Beiträge von Faustus Decimus Serapio

    "In Erwägung zu ziehen?" wiederholte ich skeptisch.
    Entschlossenheit klang anders! Doch dann war es, als ginge ein Ruck durch meinen Vetter, er äußerte sich klar, während zugleich die fahrigen Gesten seiner Hände seine Anspannung verrieten.
    "Bona Dea, Casca! Sieh mich nicht so an, als ob ich dir gleich den Kopf abreißen wollte. Ich weiß, dass ich die Sache vermasselt habe. Ich war ein Tonto, ich hätte sie niemals allein lassen dürfen, nicht nach allem, was sie schon durch hat. Ich will doch auch... das beste für sie. Na ja, du kennst mich", ich hob resigniert die Handflächen in die Höhe, "und ich will auch nicht behaupten dass ich vor Liebe für sie brennen würde, es war eine Vernunftentscheidung, aber... ich mag sie! Sehr! Sie ist ein Goldschatz. Ich kann vollkommen verstehen, dass du sie dir geangelt hast.
    Valentina... sie verdient es, endlich einen Ehemann, ein trautes Heim, eine Familie zu haben. Und sie ist... sie war echt die einzige, bei der ich mir jemals vorstellen konnte, freiwillig ins Ehejoch zu gehen."

    Traurig ging mein Blick durch die Verbindungstür zum Hortus, wo wir unsere Verlobungsfeier gehabt hatten, das war ein richtig schönes, rauschendes Fest gewesen. Und wie erleichtert mein Vater ausgesehen hatte. Wie verzaubert war es gewesen, mit Carmelitas Liedern, und alle mit den Kränzen... ich hatte noch genau Valentina mit den Rosen im Haar vor Augen, und Borkan mit dem Anemonenkranz...
    Eben, tolerant war sie auch. Aber ob ich wirklich der Richtige für sie war....? Vielleicht war sie mit Casca wirklich besser dran. Wenn er denn beständiger war als sein Bruder Massa, der wie ein Schmetterling von Schönheit zu Schönheit gaukelte! Zumindest würde sie hier wohnen, und auch die Ländereien, die ich ihr zur Verlobung geschenkt hatte, würden in der Familia bleiben.


    Der Sessel des Pater Familias, mit seiner hohen Lehne, bewirkte eine aufrechte Körperhaltung. Die blankgewetzte Sitzfläche schien mit Gravitas förmlich aufgeladen. Ein guter Stuhl, wirklich. Ich schloss die Hände um die mit Schnitzereien verzierten Enden der Armlehnen und beugte mich etwas vor. Auge in Auge mit Casca erklärte ich:
    "Schwör mir, dass du es wirklich und wahrhaftig ernst mit ihr meinst. Schwör es mir bei Iuppiters Stein und Iunos Stab."

    Ja, genug von den Senatoren, mehr vom Wein. Taktieren konnten wir an einem anderen Tag, heute war feiern angesagt. Ich prostete zurück.
    "Auf Bacchus, den größten der Götter! Bene tibi! Sag mal, Vetter, fändest du es barbarisch, wenn wir den hier mal mit nur einem Drittel Wasser probieren?"
    Ob es mich ins Getümmel zog.... ja, das war wohl eine unverfängliche Art es zu beschreiben. Ich war ja nicht so wirklich unglücklich darüber, dass eine erneute Gardepräfektur derzeit gar nicht zur Debatte stand. Dieses Kommando, wenn man es gut machte, das fraß einen auf, erst mit Herz und Hirn, dann gar noch mit Leib und Leben. Aber natürlich konnte man das nicht laut sagen.
    "Genau so ist es." bestätigte ich, dankbar für seine lockere Art, und ließ mir ein Stück Braten vorlegen. Hach, diese knusprige Kruste, ganz köstlich. Wer braucht schon Lerchenzungen wenn man hispanische Hausmannskost haben kann.


    "Es ist ein großer Spaß!!" schwärmte ich vom Bigafahren. "Wenn die Pferde gut eingefahren sind, und der Wagen solide, ist es auch kein Kunststück. Ja, probier das definitiv aus. Ich hab drei Gespanne, naja, nur zwei davon sind einsatzbereit, eines hat immer irgendwelche Macken... wenn du magst kannst du eins ausleihen." Das hätte ich nun wirklich nicht jeden angeboten, denn meine Spielzeuge waren mir kostbar. Aber dieser familiäre Abend (und der Caecuber) machten mich ganz sentimental. Es wäre bestimmt lustig, mit Scapula Rennen, Amateurrennen natürlich, zu fahren. Er könnte erstmal meine alte Biga nehmen, mit Tertia und Quarta davor, die waren ein eingespieltes Duo, gut für Einsteiger.
    "Klar schlägt mein Herz für die Aurata!" Ich klopfte mir auf die Brust, über dem Herz, um dies zu unterstreichen. "Ich freu mich schon auf das nächste Rennen. Sotion soll kürzlich erst einen triumphalen Sieg errungen haben, Silas hat mir davon erzählt, ganz begeistert, der war dabei. - Nicht wahr?" Ich wandte mich an den Sklaven zur Bestätigung.
    "Aber in die Factio bin ich irgendwie nie eingetreten. Trägst du dich mit dem Gedanken?" Warum eigentlich war ich nie Sodalis geworden, fragte ich mich, und kam zu dem Schluß dass es immer Sachen gegeben hatte, die noch wichtiger waren. Zum Beispiel:


    "Ins Theater geh ich auch sehr gern. Magst du Theater? - Neulich, da habe ich eine ganz furiose Medea-Pantomime im Pompeiustheater gesehen. Unglaublich wie ein Mann all die verschiedenen Rollen verkörpern kann."
    Und zu Icarion gewandt fragte ich: "Hast du eigentlich das Stück gefunden."
    "Ja, ich habe es dabei." antwortete er lächelnd. Icarion hatte sich sehr zurückgehalten bei unserem angeregten Familiengespräch und ich glaube auch nur mäßig getrunken und gegessen. Vielleicht war es noch immer komisch für ihn, als Libertus, mit uns zu Tisch zu liegen.
    Jetzt bemerkte er erklärend zu Scapula: "Ich habe für Serapio eine Abschrift von Senecas Version der Medea herausgesucht, für eine Rezitation." Und wieder zu mir: "Iason kommt dabei viel besser weg als bei Euripides."
    "Danke, aber für heute ist das vielleicht etwas arg schwere Kost."

