"Was für eine herrliche Aussicht!"
Der sanfte Schwung der Hänge, das satte Grün der Steineichen, getupft mit rot und gold, die Schattierung in die bläuliche Ferne, begeistert ließ ich meinen Blick darüber schweifen, atmete tief ein, die frische Luft, waldig und würzig.
"Und die Bergluft, ein Gedicht."
Der Ort erinnerte mich an das Haus meiner Großeltern in der Sierra Teixeta, da hatte man auch so weit blicken können. Ich hatte ja befürchtet, dass Voluptarianus' Jagdhütte ebenso protzig wie sein Stadthaus sein könnte, aber den Göttern sei dank, sie war einfach nur rustikal. Und wildromantisch!
Wir waren zwar den ganzen Tag, aber dafür in gemütlichem Tempo unterwegs gewesen. Ich ritt einen leichtfüßigen hispanischen Hengst mit grauen Fell und herrlich schwebendem Gang. Gut dass ich nicht, wie zuerst erwogen, meinen Jagd-Streitwagen mitgenommen hatte, es war hier einfach zu steil und die Pfade zu schmal für solch ein Gefährt.
In fühlte mich gutgekleidet in meiner nagelneuen Jagdgarderobe, die in dunklem Grün gehalten war, die Schmuck-Clavi rostrot mit Jagdmotiven bestickt und an den Rändern (mehr dekorativ) mit Pelz verbrämt. Dazu trug ich feminalia - weil das beim Reiten einfach praktischer war, und ich mich in Nabataea ans Hosentragen gewöhnt hatte – und hochgeschnürte Jagdstiefel.
Als Begleitsklaven hatte ich mich für den Custos Armastan entschieden. Der exotische Garamant war zwar noch nicht lange in meinem Besitz, aber gehorsam, schweigsam und schön anzusehen. Er ritt hinter mir und führte das Packpferd mit Proviant und Waffen. Ursprünglich hatte ich den jungen Silas mitnehmen wollen, aus ästhetischen Gründen, aber dieser Stultissimus schien ja tatsächlich ausgerissen zu sein. Ich hoffte nur, dass Akadios und Pelias ihn wieder auftreiben würden und sich bei meiner Rückkehr in die Casa alles schon in Wohlgefallen aufgelöst haben würde.
Doch die Sorgen der Casa rückten weit fort, ganz Rom rückte weit fort, denn ich war hier mit meinem Geliebten in einer herrlichen Bergidylle, endlich einmal nur wir, ohne äußere Zwänge, ohne Familie, ohne die Notwendigkeit stets vor prüfenden Blicken und lästernden Zungen auf der Hut zu sein. Strahlend schwang ich mich vom Pferd.
"Oh Manius, das hast du wunderbar organisiert!"
Er saß noch im Sattel, sah nicht so begeistert aus, bestimmt war er müde vom langen Ritt.
"Wir werden hier ein paar ganz besondere Tage verleben!" versprach ich, sah zu ihm auf und streichelte liebevoll sein Bein. Allein so kleine Gesten nicht unterdrücken zu müssen, das machte mich schon ganz trunken vor Glück.
Mit einem metallischen Scharren drehte sich der Schlüssel im Schloss vor der Hüttentüre. Es gab nur einen einzigen Raum, großzügig für eine Jagdhütte eingerichtet, aber ohne den neureichen Schnickschnack, der Voluptarianus' Stadtvilla prägte. Alles was man brauchte, war da, und an der Wand hingen alle möglichen Trophäen. Auf dem Boden vor dem Ofen lag ein großes zottiges Bärenfell, was mich gleich auf Ideen brachte.
Aber erst mal trug ich die Vorräte und das Gepäck in die Hütte. Armastan versorgte die Pferde, in dem Unterstand neben der Hütte. Unweit, etwas den Berg hinauf, sprudelte eine klare Quelle, dort holte ich Wasser und füllte alle Eimer auf. Eigentlich hätte ich damit gerechnet, dass Manius' Sklave sich auch etwas nützlich machen würde, aber er war immer nur Manius rum. Na ja.
Es gab einen großen Vorrat an trockenem Holz, so feuerte ich schonmal den Ofen an, denn hier in den Bergen würde es bestimmt kalt werden in der Nacht.
Dann suchte ich aus den Vorräten für die paar Tage (aufs Jagdglück wollte ich mich nicht verlassen) einen Laib Brot, verschiedene Käse, Dörrfleisch, Wurst und Oliven und einen einfachen Landwein heraus. Vor der Hütte gab es zwei Bänke und einen Tisch, mit grandioser Aussicht, dort stellte ich das Essen hin – für alle vier, denn es gab eben nur diesen einen Tisch.
Sogar das Geschirr in der Hütte war mit Jagdbildern verziert. Auch das Brotmesser, eine lange und scharfe Klinge, die auch als Hirschfänger hätte durchgehen können, mit dem ich Scheiben von dem Laib schnitt, trug im Horngriff Einlegearbeiten. Ich betrachtete das kleine Kunstwerk genauer, es dichter vor meine Augen haltend, denn die Sonne war schon im Sinken begriffen, und das Tal lag bereits in tiefem Schatten.
"Herkules, wie er den eurymanthischen Eber erlegt." erkannte ich, und drehte das Messer, um auch die Szene auf der anderen Seite zu begutachten, konnte sie aber nicht gleich mythologisch zuordnen. "Hm..." machte ich fragend, und reichte das Messer weiter an Manius.