Beiträge von Faustus Decimus Serapio

    "Was soll das?!"
    Hatte ich nicht eben noch einen Cupido im Arm gehabt, wo kam plötzlich diese vestalische Jungfrau her?! Und hatte der gerade tatsächlich – verblüfft sah ich von meinen Händen zu dem Sklaven – gewagt nach mir zu schlagen?! Sein Gesicht sprach Bände. Das war kein spielerisches sich entziehen, er sah mich an, als wäre ich der allerletzte schmierige Satyr.
    "Was ist in dich gefahren?! Ja, verschwinde, geh schon, ich will dich nicht mehr sehen!" rief ich zornig und zutiefst gekränkt.
    Unseren Sklaven ging es wohl zu gut. Verwöhnte Haussklaven! Da hatte ich das Arsenal der Verführung aufgefahren, anstatt den Sklaven einfach in mein Bett zu befehlen, und plötzlich fiel ihm ein, dass er doch lieber nicht wollte. Ach, zum Hades! Gestohlen konnte er mir bleiben, der kapriziöse Spröde, Hypokausten konnte er fegen bis er schwarz wurde, ich hatte es nicht nötig, jemanden zu seinem Glück zu zwingen.
    Ohne ihn noch eines Blickes zu würdigen, zog ich mich an und spannte die Pferde wieder ein. Dieser Ausflug war ein Reinfall. Am Zaum führte ich die Pferde den Strand entlang, bis ich schließlich zur Abzweigung zu unserem Gut kam. Ein schmaler Weg war es, zwischen raschelndem Schilf, der mich zum Domus Calamis führte.

    Eben war doch noch alles gut gewesen. Ich hielt inne, und betrachtete den auf einmal so Schamhaften, lächelte ihm ermutigend zu und ließ meine flache Hand auf seinem Schenkel ruhen.
    "Mach dir keine Sorgen, mein Schöner. Ich achte schon auf dich."
    Das Meer rauschte, Sand knirschte unter uns, und nach ein paar Atemzügen fuhr ich fort, den unschuldigen Jüngling weiter sacht zu liebkosen, suchte seine Befürchtungen zu zerstreuen, begierig darauf, den Süßen endlich ganz zu vernaschen.

    Wie hinreißend war die unschuldige Verwirrung, die sich da in den Zügen des Schönen widerspiegelte. Ich sah ein feines Beben durch seine Lippen gehen - besonders die Unterlippe war voll und sinnlich und lud zum Küssen ein, dazu dieses niedliche Muttermal, und die klaren Augen, grau wie das Meer heute, und dazu diese eine feuchte, honigblonde Haarsträhne, die sich an seine Schläfe schmiegte... Ein bisschen erinnerte er mich immer an Dives, als der noch jung gewesen war. Was für exquisite Momente wir miteinander verlebt hatten. Ob Silas ebenso heißblütig sein konnte wie der süße Dives...? Gerade sah er eher verschüchtert aus.... aber dann schenkte er mir ein Lächeln. Na also. Ich lächelte ihm ebenfalls zu.
    "Komm her, suavis Silas."
    Den Arm legte ich um ihn, und stahl ihm den ersten Kuss und dann den zweiten. In der lauschigen Abgeschiedenheit hier zwischen den Dünen gingen meine Hände auf Wanderschaft über seinen makellosen Körper, und routiniert machte ich mich daran, diesen schönen Jüngling zu verführen, sanft und ohne Hast, um ihn in seiner süßen Unschuld nicht zu verschrecken, aber zugleich zielstrebig, denn ich wusste was ich wollte.

    'Wir wollen die Augusta sehen, wir wollen der Augusta winken!' hatten unsere Sklaven uns in den Ohren gelegen. Da ich brave patriotische Begeisterung nicht unterbinden wollte, hatte ich dann eben tatsächlich dem halben Haus freigegeben, und sie hatten sich hier grüppchenweise unters Volk gemischt. Es war ja auch nicht verkehrt, wenn unsere Dienerschaft etwas Stimmung für Scapula machte.
    Auch die Klienten der Familie hatten wir um uns versammelt, alle in bester Toga, und ein paar von ihnen als Claqueure strategisch auf dem Forum verteilt. Ich hatte vollstes Vertrauen in die Redekunst meines eloquenten Vetters, aber solche kleinen Tricks, um ihn besonders hervorzuheben, konnten auch nicht schaden. Schließlich war dies für ihn heute ein großer Tag, der erste öffentliche Auftritt hier in Rom.
    Wir waren früh da und ergatterten noch einen Platz auf den Stufen der Basilica Iulia. Ein bisschen wurmte es mich schon, meinen Statusverlust im Vergleich zu früheren Zeiten zu spüren, und kurz sah ich etwas wehmütig zu der schicken Tribüne. Aber so war das nun mal, und hier stand ich nun, zusammen mit Valentina, Scapula, Custodes und Gefolge.
    "Na?" meinte ich freundlich zu meinem Vetter, klopfte ihm auf die Schulter und bot ihm aus einem mitgebrachten Schlauch einen Schluck Honigwein für die Stimme an.
    Dann winkte ich einen Bauchladenmann herbei, damit Valentina sich etwas aussuchen konnte, und erstand für mich selbst ein paar tiefviolette Feigen, die einfach zu lecker aussahen.
    "Was für herrliches Wetter heute," plauderte ich gutgelaunt und lächelte meiner Ex-Verlobten zu. "Könnte gar nicht besser sein. Es ist fabelhaft wieder hier zu sein, im pochenden Herz der Welt."


    Es folgten die bekannten dramatischen Wendungen: Medea traf den König von Athen, Aigeus, der ihr zusicherte, dass sie bei ihm eine sichere Zuflucht finden würde. Darauf täuschte sie dem Iason vor, sie wolle sich mit ihm versöhnen, und ließ ihrer Rivalin als Hochzeitsgeschenk ein vergiftetes Seidenkleid überbringen.
    Sensationelle Szenen und Schockeffekte für den abgestumpften römischen Geschmack waren in der modernen Pantomimenkunst nicht wegzudenken, und so zeigte auch diese Aufführung, ganz anders als im klassischen griechischen Theater, explizit den qualvollen Tod der Königstochter im Giftkleid. Auch König Kreon, seine sterbene Tochter umarmend, starb an dem Gift.
    Wieder und wieder hatte der Chor versucht, Medea von ihrem ungeheuerlichen Vorhaben des Kindermordes abzubringen, doch vergebens. In einem letzten Monolog des Wahnsinns rang sie mit sich.


    Der Chor als MEDEA:
    Entschieden bin ich, Beste, jetzt die Kinder rasch
    Zu töten und dann fortzueilen aus dem Land.
    Ich will durch Zaudern meine Kinder nicht zum Mord
    Preisgeben einer andern rachedürstgen Hand.
    Ganz unabwendbar ist ihr Tod, und weil er's ist,
    Will ich sie töten, die sie auch geboren hat.
    Wohlan, mein Herz, auf, waffne dich! was zauderst du,
    Zu tun das schrecklich, aber unvermeidlich Leid?
    Du, meine unglückselge Hand, ergreif das Schwert!
    Ergreif es, tritt zum Wendepunkte deines Glücks;
    Verbann die Weichheit, denke nicht, wie lieb sie sind,
    Daß dein sie sind, daß du die Mutter! Oh, vergiß
    Du deiner Kinder nur den einen kurzen Tag,
    Und dann bewein sie! Wenn du gleich sie töten mußt,
    Du liebst sie dennoch – ach, ich unglückselges Weib!


