Und wieder suchten mich wirre Träume heim. Und wieder raste die tödliche Front der parthischen Panzerreiter auf uns zu, und wieder stand ich zwischen den anderen Soldaten, hilflos eingekeilt, von Grauen erfüllt, und konnte nicht fort, als die zertrümmernde Woge über uns herein brach, mein Scutum weggerissen wurde, Holzsplitter und Blutstropfen durch die Luft wirbelten, Kameraden um mich herum starben. "Faustus, Faustus, wir sehen uns dann auf der anderen Seite!" klang Lucullus' Ruf in meinen Ohren.
Und wieder fuhr ich auf. Es war noch stockdunkel und eiskalt dazu. Die Glut war erloschen. Nur ein Traum. Immer wieder nur ein Traum. Wir haben gesiegt. Ich bin am Leben. Nur ein Traum.
Bebend zog die Pferdedecke ganz eng um mich und driftete schließlich wieder in einen flachen Schlaf.
Aus dem erwachte ich durch eine Bewegung in meiner Nähe... ein Rascheln, eine leichte Erschütterung des Bodens, ein metallisches Geräusch.
Verschlafen blinzelte ich ins Morgengrau. Ein Gesicht war nahe über mir, edle Züge, von schwarzem Haar umrahmt. Jarsiat war es, der da über mir kniete und mit stechendem Blick auf mich herabsah.
Zuerst.... im ersten Augenblick... da dachte ich tatsächlich, noch so halb schlafumfangen, dass sich meine geheimen Wünsche plötzlich erfüllt hatten, dass Cupido mir unversehens eine große Gunst erwiesen hatte und eine verbotene Leidenschaft für mich in dem feschen Nabatäer entfacht hatte....
Dann spürte ich den kalten Stahl an meiner Kehle.
Oh.
Erschrocken riss ich die Augen auf.
"Was bei allen Göttern... -"
"Ja, was bei allen Göttern" schnitt er mir hitzig das Wort ab, "ist das hier, hm?!"
Es raschelte wieder, als er in der linken ein Papyrusblatt schwenkte. Dieses kam mir auch im fahlen Morgenlicht sehr bekannt vor. Meine Skizze. Meine Aquäduktskizze. Wie zum Hades war sie ihm in die Hände gefallen? Er mußte meine Tasche sehr genau durchsucht haben, um das zu finden.
"... Was soll der Blödsinn? Was ist in dich gefahren, Freund, welcher Djinn hat dir den Sinn verwirrt?!" begehrte ich auf, blieb dabei jedoch starr wie ein Stein. Sein Dolch drückte empfindlich in die weiche Grube unter meinem Kinn. Ich schluckte trocken. Ganz ruhig. Ruhig Blut, Faustus.
"Dann sag mir doch mal – Freund Viriates - warum du hier unsere Quellen kartographierst." forderte er mich schneidend auf.
Bona Dea. Jetzt nichts falschen sagen.
"Das kann ich dir gerne erklären," behaupte ich, "aber nimm verdammt noch mal das Messer da weg, du drückst mir die Luft ab!"
"Sprich." forderte er mich grimmig auf, die Waffe einen kleinen Deut zurückziehend.
"Also. Du weißt dass ich aus Alexandria komme." So nah wie möglich an der Wahrheit zu bleiben war immer gut. Ich hatte ja eine Weile dort gedient.
"Und da gibt es das Museion."
"Ja und?"
"Und dort leben Gelehrte, die sich für nahezu alles auf der Welt interessieren, von Zahlenspielen über die Frage der Unsterblichkeit der Seele bis hin zu... Reiseberichten, Schilderungen der Begegnungen mit hundsköpfigen Wüstenvölkern, jegliche Geographie, Kultur, Naturphilosophie, Mechanik! Sie können stundenlang über abstruse Frage streiten, zum Beispiel warum ein Stock den man ins Wasser hält geknickt aussieht! Natürlich werden sie ganz bestimmt auch daran interessiert sein, etwas über die nabatäische Wasserbaukunst zu erfahren, es grenzt ja an Zauberei wie ihr hier die karge Einöde in eine blühende Oase verwandelt. Ich will ihnen das schlichtweg verkaufen, wenn ich endlich wieder heim komme, sie zahlen gut, ich will nicht ewig Gehilfe bleiben, das weißt du doch."
"So? Dich schickt das Museion?"
"Nein, aber ich dachte ich kann mir so etwas hinzuverdienen. Ich habe ihnen schon mal was verkauft, an die Philologa Theokleia, über..." Mein Kopf war wie leergefegt. Alles was ich gerade denken konnte war... ich wollte nicht sterben. Nicht hier, nicht so, mit aufgeschlitzter Kehle wie eine tote Gazelle, sang- und klanglos in der Fremde. Ich hatte auf meinen Missionen so viel haarsträubenderes schon überstanden, sterben mußte wir alle, aber oh ihr Götter, bitte nicht heute, bitte an einem anderen Tag!!"
Irgendwie brachte mich das auf: "... den Orontes." schloß ich matt. "Die Hafenanlagen von Antiochia und die Versandung der Orontesmündung."
"Aha. Und warum die Heimlichkeit?"
Ich seufzte schuldbewußt. "Es tut mir leid. