Wie hat dich ein Gott, Medea, gestürzt / In verschlingende Strudel des Unglücks! – Eine Pantomime

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    Original von Iulia Graecina, Iulius Caesoninus und Iulia Phoebe


    Ein wahrer Schönling! Marcella kicherte hell auf bei dieser Beschreibung, wobei sie dies halb hinter dem Fächer verbarg.
    Ihre Sitznachbarin gab offen zu, den angesagten Künstler heute zum ersten Mal zu sehen. Da entstand hinter Marcellas heller, bleigeweißter Stirn ein Verdacht: die natürliche Art + das Verkennen der Federn + Polychares noch nie gesehen. Womöglich war ihre sympathische Sitznachbarin aus der Provinz, und ermangelte noch ein wenig des hauptstädtischen Schliffs?
    "Die Freude ist ganz meinerseits. Ich bin entzückt, eure Bekanntschaft zu machen.", floskelte Marcella, wobei ein reizendes Lächeln um ihre roten Lippen spielte. Nein, sie war nicht eingebildet, gar nicht, sie pflegte auch Verbindungen außerhalb der Nobilitas. Vorausgesetzt sie waren amüsant. Oder nützlich.
    Doch ihr Charme schien verschwendet, denn der stattliche Verwandte an Iulia Graecinas Seite schenkte ihr keineswegs die gebührende Aufmerksamkeit. Er war damit beschäftigt, auf das Stück zu schimpfen, wurde jedoch von der brünetten Iulia Phoebe sogleich zurechtgestutzt. Erneut ging der goldrote Fächer zum Mund, diesmal um ein undamenhaftes Grinsen zu verstecken.


    Unversehens war das Stück in vollem Gange. Marcella war gebannt von der brausenden Musik und litt mit Medea. Ihr Gatte war zwar kein Iason gewesen, nein, er hatte ihr zumeist aus der Hand gefressen, und niemals hätte er sich erdreistet, zu versuchen, Marcella "im Zimmer" zu halten. Da genoss die moderne Römerin eben doch ganz andere Freiheiten als die armen Griechinnen zu Euripides' Zeiten. Doch auch ihr Mann hatte die Unverschämtheit besessen, sie zu verlassen, sie ganz alleine zu lassen mit den Kindern. Wenn auch durch seinen Tod.
    "Nichtswürdiger Schuft. Ich hätte ihm die Augen ausgekratzt.", urteilte sie nun doch wieder mehr über Iason. Männer, bah, alle gleich!


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    Original von Decimus Serapio


    Ein Zupfen an ihrer Hochfrisur unterbrach Marcellas gewichtige Gedankengänge. Das Zupfen wurde zum Ziepen, es schmerzte.
    "Oh! Aua!"
    Was war geschehen? Die Spitze einer Fischbeinstrebe des Sonnenschirmchen hatte sich in Marcellas Frisur verfangen, eine Haarnadel fiel, der Reif mit den Feueropalen rutschte auf Augenhöhe und mehrere dunkle Lockensträhnen fielen ungeordnet herab. Was für eine Katastrophe! Erschrocken fing Marcella den Reif auf, bevor er sich ganz verabschiedete und stauchte ihre Zofe zusammen.
    "Tölpelin! Sieh was du angerichtet hast! Was für ein Malheur! Halt den Schirm höher!"
    "Verzeih Herrin, verzeih, ich bin untröstlich! Ich bin ein dummer Trampel, verzeih, bitte lass es mich richten!", flehte die Zofe, und versuchte die Locken erneut zu bändigen. "Es ist nur Folgendes, Herrin: der Eques hinter uns kann nichts sehen."
    "Bah!"
    In den Rehaugen blitzte es zornig. Männer hatten hier und jetzt gar keine Vorschriften zu machen!
    "Hast du keine Ohren am Kopf? Halt den Schirm höher habe ich gesagt."
    Die arme Zofe, so zwischen Baum und Borke, wusste sich keinen Rat und wagte es nicht, ihre Herrin weiter zu erzürnen. Zage wandte sie sich zu dem Eques und seiner Gefährtin, und vollführte eine matte, kleine, entschuldigende Geste, daraufhin hob sie erneut den Schirm über das Haupt ihrer Herrin.

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    Original von Grian


    Ja, der Stoff sah sehr schön weich und hauchdünn aus. Ich verbiss mir ein Lächeln bei ihrem Flirten. Meine Unzulänglichkeiten waren nämlich das ein oder andere Mal auch von Vorteil, zum Beispiel jetzt gerade, wo sie mich immun dagegen machten, von dieser Süßen um den kleinen Finger gewickelt zu werden. Manchmal, das muß ich zugeben, machte es mir sogar Spaß, wenn solche Mädchen, daran gewöhnt, dass ein Blick in ihren Ausschnitt jedermann um den Verstand brachte, ihre Reize gegen mich wandten, so effektiv wie ein laues Lüftchen gegen den Koloss von Rhodos.
    Ein gallischer Name war es also, doch auch die schöne Bedeutung machte den Klang nicht besser. Sie entschied sich für Cynthia, gut, ein weiterer Schritt der Verfeinerung dieser kleinen Barbarin.


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    Original von Matinia Marcella


    Nach meiner Intervention sank der Schirm erst mal, und ich konnte endlich ungestört – ungestört bis auf Cynthias Flüstern – das Stück verfolgen. Was für eine Körperspannung, was für eine Anmut zeigte der Solist. Ganz begeistert betrachtete ich seine geschmeidige Gestalt in der Bewegung, und ich nahm auch nicht die Augen von ihm, als ich, gutmütig wie ich heute war, Cynthia leise eine Zusammenfassung gab:
    "Medea ist außer sich, denn sie wurde sitzengelassen, mit ihren zwei Söhnen, nachdem sie für ihren Mann, den Helden Iason, alles aufgegeben hat, ihre Familie verraten hat, und mit ihm nach Korinth gezogen ist. Sie ist aber eine Königstochter und eine Zauberin, und sie will sich rächen an ihm, schlimmstmöglich! Jetzt gerade, da eben, da hetzt sie die Frauen von Korinth gegen die Männer auf."
    Ein kleiner Tumult entstand vor uns, anscheinend ein Missgeschick mit dem Schirm, die Herrin schimpfte, die Sklavin kuschte, und dann hatten wir das blöde Ding schon wieder vor der Nase.
    "Mala leche!" fluchte ich, vor Ärger gar ins Iberische verfallend. Mit dieser Dame da vorn wollte ich gern mal ein Wörtchen reden. Doch da es meiner Würde abträglich gewesen wäre, selbst durch die engbesetzten Reihen zu turnen, atmete ich tief durch und bat unsere Nymphe:
    "Cynthia. Sei so gut, und geh mal nach vorne und teile dieser netten Dame dort höflich mit, dass... ich gleich Kleinholz aus ihrem verdammten Schirm mache "... sie doch bitte so gut sein möge, ihr wunderschönes Schirmchen beiseite legen zu lassen, damit wir alle die Vorstellung genießen können."