    "Genau das möchte ich mit deiner Hilfe ausschließen können, Silas."
    Ich suchte einen Beutel mit einem Taschengeld heraus und steckte es ihm in den Bausch der Tunika.
    "Hier, für dein Peculium."
    Oder fürs Würfeln, wer sparte schon in dem Alter.
    "Kann ich auf dich zählen?"
    Wenn er sich gut anstellte, so überlegte ich, könnte ich ihn zu meinem Leibsklaven machen. Ich brauchte sowieso einen. Seitdem ich damals alle meine persönlichen Sklaven freigelassen hatte, hatte ich keinen mehr gehabt. Aus Rücksicht auf Borkan... der war ja fuchsteufelswild geworden wenn ich nur mal eine Runde mich auf dem Sklavenmarkt umschauen ging. Aber die Zeiten waren vorbei. Und wenn hier im Haus so ein süßer Hyazinthus herangewachsen war, der noch dazu ein treuer Haussklave war, um so besser, da mußte ich nicht das Risiko eingehen, jemand neuen und womöglich verräterischen zu kaufen.
    Ich verzichtete aber darauf, ihm das in Aussicht zu stellen, denn erst mal wollte ich das erste Versprechen einlösen, bevor ich weitere machte, und ich wollte bei dieser Gelegenheit auch sehen wie entgegenkommend er so war.

    Im nächsten Aufzug bewies der Pantomine, nun in der Maske des Kreon, zum ersten Mal seine ungeheure Wandlungskunst. Die geschmeidige, unheilsgeladene Art der Bewegung, die er der Medea verliehen hatte, wich nun dem stolzen, raumgreifend und fest einherschreitenden König von Korinth, der Verkörperung der Herrschaft und (männlichen) Autorität. Schmetternde Cornua untermalten die Verkündung von Medeas Verbannung:


    Der Chor als KREON:
    Dich ihrem Mann Erboste, die so finster blickt,
    Medea, heiß ich räumen dieses Stadtgebiet,
    Verbannt von hier mit deinem Kinderpaar zugleich.
    Und säume nicht; denn als des Worts Vollstrecker bleib
    Ich selbst zugegen, kehre nicht nach Haus, bevor
    Ich dich getrieben aus dem Weichbild dieser Stadt.


    Und in raschem Wechsel glitt der Schauspieler nun zwischen den Rollen einher, nahm abwechselnd die verschiedenen Masken auf, und verkörperte im Wortwechsel der beiden mal die beredsam flehende Medea, dann wieder den argwöhnischen König. Je erbitterter das Streitgespräch, umso rascher wurden die Wechsel im Verlauf dieser dramatischen Szene.


    Der Chor als MEDEA:
    Weh, weh! So werd ich rettungslos verloren sein!
    Die Feinde haben alle Segel aufgespannt,
    Und zum Entrinnen zeigt kein Pfad sich aus der Not.
    Doch fragen will ich dennoch, ob mißhandelt auch:
    Warum, o Kreon, soll ich fort aus diesem Land?


    Der Chor als KREON:
    Mir bangt – wozu bemäntl ich auch die Sache noch? –,
    Du fügst ein heillos Übel meiner Tochter zu.
    Viel trifft zusammen, das mich solches fürchten läßt,
    Denn vieler Tücken kundig bist du, klug und schlau
    Und jetzt erbittert ob des Ehgemahls Verlust.
    Auch, hör ich, drohst du, wie mir treu gemeldet ward,
    Dem Vater und der Tochter und dem Bräutigam
    Ein Unheil. Das nun will ich meiden, eh mich's trifft:
    Denn besser ist mir's, deinen Haß zu haben, als
    Gutmütig handelnd schwer zu seufzen hinterher.


    Der Chor als MEDEA:
    Ach weh!
    Nicht heut zuerst, o Kreon – öfter war mir schon
    Die Meinung schädlich und gebar mir große Not.
    Drum muß ein Vater, welcher recht verständig ist,
    Die Kinder ja nicht bilden über Maßen klug:
    Denn abgerechnet, daß des Wirkens Trieb erlischt,
    Ist Haß und Mißgunst Lohn des Klugen überall.
    Entdeckst du Kluges, das die Dummen nicht gekannt,
    Scheinst du der Tör'ge, nicht der Klug' im Torenvolk.
    Und giltst du mehr als andre, die sich Tüchtiges
    Zu wissen dünken, trifft dich bald auch Neid und Haß.
    Ich selber trage meinen Teil an diesem Los.
    Denn weil ich klug bin, bin ich dem ein Dorn im Aug,
    Dem dünk ich schroff bloß und bei Klugen wenig klug.
    Auch du besorgst nun wider dich Versündigung.
    So steht es nicht, nein, fürcht, o Kreon, solches nicht,
    Daß Fürstenhäupter anzugreifen wagt mein Mut.
    Was hast du Leides mir getan? Du gabst dein Kind
    Dem Mann, zu dem dein Herz dich zog. Doch meinen Mann,
    Ihn haß ich! Du hast, mein ich, hier bloß recht getan.
    So kann ich neidlos sehen, daß dir's wohl ergeht.
    Vermählet, lebet glücklich! doch mich lasset hier
    Im Lande wohnen. Ist mir Unrecht auch geschehn,
    Ich werde schweigen, untertan den Stärkeren.


    Der Chor als KREON:
    Gutmütig lautet, was du sprichst; doch banget mir,
    Geheim im Herzen sinnst du einen Frevel aus.
    Deswegen trau ich minder jetzt als früher dir.
    Wer rasch zum Zorn ist, Mann sowohl als Weib, der ist
    Zu meiden leichter als der Schweigsam-Listige.
    Drum rasch von hinnen, laß das viele Reden sein!
    Es bleibt beschlossen, keine Kunst erwirkt es dir,
    Bei uns zu bleiben, so verfeindet wie du bist!


    Der Chor als MEDEA:
    Bei deinen Knieen, bei der neuvermählten Braut –


    Der Chor als KREON:
    Du sprichst vergebens: nimmermehr bewegst du mich!


    Der Chor als MEDEA:
    So treibst du fort mich, ungerührt von meinem Flehn?


    Der Chor als KREON:
    Weil mir die Meinen näher stehn als dein Geschick.


    Der Chor als MEDEA:
    O Vaterland, wie sehr bedürft ich deiner jetzt!


    Der Chor als KREON:
    Gewiß, das Liebste nach den Kindern ist's auch mir.


    Der Chor als MEDEA:
    Weh, daß die Liebe so zum Fluch den Menschen wird!


    Der Chor als KREON:
    Fluch oder Segen, mein ich, wie sich's fügen mag.