    Mit einem langen Messer in der Hand trat Medea in das Haus.


    Das CHORLIED während des Kindermordes:
    Höre mich, Erde, hör, Sonnenlichts
    Leuchtender Strahlenschein! O blickt her, o seht
    Dieses verzweifelt Weib, eh sie die blutge Hand
    Noch an die Kinder selbstmörderisch legen kann!
    Sind sie doch deines Stamms güldnem Geschlecht entsproßt!
    Und soll Götterblut jetzt
    Fallen durch Menschenhand?
    Darum, o Himmelslicht,
    Lähm ihr die blutge Hand, hemme sie, laß durch böse Geister
    Das verwegne Weib fort vom Haus jagen in Höllenangst!


    Trugst du die Muttermühn, trugst umsonst
    Schmerzen um deines Stamms blühende Sprößlinge,
    O Weib, das geschifft vom grausamen Tor
    Eiserner Felsenwand, schiffezermalmender!
    Törin, wie konnte je zürnender Groll so schwer
    In dein Herz einziehn, daß
    Mord ihn bezahlen muß?
    Flecken verwandten Bluts,
    Wenn es zur Erde floß, drücken die Seele schwer und suchen
    Mit dem gleichtönigen Schrei des Wehs rächend den Mörder heim.


    Die hellen Todesschreie der Kinder drangen aus dem Haus, und unter dem Türspalt floß ein Rinnsal roten Theaterblutes hervor. Ein Stöhnen des Entsetzens ging durch die Reihes des Publikums. Iason eilte herbei, doch zu spät, um seine Kinder zu retten. Verzweifelt brach er in die Knie und verfluchte die Mörderin.
    Zuletzt gab es noch einen spektakulären Drachenwagen zu sehen, mit grausigen Ungetümen, bei denen man kaum glauben konnte dass sie nur aus Holz, Farbe und Seilzügen bestanden. Ihre Schwingen gingen auf und ab, die Drachenmäuler öffneten sich, und röhrend spien die Bestien Feuer. Medea, auf dem Drachenwagen stehend, die Zügel des Gespanns haltend, die blutigen Attrappen toter Kinder im Arm, führte ihre letzten Reden gegen Iason, verweigerte es ihm die Leichen der Söhne zu bestatten.


    Der Chor als MEDEA:
    .....wüßte Zeus, der Gott im Himmel, nicht,
    Was du von mir empfangen, was erwidert hast.
    Genug, du wirst, nachdem du mich verschmähet, nicht
    Ein wonnig Leben führen und hohnlachen mir,
    Noch kann die Fürstin oder, der die Ehe schloß,
    Kreon, mich so vom Lande stoßen ungestraft.
    Drum nenn mich immer wilde Löwin, wenn's beliebt,
    Und Skylla, die da hauset im tyrsenschen Fels:
    Verwundet hab ich, falsches Herz, dich, wie's gebührt!


    .... Meine Hand begräbt und übergibt
    Sie dort geweihtem Boden bei der Hera Burg,
    Damit sie meine Feinde nicht mißhandeln und
    Ihr Grab umwühlen. Hier dem Land von Sisyphos
    Wird für die Zukunft heilger Dienst und Opferweih
    Obliegen für den hier begangnen Greuelmord.
    Ich aber ziehe nach Erechtheus' Lande hin,
    Woselbst Pandions Sohn mir, Aigeus, Wohnung gibt.
    Du aber endest schlimm, du Schlimmer, wie's gebührt:
    Ein Trumm der Argo wird ans Haupt dich treffen einst,
    Nachdem du unsrer Ehe bittres End erlebt.


    Darauf stieg der Drachenwagen in die Lüfte, an kaum sichtbaren Seilen und Streben und durch einen ausgeklügelten Mechanismus emporgehoben. Medea lenkte ihr Gespann hoch über den Köpfen der staunenden Zuschauer hinweg, und vom letzten Chorgesang umbraust entschwand die Zauberin.


    Der CHOR:
    Es waltet der Dinge Gott Zeus im Olymp,
    Das Göttliche zeigt sich in mancher Gestalt.
    Es vollenden die Götter, was keiner geahnt.
    Wovon wir geträumt, das verwirklicht sich nicht.
    Was unmöglich uns schien, das ist möglich für Gott.
    So hat es auch hier sich bewiesen.



    ~ ENDE ~




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    Sim-Off:

    Der Pantomime Polychares darf als NSC gerne von allen die möchten in Zukunft weiterverwendet werden. ;)

    Ja, das würde mir gefallen, einfach mal unbefangen erzählen zu können. Ich hatte wirklich die verrücktesten Dinge erlebt, auch auf den Karawanenreisen durchs wilde Nabataea, und dann bei meiner Flucht erst, und es fiel mir nicht leicht, den Mantel des Schweigens darüber zu breiten. Aber vielleicht war es auch besser so, nicht dass Manius mich noch für einen Aufschneider hielt.
    Mein Leben zurückerhalten, so hatte ich es noch nie betrachtet. Ich stutzte, gerührt von Manius stürmischer Zustimmung. Denn eigentlich war es doch etwas sehr Ungehöriges, dies auch nur zu denken. In der Garde zu dienen, war schließlich die größte Ehre, die man sich nur vorstellen konnte. Vor dieser Mission, da hätte ich wohl gesagt, 'aber die Garde ist mein Leben', nun blinzelte ich nur verwirrt.
    "Naja... aber ich wüßte gar nicht, was ich sonst machen sollte..." protestierte ich dann wieder, nach dem nächsten Kuss, selbst gegen meine eigenen Worte. Wie auch, ich war seit meiner Jugend Soldat... Ein Dasein als Serapis-Myste hatte schon mal nicht geklappt, sie nahmen es mit dem sich reinhalten einfach zu genau. Als Erzähler wilder Orientgeschichten, privater Ermittler, Theater-Mäzen oder Amateur-Bigafahrer und Fiesta-Feierer hätte ich sicherlich viel Freude, aber ich war meiner Gens schließlich auch was schuldig. In einem zivilen Ritteramt würde ich mich wohl zu Tode langweilen, und eine Adlectio würde bedeuten, von einem der hochrangigsten Equites zu einem von 600 Senatoren zu werden, die den lieben langen Tag nur rumsaßen und quatschten, dafür war ich noch lange nicht alt und klapprig genug.
    "Ich kann ja schlecht den ganzen Tag in deinem Bett auf einem Seidenlaken mich räkeln – ... oder vielleicht doch?" neckte ich ihn.
    "Wie gesagt, als Tribun bin ich nicht mehr in vorderster Front, bei Weitem nicht, außerdem haben wir Friedenszeiten." (Wie feige sich diese meine Worte in meinen Ohren anhörten.)
    Es war wohl nicht der richtige Moment zu erwähnen, dass ich in Sachen Nabataea nochmal würde aufbrechen müssen.