  • Langsam aber sicher fand sich Caesoninus damit ab, dass er wohl das ganze Stück durchstehen würde müssen und er begann seinen Frieden damit zu machen. Denn wenn er es sich genau überlegte musste er ja gar nicht das Stück verfolgen, wo seine einzige Aufgabe ja bloß darin bestand die Begleitung für die Mädchen zu spielen. Er konnte doch die Zeit solange nutzen und sich ein paar Gedanken zu seiner Karriere machen. Das war eine gute Idee! Es gab da sowieso noch ein oder zwei Dinge, die überlegt werden wollten. Beispielsweise der Dienstplan für die Urbaner im Carcer Tullianum musste noch für übernächste Woche erstellt werden, eine seiner Pflichten als Vigintivir.
    Doch was war das nur für ein kleiner Tumult zu seiner linken? Offenbar gab es dort unerfreute Stimmen wegen eines Schirms von Iulia Graecinas neuer Freundin. Caesoninus drehte sich zu dem sich beschwerenden Mann und den anderen hinter dem Schirm sitzenden um und zischte ihnen zu: „Seid ihr endlich still, andere Leute wollen das Stück sehen!“ und damit drehte er sich wieder um und tat so, als ob er die Pantomine weiter verfolgen würde, während er in Wahrheit sich gedanklich weit weg vom Theater begab.

  • Graecina ließ sich nichts anmerken. Sie lächelte sogar der Dame zu, wenn auch etwas verschämt. "Du musst meinen Verwandten entschuldigen. Er sitzt hier nicht aus freien Stücken. Er wurde sozusagen zu seinem Glück gezwungen," fügte sie entschuldigend hinzu. Fand sie doch Caesoninus Verhalten etwas seltsam, da er sich doch recht angebunden gab, als sie ihn ihrer Sitznachbarin vorgestellt hatte. Vielleicht war die Dame aber einfach nicht sein Typ. Manchmal bewirte eine aufgetakelte Aufmachung doch glatt das Gegenteil bei manchen Betrachtern. Graecina hingegen bewunderte sie ein wenig dafür. Dies war eindeutig ihrer Unerfahrenheit und ihrer Jugend geschuldet.


    Glücklicherweise hatte dann auch das Stück endlich begonnen. Ein Umstand der auf sie beinahe wie eine Befreiung wirkte. Dennoch, so musste sie bald feststellen, schien dies nicht bei allen Zuschauern gleichermaßen zu sein. Selbst das Erscheinen des großen Polycharis hatte bei ihrem Verwandten nicht dazu geführt, sich seiner schlechten Laune zu entledigen. Auch ihre Sitznachbarin begann plötzlich mit ihrer Sklavin zu schimpfen, die hinter ihr saß und einen Sonnenschirm über das Haupt ihrer Herrin halten sollte. Offenbar hatte die Sklavin dem teils lautstarken Drängen der Zuschauer hinter ihr nachgegeben, den Schirm tiefer zu halten. So aber kollidierte er mit der Frisur ihrer Herrin. Als sich dann auch noch Caesoninus einmischte, konnte sich Graecina einem Grinsen nicht mehr erwehren. „Vielleicht solltest du hier im Theater auf deinen Schirm verzichten. Um des lieben Friedens willen,“ gab sie schließlich ihrer Sitznachbarin zu bedenken.


    Aber auch ein paar Plätze weiter zu ihrer Rechten schienen die Sitznachbarn ihrer Cousine auch einige Aggressionen ausfechten zu müssen. Der jungen Julia war eine junge Dame, die in Begleitung einer älteren Sklavin und eines hünenhaften Begleiters in Theater gekommen war. Der Riese schien einer herkömmlichen Sprache nicht mächtig zu sein, da er sich nur mit bedrohlichen Lauten bemerkbar machte. Langsam begann sie sich zu fragen, ob sich tatsächlich irgendjemand für das Stück interessierte. Ja doch! Ihr Verwandter - Caesoninus!

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    Original von Iulia Phoebe


    An ihre dunkelblonde Sitznachbarin zu ihrer rechten gewandt sprach sie mit gesenkter Stimme: „Ich bitte um Vergebung, falls mein Vetter dich gestört haben sollte. Es kommt nicht wieder vor.
    Noch ein drohender Blick mit gesenkten Augenbrauen in Richtung ihres Vetters und dann wandte auch Iulia wieder den Blick hinunter zum Schauspiel, dabei jetzt schon Caesoninus verfluchend, weil sie ein Stück der Darbietung verpasst hatte.


    Nach all dem Ärger um meinen neuen Custos und der erdrückenden Schwere des Stückes, war mir beinahe die Sitznachbarin zu meiner Linken entgangen, die sich kurz zuvor an mich gewandt hatte. Ich musste gestehen, dass ich mich wenig mit den Menschen beschäftigt hatte, die neben mir saßen, außer denen, die zu meinem Haushalt zählten und für die ich Verantwortung trug.
    Hatte sich die junge Frau soeben bei mir entschuldigt? Wenn ja, weshalb? „Wie bitte?“ fragte ich höflich, nachdem ich mich leicht zu ihr hingewandt hatte.


    [Blockierte Grafik: http://fs1.directupload.net/images/150601/cc3olykt.jpg%20] | Eleni


    „Die Dame entschuldigt sich für ihren Vetter. Falls er dich gestört haben sollte.“, wisperte mir Eleni schnell ins Ohr. Im Gegensatz zu mir nahm sie fast alles wahr, was in meiner näheren Umgebung geschah.
    „Oh, ach so. Nein, nein,“ meinte ich schnell und räusperte mich. Dann riskierte ich einen kurzen Blick auf den vermeintlichen Übeltäter. Der Ärmste wirkte etwas gelangweilt. Wahrscheinlich hatte er, ähnlich wie ich, die falsche Wahl für diesen Nachmittag getroffen. „Mitnichten! Dein Vetter hat mich keineswegs gestört. Unglücklicherweise sieht es mit meinem neuen Custos etwas anders aus. Ich muss ihn wohl erst noch richtig erziehen, meinen skythischen Barbaren.“ Ich lächelte etwas verlegen und wollte dann eigentlich wieder dem Stück folgen. Doch dann hatte Eleni ganz plötzlich das Bedürfnis, mir etwas mitzuteilen.
    „Sieh dir den jungen Mann etwas genauer an! Siehst du es?“ tuschelte sie. Ich blickte sie fragend an, denn ich verstand kein Wort, worauf sie hinaus wollte. „Die Prophezeiung! Die alte Hexe aus Parnes! Weißt du nicht mehr? Der goldene Mann!“ Langsam begann es mir zu dämmern, was sie meinte. Allerdings hielt ich es für absurd, ausgerechnet hier dem rätselhaften goldenen Mann aus der Prophezeiung über den Weg zu laufen. „Ach Eleni, sei nicht albern. Es gibt noch mehr blonde Männer in Rom. Wieso sollte ausgerechnet er dieser mysteriöse goldene Mann sein?“ Manchmal hatte sie wirklich eine blühende Fantasie! Doch meine Amme ließ nicht locker. Sie war ganz von ihrer Idee besessen. „Na los, sprich ihn doch einmal an!“ Sie drängte mich nicht nur mit Worten, auch ihre Gestik war unmissverständlich. Was mich nun trieb, auf die Worte meiner Sklavin zu hören, die im Grunde meine Ersatzmutter war, konnte ich mir nicht erklären. Ich tat es einfach.


