gesicht. Ja bestand denn hier alles nur aus Liegestützen? Etwas kläglich sagte ich:
    "Ähm, ich habe gerade schon ganz viele machen müssen, im Rekrutierungsbüro..."
    Das Leben war einfach nicht fair, seufzte ich innerlich. Aber das war nicht unbedingt eine neue Erkenntnis.
    "Jawohl.", antwortete ich frustriert und ging auf den Boden runter.
    "Eins, zwei, drei..."
    Meine Arme waren doch immer noch taub.
    "vier, fünf, sechs..."
    Der Boden zog mich mit einer ungeheuren Macht an. Verbissen stemmte ich mich dagegen.
    "sieben... acht... neun..."
    "Und das Atmen nicht vergessen!", hörte ich den Prafectus hämisch sagen, als ich gepresst die Zahlen ächzte.
    "zehn!"
    Erst die Hälfte, oh nein...
    "elf, zwölf..."
    Nur nicht schummeln, richtige Liegestützen, sonst muss ich womöglich wieder von vorne anfangen, und dann sterbe ich auf der Stelle!
    "dreizehn, vierzehn..."
    Meine Arme begannen zu zittern, mein Bauch verkrampfte sich. Ich biss die Zähne zusammen, und gab nur noch undeutlich von mir:
    "fünfzehn...sechzehn...siebzehn..."
    Ich WILL in die Prima, ich WILL!
    "ach...zehn..."
    "neun.....zehn...
    "zwan.......zig.... - puh!"


    Geschafft und verausgabt kam ich wieder auf die Füße, versuchte so etwas wie Haltung anzunehmen, und fuhr mir mit dem Handrücken über die verschwitzte Stirn - nervös, da ich befürchtete, das der Medicus es mir gleich an der Nasenspitze angesehen hatte, dass ich es bis vor zwei Wochen mit dem Opium, sagen wir mal, ein bisschen übertrieben hatte... Hoffentlich waren sie hier, jetzt im Krieg, nicht soo wählerisch...

    Bis über beide Ohren strahlend, dass ich es tatsächlich bis hierher geschafft hatte, erreichte ich die Rüstkammer. Durch die offene Türe trat ich ein und grüßte enthousiastisch.
    "Salve! Ich heiße Decimus Serapio und bin ein neuer Rekrut."
    Ob ich jetzt hätte salutieren sollen? Die Riten und Gebräuche der Legio waren mir wirklich noch sehr fremd.
    "Ich soll hier meine Ausrüstung bekommen, bitte.", bat ich strahlend, und war schon ganz gespannt wie ich mich wohl in Rüstung machen würde. (Ich für meinen Teil finde, so etwas Stahl steht beinahe jedem sehr gut. Die Helme sind allerdings um Längen weniger schick.)

    Die Wachstafel in der Hand folgte ich dem Weg, den der übellaunige Optio im Rekrutierungsbüro mir gewiesen hatte. Natürlich warf ich zwischendurch einen neugierigen Blick auf die Tafel und das, was dort sehr akkurat über mich niedergeschrieben war. Ich schlenkerte mit den Armen, um den schweren Nachhall der unzähligen Liegestützen abzuschütteln. Meine Rekrutierung verlief bisher, wie ich das sah, nicht gerade glorreich, aber immerhin hatten sie mich noch nicht wieder rausgeworfen. Vor dem Besuch beim Medicus scheute ich mich allerdings. Diese Leute sind mir generell unheimlich.
    Ich fand den Eingang des Valetudinariums, aus dem gerade zwei Soldaten eine vollgepackte Kiste hinausschleppten. Als sie vorüber waren trat ich ein und verzog kurz das Gesicht, als ich den charakteristischen Geruch in der Nase spürte, diese Mischung von Krankheits-Dünsten, Fieberschweiß und bitteren Arzneien, die sich an solchen Orten immer festzusetzen scheint... schaurig!


    Auch hier war das Packen schon im vollen Gange. Auf meine Frage nach dem Medicus unterbrach ein Soldat kurz seine Arbeit - er hämmerte gerade den Deckel auf eine Kiste - und schickte mich kurz angebunden in den Nebenraum.
    Ich bedankte mich und trat zu der offenstehende Türe, wo ich schüchtern an das Holz des Rahmens klopfte.
    "Salve. Verzeihung. Ich bin ein, ähm, Anwärter für die Legion und soll mich hier zur Musterung melden. Decimus Serapio ist mein Name."