    Wir haben nur jetzt."Jetzt... und... uns..." murmelte ich dicht an seinen Lippen, Zärtlichkeiten austauschend, voll weher Sehnsucht ganz mit ihm zu verschmelzen. Wie herrlich war es, und wie ungewohnt, uns hier einfach in Ruhe unserer Leidenschaft hingeben zu können, auf einer weichen Kline, in den Mauern meines Anwesens, ohne Hast und ohne die Furcht, dass in nächsten Moment irgendjemand eine Tür zu uns aufreißen würde.
    "Sag mal... du hast vorhin... bei einem wirklich interessanten Thema... so geschickt abgelenkt..." Breit grinsend schwang ich mich auf ihn und umfasste seine Hände, ihn spielerisch festhaltend und mit meinem entflammten Körper auf die Kline herunterdrückend. "Aber jetzt hab ich dich wohl... gefangen, wie es aussieht..." Zwischen heißen Küssen und laszivem Spiel der Zungen flüsterte ich, dicht an seinem Ohr. "Erzähl mir doch mal ein bisschen... von deinen Jugendsünden... was war deine... pikanteste...?"



    In einer windgeschützten Mulde zwischen den flachen Dünen saß ich, an die Planken eines alten Fischerbootes gelehnt, das dort mit dem Rumpf himmelwärts im Sand lag. Die Pferde mampften ihr Heu. Fleischiges Strandgras überwucherte das Ufer, darüber beugten Tamariskenbäume ihre verdrehten Stämme. Candace hatte uns einen großen Korb voll guten Essens eingepackt, darunter eine Schale mit Himbeeren, spät, süß, und überreif auf meiner Zunge.
    Meine Gedanken... anfangs noch beim Gespann, bei den leidigen Kreuzschmerzen und beim anstehenden Besuch auf dem Gut... schweiften irgendwann ins Leere, während ich da so saß, der Sand noch warm unter mir, umfangen vom Rauschen des Meeres, wie dem Atmen eines endlosen grausilbernen Wesens.


    Eine Gestalt durchbrach die Horizontale. Silas, wie die schaumgeborene Aphrodite, war dem Meer entstiegen. Die Sehnsucht, die mich bei seinem hinreißend wohlgestalten Anblick erfüllte, war nicht allein sinnlicher Natur. Ich wollte ihn, natürlich wollte ich ihn, aber mehr noch wollte ich in diesem Augenblick so sorglos und jung und übermütig sein können wie dieser Jüngling.
    Meiner eigenen Narrheit bewusst legte ich den Kopf zurück, gegen die morschen Planken, und stieß wie amüsiert die Luft aus. Ich fühlte mich seltsam entrückt in diesem Augenblick, als wäre ich nicht wirklich, nicht aus fester Substanz, mehr wie ein Spiegelbild, ein Doppelgänger, ein Abglanz von irgendetwas das vor langer Zeit geschehen war, oder in langer Zeit geschehen würde, was wiederum dasselbe war, in dieser ewigen Wiederkehr der Wellen am Saum des Meeres, das ungerührt die Narrheit alternder Männer und den Übermut junger Schöner bezeugen würde, unverändert und in ewigem Gleichmut. Es schwindelte mir, und für einen Augenblick war mir, als wäre ich etwas ungeheuer Wichtigem auf der Spur, als könne ich im nächsten Atemzug schon den Schleier hinwegziehen von einem Geheimnis, dessen Ahnung mich schon lang umschwebte, und mir bisweilen, in Fieberträumen oder in der Musik in Tempel des Serapis entgegengetreten war.....? Und dann doch wieder in Vergessenheit versunken war, tief unter den Schichten des Jetzt verborgen. Es war ein unheimliches Gefühl, ich ahnte, dass es keine tröstlichen Antworten sein würden.


    Ich schüttelte mich, und grub die Füße in den Sand. Bona Dea, warum brachte dieser nette Ausflug mich jetzt auf so komische Gedanken?! Ich war doch bloß am Strand von Ostia, ganz simpel, mit einem schönen Sklaven, auf den ich scharf war, nichts weiter.
    Als Silas zurückkehrte, sah ich ihm mit Wohlgefallen entgegen, nahm seine Lacerna auf, um sie ihm um die Schultern zu legen, und ließ meine Hände dabei länger dort verweilen, strich ihm wie beiläufig über den Nacken. Ich bedeutete ihm, sich zu mir zu setzen und schob ihm die Schale mit den restlichen Himbeeren zu.


    Velox amoenum saepe Lucretilem / mutat Lycaeo Faunus et igneam
    defendit aestatem capellis / usque meis pluuiosque uentos
    - Horaz


    (Geschwind und oft tauscht Faunus den lieblichen Lucretilis gegen den Lykaion ein
    und hält die Glut des Sommers und Regenwinde von meinen Ziegen fern....)


    Nur eine Tagesreise von Rom, in den lieblichen Bergwäldern der Montes Lucretili, liegt unter felsigen Gipfeln eine einsame Jagdhütte...

    In der darauffolgenden Szene verwandelte der Pantomime sich in den Iason. Ein heroischer Recke war es nicht, der da auf die Bühne trat, eher ein geschmeidiger Aufsteiger und – je nach Sicht – treuloser Heuchler oder realistischer Taktierer. Er rügte Medeas wilden Zorn und beteuerte, dass sie selbst an ihrem Unglück die Hauptschuld trage. Er selbst habe ja noch versucht, sie vor der Verbannung zu schützen:


    Der Chor als IASON.
    Schon öfter und nicht heut zuerst erkannt ich, daß
    Der wilde Zorn ein unbezwingbar Übel ist.
    Dir war's verstattet, Haus und Hof zu haben hier,
    Dich willig fügend in den Ratschluß Stärkerer,
    Und jetzo treibt dich dein verwegnes Reden fort.
    Mich zwar bekümmert's wenig, ob du fort und fort
    Erklärest, Jason sei ein gänzlich schlechter Mann.
    Doch für das Reden gegen Fürst und Fürstin darf
    Vollauf Gewinn dir's scheinen, daß der Bann dich straft.
    Ich habe stets des aufgebrachten Fürsten Zorn
    Beschwichtigt und gewünschet, daß du hier verbleibst;
    Doch deine Torheit gab sich nicht und lästert' stets
    Das Fürstenhaus, und dafür ziehst du aus dem Land.


    Den Vorhaltungen der Medea begegnete er kühl. Selbst als sie, wieder nach einem raschen Rollenwechsel, ihn daran erinnerte, dass sie es gewesen war, die ihm und seinen Männern beim Raub des Goldenen Vlieses den Erfolg gebracht und das Leben gerettet hatte, vermochte ihn dies nicht zu rühren.


    Der Chor als MEDEA:
    Ich war die Retterin – alle Griechen wissen's, die
    Mit dir am Bord des Argoschiffs gewesen sind –,
    Als dir befohlen war des feuerschnaubenden
    Stierjoches Lenkung und des Mordgefildes Saat.
    Den Drachen auch, der vielgewundne Ringeln schlang
    Ums Goldne Vlies und schlummerlos es hütete,
    Erlegt ich. Also strahlte dir der Rettung Licht!


    Jason widersprach: die Liebesgöttin, die Medea mit ihrer Macht erfasst habe, sei seine eigentliche Retterin. Medea sei ja auch ausreichend belohnt worden, damit vom barbarischen "Land der Wilden" Kolchis ins griechische "Land von Recht und Sitte" zu gelangen, und hier für ihre Klugheit gerühmt zu werden. Er könne gar nicht verstehen, dass sie ihm die Hand der korinthischen Königstochter mißgönne:


    Der Chor als IASON:
    Wie könnt ich Flüchtling einen Glücksfund irgend tun,
    Der schöner wär als einer Königstochter Hand?