    „Du hast Recht, dich zu beschweren,“ meinte ich zum Vetter meiner Sitznachbarin. „Ich für meinen Teil sehne eigentlich nur dem Ende entgegen. Ich bin heute nicht in Stimmung für solch schwere Kost. Vielleicht sollte ich einen Schwächeanfall vortäuschen, um das Ganze zu beschleunigen.“

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    Original von Faustus Decimus Serapio


    Das war ja wirklich nett von Dominus Serapio, dass er mir erklärte, worum es im Stück eigentlich ging. Na ja, im Prinzip war es die gleiche Leier wie immer: Frau wird mit zwei Blagen sitzen gelassen und kann nun selber sehen, wie sie klar kommt. Obwohl sie sich vorher, extra für ihren Typen Stress mit ihren Leuten eingehandelt hatte. Ganz klar, dass die Frau Rache wollte! „Dieser Iason ist ja ein echter Scheißkerl! Sie hat ja so was von Recht, dass sie ihm jetzt zeigt, wo´s langgeht!“ Jetzt, da ich den vollen Durchblick hatte, hoffte ich für Medea, dass sie am Ende siegte und ihrem Drecksack von Ehemann ordentlich eins auswischte! So geht man einfach nicht mit Frauen um! Und schon gar nicht mit der Mutter der eigenen Kinder! „Hau den Typen weg, Medea!“ rief ich plötzlich, angestachelt von meiner frisch erwachten feministischen Einstellung. Aber ich merkte schnell, dass ich die einzige war, die Medea anfeuerte.


    Zumindest aber senkte sich plötzlich vor uns dieser bescheuerte Schirm. Ein paar klare Worte meinerseits hatten gereicht, damit ich endlich auch mal visuell etwas von der Aufführung mitbekam. Allerdings überraschte es mich sehr, was ich da unten sah. Momentmal, was machte denn der Kerl in Frauenkleidern da unten? Man war es ja gewohnt, dass Männer auch die weiblichen Rollen spielten. Aber der hübsche Bengel da unten tat alles, nur nicht spielen! Der war nur am rumhopsen und machte ganz komische Verrenkungen. „Was hat der denn?“ fragte ich mich besorgt, allerdings so dass es auch Dominus Serapio hören konnte. Kaum hatte ich laut gedacht, war – Schwupps – auch schon wieder die Sicht versperrt. Die zum Schirm dazugehörige Schnepfe hatte ihrer Schirmträgerin lautstark klargemacht, dass ihre Frisur zum Tartaros ging, wenn sie den Schirm so niedrig hielt.


    „Ach Mensch!“ Die Enttäuschung war meiner Stimme anzuhören. Ich wollte doch wissen, was Medea so alles drehte um ihrem Alten ordentlich einzuschenken.
    Dominus Serapio fand das auch nicht so prickelnd. Ich verstand zwar nicht, wieso die Milch – äh welche Milch denn? – schlecht war, aber wenn er meinte… Zum Glück aber hatte er richtig erkannt, dass ich es mit meinem Mundwerk schon einmal geschafft hatte, den blöden Schirm zu senken. Vielleicht schaffte ich es jetzt ja auch, dass das dämliche Ding ganz verschwand. Als er mich mit Cynthia ansprach, reagierte ich zwar nicht sofort, schließlich war ich ja erst vor wenigen Minuten so umbenannt worden, so dass mir der komische Name noch nicht in Fleisch und Blut übergegangen war. Doch dann kam ganz schnell wieder die Erinnerung zurück! „Äh ja, klar mach ich!“ antwortete ich und erhob mich. Ich suchte mir einen geeigneten Weg durch die Zuschauer hindurch und kletterte über so manchen Kopf hinweg, damit ich nicht bis zum Ende der Reihe laufen musste. Auf diese Weise erreichte ich schnell mein Ziel und stand so direkt vor der aufgemotzten Dame, damit sie es diesmal war, die nichts mehr von der Aufführung sehen konnte.


    Da ich ja eine blühende Fantasie und ein gesundes Selbstvertrauen hatte und sowieso um kein Wort verlegen war, sprach ich sie direkt an. „Gute Frau, wenn dein blöder Schirm dir deine Sicht nach hinten nicht verbauen würde, hättest du vielleicht den schlechtgelaunten Typen hinter dir gesehen. Mal ganz unter uns, an deiner Stelle würde ich ihn nicht sauer machen wollen, denn das ist der Chef der Pretorianer! Das sieht man ihm zwar nicht an, weil er heute eigentlich in inkognito hier ist und das Stück sehen will. Verstehst du, er will es S E H E N! Aber wenn du ihn noch länger mit deinem Schrimchen reizt, wirst du all seinen Zorn zu spüren kriegen. Denn seine Schwarzröcke haben immer noch ein Plätzchen im tiefsten Loch ihres Kerkers frei!“ Mit meinem Zeigefinger hatte ich leicht auf Dominus Serapio gedeutet und ein todernstes Gesicht dazu gemacht, damit ich glaubhaft wirkte. Ich konnte ja nicht ahnen, dass er tatschlich mal bei dem Verein mit der schwarzen Uniform gewesen war.

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    Original von Iulia Graecina


    "So sind nun mal die Männer", flüsterte Marcella verschwörerisch zu Graecina zurück. "Kein Sinn für die schönen Künste. Mein Gatte selig hat im Theater auch immer sehr gelitten."
    Nach dem Hin und Her um das Schirmchen und dem Malheur mit dem Reif, hatte Marcella den Fächer auf die Knie sinken lassen, betastete besorgt ihre Frisur und steckte rasch eine Locke wieder fest. Graecina empfahl, auf den Sonnenschutz zu verzichten, und Marcella gab zu:
    "Vielleicht hast du recht."
    Die Beschwerden waren doch schon sehr lautstark. Aber bevor Marcella diesem vernünftigen Rat Folge leisten konnte, war schon die nächste Stufe der Eskalation erreicht, und zwar ...