    Der Chor als MEDEA:
    O Zeus, erfahre, wer an diesem Leide schuld!


    Der Chor als KREON:
    Mach fort, Verwegne, nimm mir ab die lange Qual!


    Der Chor als MEDEA:
    Genug der Qualen hab ich, brauch nicht andre mehr!


    Der Chor als KREON:
    Gleich soll die Faust der Diener mit Gewalt dich ziehn.


    Der Chor als MEDEA:
    Nur dies, o Kreon, tu nicht! Nein, ich flehe dich –


    Der Chor als KREON:
    Du willst mir viel zu schaffen machen, Weib, so scheint's!


    Der Chor als MEDEA:
    Ich werde gehen; nicht um dieses fleh ich dich.


    Der Chor als KREON:
    Wozu das Sträuben? Räume denn das Land sogleich!


    Der Chor als MEDEA:
    Den einen Tag nur gönne mir zu bleiben noch,
    Um Rat zu schaffen, welchen Wegs ich fliehen soll,
    Und meinen Kindern Unterhalt, für deren Los
    Der Vater unbekümmert nichts ermitteln mag.
    Erbarm dich ihrer; bist du selbst doch Vater auch
    Von Kindern, also wirst du teilnahmslos nicht sein!
    Nicht meinetwegen sorg ich, wenn ich fliehen muß,
    Doch sie bewein ich, daß sie trifft das Mißgeschick.


    Der Chor als KREON:
    Mein Herz ist herrisch-stolzer Art mitnichten, und
    Aus zarter Rücksicht hab ich manches schlimm gemacht.
    Auch jetzt erkenn ich, daß ich unrecht handle, Weib;
    Gleichwohl erhältst du's. Aber das verkünd ich dir:
    Wenn morgen noch der Sonne Fackel hier dich sieht
    Mit deinen Söhnen innerhalb des Lands Bereich,
    So stirbst du! Was ich sagte, trifft gewißlich ein.
    Jetzt, mußt du bleiben, bleibe denn den einen Tag.
    Ein Arges, das ich fürchte, wirst du schwerlich tun!



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    "Ein wenig überholt kann man wohl sagen. Wie lang sind die Ständekämpfe her? Ach, nur vierhundert Jahre..." bemerkte ich konsterniert.
    Wir sprachen ja nicht davon, händchenhaltend übers Forum zu spazieren, oder dass ich ein Patrizierprinzesschen freien wolle, lediglich davon, uns auch mal offen zu treffen, auch wenn nicht gerade Saturnalien waren. Bona Dea, was für ein megalomaner Standesdünkel! Dabei waren die wirklich so richtig alten Patrizierfamilien, von den hochedlen Claudiern abgesehen, meines Wissens nach doch fast alle an ihrer eigenen Degeneriertheit, Kinderlosigkeit oder in den End-Republiks-Wirren ausgestorben. Senatsaristokratie, ob plebeisch oder patrizisch, das zählte. Und die Zukunft gehörte sowieso dem Ritterstand. Aber das sahen die Patrizier selbst wohl ganz anders. Je bedeutungsloser, umso blasierter. Schon bei einer sogenannten Freundschaft mit mir drohte ihm die soziale Ächtung??!
    Der Appetit war mir vergangen. Mit finster gerunzelter Stirn und mahlenden Wangenknochen hörte ich, wie er das Szenario beschrieb, rückte dabei unwillkürlich ein Stück von ihm ab, schwang die Beine von der Kline, stolz aufgerichtet und im Sitzen halb von ihm abgewandt.
    "Aha, so blamabel ist also der Umgang mit mir. Was zum Hades sind das denn für verstaubte Snobs?!"
    Soviel zum perfekten Abend. 'Ein wenig überholt' nannte er diese Welt. Als ob ich ein iberischer Schafzüchter wäre, so mit Schafscheiße an der Sandale, so kam ich mir vor. Ob es Borkan ebenso gegangen war, mit mir, wenn wir zusammen waren...?
    Manius' leidenschaftliche Versicherung, dass er dieses Opfer zu bringen gewillt sei, mir zuliebe, klang... süß... und zugleich fiel es mir schwer, ihm das abzunehmen. Jetzt, hier nackt auf der zerwühlten Kline, meinte er es wahrscheinlich wirklich so, aber wenn er wieder unter seinen Schnösel-Kumpanen wandelte, dann sah es vielleicht anders aus... In den lucretilischen Bergen würden wir zumindest für uns sein. Da musste sich der edle Herr Hochwohlgeboren vor niemandem für seinen proletigen Iberer schämen!
    Niedergeschlagen stützte ich den Kopf in die Hände, grub die bloßen Zehen in den weißen Sand und hoffte inständig:
    "Omnia vincit Amor."
    Vielleicht sollten wir wieder ein paar Götter- und Heroenmasken aufsetzen, damit war alles viel einfach gewesen, so ohne schnöde Realität. Aber ich wollte ihn ja ganz. Womöglich oder allfällig würde ich mich damit abfinden müssen, dass nicht nur die goldene Sonne Ägyptens, und der Wort-Künstler und der feurige Liebhaber und all seine anderen strahlenden Facetten ein Teil des Manius Flavius Gracchus waren, sondern auch der verstaubte Snob.....
    ...
    Auf dem Tisch lag noch die Rolle mit dem großen Atonshymnus, schön auf Velum kopiert. Das war nämlich nicht nur ein Köder gewesen, nein, er war mir tatsächlich in Alexandria beim Stöbern in die Hände gefallen, in einer klangvollen Übertragung ins Griechische.
    "Möchtest du noch den Hymnus hören, den ich dir versprochen habe?"