    Der Aufstieg könne der ganzen Familie zu Gute kommen – doch Medea habe diese Chance durch den argen Groll ihres Herzen und ihre Drohungen gegenüber dem Fürstenhaus zerstört.


    Der Chor als IASON:
    So seid ihr Frauen: wenn ihr einzig euch geliebt
    Vom Manne wißt, dann fehlet nichts an eurem Glück.
    Doch wo ein Mißstand eure Rechte kränkt, da wird,
    Was noch so heilsam, noch so schön, als ärgster Feind
    Geachtet! Ja, den Menschen sollt auf andrem Weg
    Fortpflanzung werden, Frauen nicht geschaffen sein;
    So wär die Welt auch frei von allem Ungemach!


    Im Zwist gingen die beiden auseinander.
    Ein weiteres tosendes Chorlied folgte, über die Liebe als den 'Schmerzenspfeil, getaucht in süße Sehnsucht'.


    Das zweite große CHORLIED:
    Wo heftige Liebe den Mann
    Vom Gleise reißt, dem kann sie nicht
    Würde verleihen noch Ruhm. Doch wo sich bescheiden entfaltet
    Liebeswahn, ist keine der Mächte so lieblich.
    Send, o Herrin, mir von dem goldenen Bogen nie den sichern
    Schmerzenspfeil, getaucht in süße Sehnsucht!


    Der Himmlischen schönstes Geschenk,
    Die Sittsamkeit, sei stets mir hold.
    Möge mit zwistigem Groll und nimmergesättigtem Hader
    Nie der Göttin Macht mich behaften und nie mein
    Herz für fremde Gatten entzünden und stets friedfertgen Ehbund
    Schützend feinklug Frauenrechte schlichten.


    Heimisches Land, eigener Herd,
    O möcht ich doch euch nie missen,
    In so hilfeberaubtem, unabsehbar großem Elend
    Lebend mit Jammer und Leid!
    In den Tod, in den Tod zu gehen wünsch ich lieber, als
    Diesen Tag zu verleben; denn allergrößte der Nöte ist's,
    Heimisches Land zu missen.


    Sahn wir ja selbst, haben es nicht
    Aus anderer Mund vernommen:
    Es erbarmte sich keine Stadt und kein Bekannter deiner
    Allerempfindlichsten Not.
    Es verderbe der Falsche gnadenlos, der's nicht vermag,
    Daß er, Freunde zu ehren, aufschließt den lauteren Herzensschrein!
    Bleibe mir fern sein Lieben!




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    Zitat

    Original von Grian
    ...
    „Oh Scheiße, du bist…“
    ...



    "Ich war." knurrte ich.
    Das Mädchen sah angemessen zerknirscht aus, entschuldigte sich kleinlaut. Was bei allen Göttern sollten wir nur mit ihr machen? Das Antlitz einer Nymphe, kombiniert mit dem Mundwerk eines Bierkutschers und dem Schalk eines jungen Hermes. Sie erschien auch nicht böswillig, es wäre doch ein Jammer, wenn sie Zeit ihres Lebens Asche kehren müsste. Aber mich hier so zu blamieren, nein wirklich, das konnte nicht ungestraft bleiben. Ich knackte ein paar Pistazien, aß diese nebenbei, würdigte die Kleine keines Blickes mehr und verschob die Entscheidung auf später.
    Für den Augenblick vertiefte ich mich wieder in die Darbietung. Die Unglückliche, die Rasende, die Verbohrte... wie viele Momente gab es in dem Stück, in denen sie noch das Ruder hätte herumreißen können, den unmäßigen Stolz überwinden. Oder schien es nur so, war sie bereits vom ersten Augenblick an im Sog des Schicksals, welches sie unausweichlich hin zu ihrer Greueltat führte?

    Der Hymnus war nicht gerade kurz, und meine Aufmerksamkeit sowieso gerade nicht so ganz bei der Poesie. Manius hingegen schien den Vortrag wirklich zu genießen, erschien entrückt, als wäre er in einer anderen Sphäre... Ich freute mich, ihm diese Freude gemacht zu haben. Auf die plötzliche Zärtlichkeit seiner Geste war ich nicht gefasst, ich sah ihn fast erstaunt an, als seine Lippen meine Finger berührten. Wie ein klammer Morgennebel unter den wärmenden Strahlen der aufgehenden Sonne, so löste sich dabei auch der letzte Rest meines Ärgers ins Nichts auf. Ich verschränkte meine Finger mit den seinen und strich langsam mit dem Daumen über seinen Handrücken. Diese Zeit war so kostbar, so kostbar.
    Die Liberti hatten sich dezent zurückgezogen. Ich seufzte, auf Manius' Frage hin und begann ihm mein Herz auszuschütten.
    "Ach Manius. Ich habe doch ständig an dich gedacht.... in den Jahren. Ich habe nur immerzu gedacht, was für ein Imbecilus ich war, nicht mit dir durchzubrennen, und statt dessen schon wieder Kopf und Kragen für die Patria einzusetzen... und das noch dazu vergebens! Meine Mission ist ... naja, 'komplett gescheitert' wäre übertrieben, aber 'erfolgreich' wäre gelogen. Ich habe Soldaten verloren, bin selbst in der Fremde gestrandet..." Überlebt hatte ich den Hinterhalt, und nur leichtverletzt, weil die Dreckschweine, die meine Soldaten abgeschossen hatten, versucht hatten, mich lebend zu erwischen, sonst hätte ich ihnen niemals entkommen können. Wie schon so oft... Kameraden gingen über den Styx, und ich fragte mich, womit ich es eigentlich verdient hatte, dass ausgerechnet ich derjenige war, der weiterlebte. Aber das war... nichts, mit dem ich Manius hätte belasten wollen. Ich setzte eine verwegene Miene auf und erzählte leichthin, ein wenig ironisch, und auch etwas malerischer, als es wirklich gewesen war, eben wie ein schneidiger Orient-Abenteuer:
    "Ja, und da habe ich mich dann so durchgeschlagen. Meine Rettung war – zumindest glaubte ich in dem Augenblick es sei meine Rettung! - als ich, so ziemlich am Ende, die Geier kreisten schon, im entlegensten Winkel dieser götterverlassenen Einöde auf ein Heiligtum stieß. Nur ein Felsen, ein grober roter Steinblock ist dort ihr Gott, und eine Schar von Jungfern tanzt täglich um ihn rum, sie salben und füttern und schmücken ihn mit bunten Bändern... Seltsame Bräuche. Jedenfalls nahmen diese Grazien sich meiner an und päppelten mich wieder auf, aber als ich dann irgendwann freundlich Danke und Valete sagen wollte, da verwandelten sie sich in Medusen und wollten mich dortbehalten, für immer wenn ich sie recht verstanden habe. Als Diener ihres Steins. Da ich davon nicht so begeistert war, erwogen sie dann stattdessen mich zu..." Unwillkürlich dämpfte ich die Stimme, es war zu peinlich. "...verkaufen. Stell dir das nur vor, um ein Haar wäre ich selbst in... die Sklaverei geraten. Man denkt immer, so etwas kann einem selbst doch nie passieren, so etwas passiert nur bedauernswerten Barbaren und Peregrinen, aber..." Lebhaft gestikulierend unterstrich ich meine Worte, hielt Daumen und Zeigefinger der rechten Hand dicht aneinander. "...es fehlte nur so viel dazu. Fortuna sei Dank... und eines gerissenen Weihrauchhändlers sei Dank... bin ich noch mal davongekommen. Aber dann stand ich wiederum in seiner Schuld. Es ist eine lange Geschichte."
    Und ich würde noch alles ausplaudern, wenn ich nicht aufpasste.
    "Ich bin in die Haut eines anderen geschlüpft, um dort unerkannt zu überleben und... das notwendige Wissen für uns zu sammeln. Ich habe kolossale Wunder und übelste Verworfenheit gesehen... Und einen Freund gewonnen habe ich dort, den ich... belogen und verraten habe, um hierher zurückkehren zu können."
    Bedrückt sah ich durch das Rankwerk der Laube zum Himmel über Rom, wo sich die ersten Sterne abzeichneten.
    "Jetzt bin ich wieder hier und die Zeit dort erscheint wie ein verblassender Traum. Der Imperator war zum Glück wohlgesonnen, hat mir wieder ein Tribunat versprochen. Weißt du, ich bin damit zufrieden. Tribune leben länger. Ich habe... - unter uns, alles nur unter uns, Manius! - ich... bin es leid, immerzu meine Haut zu Markte zu tragen! Ich habe so oft schon im Auge des Sturms einfach nur unverschämtes, unverdientes Glück gehabt, es kann nicht ewig währen. Und Rom... Rom ist groß, größer als wir alle, Rom wird weiter bestehen auch wenn wir alle längst zu Staub zerfallen sind. Können, dürfen wir da nicht... auch mal an uns denken?! Findest du nicht auch?! Nur an uns?!"
    Rasch streckte ich mich neben ihm aus, ganz dicht an ihm, fühlte warme Haut an Haut, ich umfing ihn mit meinen Armen, verschlang ein Bein mit den seinen, und halb über ihm aufgestützt küsste ich heiß und innig seine Lippen.