    Ich und schwarze Schatten?! Natürlich schüttelte ich entschieden den Kopf. Das lag alles hinter mir! Und bestimmt würden sie mich gar nicht nehmen, wenn ich hier anfing mein Herz auszuschütten.
    "Sicher kann ich lesen und schreiben. Und Griechisch habe ich auch gelernt. Ich beherrsche es nicht flüssig, aber ich verstehe das meiste, und kann auch Texte lesen. Ausserdem spreche ich noch die Mundart der Iberer vom Ebro."
    Das Geräusch des Griffels auf der Tafel erinnerte mich prompt lange vergangene Schulstunden bei meinem vertrockneten alten Lehrer. Wie gut, dass ich das hinter mir hatte!
    "Reiten kann ich recht gut. Meine Familie züchtet ja Pferde. Schwimmen, ja so normal halt. Und ein Handwerk, ähm, also nicht direkt, nein, aber ich habe schon viele verschiedene Sachen gemacht. Zum Beispiel gekocht in einer Taverne, dann habe ich eine Zeitlang auch als Briefeschreiber gearbeitet für die Leute die selber nicht schreiben oder formulieren können. Und als, ähm, Flötenspieler. Syrinx und Hirtenschalmei spiele ich."


    Sim-Off:

    ok

    "Tarraco.", erklärte ich, noch recht atemlos. "Da bin ich geboren."
    Hatte er mich das nicht schonmal gefragt? Ich hatte das Gefühl, dass dieses Officium, und die Hitze, mich ganz konfus machten. Ob der Rest der Armee auch so exzentrisch war wie diese Leute hier? Hoffentlich war das nicht ansteckend.
    "Geistesgestörtheiten? Aber doch nicht bei uns, nein! Und ich bin ganz gesund, also halt mal eine Erkältung oder so, nichts besonderes. In der Familie, ja, sicher war da mal jemand krank."
    Ich dachte an meine Mutter, die stets ein schwaches Herz gehabt hatte, ebenso wie Großmutter. Außerdem an meinen wirren Großonkel Anteius Ocrea mit seinem Sammel-Spleen, und an Cousin Avianus der immer so wunderschöne Gedichte geschrieben hatte bis er eines schönen Tages losging und sich im Meer ertränkte.
    Doch das ging den Optio alles nichts an.
    "Aber nichts ernstes."
    Und ebenso unehrlich fuhr ich fort.
    "Nein. Nie."
    Natürlich würde ich mein Mißgeschick auf dem Forum nicht herausposaunen, und da ich den Urbanern nie meinen richtigen Namen gesagt hatte, hoffte ich, dass ich tatsächlich nicht 'aktenkundig' war. Einen Mord konnte ich allerdings zurecht von mir weisen.
    Ich schüttelte den Kopf, und sah den Optio mit großen unschuldigen Augen an.
    "Ich bin doch kein Verbrecher. - Etwas was ihr wissen solltet? Also, ich bin nicht verheiratet oder so... Oder, Verzeihung, was meinst Du damit, Optio?"

    Dieser Sadist von einem Matinier! Ich hätte wirklich Lust gehabt ihn zu erwürgen! Besonders als ich spürte, wie ich gnadenlos rot anlief bei seinen lustigen Bemerkungen über meine Kondition.
    Statt dessen sagte ich sittsam "Ja, Praefectus.", und sah ihm nur vorwurfsvoll hinterher, bevor ich tief Luft holte und mich wieder auf den Boden bequemte.
    Nie wieder Opium!, schwor ich mir (zum soundsovielen Mal in meinem Leben), während ich verbissen mit den ach so lächerlichen Liegestützen kämpfte. Ich werde es euch allen zeigen! Ich WILL in die Prima! Ihr sollt schon sehen dass ich das schaffe!


    Ich weiß nicht ob es der Ärger war, oder der Ehrgeiz der mich gepackt hatte, aber ich bekam die zwanzig tatsächlich hin - jedenfalls einigermaßen. Trotzig richtete ich mich wieder auf, fuhr mir über die Stirn und strich mir ein paar Strähnen meines langes Haares aus dem verschwitzten Nacken. Solange ich noch so außer Atem war, sah ich mal lieber davon ab, noch etwas zu sagen. Unruhig wartete ich auf das Urteil des Optios. Diese skeptische Miene! Hoffentlich ließ er es gelten!
    Wenn nicht, so versuchte ich mich zu beruhigen, konnte ich es immer noch mit einer Karriere als Koch versuchen (eine eigene Taverna zu haben wäre sicher schön!), oder als Pantomime, oder als Auriga, oder ich gründete doch meinen eigenen Morpheus-und-Phantasos-Kult...

    "Ihr seid alle so BEDEUTSAM...", seufzte ich und wünschte mir, auch mal irgend etwas wirklich Großes zu vollbringen. Ungeniert fragte ich weiter:
    "Und was tust Du für den Imperator?"
    Sicher etwas mit viel Ruhm und Ehre verbundenes...
    "Ohne Theater könnte ich nicht leben!" Ich schüttelte energisch den Kopf. "Wie schrecklich!"
    Die Germanen taten mir leid.
    "Hmm, ja, die Armen... Aber glaubst Du sie leben WAHRHAFTIGER als wir? Urtümlich, und ständig im Kampf ums Überleben begriffen, ringend mit den Elementen! - Ich meine, all diese muffigen Zwänge und kleingeistigen Konventionen und so hier in Rom..."
    Ich griff mir an die Kehle in einer Pantomime des qualvollen Erstickens.
    "Das schnürt einem ja die Luft ab, nicht wahr...? - Oder finde das nur ich?"
    Übergangslos dämpfte ich die Stimme und vertraute Mattiacus an:
    "Ich habe auch schon Theater gespielt! Ich war gar nicht schlecht dabei... aber ich bekam immer nur so blöde stereotype Rollen..."


    Meine Gedanken, wenn sie mir auch gerade extrem geistreich erschienen, waren immer schwerer zusammenzuhalten, sie erinnerten an ein Kaleidoskop von Farben, die schnell und schneller durcheinanderwirbelten, wunderschön aber etwas verwirrend... Ich lachte konfus, trank einen Schluck Wein und murmelte versonnen:
    "Gleich morgen sollte ich Morpheus und Phantasos einen Tempel bauen... - Und die germanischen Frauen? Sind sie schön?"

    Fasziniert lauschte ich der Erzählung meines Onkels. Meine Hand mit den Nüssen sank herab, ich saß muxmäuschenstill, und - beflügelt durch den Zauber des Schlafmohns - meinte ich, mich selbst auf die abenteuerliche Reise zu begeben, die er mir schilderte. Während ich einerseits seine Worte sehr gut vernahm und verstand, löste sich zugleich meine Seele Stück für Stück aus der Verflechtung mit meiner Umgebung, trieb schwerelos davon, und mitten in einen farbenfrohen Wachtraum hinein...


    Verirrt stapfte ich durch einen Schneesturm, umwirbelt von unzähligen Flocken, silbern funkelnde Kristalle von überwältigender Schönheit, deren Perfektion ich bis ins letzte Detail erspüren konnte... zart streichelten sie meine Wangen, stoben dann auf und nahmen mich mit sich.
    Über einen riesigen schwarzen Wald hinweg ging es zu einer titanischen Burg, in der riesenhafte grobschlächtige Barbaren mit goldenen Mähnen Unmengen von tarraconesischen Wein soffen. In Strömen floß er durch ihre Halle, dunkelrot und träge, die Barbaren aber lachten und sangen und bemerkten nicht dass der Fluß ihr ganzes Mobiliar davon trug... Ich grinste breit, sie waren zu komisch!
    Mattiacus stakte in einem überdimensionalen goldenen Becher durch die Fluten an mir vorbei und rief: "Los, Faustus, spring auf! Zurück zum Limes bevor es uns ergeht wie Varus!"
    Und an langen Reihen von furchterregenden Wölfen und Bären vorbei ruderten wir auf einen von Soldaten gekrönten Wall zu. Die wilden Tiere heulten und bleckten blutgierig die Zähne, aber Mattiacus verkündete ungerührt: "Wir sind Gesandte!", da mussten sie uns zähneknirschend ziehen lassen. Wir legten an einer gigantischen Büste des Triumphators an und waren in Sicherheit!


    Noch halb vom Traum umfangen lächelte ich Mattiacus bewundernd an, und flüsterte andächtig, nachdem er geendet hatte:
    "Was für ein Abenteuer... großartig.... Ich bin so FROH, dass Dir nichts passiert ist!"
    Träge streckte ich den Arm aus und schob auf dem Tisch eines der Gläser zu ihm hinüber, schenkte ihm auch gleich aus einer bereitstehenden Weinkaraffe ein, damit er seine Kehle benetzen konnte.
    "Aber das klingt so zivilisiert, was Du von ihnen erzählst.", wunderte ich mich.
    "Haben sie Dich denn gar nicht bedroht oder so?"
    Müssig ließ ich meine Finger über den weichen Stoff der Kline streichen, und über das glänzende Holz der Lehne. Wie SCHÖN von soliden, gediegenen Dingen, guten Speisen, und vor allem lieben Menschen umgeben zu sein.... ja, hier war ich in Sicherheit.
    "Und ist es dann nicht seltsam wieder hier zu sein? Hast Du schon die nächste Reise geplant?", bestürmte ich ihn weiter mit Fragen, die glänzenden Augen unablässig und drängend auf ihn gerichtet.
    "Nimmst Du mich mit beim nächsten Mal?"

    "Onkel Mattiacus!", rief ich ihm freudig entgegen.
    "Oh ja, WUNDERSCHÖN, finde ich auch. Und ich bin wirklich sehr gespannt!"
    Beschwingt ging ich ein paar Schritt auf ihn zu, strahlte ihn an und erklärte fröhlich:
    "Aber Du kannst ruhig 'Faustus' zu mir sagen, den Namen mag ich sowieso viel lieber! Ich finde es ganz PHANTASTISCH, dass wir uns endlich auch mal kennenlernen! Weißt Du, ich war auch lange fort von der ganzen Familie..."
    Jäh übermannte mich die Traurigkeit, und ich seufzte schwer, als ich gestand:
    "Und ich fürchte ich war nicht sooo vorbildlich in der Zeit..."
    Ebenso schnell war der Kummer wieder weggeblasen.
    "...aber um so GLÜCKLICHER bin ich, dass ich hier mit so viel Freundlichkeit empfangen werde! Du verstehst das bestimmt, Du musst die Familie doch sicher auch sehr vermisst haben, nicht wahr?! Sie sind alle so außergewöhnlich und so NETT!"


    Ich setzte mich auf eine Kline der Bank gegenüber, streifte die Sandalen ab und zog die Beine an. So konnte ich am besten zuhören.
    "Ja, erzähl!", drängte ich ihn enthousiastisch.
    "Und ist Großvater viel gereist? Ach, ich würde auch gerne mal so ein richtiges ABENTEUER in der Ferne erleben! Irgendwann mach ich das auch noch! Bist Du echten wilden Barbaren begegnet, und gibt es dort Ungeheuer und richtige SCHNEESTÜRME?!"
    Die Worte drängten nur so aus mir heraus, aber ich wollte doch eigentlich ZUHÖREN. Also zog ich eine komische Grimasse, und legte mir schnell die Hand auf den Mund, zum Zeichen dass ich jetzt still sein würde. Aus einem Schälchen auf dem Tisch schnappte ich mir noch ein paar Nüsse und verspeiste sie nach und nach, während ich gebannt an Mattiacus' Lippen hing.

    Es war der Abend meiner Ankunft im Hause der Familie. Vor wenigen Stunden noch, als ich im Schlepptau meines Onkels die Schwelle der Casa überschritten hatte, war ich ein einziges Häufchen Elend gewesen, aber JETZT, jetzt ging es mir einfach GROSSARTIG!!!
    Das verdankte ich einem freundlichen Sklaven, der, während ich ein Bad nahm, rasiert, frisiert und umhegt wurde, auf meine Bitte hin so nett gewesen war, meine Sachen zu holen, die sich noch in der Stadt befanden - genauer gesagt in der schäbigen Subura-Absteige wo ich zuletzt untergekommen war.
    Und bei diesen Sachen - es waren wenig genug - befand sich etwas, das mir in diesem Moment wertvoller als Gold war: ein Rest Opium! Zurückgezogen in ein stilles Gästezimmer hatte ich sofort meine geliebte Opiumpfeife angeworfen, und mir diesen Schatz restlos reingezogen. Es war nicht mehr viel, doch sofort lösten sich die Übelkeit, das Zittern und dieses schreckliche Getriebensein in sanftem Wohlbefinden auf...


    Und das sanfte Lächeln stand noch immer auf meinem Gesicht, als ich in den Innenhof hinaustrat, wo, wie man mir gesagt hatte, das Abendessen bereit stand. Es war ja auch so ein wunderschöner Abend, perfekt um draußen zu essen, ganz mild und die Luft schwer vom Duft der Sommerblumen!
    GLÜCKLICH wieder im Schoße meiner lieben, lieben Familie zu sein, die mir meine kleinen Fehltritte gewiss nicht nachtragen würde, näherte ich mich der gedeckten Tafel. Kleine Öllämpchen waren darauf verteilt, und verströmten leicht flackernd ihr warmes Licht. Es sah ganz ZAUBERHAFT aus! Einladend standen die Klinen darum verteilt, neben einem von bunten Steinen umfassten Beet in dem große weiße Blüten geheimnisvoll in der Dämmerung schimmerten...


    Von einem warmen Glücksgefühl erfüllt lehnte ich mich an eine Säule, atmete genüsslich die laue Abendluft, und wartete auf die anderen. Onkel Mattiacus - wie SCHÖN, dass ich ihn endlich kennengelernt hatte! - hatte doch versprochen, Geschichten aus dem wilden Germanien zu erzählen! Ich war schon UNHEIMLICH gespannt darauf!

    Diese reservierte Begrüssung war wie ein kalter Wasserguss. Ich hatte mir, nach dem was im alten Tempel passiert war, irgendwie was anderes vorgestellt... aber anscheinend hatte ich Hannibal zu einem schlechten Zeitpunkt erwischt - ja, daran musste es liegen!
    "Ich habe mir wirklich große Sorgen gemacht.",
    sagte ich leise, und versuchte mir meine Enttäuschung nicht anmerken zu lassen. Etwas schimmerte in Hannibals Hand. Ein Dolch?
    "Wie in aller Welt bist Du ihnen entkommen? - Ach, nein, die Schulden hab ich immer noch, aber ich war 'ne Weile weg vom Fenster... die Urbaner haben mich erwischt, und dann, ähm, meine Familie...-"
    Ich stockte. Natürlich hatte ich Hannibal nie was von meiner Familie erzählt, ebensowenig wie er mir von seiner.
    "So war ich 'ne Zeitlang in Sicherheit."
    Unruhig folgte ich Hannibals Blick in den Gang, und mir schien immer mehr, dass es ein GANZ schlechter Zeitpunkt für ein glückliches Wiedersehen war.


    "Ich bin hier weil ich Dich sehen wollte.", murmelte ich.
    "Nur einfach so. Weil... weil Du mich in dem Tempel so beschützt hast. Das war sehr lieb von Dir und tapfer und auch... romantisch. Du hast mir sicher das Leben gerettet! Da wollte ich mich bedanken und außerdem... - Ach, entschuldige. Ich sehe ja dass ich ungelegen komme."
    Ein Blinder hätte das sehen können.
    "Jedenfalls... freue ich mich zu sehen dass es Dir gutgeht.",
    schloss ich lahm, und fragte dann noch leise:
    "Was machst Du denn da eigentlich? Also... wenn ich fragen darf."
    Warum er in seinem eigenen Lupanar so verstohlen im Dunkeln herumschlich, anstatt auf Phyllis' schönem Fest zu sein, das interessierte mich schon.

    Eine häßliche dicke Witwe??? Ich sah den Matinier groß an - nickte dann skeptisch. Wenn er meinte...
    Vielleicht, überlegte ich, war es überhaupt und auch sonst gut, irgendeine Frauengeschichte als Grund für meinen Entschluss vorzuschieben. Das klang gut und wirkte sehr männlich.
    "Dreissig?!"
    Das würde ich ja nie im Leben schaffen!
    "Aber ich hab' doch nur... - Jawohl Praefectus."
    Beim Militär war es genauso wie ich es mir immer vorgestellt hatte.


    Resigniert ging ich runter auf den Boden. Blöder Zirkus! Ich kam mir so albern vor! Aber davon wollte ich mich nicht abschrecken lassen.
    Entschlossen stützte ich mich auf, beugte die Arme und streckte sie, beugte sie, streckte sie, und zählte stumm dabei mit. Verbissen starrte ich auf den abgetretenen Dielenboden vor meiner Nase. Es war heiß und schwül. Unter Aufbietung all meines Willens schaffte ich schlecht und recht gerade mal ein dutzend, dann - uff! - landete ich platt auf dem Boden. Betreten schielte ich zu den beiden Männern hoch. Der Optio stellte gerade dem Praefectus formvollendet seine Katze vor. Wo war ich bitte hier gelandet?!


    Ächzend stützte ich mich wieder auf und machte weiter so gut ich konnte. Der Schweiß lief mir über die Stirn, floss mir kitzelnd den Nacken entlang, und meine Arme wollten einfach nicht mehr. Ich fühlte mich schwach und ausgelaugt. Noch eine! Keuchend drückte ich mich wieder vom Boden weg. Und noch eine.
    Nec Deus! - Nec Patria! , schoß es mir durch den Kopf, und - in einem Akt der inneren Revolte - dachte ich im Takt zu den folgenden Liegestützen, die ich mir noch mühsam irgendwie abquälte:
    Nec Dominus! - Nec Servus! usw.
    Sobald einer der beiden Männer zu mir hinsah, tat ich natürlich besonders eifrig, aber sie schienen glücklicherweise doch sehr in ihr Gespräch vertieft.


    Es war einfach mörderisch! Die letzten Liegestützen konnte ich kaum noch ansatzweise simulieren, dann richtete ich mich langsam und nach Luft schnappend, völlig geschafft wieder auf, hielt mich auch einen Moment lang an einem Regal fest weil ich fürchtete dass mir schwarz vor Augen würde. Erledigt wischte ich mir den Schweiß von der Stirn, und japste, auf die Frage des Optios hin, noch immer komplett außer Atem:
    "...ch versichere! ...ch bin... wirklich ... vollkommen gesund!"

    "Ah, das ist gut! Da bin ich wirklich erleichtert."
    Ich nickte erfreut dass der Fachmann meinen Eindruck bestätigte. Jetzt, dachte ich mir, sollte ich schnell meine verrückte Idee in die Tat umsetzen, und das durchziehen bevor mein Enthousiasmus verfliegt und ich wieder irgendwo versumpfe...
    Wie der Priester mich musterte! Ob ich ihm wohl gefiel? Ich folgte seinem Blick, sah an mir hinunter, und erblickte betreten die Weinflecken auf der hellen Tunika, die Tante Lucilla mir doch gerade erst spendiert hatte (woher die kamen hatte ich keine Ahnung mehr... vom Opfer jedenfalls nicht), dann meine bloßen Füße...
    Und dann bot er mir ein Almosen an. Na toll! Neulich erst hatte man mich für einen Sklaven gehalten, heute dann für einen Bettler...
    Gekränkt sah ich ihm ins Gesicht und meinte ziemlich brüsk:
    "Ich bin kein Bettler."
    Nur dem Opium verfallen. Vor mir sah ich schon die große Acta-Schlagzeile:

    "Gens Decima komplett ruiniert! Stehlen auf dem Forum! Schnorren sich im Tempel durch!"
    (Aber zum Glück ist die Zeitung ja in der Hand meiner Tante, da kann sie solche Katastrophen verhindern.)


    Meine Worte tönten recht harsch - dabei hatte der Priester es wahrscheinlich nur gut gemeint.
    "Ich meine - danke, das ist sehr großzügig", versuchte ich verlegen sie abzuschwächen.
    "Aber nicht nötig. Ich bin bloß gerade etwas knapp bei Kasse, vorübergehend, das ist alles."
    Ich zuckte die Schulter, lächelte schief und trat einen Schritt zurück. Ein wenig unschlüssig strich ich mir ein paar Strähnen hinter die Ohren, die sich aus meinem Pferdeschwanz gelöst hatten (selbst hier drin nahm ich noch den Schlafmohn-Duft wahr, der sich - betörend... - in ihnen gefangen hatte) und warf noch einen verstohlenen Blick auf die starken Schultern dieses Mannes, die sich so ansprechend unter seinem Gewand abzeichneten.
    'Das, mein lieber Faustus', sagte ich mir, 'ist der perfekte Moment zu gehen. Sag artig Vale und Danke und verzieh dich schnell bevor Du noch eine Dummheit machst oder Dich sinnlos blamierst!'
    Aber ich konnte es nicht lassen.


    "Andererseits...", nahm ich den Faden wieder auf, wobei ich mein Gegenüber mit einem Hauch spielerischer Koketterie unverfroren anlächelte, "hätte ich gegen eine Kleinigkeit zum Ientaculum in Deiner Gesellschaft gar nichts einzuwenden."
    'Scheu' schlug ich die Augen nieder und bot 'unschuldig' an:
    "Vielleicht könnte ich mich ja bei Gelegenheit dafür revanchieren?"
    Ich ließ ein schelmisches Grinsen aufblitzen als ich wieder aufsah und den Blick meiner blauen Augen unverwandt auf ihn richtete.
    "Ich heiße Serapio."
    Aufgeregt war ich schon in diesem Moment, wenn auch auf eine beflügelnde Art, und beinahe hätte ich aus Versehen 'Flosculus' anstatt von Serapio gesagt. Dabei wollte ich diesen blöden Namen doch nie mehr hören.
    Hoffentlich war er jetzt nicht empört und warf mich raus!

    Es hatte etwas hypnotisches wie die Nase des Optios hin und her zuckte, unablässig, wie bei einem Hasen, oder - nein, jetzt wusste ich woran es mich erinnerte! - wie bei einem Frettchen. Aber seine Miene wurde immer eisiger. Scheinbar hatte ihm meine kleine schauspielerische Einlage nicht zugesagt. (Dabei glaube ich noch immer, dass ich ein Bühnentalent habe. Besonders im parodistischen Bereich.)


    Zwanzig Jahre... das war schon eine verdammt lange Zeit. Ich hatte allerdings die vage Idee, dass im Fall des Falles bestimmt irgendein Onkel/Cousin/Schwipschwager an der richtigen Stelle sitzen würde damit es nicht ganz so lange dauerte. Sicher konnte ich da natürlich nicht sein... Und der Krieg, der machte mir schon Angst... Aber es war doch meine letzte Chance!
    Für den Moment unschlüssig sah ich den Optio kleinlaut an.


    "Ja, ich denke schon...", murmelte ich, als hinter mir auf einmal jemand loswetterte wie von der Tarantel gestochen. Ich zuckte zusammen, fuhr herum und starrte den Mann erschrocken an. Wer war das? Und was hatte ich ihm denn getan?!
    Unwillkürlich machte ich einen Schritt zurück, während mir seine Tirade um die Ohren sauste. Jetzt stand ich direkt im Kreuzfeuer zwischen ihm, dem eisigen Optio und der dubiosen Katze. Das war vielleicht ungemütlich!
    'Alles klar, die wollen mich nicht...', dachte ich im ersten Moment geknickt, aber dann wurde ich ungehalten, als er andeutete wir wären Obst-Diebe. Ausgerechnet ein Matinier behauptet das! Dabei weiß ich noch sehr gut wie DIE früher immer UNSERE Kirschen plündern wollten!
    Ich reckte mich sehr aufrecht - 'Jammergestalt', pah! - sah den Matinier finster an und gab empört zurück:
    "Meine Familie klaut kein Obst!"


    Als er - zurecht - meinte dass der Legat nichts von mir wisse, bekam ich es allerdings mit der Angst. Das sollte nämlich erst mal auch so bleiben. Onkel Livianus hätte mich, nach allem was passiert war, bestimmt gleich wieder aus dem Kastell werfen lassen.
    "Ähm..."
    Ich wand mich unter den Blicken dreier kritischer Augenpaare und gab, ziemlich verschüchtert zur Antwort:
    "Na ja, ich dachte, ich könnte hier mal etwas wirklich sinnvolles machen? Etwas RICHTIGES eben. Ich, ähm, will einfach ganz neu anfangen, gewissermaßen. Es ist mir natürlich nicht neu, dass man im Krieg auch sterben kann, aber... mors certa, hora incerta. Und ich habe auch wirklich den festen Willen ein guter Legionär zu werden, auch wenn ich, das sehe ich schon auch, bestimmt hart an mir arbeiten muss...."
    Nervös knautschten meine Hände den Stoff meiner Tunika. Ich verschränkte sie schnell hinter dem Rücken und sah mit dem aufrichtigsten Blick meiner blauen Augen vom Matinier zum Optio und wieder zum Matinier. Ob dessen Art wohl der normale Umgangston hier war?

    Mir war schon klar dass ich spät dran war. Nach dem Bild dass sich da draußen bot, schien der Abmarsch ja schon kurz bevor zu stehen. Aber das ganze hier war eben eine spontane Idee gewesen... was ich dem Soldaten - dem Optio wie ich erkannte - aber nicht unbedingt auf die Nase binden wollte.
    Während er irgendwas zu suchen schien, ließ ich meinen Blick neugierig durch das Officium wandern. Was war denn das?! Irritiert hefteten sich meine Augen auf das Körbchen, und das niedliche Tier darin, dass mich mit einem sehr verständigen Ausdruck musterte. Hatte ich etwa schon wieder Halluzinationen?! Das letzte Mal war doch schon zwei Wochen her!
    Bei den eisigen Fragen des Optios riss ich mich von der Betrachtung der Katze los. Ich hoffte nur, dass sie sich nicht plötzlich in ein zähnefletschendes Monstrum verwandeln würde, wie meine Opium-Halluzinationen das manchmal an sich haben: sie starten erfreulich und werden plötzlich zu blankem Horror.


    "Ja. - Ja. - Jawohl das weiß ich, Optio.", antwortete ich, wobei ich mich fragte ob die letzte Frage ernsthaft gemeint war.
    "Die Namen meiner Eltern sind Lucius Decimus Silanus und Decima Cara - geborene Anteia."
    Bei dem Namen meiner Mutter spürte ich, wie meine Augen plötzlich feucht zu werden drohten. Das war alles noch viel zu frisch! Ich schluckte, versuchte den Kloß in meinem Hals loszuwerden, doch meine Stimme klang ziemlich belegt als ich sagte:
    "Sie sind beide schon tot."
    "Geboren", fuhr ich schnell fort, "bin ich in Tarraco. Und ich gehöre zum Ordo Equester."


    Der Stilus? Das war eine gemeine Andeutung! Gekränkt presste ich die Lippen zusammen. Ja, ich war zugegebenermaßen gerade nicht unbedingt soo gut in Form - die Droge hatte mir oftmals das Essen ersetzt - aber das ist doch alles eine Frage des Trainings!
    Außerdem sah der Mann vor mir am Schreibtisch auch nicht gerade wie ein Herkules aus. Aus den Augenwinkeln meinte ich zu sehen, dass die Katze mich ebenfalls streng, und etwas abschätzig betrachtete. Mehr als irritierend, dieses Tier!


    "Warum? Also warum ich zur Legion will?"
    Darauf gab es viele verschiedene Antworten. Ich holte tief Luft, ging sie im Geiste schnell durch, und überlegte dabei welche ich dem Optio (und mir) zumuten konnte:


    1.) Ich will, dass man mich endlich für voll nimmt. Ich will kein JUNGE mehr sein, sondern ein MANN!
    2.) Ich will, dass Onkel Livianus wieder mit mir spricht.
    3.) Ich will nicht, dass der Schatten meiner verstorbenen Mutter zornig auf mich ist weil ich ihren letzten Wunsch nicht respektiere.
    4.) In Rom ist es mir zu gefährlich, da sind zwei Sicarii unterwegs die mir die Kehle aufschlitzen wollen.
    5.) Ich bin vollkommen verzweifelt.
    6.) Ich habe es satt der Versager der Familie zu sein. Ich will und werde es ihnen allen zeigen!


    Sechs Gründe! Aber alle unbrauchbar. Also strahlte ich den Mann tatendurstig an und log, ohne mit der Wimper zu zucken, kraftvoll und im Brustton der Überzeugung:
    "Wie es in meiner Familie Tradition ist, ist nun auch für mich die Zeit gekommen, für Reich und Kaiser einzustehen. Es ist mein Wunsch - und meine edelste Pflicht! - MEINEN BEITRAG zu leisten, damit die Feinde, die die Grenzen unseres glorreichen Imperiums so schändlich bedrohen, mit Macht in ihre Schranken gewiesen werden! Darum bin ich hier, und dafür werde ich ALLES geben."
    Ich nickte 'ergriffen', reckte das Kinn, und stellte mit Genugtuung fest, dass ich keinerlei Anflug von Schamesröte verspürte.