    Die Zeit, die Zeit...
    "Meiner Erfahrung nach folgt in Nabataea auf einen Schritt vorwärts meist ein Dreiviertelschritt zurück, da die Fraktionen sich in ihrem Ringen gegenseitig im Zaum halten. Dann wiederum gibt es unvorhersehbare Sprünge. Die Via Maris sollten wir unverzüglich sichern. Und innerhalb der nächsten zwei Jahre erneut einen Klientelkönig einsetzen." steckte ich einen Rahmen, der eine Balance zwischen dem Wünschenswerten und dem Realistischen darstellte. "Falls größere Kampfhandlungen, dann am besten zu Beginn der Trockenzeit, also März, April..." Denn, man glaubte es kaum, im Winter goss es dort manchmal wie aus Kübeln und die Täler wurden zu reißenden Strömen.
    "Ich war... ganze sieben Wochen unterwegs, aber unter guten Reisebedingungen ist die Strecke in der Hälfte dieser Zeit zu bewältigen."
    Meine Karte sagte dem Imperator zu.
    "Ja, Imperator." Ausgangspunkt war gewesen, dass ich in Sospitos' Kontor heimlich, immer stückchenweise, seine große Karawanenrouten-Karte abgemalt hatte, diese hatte ich bei den Reisen durch das Land durch meine Skizzen und lokale Karten ergänzt... Aber ich musste ja nicht unbedingt erwähnen, dass ich als schuldgeknechteter Karawanengehilfe dort umhergezogen war, das war zu peinlich. (Wenn sich jemand über mein Interesse gewundert hatte, hatte ich immer behauptet, später mal selbst groß ins Weihrauchgeschäft einsteigen zu wollen, das hatten sie mir alle abgenommen. Da war echt ein Vermögen mit zu machen.) Das alles hatte ich zuletzt noch mit den Karten, über die wir bereits verfügten, kombiniert.


    "Ich danke dir, Imperator."
    Leider hatte er gerade deutlich zurückhaltender geklungen als noch vor einem Augenblick, als er gemeint hatte, es sei nur eine Formsache. Auch der mächtigste Mann der Welt schien nicht davor gefeit, sich um Fettnäpfchen sorgen zu müssen. Oder vielleicht war er eben gerade deswegen noch der mächtigste Mann der Welt, weil er diese sah und umging? Ich konnte jedenfalls nur hoffen, dass er mich rasch wieder im Dienst haben wollte.


    "Wenn du erlaubst, habe ich noch eine ganz andere Frage. Seit meiner Rückkehr habe ich mehrfach gehört, dass hier in Rom die Christianersekte wieder Anlass zur Sorge bereitet." Musca hatte sogar durchblicken lassen, dass vor längerem ein Trecenarius darüber in eine Art Größenwahn verfallen war und haufenweise Leute exekutiert hatte, bis den Trecenarius dann selbst ein Attentat dahinstreckte. Ob die Garde sich da womöglich selbst von einem instabilen Element bereinigt hatte?
    Jedenfalls war es mir ein Anliegen, vor dem erneuten Dienstantritt zu wissen, welche Politik unser Imperator diesbezüglich verfolgte. Nein, auch ich war nicht scharf auf vermeidbare Fettnäpfchen, die im Skorpiongeschwader bereit standen. Und es gab ja ein sehr weites Feld der Interpretation und Umsetzung des Toleranzedikts.
    "Welche Linie gibst du dabei zur Zeit vor, Imperator?"

    Ein paar Ohrfeigen wären weniger schmerzhaft gewesen als diese tiefe traurige Gefasstheit. Ich hatte es komplett vermasselt, da hätte auch ein ganzer Zoo nichts dran ändern können, und ich fühlte mich so nichtswürdig wie dazumal ein gewisser Germanicus Aculeo.
    "Es tut mir sehr leid, dass ich dir solchen Kummer gemacht habe." murmelte ich, wobei mein Blick dem ihren nicht standhalten konnte.
    "Casca?" echote ich dann verblüfft. Da wäre ich ja im Leben nie drauf gekommen, dass Casca...
    "Oh. Casca also."
    Dieser Leichtfuß? Meinte der das überhaupt ernst?
    Ich war wie vor den Kopf gestoßen, und unwillkürlich hielt ich mich am Sockel der Statue neben mir fest. Der kühle Marmor, der den Genius des römischen Volkes hielt, war ein fester Punkt inmitten all dieser Verwirrung.
    Massas kleiner Bruder hatte sich Valentina geangelt.
    "Bist du.... dir sicher...?" fragte ich schüchtern. Kurz flackerte in meinem Kopf die Vorstellung auf, es einfach so zu machen wie unsere beherzten Vorväter: Valentia packen, sie über die Schulter werfen wie eine geraubte Sabinerin, und nein, nicht ins Cubiculum, in die Eheregistratur entführen. Aber ich war zu zerknirscht, und mir meiner Nichtswürdigkeit zu sehr bewusst, um es zu wagen, den Kampf um sie aufzunehmen.

    Dass es meinem Vetter nicht an Ehrgeiz mangelte, war deutlich. Ich hörte aufmerksam zu, als er eloquent seine Pläne beschrieb. Wenn zu seinen Qualitäten jetzt auch noch die nötige Hartnäckigkeit zählte, dann würde es bis zum eigenen Purpurstreifen wohl nicht lang dauern.
    "Du hast es offensichtlich schon gut durchdacht. Flavius Gracchus, meinst du."
    Warum nur missfiel mir spontan der Gedanke, der gutaussehende Scapula mit seinem 'was-kostet-die-Welt'-Charme könnte bei ihm ein Tirocinium absolvieren...? Sei nicht albern, Faustus.
    "Mein Vater hält große Stücke auf Claudius Menecrates. 'Menecrates ist ein schlauer Fuchs' sagt er immer. Sie sind befreundet." Aber ob es nur eine politische Zweckfreundschaft war oder eine echtere hätte ich nicht sagen können. Ich sparte mir mal die Bürgerkriegsgeschichten... Über die Gräber war Gras gewachsen, kein Grund da herumzubuddeln. "Er gilt als erzkonservativ, dabei... sehr tatkräftig, trotz seines hohen Alters. Er ist ja gerade Stadtpräfekt und tut viel für Sicherheit und Ordnung in der Subura."
    Das fand ich natürlich lobenswert.
    "Flavius Gracchus ist ein Freund von mir. Er ist hochangesehen und als Pontifex besonders in kultischen Belangen die Autorität. Casca hat bei ihm gelernt." Es war immer komisch, so pseudoneutral über ihn zu sprechen, darum fasste ich mich kurz.


    Unbefangen freute Scapula sich auf die Feier der Hochzeit. Mein Lächeln wurde säuerlich, da hatte ich noch gar nicht dran gedacht, dass mir auch das noch bevorstand, da einen ganzen Tag lang gute Miene dazu zu machen. Ich leerte meinen Becher und tat es Scapula gleich, ließ ihn von Silas wieder auffüllen.
    Mein Vetter schmeichelte mir zu vergangener Größe, ich winkte ab. Es war immer nett, sowas zu hören, aber traf leider nicht mehr zu.
    "Rom vergisst schnell."
    Wo es mich hinzog... ich schmunzelte ein bisschen über seinen Vorschlag, da hatte er offenbar erkannt, dass das wirklich eine unerfüllte Sehnsucht war... aber derzeit zog es mich ja tatsächlich dahin, wo ich auch wirklich war. Wichtiger war natürlich die Frage, wo ich dem Reich am besten dienen konnte, Pflicht ging vor, aber das wurde uns ja wohl allen in der Familie genug eingetrichtert, so sehr dass es auch mal ins Gegenteil umschlagen konnte.
    "Ich werde wieder in der Garde dienen, aber als Tribun." meinte ich schlicht. Das war ja kein Geheimnis. Dass meine Ernennung etwas dauerte, war mir gerade auch nicht unwillkommen, der geplanten 'Jagdpartie' wegen...