    Zitat

    Original von Grian



    Umbraust von dem schaurigen Chorgesang, hatten das Nymphchen und ich unser ganz eigenes kleines Drama. Kerker??!
    "Was?! Ja bist du denn des Wahnsinns?!"
    Vollkommen entgeistert starrte ich das Früchtchen an, das sich hier gerade neben mir kringelig lachte, über ihren Streich.
    "Dea Dia!" zischte ich, "Mit sowas treibt man keinen Scherz. Kerker? Du hast mit Kerker gedroht? Ich glaube es nicht, ich glaube es einfach nicht. Da gebe ich dir eine kleine Aufgabe, eine einzige kleine Aufgabe, und sag noch: aber höflich, Cynthia, genau das habe ich gesagt, h_ö_f_l_i_c_h, Cynthia... und was machst du daraus? Ein Desaster, ein höchst blamables Desaster..."
    Mir fehlten mal wieder die Worte bei ihr, und ich schüttelte nur noch den Kopf. Wenn ich nicht hier mitten in der Öffentlichkeit gesessen hätte, dann hätte ich mir jetzt wohl in Gebärden der Verzweiflung die Haare gerauft und den Kopf hängen lassen, wie Medea da auf der Bühne... Da ging diese Sklavin einfach hin und erschreckte gröblich junge Damen. Und mein erneutes Tribunat war außerdem noch nicht mal offiziell! Wie sah denn das aus?! Nicht nur die braungelockte Schirmdelinquentin, auch das dunkelblond gelockte Mädchen neben ihr hatte ganz ängstlich zu mir zurückgeblickt.
    Gutes Personal... etc. Merke: so wie man ein Pferd nicht nach der Farbe kauft – nie wieder eine Sklavin nur nach dem Aussehen mitnehmen. Ich war ja ein bisschen selbst schuld, ich kannte ja ihr loses Mundwerk, vielleicht hätte ich es mir zweimal überlegen sollen, ihr etwas delikateres als Nüsse kaufen anzuvertrauen.
    Gebieterisch hob ich die Hand, um Cynthia das Wort abzuschneiden, sollte sie sich verteidigen wollen:
    "Sag jetzt nichts puella! Du hast schon zu viel gesagt. Schweig und schäm dich, während ich mir hier wegen dir den Kopf zerbrechen muss, wie ich mich bei den Damen für deinen schlechten Scherz entschuldigen kann...."

    Wer hätte dieser Begeisterung widerstehen können? Wenn ich in die leuchtenden Augen, auf die lebhaft geröteten Wangen des jungen Silas blickte, und diese überschwängliche, überströmende Freude am Rennfahren erblickte, die ich ja selbst so gut kannte...
    "Na gut. - Hooooh....." Ich zügelte die Pferde, und als sie standen, schnaubend, die Beine bis zum Leib sandig, streckte ich erstmal ausgiebig meinen Rücken.
    "Also pass auf..." Den richtigen Stand zeigte ich ihm, und wie er die Zügel aufzunehmen hatte. Die Gelegenheit, dabei den Arm um ihn zu legen, um seine Hände mit sanftem Druck in die richtige Haltung zu führen, die ließ ich natürlich nicht ungenutzt. Dicht aneinander standen wir sowieso. In die salzige Luft mischte sich der Geruch von Leder und dem Schweiß der Pferde.
    Ich spürte Silas' feste, noch nicht allzu breite Schultern, den schnellen Atem der Aufregung, seine geschmeidigen Hüften an den meinen, und die Rückenschmerzen waren nicht mal mehr halb so arg, angesichts meiner Vorfreude darauf, diesen schönen Jüngling zu verführen. (Nun mag man einwenden, dass es nicht gerade sportlich ist, seine eigenen Sklaven zu verführen, es ist ähnlich wie Tiere in einem Gehege abzuschießen und sich dann seiner Jagdkünste zu brüsten... Aber sportlich oder nicht, mir war eben danach. Kompliziert genug war es schon mit der goldenen Sonne vom Quirinal, heute wollte ich bloß was Einfaches, was zum Spaß.)
    So ließ ich Silas langsam, stets zum Eingreifen bereit, das Gespann ein Stück weiter den Strand entlang fahren, bis wir einen lauschigen Rastplatz erreichten.

    Fröhlich becherten wir weiter. Ich erzählte Scapula noch von dem Factio-Aurata-Sklaven Geta, der mich damals vor dem Equus October so gut unterwiesen und trainiert hatte, und ich mußte auf seine Nachfrage zugeben, dass der Sport nicht ohne war. Wenn ich daran zurückdachte, wie übel damals direkt hinter mir dieser Bäckerjunge, der das Gespann für seine Handwerkszunft lenkte, verunfallt war.
    Und nicht nur die Freude am Rennsport, auch die Theaterleidenschaft teilte mein Vetter. Großartig, wir würden uns prächtig verstehen. Wobei ich tatsächlich gerne frische neue Arten der Inszenierung sah, nichts gegen einen soliden Klassiker, aber avantgardistische Ansätze hatten mir jedenfalls die intensivsten Theatererlebnisse beschert. Modern natürlich nicht im Sinne des allgegenwärtigen Ausstattungs- und Überwältigungstheaters, versteht sich.
    Ich beugte mich vor und hörte gespannt Scapulas Erzählung von der Orestie, dann schwärmte ich ihm meinerseits vom Pegasus-Theater, diesem versteckten Juwel in Trans Tiberim, vor, und in diesem Sinne verbrachten wir noch einen wirklich vergnüglichen Abend.


    Dessen späterer Verlauf ist mir zwar nicht mehr so ganz gegenwärtig, aber eines weiß ich noch genau, dass ich zu fortgeschrittener Stunde irgendwann weinselig brüderlich den Arm um meinen Vetter gelegt hatte und ihm bedeutsam, und wohl schon etwas schleppend, folgende Worte mit auf den Weg gab:
    "...Pass auf dich auf, Vetter, passauf dich auf. Rom is.... ne Schlangengrube, ne SCHLANGENGRUBE, dasagich dir! Un die giftigsten Vipa... Vipern machn die allerho... honorigsten Gesichter! Der halbe Senat hatn Kaiser aufm Gewissen... der halbe Senat, dassagichdir! Honor... un Fortitudo... ja von wegen... da lachn die nur... und jeda Freud... ja jeda sogenannte Freund... stößt dirn Dolch in Rücken... eiskalt!.. EISKALT sagich dir, wennihm das was bringt.... schnellerals du gucken kannst..."


    Alles danach ist etwas verschwommen. Aber an das böse Erwachen am Morgen darauf, daran erinnere ich mich noch sehr genau.

    Einen Tag Aufschub nur hatte der König gewährt. Der Chor beklagte Medeas Geschick. Diese erwog die verschiedenen Möglichkeiten, ihre Nebenbuhlerin zu töten und entschied sich für Gift. Bei ihrer Patrona, der Göttin Hekate, beschwor sie ihre gnadenlose Rache.
    Darauf folgte zum Abschluss des ersten Aktes das berühmte Chorlied 'Jetzt rinnet der heilgen Gewässer Strömung aufwärts...', in einer eingängigen Version, mitreissend gespielt mit schmissiger Melodie und dem Refrain 'Herzen der Männer sind falsch, nicht sicher mehr / stehen die heiligsten Schwüre' mit "Ohrwurm"-Qualität. (Das Lied würde in der darauffolgenden Zeit in Rom zum Gassenhauer werden.)


    Der CHOR:
    Weh dir, weh dir! welch schmerzliches Leid!
    Wo flüchtest du hin? wo wird deiner Not
    Ein Haus, ein Land, ein gastlicher Schutz
    Rettend sich auftun?
    Wie hat dich ein Gott, Medea, gestürzt
    In verschlingende Strudel des Unglücks!


    Der Chor als MEDEA:
    Der Todeswege hab ich manche, ihr Lieben; drum,
    In welcher Art es unternehmen, weiß ich nicht.
    Soll Feuersglut vernichten dies hochzeitlich Haus?
    Wie? oder stoß ins Herz ich ihr den scharfen Stahl,
    Zum Hause schleichend heimlich, wo ihr Bette steht?
    Dabei ist eins bedenklich: denn ergreift man mich,
    Indem ich tückisch schleiche zum Palast hinein,
    So werd ich sterbend nur zum Hohn den Feinden sein.
    Der grade Weg der beste! dessen sind wir auch
    Am meisten kundig: durch Vergiftung mord ich sie!
    Wohl!
    So laß sie tot sein! Welche Stadt nimmt dann mich auf?
    Wo beut ein Gastfreund zuverläßgen Aufenthalt
    In Land und Wohnung und beschirmet meinen Leib?
    Ich habe keinen! Harr ich denn noch kurze Zeit,
    Und wenn sich irgendeine sichre Burg mir zeigt,
    Vollbring ich heimlich diese Mordtat und mit List.
    Wenn aber ratlos Ungemach hinaus mich treibt,
    Dann rasch zum Schwert gegriffen, muß ich sterben auch!
    Ich töte sie, ich wag die kühn verwegne Tat!
    Denn wahrlich, bei der Göttin, die ich hoch verehr
    Vor allen und zur Helferin mir erkoren hab,
    Der Hekate, die thront in meines Hauses Grund,
    Sie sollen froh nicht leben, die mein Herz gekränkt!



    Das erste große CHORLIED:
    Jetzt rinnet der heilgen Gewässer Strömung aufwärts,
    Recht und alles hat sich auf Erden verkehrt.
    Herzen der Männer sind falsch, nicht sicher mehr
    Stehen die heiligsten Schwüre.
    Ehr und Lob blüht unserem Leben, der Ruf wird umgewandelt!
    Anerkennung, Achtung naht dem Fraungeschlecht,
    Fürder belastet das Weib kein übeltönger Leumund.


    Vorzeitlichem Dichtergesang muß jetzt verstummen
    Jedes Lied von unserem trüglichen Sinn.
    Hätte dem weiblichen Geist nur eingehaucht
    Göttliche Dichterbegeistrung
    Gott der Sangesmeister, so tönte den Männern andrer Lieder
    Schall entgegen. Wohl vermag die lange Zeit
    Vieles vom Frauengemüt und Männertun zu melden.


    Du bist geschifft weg von dem Vaterhause
    Liebebetörten Gemütes, die doppelten Meeresfelsen
    Durchsegelnd, und wohnst hier fremd,
    Im gattenberaubten Hause
    Dein ehliches Recht entbehrend,
    Ach, Arme! und wirst noch schmachvoll
    Des Landes verstoßen!


    Es schwand hinweg Ehre des Schwurs, und Scheu wohnt
    Nimmer im griechischen Lande, dem weiten, entflog zum Himmel.
    Dir winket kein Vaterhaus,
    Unglückliche, hinzuflüchten
    Aus dieser Bedrängnis! Deines
    Betts Meisterin ist die Stärkre
    Und schaltet im Hause.




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    "Es ist beides..." murmelte ich, noch immer damit beschäftigt, über die Kränkung hinwegzukommen. Meine Familie hatte so viel geleistet für Rom und so viel erreicht, und so viele von uns hatten einen so hohen Preis dafür bezahlt, auch ich. Mein Vater hätte während der Thronvakanz nur die Hand ausstrecken müssen um Kaiser zu werden! Da traf es mich hart, von Manius zu erfahren, dass man uns in seinem Milieu anscheind für sozial völlig indiskutabel ansah. Und dass er das... als so selbstverständlich voraussetzte. 'Möglicherweise ein wenig überholt' nannte er es verniedlichend, und streckte mir die Hand hin, gönnerhaft wie ein Prinz, der im Bewusstsein seines eigenen Großmutes einem Bettelknaben aus der Gosse die Hand reicht. Oder wie Zeus, der sich einen Ganymedes als Gespielen auf den Olymp holt, mögen die anderen Olympier ihn auch auslachen.


    Eigentlich war mir nicht nach weiteren Huldigungen für den großen Sonnengott, er war so schon gigantisch genug, aber ich wollte diesen Abend auch nicht völlig den Bach runter gehen lassen. Der Genius der zweiten Chancen war schon großzügig genug zu uns gewesen.
    "Ich wollte dir etwas mitbringen aus Alexandria, aber du hast ja schon alles. Da ist mir in einem kleinen Buchladen im Broucheion das hier in die Hände gefallen."
    Halbherzig griff ich nach der Schriftrolle und zog die Elfenbeinstäbe etwas auseinander, überflog im Licht des nahen Kandelabers die ersten Zeilen und holte Luft.... Dann wiederum stockte ich, denn ich dachte daran, dass mein Griechisch nach den Jahren in der Fremde, wo ich ständig Koine gesprochen hatte, auch nicht mehr das sauberste war, wahrscheinlich hatte ich selbst schon einen nabataeischen Akzent. Nicht dass Manius gleich schon wieder ein Demonstration bekam wie unfein ich war.
    "Icarion kann das machen."


    Ravdushara holte ihn, und Icarion rezitierte uns dann sehr gekonnt die archaischen, geheimnisvollen, manchmal unverständlichen Kultverse. Klangvoll und weich erfüllte die Stimme meines Libertus die Laube. Ich blieb auf dem Klinenrand sitzen, aber irgendwann so in der Mitte des Vortrages näherte sich meine Hand doch wieder wie magisch angezogen meinem persönlichen Aton und legte sich, wenn auch zögerlich, auf dessen Knie.



    "Schön erscheinst du
    im Lichtland des Himmels,
    du lebende Sonne, Ursprung des Lebens
    Du bist aufgegangen im östlichen Lichtland,
    und du hast jedes Land mit deiner Schönheit erfüllt.


    Du bist schön, gewaltig und funkelnd,
    du bist hoch über jedem Land.
    Deine Strahlen, sie umfassen die Länder bis ans Ende deiner ganzen Schöpfung,
    als Re dringst du an ihre Grenzen
    und unterwirfst sie deinem geliebten Sohn.
    Du bist fern, aber deine Strahlen sind auf Erden,
    du bist in ihrem Angesicht, aber man kann deinen Gang nicht erkennen.


    Gehst du unter im westlichen Lichtland,
    ist die Erde in Finsternis,
    in der Verfassung des Todes.
    Die Schläfer in der Kammer, verhüllt sind ihre Köpfe,
    kein Auge sieht das andere.
    Ihre Habe wird ihnen unter den Köpfen weg gestohlen, und sie merken es nicht.
    jedes Raubtier ist aus seiner Höhle herausgekommen,
    alles Gewürm sticht.
    Die Finsternis ist ein Grab,
    die Erde liegt in Schweigen:
    ihr Schöpfer ist untergegangen in seinem Lichtland.
    Am Morgen bist du aufgegangen im Lichtland
    und bist strahlend als Sonne des Tages.
    Du vertreibst die Finsternis, du gibst deine Strahlen,
    die beiden Länder sind im Fest täglich.


    Was auf Füßen steht, erwacht: du hast sie aufgerichtet,
    sie reinigen ihre Körper und ziehen Leinengewänder an;
    ihre Arme sind in Lobgebärden bei deinem Erscheinen,
    das ganze Land tut seine Arbeit.


    Alles Vieh befriedigt sich an seinen Kräutern,
    Bäume und Pflanzen grünen.
    Die Vögel fliegen auf aus ihren Nestern,
    ihre Flügel in Lobgebärden für deinen Ka.
    Alles Wild hüpft auf seinen Füßen,
    alles, was auffliegt und niederschwebt,
    sie leben, wenn du für sie aufgehst.


    Die Schiffe fahren stromab
    und stromauf in gleicher Weise.
    Jeder Weg ist offen durch dein Erscheinen.
    Die Fische im Fluß springen vor deinem Angesicht;
    deine Strahlen sind im Innern des Ozeans.


    Wie zahlreich sind deine Werke,
    die dem Angesicht verborgen sind,
    Du einer Gott, dessengleichen nicht ist!
    Du hast die Erde erschaffen nach deinem Herzen, der du allein warst,
    mit Menschen, Herden und jeglichem Wild,
    allem, was auf Erden ist und auf Füßen läuft,
    allem, was in der Luft ist und mit seinen Flügeln auffliegt.


    Die Fremdländer von Syrien und Nubien
    und das Land von Ägypten:
    du stellst jedermann an seinen Platz und sorgst für ihren Bedarf,
    jeder Einzelne hat zu essen, seine Lebenszeit ist festgesetzt.
    Die Zungen sind verschieden im Sprechen,
    ihre Eigenschaften desgleichen;
    ihre Hautfarbe ist unterschieden, denn du unterscheidest die Völker.


    Du schaffst den Nil in der Unterwelt
    und bringst ihn herauf nach deinem Willen,
    um die Menschheit am Leben zu erhalten, wie du sie geschaffen hast;
    du bist ihrer aller Herr, der sich abmüht mit ihnen.


    Du Herr eines jeden Landes, der aufgeht für sie,
    du Sonne des Tages, gewaltig an Hoheit!
    Alle fernen Länder, du schaffst ihren Lebensunterhalt:
    du hast einen Nil an den Himmel gesetzt, daß er herabsteige zu ihnen
    er schlägt Wellen auf den Bergen wie der Ozean,
    um ihre Äcker zu befeuchten durch seine Berührung.


    Wie wirksam sind deine Pläne, du Herr der unendlichen Zeit!
    Der Nil am Himmel, du gibst ihn den Fremdvölkern
    und den Wildtieren eines jeden Berglandes, die auf ihren Füßen laufen.
    Der Nil des Landes, er kommt
    aus der Unterwelt nach Ägypten.


    Deine Strahlen säugen alle Wiesen;
    wenn du aufgehst, leben sie und wachsen um deinetwillen.
    Du erschaffst die Jahreszeiten, um alle deine Geschöpfe sich entwickeln zu lassen,
    den Winter, sie zu kühlen,
    die Sommerglut, damit sie dich spüren.


    Du hast den Himmel fern gemacht, um an ihm aufzugehen,
    um alles zu sehen, was du erschaffst, indem du allein bist.
    Du bist aufgegangen in deiner Verkörperung als lebende Sonne,
    du bist erschienen und strahlend,
    du bist fern und nah zugleich.


    Du erschaffst Millionen Verkörperungen aus dir, dem Einen,
    Städte und Dörfer,
    Äcker, Weg und Fluß.
    Alle Augen sehen dich ihnen gegenüber,
    indem du als Sonne des Tages über der Erde bist.


    Wenn du gegangen bist, ist kein Auge mehr da, dessen Sehkraft du geschaffen hast,
    damit du nicht deinen Leib als einziges deiner Geschöpfe sehen müßtest,
    aber auch dann bist du in meinem Herzen, denn es gibt keinen, der dich kennte,
    außer deinem Sohn, vollkommen an Gestalten ist Re, Einziger des Re,
    Du läßt ihn kundig sein deiner Pläne und deiner Macht.


    Die Erde entsteht auf deinen Wink, wie du sie geschaffen hast:
    du gehst auf für sie - sie leben,
    du gehst unter, sie sterben.
    Du bist die Lebenszeit selbst, man lebt durch dich.


    Die Augen ruhen auf Schönheit, bis du untergehst,
    alle Arbeit wird niedergelegt, wenn du untergehst im Westen.
    Der Aufgehende, er läßt alles Seiende wachsen für den König;
    Eile ist in jedem Fuß, seit du die Erde gegründet hast."