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    Original von Grian


    ... in Form einer Dame mit wirklich atemberaubender blonder Perücke. Wie gesponnenes Gold! Die Frage, wo dieses Schmuckstück wohl herstammte, erstarb auf Marcellas Lippen, als die vermeintliche Dame einen Wortschwall losließ, der zum einen deutlich macht, dass sie doch keine Dame war, zum anderen ausgesprochen bedrohlich klang.
    "Was erlaubst du dir, so mit mir zu sprechen...", japste die Matinia, dabei wandte sie sich, dem weisenden Finger folgend um, und erblickte den Prätorianer. Oh nein! Diesen martialischen Herrn mit der schillernden Vergangenheit hatte Marcella durchaus schon einmal gesehen, hoch zu Ross und schwarz geharnischt. Es war der berüchtigte Decimus Serapio, einstmals Salinators grausamer Henkersknecht. Unter dem Bleiweiß wurde Marcella kalkweiß, sie sog erschrocken die Luft ein, schlug die Hand vor den Mund und bedeutete der Zofe hektisch, den Schirm des Anstoßes verschwinden zu lassen. Die Zofe gehorchte.
    "Verzeihung", murmelte Marcella.
    Vor lauter Schreck hatte sie sich am Arm ihrer neuen Freundin festgeklammert.
    "Oh jemineh", hauchte sie schwach, "es ist der ruchlose Decimer. Hätte ich doch nur gleich auf dich gehört, liebe Graecina."

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    Original von Claudia Agrippina
    [...]
    „Du hast Recht, dich zu beschweren,“ meinte ich zum Vetter meiner Sitznachbarin. „Ich für meinen Teil sehne eigentlich nur dem Ende entgegen. Ich bin heute nicht in Stimmung für solch schwere Kost. Vielleicht sollte ich einen Schwächeanfall vortäuschen, um das Ganze zu beschleunigen.“


    Titus sollte am dies mercurii Dienst schieben und Gnaeus am besten am dies veneris. Doch Halt! Hatte er nicht bei der letzten Besprechung gesagt, dass sein vorgesetzter Kommandant ihn für diesen Tag nicht schon anderweitig eingeplant hatte? Hm, frei aus dem Kopf konnte er das jetzt nicht sicher sagen. Na gut, dann sollte er eben am dies saturni dafür sorgen, dass niemand von den Gefangenen türmte. So war Caesoninus mitten in seinen vigintivirischen Planungen bzgl. der Gefangenenaufsicht für den Carcer Tullianus, während sein Blick glasig dem Geschehen auf der Bühne folgte. Dem Schein der Aufmerksamkeit ehrenhalber. So mit sich selbst beschäftigt bekam er erst ab dem zweiten Satz überhaupt mit, dass jemand gerade mit ihm sprach. Als er es dann jedoch endlich registriert hatte, wandte er den Kopf und erblickte eine sehr vornehm wirkende junge Dame mit güldenem Haar und engelsgleichem Antlitz. Sie beugte sich um Iulia Phoebe herum und sprach gerade etwas davon, dass auch sie das Ende dieses Firlefanz herbeisehnte. Offenbar war er mit dieser Meinung nicht alleine.


    Die fremde Schönheit wirkte sympathisch. Und schön, hatte er schon schön erwähnt? Caesoninus wäre nicht Caesoninus gewesen, wenn er seine Gübeleien über den Dienstplan einer Unterhaltung mit deiner adretten Dame vorgezogen hätte, weshalb er jetzt ein gewinnendes Lächeln aufsetzte und sich ebenfalls um Iulia Phoebe zu der Anderen herumdrehte, um ihr zu antworten: „Ich wünschte ich hätte dieselbe Option, doch ich fürchte bei einem Mann würde das komisch wirken“, scherzte er. Dann streckte er über Iulias Schoß hinweg der Dame seine Hand entgegen: „Ich bin Gaius Iulius Caesoninus, Tresvir Capitales, und du, oh Schwester der lieblichen Venus?


    Sim-Off:

    Dies Mercurii = Mittwoch
    Dies Veneris = Freitag
    Dies Saturni = Samstag

  • Im nächsten Aufzug bewies der Pantomine, nun in der Maske des Kreon, zum ersten Mal seine ungeheure Wandlungskunst. Die geschmeidige, unheilsgeladene Art der Bewegung, die er der Medea verliehen hatte, wich nun dem stolzen, raumgreifend und fest einherschreitenden König von Korinth, der Verkörperung der Herrschaft und (männlichen) Autorität. Schmetternde Cornua untermalten die Verkündung von Medeas Verbannung:


    Der Chor als KREON:
    Dich ihrem Mann Erboste, die so finster blickt,
    Medea, heiß ich räumen dieses Stadtgebiet,
    Verbannt von hier mit deinem Kinderpaar zugleich.
    Und säume nicht; denn als des Worts Vollstrecker bleib
    Ich selbst zugegen, kehre nicht nach Haus, bevor
    Ich dich getrieben aus dem Weichbild dieser Stadt.


    Und in raschem Wechsel glitt der Schauspieler nun zwischen den Rollen einher, nahm abwechselnd die verschiedenen Masken auf, und verkörperte im Wortwechsel der beiden mal die beredsam flehende Medea, dann wieder den argwöhnischen König. Je erbitterter das Streitgespräch, umso rascher wurden die Wechsel im Verlauf dieser dramatischen Szene.


    Der Chor als MEDEA:
    Weh, weh! So werd ich rettungslos verloren sein!
    Die Feinde haben alle Segel aufgespannt,
    Und zum Entrinnen zeigt kein Pfad sich aus der Not.
    Doch fragen will ich dennoch, ob mißhandelt auch:
    Warum, o Kreon, soll ich fort aus diesem Land?


    Der Chor als KREON:
    Mir bangt – wozu bemäntl ich auch die Sache noch? –,
    Du fügst ein heillos Übel meiner Tochter zu.
    Viel trifft zusammen, das mich solches fürchten läßt,
    Denn vieler Tücken kundig bist du, klug und schlau
    Und jetzt erbittert ob des Ehgemahls Verlust.
    Auch, hör ich, drohst du, wie mir treu gemeldet ward,
    Dem Vater und der Tochter und dem Bräutigam
    Ein Unheil. Das nun will ich meiden, eh mich's trifft:
    Denn besser ist mir's, deinen Haß zu haben, als
    Gutmütig handelnd schwer zu seufzen hinterher.


    Der Chor als MEDEA:
    Ach weh!
    Nicht heut zuerst, o Kreon – öfter war mir schon
    Die Meinung schädlich und gebar mir große Not.
    Drum muß ein Vater, welcher recht verständig ist,
    Die Kinder ja nicht bilden über Maßen klug:
    Denn abgerechnet, daß des Wirkens Trieb erlischt,
    Ist Haß und Mißgunst Lohn des Klugen überall.
    Entdeckst du Kluges, das die Dummen nicht gekannt,
    Scheinst du der Tör'ge, nicht der Klug' im Torenvolk.
    Und giltst du mehr als andre, die sich Tüchtiges
    Zu wissen dünken, trifft dich bald auch Neid und Haß.
    Ich selber trage meinen Teil an diesem Los.
    Denn weil ich klug bin, bin ich dem ein Dorn im Aug,
    Dem dünk ich schroff bloß und bei Klugen wenig klug.
    Auch du besorgst nun wider dich Versündigung.
    So steht es nicht, nein, fürcht, o Kreon, solches nicht,
    Daß Fürstenhäupter anzugreifen wagt mein Mut.
    Was hast du Leides mir getan? Du gabst dein Kind
    Dem Mann, zu dem dein Herz dich zog. Doch meinen Mann,
    Ihn haß ich! Du hast, mein ich, hier bloß recht getan.
    So kann ich neidlos sehen, daß dir's wohl ergeht.
    Vermählet, lebet glücklich! doch mich lasset hier
    Im Lande wohnen. Ist mir Unrecht auch geschehn,
    Ich werde schweigen, untertan den Stärkeren.


    Der Chor als KREON:
    Gutmütig lautet, was du sprichst; doch banget mir,
    Geheim im Herzen sinnst du einen Frevel aus.
    Deswegen trau ich minder jetzt als früher dir.
    Wer rasch zum Zorn ist, Mann sowohl als Weib, der ist
    Zu meiden leichter als der Schweigsam-Listige.
    Drum rasch von hinnen, laß das viele Reden sein!
    Es bleibt beschlossen, keine Kunst erwirkt es dir,
    Bei uns zu bleiben, so verfeindet wie du bist!


    Der Chor als MEDEA:
    Bei deinen Knieen, bei der neuvermählten Braut –


    Der Chor als KREON:
    Du sprichst vergebens: nimmermehr bewegst du mich!


    Der Chor als MEDEA:
    So treibst du fort mich, ungerührt von meinem Flehn?


    Der Chor als KREON:
    Weil mir die Meinen näher stehn als dein Geschick.


    Der Chor als MEDEA:
    O Vaterland, wie sehr bedürft ich deiner jetzt!


    Der Chor als KREON:
    Gewiß, das Liebste nach den Kindern ist's auch mir.


    Der Chor als MEDEA:
    Weh, daß die Liebe so zum Fluch den Menschen wird!


    Der Chor als KREON:
    Fluch oder Segen, mein ich, wie sich's fügen mag.


    Der Chor als MEDEA:
    O Zeus, erfahre, wer an diesem Leide schuld!


    Der Chor als KREON:
    Mach fort, Verwegne, nimm mir ab die lange Qual!


    Der Chor als MEDEA:
    Genug der Qualen hab ich, brauch nicht andre mehr!


    Der Chor als KREON:
    Gleich soll die Faust der Diener mit Gewalt dich ziehn.


    Der Chor als MEDEA:
    Nur dies, o Kreon, tu nicht! Nein, ich flehe dich –


    Der Chor als KREON:
    Du willst mir viel zu schaffen machen, Weib, so scheint's!


    Der Chor als MEDEA:
    Ich werde gehen; nicht um dieses fleh ich dich.


    Der Chor als KREON:
    Wozu das Sträuben? Räume denn das Land sogleich!


    Der Chor als MEDEA:
    Den einen Tag nur gönne mir zu bleiben noch,
    Um Rat zu schaffen, welchen Wegs ich fliehen soll,
    Und meinen Kindern Unterhalt, für deren Los
    Der Vater unbekümmert nichts ermitteln mag.
    Erbarm dich ihrer; bist du selbst doch Vater auch
    Von Kindern, also wirst du teilnahmslos nicht sein!
    Nicht meinetwegen sorg ich, wenn ich fliehen muß,
    Doch sie bewein ich, daß sie trifft das Mißgeschick.


    Der Chor als KREON:
    Mein Herz ist herrisch-stolzer Art mitnichten, und
    Aus zarter Rücksicht hab ich manches schlimm gemacht.
    Auch jetzt erkenn ich, daß ich unrecht handle, Weib;
    Gleichwohl erhältst du's. Aber das verkünd ich dir:
    Wenn morgen noch der Sonne Fackel hier dich sieht
    Mit deinen Söhnen innerhalb des Lands Bereich,
    So stirbst du! Was ich sagte, trifft gewißlich ein.
    Jetzt, mußt du bleiben, bleibe denn den einen Tag.
    Ein Arges, das ich fürchte, wirst du schwerlich tun!



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  • Mit offenem Gemüt verfolgte Carbo den Beginn der Pantomime. Es war durchaus etwas anderes, als gewöhnliche Dramen. Kürzer, prägnanter und pointierter. Um nicht zu sagen... plötzlich wurde er von einem vorbeigehenden Mann grob angerempelt, dem eine vornehme, dunkelblonde Frau und noch eine andere nachfolgten, als sie sich gerade durch die Sitzreihe schoben. „He!“ rief Carbo aufgebracht, doch als er des Übeltäters gänzlich gewahr wurde (ein muskelbepackter Berg von einem Mann), beeilte sich Carbo wegzusehen und sich ganz klein zu machen, damit der Hüne ja nicht auf die Idee käme, er hätte gerufen. Als die Gruppe an ihm vorbei war, verfolgte er dann weiter das Stück. Dass sich im weiteren Verlauf weiter links von ihm ein kleiner Disput um einen Sonnenschirm entwickelt hatte, bekam er nicht mit, dafür saß er zu weit entfernt und so konnte er ungestört den weiteren Hergang der Kunst des Polymarches folgen. Kunst musste man es wirklich nennen! Besonders jetzt im aktuellen Abschnitt des Stücks machte sich das im Streitgespräch zwischen Kreon und Medea bemerkbar. Wie fließend der Schauspieler von einer Rolle in die andere schlüpfte und sofort wieder zurück war atemberaubend.
    Carbo zumindest hätte es nicht gekonnt.

  • Zitat

    Original von Grian und Matinia Marcella



    Die kleine Nymphe schien die Pantomime mit einem Gladiatorenkampf zu verwechseln.
    "Psst!" machte ich, als sie begann, Medea anzufeuern, und "Psst!!" nur bei weiteren Fragen.
    Aber in der Schirmangelegenheit erwies sie sich als überaus brauchbar. Die Musik war so laut, dass ich nicht hören konnte, was sie zu der Dame sagte – aber es funktionierte. Die Übeltäterin sah sehr betroffen aus, und das nervtötende Gerät verschwand prompt. Den Göttern sei Dank!!


    Nun konnte ich mich zurücklehnen, und entspannt den weiteren Fortgang des Stückes genießen. Welch Wohlklang, welch Dynamik, welch tiefgründige Verse... über die Klugheit zum Beispiel. Und der Part des Kreon, der seine Herrscherpflicht vertrat und doch nicht frei war von einer menschlichen Regung des Mitgefühls, der zog mich in seinen Bann, und ließ Erinnerungen aufsteigen, an Momente, wo auch ich eines höheren Gutes wegen unschöne Entscheidungen hatte treffen oder vertreten müssen.
    Der braven Cynthia, als sie von ihrer Mission zurückkehrte, bedeutete ich mit erhobenem Daumen: gut gemacht. :dafuer: :D

  • Iulia versuchte so gut es ging sich auf das Stück zu konzentrieren, trotz all des Lärms und der Ablenkung rund um sie herum. Einfach die geistigen Scheuklappen angelegt und stur den Blick auf die Bühne gerichtet halten, dann würde es schon klappen. So verfolgte sie Medeas dramatischen Werdegang und das anschließende geistige Duell mit dem hehren Kreon, während sie ganz hingerissen war von des Pantomimen Schauspielkunst. War er in einem Moment noch Medea gewesen, so reichte schon ein Augenblinzeln (so kam es Iulia vor), dass er daraufhin auch schon wieder Kreon war nach einem blitzschnellen Maskenwechsel, während der Chor das Spielgeschehen wortgewaltig mit Gesang begleitete und den kulturellen Genuss nochmal immens steigerte.


    Doch als dann Caesoninus zu ihrer linken und die unbekannte Frau zu ihrer rechten, bei der sie sich zuvor entschuldigt hatte, quasi über ihrem Schoß hinweg ein Gespräch begannen, war ihr das dann doch zu störend. So stand Iulia auf und („Rutsch einmal!“) quetschte sich zwischen Iulia Graecina und Caesoninus wieder auf die Sitzbank, sodass die beiden Gesprächspartner jetzt direkt nebeneinander saßen und sich unterhalten konnten, während Iulia ihrerseits wiederum ihre Ruhe beim Verfolgen des Stücks haben würde. Doch noch war sie einen Moment abgelenkt. Amüsiert beobachtete sie das angeregte Gespräch der beiden anderen, bis sie Graecina anstieß und ihr mit dem Kopf in Richtung Caesoninus nickend zuraunte: „Der Löwe jagd wieder.

  • Zitat

    Original von Gaius Iulius Caesoninus


    Die fremde Schönheit wirkte sympathisch. Und schön, hatte er schon schön erwähnt? Caesoninus wäre nicht Caesoninus gewesen, wenn er seine Gübeleien über den Dienstplan einer Unterhaltung mit deiner adretten Dame vorgezogen hätte, weshalb er jetzt ein gewinnendes Lächeln aufsetzte und sich ebenfalls um Iulia Phoebe zu der Anderen herumdrehte, um ihr zu antworten: „Ich wünschte ich hätte dieselbe Option, doch ich fürchte bei einem Mann würde das komisch wirken“, scherzte er. Dann streckte er über Iulias Schoß hinweg der Dame seine Hand entgegen: „Ich bin Gaius Iulius Caesoninus, Tresvir Capitales, und du, oh Schwester der lieblichen Venus?


    Wie Recht doch meine gute Eleni hatte! Wenn jemand wusste, was ich am nötigsten brauchte, dann war das meine gute alte Amme. Ich betete jeden Tag zu den Göttern, dass sie mir noch lange erhalten bliebe. Auch diesmal hatte sie sich keinen Digitus geirrt. Ich hatte jenen jungen Mann mit dem blonden Haar angesprochen, so wie sie es gesagt hatte. Sofort spürte ich eine Form der Wandlung in mir. Etwas schien die Leere in mir zu füllen. Ein Fitzelchen der Leichtigkeit, die ich einst in mir hatte, es schien noch in mir zu sein. Wohl hatte es die ganze Zeit über an einem geheimen Ort geschlummert. Doch nun begann es, zu erwachen. Mir schien, als könne ich nun etwas freier atmen, als sei endlich dieser schwere Quader von meinem Herzen verschwunden. Zum ersten Mal seit Ewigkeiten gelang es mir zu lächeln, ob eines Bonmots, welches mir einfach so über die Lippen gekommen war. Und mein Gegenüber, er schien in mir nicht die von Trauer zerfressene Witwe zu sehen, sondern jenes junge entzückende Wesen, welches ich vor langer Zeit gewesen war.
    Iulius Caesoninus, so war sein Name, schmeichelte mir. Er schaffte es, mich erröten zu lassen, als er mich als Schwester der göttlichen Venus verglich. Nein, solcherlei Worte waren schon seit ewigen Zeiten nicht mehr an mein Ohr vorgedrungen. Sie hätten von Maecenas, meinem geliebten Bruder stammen können. Er hatte mich vergöttert, so wie ich ihn.


    Während nun dort unten Medea in die Verbannung geschickt wurde, begann sich neben mir eine ganz neue Bekanntschaft zu entwickeln. Die Erste, seit ich zurück war in Rom. Über die junge Dame zwischen uns hinweg, die sich als seine Cousine erwiesen hatte, reichte er mir seine Hand. Bevor ich seinen Gruß jedoch erwidern konnte, schien sie ein Einsehen mit uns zu haben, da sie im Gegensatz zu uns eine Liebhaberin solch tiefgründiger Kunst zu sein schien. Sie erhob sich und tauschte ihren Platz mit ihrem Vetter, so dass er seinerseits zu mir herüber rutschen konnte. Diese großzügige Tat erleichterte doch sehr die gemeinsame Kommunikation.
    „Claudia Agrippina. Sehr erfreut!“ Ich reichte ihm nun meine Hand. Ein befreites Lächeln breitete sich über meine Lippen aus. „Wie mir scheint, war mein heutiger Besuch des Theaters doch nicht völlig vergebens. Hätte ich sonst eine solch charmante Bekanntschaft gemacht? Zumindest nimmt das Stück für mich nun eine weitaus bessere Wendung als für Medea.“ Dies alles geschah unter den wohlwollenden Augen Elenis, die neben mir alles genau verfolgte und in sich hinein lächelte.
    Medea!? Wer war Medea? In diesem Augenblick schien sie meilenweit entfernt zu sein.

  • Eine Claudia war die Schwester der Venus also! Was es nicht für Zufälle gab. Die Wege der Parzen waren wirklich unergründlich. „Oh die Freude ist ganz meinerseits, immerhin war es mir von Fortuna vergönnt worden dich zu treffen und meinem Tag so einen Höhepunkt hinzuzufügen“, meinte er galant.


    Doch das mit der Familienzugehörigkeit wollte er nochmal genau wissen. „Als Claudia bist du da zufällig mit Senator Claudius Menecrates verwandt? Ich bin mit ihm sehr gut über die Factio Praesina bekannt und zudem arbeite ich auf seinen persönlichen Wunsch in jener Baukommission mit, die für die Errichtung des neuen Urbaner-Stützpunkts in der Subura zuständig ist.“ Angesichts der traditionellen Namensverteilung unter den gesellschaftlichen Schichten war die Chance jedoch groß, dass sie aus derselben Familie wären. Doch einmal sehen was die Antwort war. Das dargebotene Stück hatte nun auch den letzten Rest von geheucheltem Interesse für Caesoninus verloren.

  • Einen Tag Aufschub nur hatte der König gewährt. Der Chor beklagte Medeas Geschick. Diese erwog die verschiedenen Möglichkeiten, ihre Nebenbuhlerin zu töten und entschied sich für Gift. Bei ihrer Patrona, der Göttin Hekate, beschwor sie ihre gnadenlose Rache.
    Darauf folgte zum Abschluss des ersten Aktes das berühmte Chorlied 'Jetzt rinnet der heilgen Gewässer Strömung aufwärts...', in einer eingängigen Version, mitreissend gespielt mit schmissiger Melodie und dem Refrain 'Herzen der Männer sind falsch, nicht sicher mehr / stehen die heiligsten Schwüre' mit "Ohrwurm"-Qualität. (Das Lied würde in der darauffolgenden Zeit in Rom zum Gassenhauer werden.)


    Der CHOR:
    Weh dir, weh dir! welch schmerzliches Leid!
    Wo flüchtest du hin? wo wird deiner Not
    Ein Haus, ein Land, ein gastlicher Schutz
    Rettend sich auftun?
    Wie hat dich ein Gott, Medea, gestürzt
    In verschlingende Strudel des Unglücks!


    Der Chor als MEDEA:
    Der Todeswege hab ich manche, ihr Lieben; drum,
    In welcher Art es unternehmen, weiß ich nicht.
    Soll Feuersglut vernichten dies hochzeitlich Haus?
    Wie? oder stoß ins Herz ich ihr den scharfen Stahl,
    Zum Hause schleichend heimlich, wo ihr Bette steht?
    Dabei ist eins bedenklich: denn ergreift man mich,
    Indem ich tückisch schleiche zum Palast hinein,
    So werd ich sterbend nur zum Hohn den Feinden sein.
    Der grade Weg der beste! dessen sind wir auch
    Am meisten kundig: durch Vergiftung mord ich sie!
    Wohl!
    So laß sie tot sein! Welche Stadt nimmt dann mich auf?
    Wo beut ein Gastfreund zuverläßgen Aufenthalt
    In Land und Wohnung und beschirmet meinen Leib?
    Ich habe keinen! Harr ich denn noch kurze Zeit,
    Und wenn sich irgendeine sichre Burg mir zeigt,
    Vollbring ich heimlich diese Mordtat und mit List.
    Wenn aber ratlos Ungemach hinaus mich treibt,
    Dann rasch zum Schwert gegriffen, muß ich sterben auch!
    Ich töte sie, ich wag die kühn verwegne Tat!
    Denn wahrlich, bei der Göttin, die ich hoch verehr
    Vor allen und zur Helferin mir erkoren hab,
    Der Hekate, die thront in meines Hauses Grund,
    Sie sollen froh nicht leben, die mein Herz gekränkt!



    Das erste große CHORLIED:
    Jetzt rinnet der heilgen Gewässer Strömung aufwärts,
    Recht und alles hat sich auf Erden verkehrt.
    Herzen der Männer sind falsch, nicht sicher mehr
    Stehen die heiligsten Schwüre.
    Ehr und Lob blüht unserem Leben, der Ruf wird umgewandelt!
    Anerkennung, Achtung naht dem Fraungeschlecht,
    Fürder belastet das Weib kein übeltönger Leumund.


    Vorzeitlichem Dichtergesang muß jetzt verstummen
    Jedes Lied von unserem trüglichen Sinn.
    Hätte dem weiblichen Geist nur eingehaucht
    Göttliche Dichterbegeistrung
    Gott der Sangesmeister, so tönte den Männern andrer Lieder
    Schall entgegen. Wohl vermag die lange Zeit
    Vieles vom Frauengemüt und Männertun zu melden.


    Du bist geschifft weg von dem Vaterhause
    Liebebetörten Gemütes, die doppelten Meeresfelsen
    Durchsegelnd, und wohnst hier fremd,
    Im gattenberaubten Hause
    Dein ehliches Recht entbehrend,
    Ach, Arme! und wirst noch schmachvoll
    Des Landes verstoßen!


    Es schwand hinweg Ehre des Schwurs, und Scheu wohnt
    Nimmer im griechischen Lande, dem weiten, entflog zum Himmel.
    Dir winket kein Vaterhaus,
    Unglückliche, hinzuflüchten
    Aus dieser Bedrängnis! Deines
    Betts Meisterin ist die Stärkre
    Und schaltet im Hause.




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    Original von Faustus Decimus Serapio und Matinia Marcella


    WAHNSINN! Ich konnte es ja gar nicht glauben! Der Zicke hatte ich ordentlich eingeschenkt. So sehr, dass sie die Hosen gestrichen voll hatte. In Nullkommanichts war der Schirm weg und das Problem gegessen.


    Zufrieden kletterte ich zu meinem Platz zurück und erntete jede Menge Anerkennung von Dominus Serapio. Garantiert war ich bei ihm ein ganzes Stück auf der Zufriedenheit-Skala gestiegen. Tja, Daumen hoch! Ich grinste über das ganze Gesicht und setzte mich wieder neben ihn. „Hast du gesehen, die hatte voll Schiss vor dir, Dominus! Ich hab ihr erzählt, du bist der Chef von den Schwarzröcken und wenn sie ihren Schirm nicht sofort wegpackt landet sie in einem von deinen Kerkern“, berichtete ich ihm feixend und kriegte mich kaum ein. „Aber das schärfste war ja, sie hat mir jedes Wort geglaubt!“, fügte ich noch prustend hinzu. Ich musste richtig nach Luft schnappen, weil ich einfach nicht mehr aufhören konnte zu lachen. Natürlich hatte ich längst den roten Faden verloren, was jetzt gerade auf der Bühne geschah. Wahrscheinlich weil dieser Faden sowieso nie vorhanden gewesen war. Letztendlich war das wirkliche Leben doch wesentlich aufregender und witziger.

  • Zitat

    Original von Matinia Marcella
    ...
    "Verzeihung", murmelte Marcella.
    Vor lauter Schreck hatte sie sich am Arm ihrer neuen Freundin festgeklammert.
    "Oh jemineh", hauchte sie schwach, "es ist der ruchlose Decimer. Hätte ich doch nur gleich auf dich gehört, liebe Graecina."


    Da musste Graecina nun wirklich grinsen. An Matinias Behauptung musste schon etwas dran sein, denn ihr Vater hatte auch nie einen Sinn für solcherlei Kulturergüsse aufbringen können. Ganz zu schweigen von ihren beiden Brüdern! Ein wenig melancholisch wurde ihr schon, als sie an ihre Familie denken musste. Doch glücklicherweise konnte das Stück schnell wieder für Abwechslung sorgen. Jedenfalls kurzfristig, denn kurze Zeit später zogen sich dicke Gewitterwolken über ihre Sitznachbarin zusammen – in Form einer blonden Schönheit, die plötzlich neben Matinia stand.
    Wie war sie bloß dahingekommen? Hätte sie sich weniger für die Aufführung interessiert, wäre ihr nicht entgangen, wie sich jene Dame von den oberen Rängen über die Köpfe der Sitzenden hinweg ihren Weg hinuntergebahnt hatte.
    Anfangs noch belustigt hörte die Iulia mit an, was sie zu sagen hatte. Schnell wurde ihr klar, dass es sich bei der Person um alles andere nur nicht um eine Dame handelte - eher wohl um ein Fischweib vom Markt!
    Bei der Erwähnung des Praefectus Praetorio schnellte ihr angstvoller Blick nach hinten und ihre Augen trafen auf jenen Mann, auf den die „Dame“ zeigte. Vor ihm mussten sie also auf der Hut sein, wenn sie und Sulamith sich mit ihren Glaubensgeschwistern trafen. Endlich wurde der Iulia bewusst, dass sie ihn die ganze Zeit über anstarrte. Hoffentlich hatte er ihren Blick auf sich nicht gespürt.