    Es wurde erst. Ich ballte die Faust. Hob sie. Pochte mit den Fingerknöcheln gegen die Türe.
    Schnell zog ich mir noch die Tunika zurecht, strich mir nervös das Haar hinter die Ohren, und sobald von der andren Seite ein 'Herein!' zu hören war, trat ich ein. Es schien mir ein sehr bedeutsamer Moment, wie ich da die Schwelle überquerte zu dem Raum, in dem mein Schicksal endgültig in neue Bahnen gelenkt würde - und ich war, ehrlich gesagt ein wenig enttäuscht, mich einfach in einem ganz normalen Officium zu befinden, das, nun ja, eben ganz normal aussah.


    "Salve!", grüßte ich in respektvollem Tonfall.
    Mein Herz klopfte heftig. Ganz gerade aufgerichtet blieb ich mitten im Raum stehen.
    "Ich möchte mich für die Legion melden, bitte. Faustus Decimus Serapio ist mein Name."

    "Danke sehr."
    Ich nickte den beiden Soldaten höflich zu, dankbar dass sie mich überhaupt reingelassen hatten. Somit war die allererste Hürde schon mal überwunden! Schnellen Schrittes schlug ich den gewiesenen Weg ein, rückte den Reisesack auf meiner Schulter zurecht und folgte der Lagerstraße ins Innere des Kastells.
    Aufgeregt und neugierig blickte ich nach links und rechts, betrachtete die lebhafte Aktivität, die da herrschte, und versuchte, möglichst offen und unvoreingenommen die Eindrücke aufzunehmen aus dieser ganz anderen Welt, die, obgleich in unserer Familie stets präsent, mir in der Praxis noch völlig fremd war....

    Sang und klanglos hatte ich mich aus Rom davongemacht. Meine Siebensachen waren schnell gepackt gewesen, dann hatte ich die Casa meiner Familie stillschweigend verlassen. Ich war zuversichtlich, dass das so bald niemandem auffallen würde, denn, wie meine Tante Lucilla zu sagen pflegt, "ständig unterwegs und nie zu Hause zu sein, das liegt bei uns in der Familie".
    Der Weg nach Mantua war die Hölle. Ich war ohne Opium aufgebrochen, ich wollte - musste - ja auch von dem Zeug loskommen, und dachte mir: 'Mein lieber Faustus, so hast Du keine Wahl.'
    Die ersten Tage waren eine Tortur, ein Martyrium für das mir die Worte fehlen um es zu beschreiben! Zwischenzeitlich lag ich zitternd und kotzend am Straßenrand, und wünschte mich für meine schlaue Idee in die tiefsten Abgründe des Tartaros. Aber dann ging es tatsächlich langsam besser, Stück für Stück. Auch wenn meine Gedanken noch immer ständig zu Mohn und Rausch abdrifteten, fühlte ich mich kräftiger und, ja, freier, als zuvor. Zwischen Pinien und Zypressen wanderte ich die Straße nach Norden entlang, angetrieben von meiner verrückten Idee es ihnen allen zu zeigen. (Und von all den anderen Gründen.)
    Mehrmals konnte ich ein Stück auf einem Karren mitfahren und meine Beine ausruhen. Oft wurde ich dann ausgefragt - woher, wohin, etc. - und die Leute behandelten mich, wenn ich ihnen sagte dass ich zur Legion wollte, meistens freundlich und wohlwollend.


    So erreichte ich schließlich Mantua. Es war ein bedeckter, etwas schwüler Nachmittag, als ich von der Stadt her zu Fuß auf das Kastell zusteuerte. Über der Schulter trug ich den Ledersack mit meinen Habseligkeiten. Ich hatte mir vorher den Reisestaub abgewaschen, mich notdürftig rasiert und eine schlichte, aber noch saubere Tunika angezogen, um nicht gleich einen schlechten Eindruck zu machen. Meine langen Haare waren glatt zurückgebunden, mich von ihnen zu trennen hatte ich aber nicht übers Herz gebracht. Ob das wirklich unbedingt notwendig war?
    Das Kastell schien vor mir in die Höhe zu wachsen als ich näherkam, wurde immer größer, trutziger, ehrfurchtgebietender... als wolle es mir spöttisch sagen: 'Was willst DU denn hier?!'
    Aber ich dachte mir nur: 'Ihr werdet schon sehen!', und ging beklommen, aber entschieden auf den Eingang zu.
    "Salve!", wandte ich mich an einen Wächter.
    "Ich würde gerne..." -
    Ich stockte. Wollte ich das wirklich? Wollte ich??! - Ja doch. Onkel Livianus würde schon sehen dass ich kein 'verängstigtes Weibsstück' war, sondern ein richtiger Decimer, der auch was drauf hatte!
    Ich versuchte mein Zögern mit einem Räuspern zu überspielen und fuhr schwungvoll fort:
    "...würde mich gerne für die Legion melden. Decimus Serapio ist mein Name. Wo muss ich denn da hin, bitte?"