    "Sag mal, Scapula, fährst du eigentlich auch Biga? Es ist eine meiner Leidenschaften, seit ich vor Jahren mal beim Equus October mitgemacht habe."
    Oder eigentlich schon, seitdem ich als Kind in Tarraco mit dem Ziegenwagen die Gartenbeete verwüstet hatte. Ich fand, dass es fast nichts Schöneres gab, als schnell und furios mit dem Zweigespann dahinzubrausen. Und so ein Sport machte doch gemeinsam noch viel mehr Spaß.


    Mit gutem Appetit hatten wir die Vorspeisen vernichtet, nun kam eine Platte mit Wildschweinbraten in Honig- und Kräuterkruste. Wie die Küche das wieder gezaubert hatte! Dazu geschmortes Wurzelgemüse.

    Während an der Oberfläche alles glatt und mühelos erschien, und die Herrschaften zufrieden speisten, war beim Gesinde gerade heftige Betriebsamkeit angesagt. Die unvorhergesehene Ankunft des jungen Herrn, die spontan festliche Cena, die Unterbringung seines ganzen Gefolges, das Anheizen des Balneums. Die Köchin kommandierte, ihre dienstbaren Geister rannten, Teig wurde gerollt, Feuerholz herangeschafft.
    Noch dazu hatte Corythia, sonst eine verlässliche Stütze der Vilica, und oberzuständig für alles Kammerdienerische und Zimmermädchenhafte heute frei. Die Vilica Rhea wies darum selbst die beiden Sklavinnen, die ihr gerade am wenigsten beschäftigt erschienen, an:
    "Timaia! Grian! Bereitet Dominus Scapulas Cubiculum vor! Macht es schön wohnlich für ihn."

    Mach es gut! Auch von mir an dich vielen Dank für das tolle Spiel über so lange Zeit.
    Ich werde den alten Kameraden vermissen und hoffe natürlich ganz fest auf deine baldige, und wenn nicht baldige dann eben irgendwannige, Rückkehr.
    :wink:

    Was für ein hinreißendes Bild der junge Blonde abgab, wie er so dastand, in der Balance der unterbrochenen Bewegung, so anmutig wie die Bronzestatue eines preisgekrönten Epheben.
    Beifällig ging mein Blick über die geschwungene Linie des Nackens, in den sich Strähnen lichtblonden Haares schmiegten, die ungezwungene Haltung, die schlanke Gestalt. Silas war allerliebst.
    Wie einfach wäre es doch, wie unkompliziert, wenn ich für solche von seiner Sorte über die Sinneslust und das Vergnügen des Momentes hinaus wirklich entbrennen könnte, für ihn (oder Icarion und Narcissus früher) oder andere schöne unfreie Jünglinge. Es krähte ja kein Hahn danach, wenn man seine Sklaven mit ins Bett nahm, oder ihnen Verse schrieb oder sie in Mamor meißeln ließ... Außerdem waren sie für gewöhnlich anschmiegsam und dankbar.
    Stattdessen war ich Idiot dem Manius-Aton verfallen, dem hochnoblen Pontifex, und unterhielt eine Liaison, die uns beide ruinieren würde, wenn sie denn publik würde. Das Herz hat seine Gründe, der Verstand kann da nur resigniert mit den Ohren schlackern.


    "Ich möchte, dass du ein Auge auf Cascas neue Sklavin hast." trug ich Silas auf. "Beobachte sie und finde heraus, ob sie etwas gegen uns im Schilde führt. Stiehlt sie? Macht sie sich Notizen über das Geschehen hier im Haus? Trifft sie Kontaktleute in der Stadt? All das."

    Eines schönen Tages, schon einige Zeit nach meiner Rückkehr, saßen Casca und ich zusammen im Tablinum, um mal ein paar wichtige Sachen zu besprechen. Dieser Raum war für mich gedanklich noch immer 'das Reich meines Vaters', und ich nutzte ihn zurückhaltend, aber Livianus war weit weg, im hohen Norden. Ich hatte mich sogar auf seinen Stuhl... also ich meine, auf den großen Hausherrenstuhl, gesetzt. Vielleicht auch, um meinem Vetter Casca, der sich in der Zwischenzeit so rührend meiner Verlobten – meiner Ex-Verlobten meine ich – angenommen hatte, zu demonstrieren, dass ich wieder da und mit mir zu rechnen war.
    Nachdem wir eine Weile über harmlose Haus-, Hausangestellten- und Landgut-Angelegenheiten gesprochen hatten, trat eine Pause ein. Das große Thema hatten wir bisher in wohl beidseitig stummem Einvernehmen umschifft. Nachdenklich betrachtete ich Casca, den ich in der Vergangenheit immer mehr als den tragisch invaliden kleinen Bruder des heroischen Massa wahrgenommen hatte, als elegischen Schwarmgeist, Sammler von Pferdefiguren und ausnehmend schönen Sklavinnen, als Tanten-Becircer und Schöndenker. Während ich mich im Dienste der Patria im wilden Orient herumgetrieben hatte, schien er sich ja ganz schön gemacht zu haben.
    "Also, wie ist das nun mit Valentina? Ist es dir ernst?"

    Nachdem ich mich abgeregt hatte, rief ich nach unserem Mundschenk und gebot ihn, einen Krug mit Posca (für mich) und einen mit Wasser (für den Hanf) zu holen.
    Als er das Gewünschte gebracht hatte, hieß ich ihn noch zu bleiben.
    "Silas" sprach ich zu ihm, "Ich habe eine Aufgabe, die ich nur einem klugen und durch und durch loyalen Sklaven anvertrauen kann. Du verstehst?"

    "Der Verwalter ist Marcus Decimianus Astraios. Unsere Vilica hier ist seine Tochter. Er ist sehr tüchtig. Und sie auch"
    Ja, Achaia, ich lächelte schief bei Scapulas aufmunterndem Bild. (Mein völlig irrsinniger Wunschtraum war es ja, mit Manius durchzubrennen, ausschweifend herumzureisen, mit ihm gemeinsam auf die Akropolis zu steigen, am besten dann noch vor dem Standbild von Harmodios und Aristogeiton ein Unterpfand ewiger Liebe auszutauschen.... Aber nun ja, wie gesagt, es war Irrsinn und ich war mir dessen bewusst.)
    Großtante Drusilla war allerdings ein leuchtendes Vorbild an Zähigkeit und unversiegender Lebensfreude, wie sie da am Albaner See mit ihrem hübschen jungen Gemahl das Leben genoss.
    "Ich sag dir, der alexandrinische Mob ist besonders tückisch! Eben buckeln sie noch unterwürfig vor uns als Schutzmacht, dann läuft ihnen irgendwas über die Leber, und jählings rotten sie sich zusammen, schlagen alles kurz und klein und krakeelen, wir Römer sollten jetzt aber mal flott wieder nach Hause gehen. Man kann froh sein, wenn sie nur faule Eier werfen, keine Pflastersteine. Auch ernsthafte Anschläge auf unsere Patrouillen sind vorgekommen. Die Subura ist nichts dagegen." Ich nickte gewichtig und erinnerte mich an so manch echt haarige Begebenheit dort. "Weißt du, als ich zuerst da ankam, da war ich ganz begeistert von dem Flair, der Kultur und der... schon etwas freieren Lebensweise. Aber das hat mich dann schon ernüchtert."
    Sicher durfte man den alexandrinischen Pöbel nicht mit der dortigen höheren Gesellschaft über einen Kamm scheren, aber ich hatte doch den Eindruck, dass die Falschheit hinter parfümierter Fassade dort besonders wucherte. Wobei das hier in Rom ja auch nicht besser war.
    "Ja, bei der Prima bin ich sub aquila gegangen." bestätigte ich. Das waren noch Zeiten gewesen, als es gang und gäbe war, sich ex caligae hochzudienen.


    Ich führte einen Spieß zum Mund und genoss die saftigen schwarzen Oliven, mit Rosmarin, Knoblauch und Schafskäse. Auch mein Vetter wirkte rundrum zufrieden, aber dann doch etwas ernster als es um seine Pläne ging. Wie zu erwarten, der Cursus honorum. Gut! Ein junger Senator würde unserer Gens gut tun, unser Prestige festigen. Wenn ich mal alt und klapprig war, dann würde ich natürlich nach einer adlectio streben, aber bis dahin war und blieb ich überzeugter Eques. In unserem Prinzipat, da waren die Senatoren doch eh mehr Relikte der Vergangenheit.
    "Ist bestimmt nützlich" stimmte ich ihm bezüglich des Tirociniums zu, schmunzelnd über das Bild des bissigen Welpen. "Hast du schon einen Lehrmeister?" Sein Bruder Scipio hatte das Tirocinium ja bekanntlich bei Senator Purgitius absolviert, und war wohl sehr zufrieden gewesen. "Schade, dass mein Vater in Germanien ist, er könnte dir sicher viele gute Ratschläge geben und Verbindungen knüpfen." Wobei ich mich vage zu erinnern meinte, dass Scapula in der Familie als recht... - war es eigensinnig oder eigenständig? – galt... vielleicht wollte er gar nicht so sehr im Schlagschatten unserer Über-Decimer stehen.
    "Von der Familie lebt hier im Haus zur Zeit außer mir, und jetzt dir, noch unser Vetter Cnaeus Casca. Der kleine Bruder von Massa, weißt du, dem Flottenoffizier. Casca ist Priester der Minerva. Auch..." - ein kurzes Stocken... - "seine Verlobte Quintilia Valentina ist häufig hier zu Besuch. - Ich selbst war dienstlich lange fernab von Rom, und fasse hier gerade wieder Fuß. Aber früher hatte ich die Ehre, hier die Gardepräfektur inne zu haben. Damit habe ich natürlich viel Einblick in die Machtstrukturen der Stadt erhalten. Also, wenn du was wissen willst, frag, es kann nur sein, dass ich nicht gerade auf dem neuesten Stand bin."

    Unser Imperator scheute sich nicht, alle Szenarien zu durchdenken. So war dieses Gespräch für mich nicht nur ein Bericht-erstatten, sondern auch eine willkommene Gelegenheit zum Austausch über dieses spannende und hochbrisante aber eben auch sehr spezielle und überaus geheime Thema. Fast, aber eben nur fast, hätte ich vergessen können, dass ich mit dem mächtigsten Mann der Welt sprach.
    Genau, die Straße war entscheidend. Sie hätte übrigens mal eine gründliche Sanierung vertragen.
    "Von der Geographie her... wahrscheinlich hier..." Ich tippte auf die Karte, auf die feine Linie der Straße, und zwar südlich der Stadt Madeba, also am Südrand der Dekapolis-Region.
    "Von hier bis hier..." Mein Finger fuhr die Straße gen Süden, parallel zum großen iudaeischen Salzsee, verharrte auf Höhe von dessen Südspitze . "...liegt die bergige Moab-Region. Ab diesem Wadi hier beginnt wieder die Einflußspäre Petras. Ein parthischer Brückenkopf in Nabataeas Norden wäre fatal. Von dort könnten sie bequem gegen Syrien und Iudaea vorstossen. Wie in den letzten Jahren der Republik, unter Prinz Pakoros... damals ja durchaus auch im Bunde mit dem nabataeischen König Malichus."
    Schon Ewigkeiten her, hätte aber ins Auge gehen können, wenn der Feldherr Ventidius Bassus, Vertrauter des Marcus Antonius, die Invasoren nicht letztendlich bei Antiochia vernichtend geschlagen hätte. Man sagte, er habe dann den abgeschnittenen Kopf des Partherprinzen einmal rund durch Syrien geschickt, als Memento sich besser nicht mit uns anzulegen. Einen Triumph hatte er auch bekommen. Das wäre mal ein Thema für die großen Ludi!


    All meinen Gleichmut brauchte ich, um dem Blick des Imperators mit äusserlicher Ruhe stand zu halten. Ich war jahrelang weg vom Zentrum der Macht, hatte keine Ahnung, wie sie ihn verändert hatte, oder korrumpiert, oder welchen Einfluß womöglich in der Zwischenzeit Fraktionen unverbesserlicher Palmaner auf ihn gewonnen hatten, zudem hatte ich Kaiser erlebt, die sich innerhalb weniger Jahre vom Hoffnungsträger zum Krankheitswrack oder vom tatkräftigen Stadtpräfekten zum Mostbrötchen-werfenden Despoten gewandelt hatten...! Kurz, ich war auf alles gefasst, und gerade fiel mir auch mein Albtraum von letzter Nacht wieder ein, in dem hatte der Kaiser mir eine Ala im hinterletzten Mauretanien gegeben, am Rande der Terra deserta, und die ganze Castra war voll von Sandflöhen gewesen, der blanke Horror.
    Er schmunzelte. Und zerstreute meine Befürchtungen. Iuppiter-Serapis sei dank!!!
    Kaiserlicher Sonderbeauftragter, das wäre natürlich etwas ganz besonderes. 'Salve, mein Name ist Serapio, Decimus Serapio, kaiserlicher Sonderbeauftragter.' Zudem würde mir dies erlauben, mich voll und ganz und einzig und allein auf die Nabataea-Frage zu konzentrieren. Aber...
    "Ich bin Soldat, Imperator, und habe mich der Garde verschrieben. Auch als Tribun dir dort zu dienen wird mir eine Ehre sein." antwortete ich gelassen.


    Die Garde war nun mal das Nonplusultra, und man hörte nicht einfach so auf, Prätorianer zu sein. Auch für die notwendige Informationsgewinnung und Speculatorenführung war es viel geschickter.
    Ausserdem – aber das durfte man natürlich nicht laut sagen – fand ich den Rückschritt in der Militia equestris auch nicht so wahnsinnig schlimm.... Denn als Gardepräfekt war man doch vor allem am Schreibtisch, in Besprechungen, Sitzungen, dazu diese leidigen juristischen Aufgaben, war dabei ausserdem noch politisch höchst exponiert.
    Die wenigsten namhaften Prätorianerpräfekten der jüngeren Vergangenheit hatten ihr Amt überlebt, sie waren spurlos verschwunden wie Artorius Avitus, gefallen wie Marius Turbo, oder gar 'im Bad ertrunken' wie Prudentius Balbus. Nur der gerissenen Terentius Cyprianus, der rechtzeitig Deckung gesucht hatte (worauf ich an seiner Stelle die volle Breitseite abbekommen hatte) war noch mal davongekommen. Nach dem Bürgerkrieg hatte ich natürlich nach der vollen Rehabilitierung gestrebt, aber die hatte der Kaiser mir gewährt, die Jahre waren ins Land gegangen, und Glanz-und-Gloria-Paraden hatte ich in meinem Leben auch schon so viele gehabt, dass ich sie zwar noch immer mochte (wer nicht), aber längst nicht mehr so heiß begehrte wie früher.
    Als Tribun konnte ich erst mal wieder Fuß fassen, und eine Antwort auf die Nabataea-Frage vorantreiben. Es mochte, von hier aus gesehen, nur eine kleine Randregion unseres großen Imperiums sein, doch es ging um unsere Grenzsicherung, um einen Baustein im Schutz gegen den Erzfeind im Osten.
    Natürlich war ich es meiner Familie schuldig, zu gegebener Zeit erneut den Sprung an die Spitze anzustreben, nichts anderes erwarteten sie von mir. Aber 'in Kürze' sowieso nicht.
    Ich wartete, ob der Imperator noch etwas zum bisher besprochenen bemerken wollte, ansonsten hatte ich nämlich noch eine ganz andere Frage.

    Zitat

    Original von Grian


    Ja, der Stoff sah sehr schön weich und hauchdünn aus. Ich verbiss mir ein Lächeln bei ihrem Flirten. Meine Unzulänglichkeiten waren nämlich das ein oder andere Mal auch von Vorteil, zum Beispiel jetzt gerade, wo sie mich immun dagegen machten, von dieser Süßen um den kleinen Finger gewickelt zu werden. Manchmal, das muß ich zugeben, machte es mir sogar Spaß, wenn solche Mädchen, daran gewöhnt, dass ein Blick in ihren Ausschnitt jedermann um den Verstand brachte, ihre Reize gegen mich wandten, so effektiv wie ein laues Lüftchen gegen den Koloss von Rhodos.
    Ein gallischer Name war es also, doch auch die schöne Bedeutung machte den Klang nicht besser. Sie entschied sich für Cynthia, gut, ein weiterer Schritt der Verfeinerung dieser kleinen Barbarin.


    Zitat

    Original von Matinia Marcella


    Nach meiner Intervention sank der Schirm erst mal, und ich konnte endlich ungestört – ungestört bis auf Cynthias Flüstern – das Stück verfolgen. Was für eine Körperspannung, was für eine Anmut zeigte der Solist. Ganz begeistert betrachtete ich seine geschmeidige Gestalt in der Bewegung, und ich nahm auch nicht die Augen von ihm, als ich, gutmütig wie ich heute war, Cynthia leise eine Zusammenfassung gab:
    "Medea ist außer sich, denn sie wurde sitzengelassen, mit ihren zwei Söhnen, nachdem sie für ihren Mann, den Helden Iason, alles aufgegeben hat, ihre Familie verraten hat, und mit ihm nach Korinth gezogen ist. Sie ist aber eine Königstochter und eine Zauberin, und sie will sich rächen an ihm, schlimmstmöglich! Jetzt gerade, da eben, da hetzt sie die Frauen von Korinth gegen die Männer auf."
    Ein kleiner Tumult entstand vor uns, anscheinend ein Missgeschick mit dem Schirm, die Herrin schimpfte, die Sklavin kuschte, und dann hatten wir das blöde Ding schon wieder vor der Nase.
    "Mala leche!" fluchte ich, vor Ärger gar ins Iberische verfallend. Mit dieser Dame da vorn wollte ich gern mal ein Wörtchen reden. Doch da es meiner Würde abträglich gewesen wäre, selbst durch die engbesetzten Reihen zu turnen, atmete ich tief durch und bat unsere Nymphe:
    "Cynthia. Sei so gut, und geh mal nach vorne und teile dieser netten Dame dort höflich mit, dass... ich gleich Kleinholz aus ihrem verdammten Schirm mache "... sie doch bitte so gut sein möge, ihr wunderschönes Schirmchen beiseite legen zu lassen, damit wir alle die Vorstellung genießen können."

    Solche Liebesschwüre sind doch immer heikel. Kaum hatte ich die fatalen drei Worte ausgesprochen, da verspürte ich schon das Ungleichgewicht, das ich damit geschaffen hatte, denn nun wartete ich natürlich wie ein blind verliebter Jüngling sehnlich darauf, von ihm zu hören, dass er mein sei... doch er ging darüber hinweg, wahrscheinlich war es ihm zu schwülstig, so etwas derart unornamentiert kund zu tun.
    Statt dessen erklärte er mir, dass er über die Unterschiedlichkeit unserer Herkunft hinwegsehen konnte. Wie überaus großmütig. Meine liebkosende Hand an seinem Rücken zog sich zurück, und ich setzte mich auf, mit untergeschlagenen Beinen.
    "Dann kann man ja nur hoffen, dass mein Geist verständig genug ist, damit dieser plebeische Umgang deine Kreise nicht allzusehr schockiert." bemerkte ich sarkastisch, bemüht dies als Scherz zu verschleiern, doch im Grunde ernsthaft gekränkt. Schließlich gehörte ich der Nobilitas an, mein Vater war Konsular, Onkel Meridius Triumphator, ich selbst hatte die höchste - die allerhöchste! - Reichspräfektur inne gehabt, aber für seinen patrizischen Standesdünkel waren diese Errungenschaften anscheinend nicht von Relevanz.
    Indigniert lenkte ich mich damit ab, die letzten Seeigel auszuschlürfen. Ravdushara trug als nächstes gebratene Muräne in Weinsauce mit gestampften Zwetschgen auf, außerdem ein luftiges Barrakuda-Soufflé in Fischform, und allerlei andere maritime Gerichte dazu. Es duftete würzig, und ich probierte alles mal durch, noch immer damit beschäftigt, die Kränkung herunterzuschlucken.
    Manius hatte es gewiss nicht so gemeint. Wenn man von Kaisern abstammte, dann hatte man eben andere Maßstäbe, nicht wahr? Das Wichtige war doch, dass er ebenfalls wollte, dass wir uns regelmäßig sahen. Oder zumindest häufiger.
    "Marcus Flavius Aristides war mein Centurio in Parthia. Der beste Centurio den man sich nur wünschen kann. Ein Jammer, dass er nach der Beinverletzung aus dem Exercitus ausscheiden musste." erinnerte ich mich an meinen tapferen Centurio. Der hatte nie raushängen lassen, dass er ja ach so hochgeboren war. Ganz so verklärt wie früher sah ich ihn aber nicht mehr. Seitdem er damals Hannibal so grausam hatte exekutieren lassen.
    Zwei Vettern, die Frau, die Sklaven. Manius war wohl deutlich diskreter gewesen als ich. Ich selbst war in der Zeit nach dem Bürgerkrieg, als ich meine Reputation sowieso für unwiederbringlich zerstört hielt, viel zu unvorsichtig gewesen, hatte mich zumindest in der Familie nicht mehr verstellen wollen, hatte ihnen Borkan offen vorgestellt.... Im Nachhinein betrachtet, war das nicht gerade der Gipfel der Klugheit gewesen.
    'Unsere Sklaven stammen aus unserer eigenen Zucht.' Das war befremdlich zu hören... als ob er über Pferde oder Hunde spräche.
    Überraschend schmiedete er einen Plan, die Idee einer Jagdpartie doch umzusetzen. Da hätte einem die garstige Aurelia, so hinters Licht geführt, ja förmlich leid tun können – tat sie mir aber nicht.
    "Das trifft sich gut." bemerkte ich einsilbig.
    Obschon es mich natürlich freute, dass Manius zustimmte – meine Verstimmung umwölkte mich noch immer hartnäckig. Superb und miramanilliant fand er mich, wenn ich mit ihm in die Kiste sprang, aber gesellschaftlich schaute er steil auf mich herab.
    Mit einer langstieligen Gabel stach ich in ein Stück Muräne, tunkte es in den Zwetschgenstampf und aß es.

    Entspannt auf der Kline ausgestreckt trank ich Scapula zu. Unser lieblicher Mundschenk erläuterte uns indes eifrig den Wein. Zufrieden nickte ich ihm zu, ließ den nächsten Schluck langsam über die Zunge rollen und versuchte, das Myrtenaroma herauszuschmecken. Vortrefflich war der Wein, das sah ich genauso wie Scapula, und darüber hinaus schätzte ich es derzeit ganz besonders, hier so gediegen den schönen Dingen des Lebens zu frönen, umgeben von anstelligen und gutaussehenden Sklaven, geborgen inmitten fester Mauern, geschmackvollem Mobiliar und Wandmalereien, lebendig und genießerisch zu sein, anstatt ein Leichnam, verweht von nabataeischem Sand.
    Und nun hatte ich zudem unverhofft die angenehme Gesellschaft meines heiteren Vetters.


    "Man muß das genießen solange man kann!" stimmte ich ihm lächelnd zu, aber eben auch etwas wehmütig, als er so schwärmte.
    Scapula hatte seine Freiheiten wohl bis zur Neige genutzt, so wie das klang. Ich hätte das genauso gemacht, wenn ich es damals denn gekonnt hätte. Und Scapula war ein Meridius-Enkel, auf ihm ruhten – oder lasteten? - natürlich gewaltige Erwartungen. Wenn er erst mal Senator war, dann war das schöne Aegyptus für ihn gestrichen.
    "Achaia, ach Achaia habe ich leider nie gesehen... - nur in meinen Träumen." korrigierte ich mich mit einer selbstironischen Grimasse, "Aber in Alexandria war ich eine Weile stationiert, bei der XXII. Eine ganz fantastische Stadt... wenn nicht gerade der rhakotische Mob durch die Straßen tobt."
    Wenn ich so in Ruhe drüber nachdachte, hatte ich keinen Grund zum Selbstmitleid, denn in der Zeit bei der XXII., wo die Disziplin nicht gerade Gardemaßstäben entsprach (das lag aber auch am Klima), da hatte ich mir durchaus so einige Touren in die Stadt gegönnt, mit Celeste zusammen vieles besichtigt, mit den anderen Tribunen, mit Massa und Duronius einen draufgemacht, und uns nach dem Blemmyerfeldzug im Kapeleion Archaon ausgiebig feiern lassen... Und auch meine letzte Reise hatte mich ja über Alexandria nach Hause geführt.
    "...Das Museion ist verblüffend, ehrfurchtgebietend. Die interessieren sich ja für alles, wirklich alles! Und gerade wenn man denkt, es sind nur extremst abgehobene Wirrköpfe, da überraschen sie einen mit messerscharfen Analysen. "
    Während wir uns unterhielten, wurde der erste Gang aufgetragen, hartgekochte Eier, Olivenspieße und winzige Gänseleberpasteten. Ich griff zu, und fragte zwischen den Bissen:
    "Und jetzt, hast du vor dich hier ins Haifischbecken zu stürzen?"