    Matinia erging es nicht viel anders. Die blanke Angst stand in ihrem Gesicht, als sie diesen Mann gesehen hatte. Schnell war ihr Schirm verschwunden, gefolgt von einer Entschuldigung.
    Der ruchlose Decimer, genauso hatte sie ihn genannt! „Was ist mit dem Decimer? Kennst du ihn etwa?“, fragte sie leise hinter vorgehaltener Hand und ergriff dabei instinktiv mit der anderen ihre Hand, da sie ganz deutlich ihre Furcht in der Stimme spüren konnte.

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    Original von Grian



    Umbraust von dem schaurigen Chorgesang, hatten das Nymphchen und ich unser ganz eigenes kleines Drama. Kerker??!
    "Was?! Ja bist du denn des Wahnsinns?!"
    Vollkommen entgeistert starrte ich das Früchtchen an, das sich hier gerade neben mir kringelig lachte, über ihren Streich.
    "Dea Dia!" zischte ich, "Mit sowas treibt man keinen Scherz. Kerker? Du hast mit Kerker gedroht? Ich glaube es nicht, ich glaube es einfach nicht. Da gebe ich dir eine kleine Aufgabe, eine einzige kleine Aufgabe, und sag noch: aber höflich, Cynthia, genau das habe ich gesagt, h_ö_f_l_i_c_h, Cynthia... und was machst du daraus? Ein Desaster, ein höchst blamables Desaster..."
    Mir fehlten mal wieder die Worte bei ihr, und ich schüttelte nur noch den Kopf. Wenn ich nicht hier mitten in der Öffentlichkeit gesessen hätte, dann hätte ich mir jetzt wohl in Gebärden der Verzweiflung die Haare gerauft und den Kopf hängen lassen, wie Medea da auf der Bühne... Da ging diese Sklavin einfach hin und erschreckte gröblich junge Damen. Und mein erneutes Tribunat war außerdem noch nicht mal offiziell! Wie sah denn das aus?! Nicht nur die braungelockte Schirmdelinquentin, auch das dunkelblond gelockte Mädchen neben ihr hatte ganz ängstlich zu mir zurückgeblickt.
    Gutes Personal... etc. Merke: so wie man ein Pferd nicht nach der Farbe kauft – nie wieder eine Sklavin nur nach dem Aussehen mitnehmen. Ich war ja ein bisschen selbst schuld, ich kannte ja ihr loses Mundwerk, vielleicht hätte ich es mir zweimal überlegen sollen, ihr etwas delikateres als Nüsse kaufen anzuvertrauen.
    Gebieterisch hob ich die Hand, um Cynthia das Wort abzuschneiden, sollte sie sich verteidigen wollen:
    "Sag jetzt nichts puella! Du hast schon zu viel gesagt. Schweig und schäm dich, während ich mir hier wegen dir den Kopf zerbrechen muss, wie ich mich bei den Damen für deinen schlechten Scherz entschuldigen kann...."

  • Die Tage bis zu ihrer Abreise mit Casca zogen sich in die Länge und noch immer wussten Valentina nicht, wann sie endlich abreisen konnten. Sie sehnte den Tag herbei, verstand jedoch auch, dass ihr zukünftiger Mann momentan im Tempel unabkömmlich war.
    Valentina genoss die Zeit mit ihrem tierischen Geschenk, dass Serapio ihr von seinen Reisen mitgebracht hatte, der Gepard wuchs prächtig und Valentina liebte das Tier. Jetzt allerdings hatte sie die Casa verlassen und war auf dem Weg ins Theater. Serapio hatte heute Morgen angedeutet, das er ebenfalls dort hingehen wollte und ein bisschen Zerstreuung tat gut, wenn man sonst nur wartete. Zusammen mit ihrem hünenhaften Sklaven, er ihr den Weg freiräumte und Renenet, der Pflegerin des Leoparden war sie nun also am Theater angekommen. Die Ägypterin war ihr zusammen mit dem Leoparden von Serapio geschenkt worden doch mittlerweile mochte Valentina die dunkelhaarige Frau gut leiden und so hatte sie sie gebeten mit ihr mitzukommen. Wie es ihrem Stand gebührte, lief die Frau hinter der Quintilia und als sie beiden Frauen das Theater betraten war der Chor schon in vollem Gange. Durch das dichte Gedränge suchten sich die beiden Frauen einen Weg und ergatterten tatsächlich noch zwei Plätze in der Nähe der Bühne. Während sich die Ägypterin hinter Valentina setzte und versuchte nicht aufzufallen hob die Blondine den Kopf und sah sich um. Nicht auffällig und doch neugierig ob sie eines der Gesichter in ihrer Nähe erkannte.

  • Zitat

    Original von Faustus Decimus Serapio


    Urplötzlich blieb mir das Lachen im Hals stecken, als er begann, mich zur Schnecke zu machen. Ich wusste gar nicht, warum er sich denn jetzt so aufregte. Eben noch hatte er mich noch für meine Tat gelobt und jetzt? „Aber das war doch nur Spass! Du bist doch gar nicht…“ Allmählich dämmerte mir, dass ich unwissentlich vielleicht doch voll ins Wespennest gegriffen haben könnte. „Oh Scheiße, du bist…“ Woher hätte ich das denn wissen sollen? Mir erzählte ja nie einer was! Also hörte ich mir seine Schimpftirade an und wurde dabei immer kleiner.
    Upps, das Wörtchen höflich musste mir doch tatsächlich entgangen sein! Hatte er das wirklich gesagt – höflich? Ich konnte mich gar nicht daran erinnern. Aber jetzt, da er es sagte, musste es wohl so gewesen sein. Tja, also das war ja jetzt richtig blöde. Für mich. Und überhaupt. Der alte Jupp hätte wahrscheinlich jetzt gesagt ‚domm jeloofe!‘


    „Tschuldigung, Dominus,“ murmelte ich kleinlaut, knabberte nervös auf meiner Unterlippe herum und schwieg dann besser, so wie er es verlangte. Wahrscheinlich war das hier das Ende unserer guten Freundschaft. Wenn wir dann später wieder zu Hause waren, konnte ich mich eh warm anziehen. Außer, ich konnte es irgendwie wieder gut machen. Bloß wie? Mich irgendwie als nützlich erweisen... ihn erretten... ihn vor einer irren Angreiferin beschützen. Leider war nur gerade keine zur Hand. Im Augenblick konnte ich nichts anderes tun, als ihm zu gehorchen und dabei ziemlich belämmert dreinzublicken.

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