    Mit einem breiten Grinsen im Gesicht genoss ich den Rausch der Geschwindigkeit, den Wind in den Haaren, die Stärke der Rösser, die sich mir über das vibrierende Band der Lederzügel mitteilte, ihr ungestümes Stürmen, das Spiel ihrer gewaltigen Muskeln unter dem glänzenden Fell, den Rhythmus der Hufe, flatternde Mähnen, alles gelenkt durch mich, mir untertan und zugleich als wären wir eins, das Gespann, die edlen Renner und ich wie auch der süße Blonde neben mir, verschmolzen zu einem einzigen: Vorwärts!!!
    Es war ein Rausch, dem nichts gleich kam, auf seine Weise beinahe ebensogut wie (früher) die Höhenflüge auf den Schwingen des Opiums oder (wieder, Eros und Anteros sei Dank) die Ekstase in Manius' Armen...
    Ein paar Unebenheiten ließen den Wagen holpern, bei einer flachen Düne sprang er förmlich in die Höhe, ich ging weiter in die Knie, um dies auszugleichen, verlagerte mein Gewicht. Das Lederriemengeflecht des Bodens der Kanzel federte die ärgsten Stöße ab, aber ziemlich schnell begann bei dem Geruckel mein Rücken zu schmerzen. Verbissen fuhr ich weiter, von Wehwehchen wollte ich mich nicht bremsen lassen, aber als ein besonders heftiger Ruck uns schlingern ließ und einen spitzen Schmerz in mein Kreuz stach, besann ich mich und zügelte die Pferde... Das hatte ich nun von meiner Legionärszeit: blitzende Orden und ein kaputtes Kreuz, so dachte ich bitter, während ich die Pferde zum Abkühlen im Schritt weitergehen ließ.
    Meine Überlegungen, dieses Jahr wieder bei Equus october mitzufahren, erschienen mir gerade etwas hochgegriffen.

    Der beste Mann hatte seine Mission in den Sand gesetzt und konnte nur hoffen, dass der Imperator den Einsatzbericht mit Milde aufnehmen würde. Valentinas Lächeln und die ansatzweise Berührung... ließ in mir die Vorstellung entstehen, wie es wäre wenn ich, ein müder Odysseus, mich jetzt einfach mit Penelope ans Herdfeuer setzen könnte, mich ausruhen und ihr von meinen Fährnissen und meiner Irrfahrt erzählen. So wie ich früher meiner Schwester Seiana alles hatte erzählen können. Aber dieses Schiff war dann wohl abgefahren. Und meine Nabataea-Abenteuer hatten sowieso geheim zu bleiben, zumindest derzeit.
    "Ich glaube dir, amica, natürlich glaube ich dir. Ich... bin froh, dass du dann zumindest nicht ganz alleine warst." beteuerte ich, mir mit zwei Fingern die Nasenwurzel reibend. Schöne Wörter, ja, daran herrschte bei Casca kein Mangel. Ich würde ihn mir mal vorknöpfen, den werten Vetter, und herausfinden wie ernst es ihm überhaupt war. Valentina jedenfalls sagte klar: sie war sich sicher.
    "Ja dann.... dann ist das wohl so. Verzeih, es kommt gerade etwas unerwartet... nein, will sagen, natürlich habe ich damit gerechnet, dass du nun anderweitig verheiratet bist, und natürlich... freue ich mich auf deine Gesellschaft hier in der Casa, es ist nur... unerwartet. "
    Casca, der Schwärmer, dem ich damals eine energische Motivationsrede hatte halten müssen, damit er mal sein Leben in die Spur brachte.... der hatte mir Valentina ausgespannt?! Dieses Wiedersehen überforderte mich gerade. Ich entschuldigte mich mit den Erfordernissen meiner Ankunft, um das erst mal zu verdauen. "Wir reden dann später, in Ordnung? - Es ist... auf jeden Fall sehr schön, dich wiederzusehen."

    Zitat

    Original von Grian und Matinia Marcella



    Die kleine Nymphe schien die Pantomime mit einem Gladiatorenkampf zu verwechseln.
    "Psst!" machte ich, als sie begann, Medea anzufeuern, und "Psst!!" nur bei weiteren Fragen.
    Aber in der Schirmangelegenheit erwies sie sich als überaus brauchbar. Die Musik war so laut, dass ich nicht hören konnte, was sie zu der Dame sagte – aber es funktionierte. Die Übeltäterin sah sehr betroffen aus, und das nervtötende Gerät verschwand prompt. Den Göttern sei Dank!!


    Nun konnte ich mich zurücklehnen, und entspannt den weiteren Fortgang des Stückes genießen. Welch Wohlklang, welch Dynamik, welch tiefgründige Verse... über die Klugheit zum Beispiel. Und der Part des Kreon, der seine Herrscherpflicht vertrat und doch nicht frei war von einer menschlichen Regung des Mitgefühls, der zog mich in seinen Bann, und ließ Erinnerungen aufsteigen, an Momente, wo auch ich eines höheren Gutes wegen unschöne Entscheidungen hatte treffen oder vertreten müssen.
    Der braven Cynthia, als sie von ihrer Mission zurückkehrte, bedeutete ich mit erhobenem Daumen: gut gemacht. :dafuer: :D

    In lockerem Trab zogen meine kyrenäischen Fuchsstuten den Streitwagen über das Pflaster der Straße. Ich lenkte den Wagen, gegen den Rand der Biga gelehnt, die Zügel in beiden Händen, die Peitsche brauchte ich kaum, sie stak in der seitlichen Halterung. Neben mir stand der junge Silas. Wie versprochen hatte ich ihn auf diese Probefahrt mitgenommen. Grabmäler, Häuser und Pinien zogen an uns vorbei auf dem Weg nach Ostia. Meine Biga secunda, die besonders leicht gebaute, war nach den Reparaturen wieder einsatzbereit (und außerdem schneidig neu bemalt mit unserem Decimer-Hengst in schwarz auf weißem Grund), und da ich sowie ein paar Sachen auf unserem ostiensischen Gut, dem Domus calamis, zu regeln hatte, hatte ich das Angenehme mit dem Nützlichen verbunden. Es war eine Freude, wieder mit dem schönen Gefährt unterwegs zu sein, von den herrlichen Rösser gezogen rasch dahinzubrausen... Wobei es auf der Via selten Gelegenheit gab, die Rösser wirklich laufen zu lassen, es waren zu viele Reisende und Ochsenkarren unterwegs. Zudem war der Grund zu hart. Wir hätten viel schneller sein können, so war es schon fast mittag, als wir die Hafenstadt erreichen. Jedoch lenkte ich die Biga an der Abzweigung zu unserem Gut vorbei, und steuerte den Strand an.


    Sand knirschte unter den Rädern. Tief sog ich die feuchte Meeresluft ein, roch Salz, Tang und den brackigen Sumpfgeruch der Morastlandschaften um die Tibermündung. Es war ein bedeckter Tag, spätsommerlich warm, der Himmel wölbte sich in klarem Grau. Das Meer lag glatt, in blaugrau und silber, nur kleine Wellen schwappten auf den Ufersaum.
    Endlich konnte ich die Pferde mal rennen lassen.
    "Halt dich fest." rief ich Silas zu, und ließ die Zügel auf die fuchsroten Rücken schnalzen.
    "Vamos! Vamos meine Schönen!"
    Sie zogen an, fielen in einen rollenden Galopp, streckten die Hälse, und auf und ab gingen ihre roten Rücken. Der Wind pfiff uns um die Nase , als wir den Ufersaum entlang jagten...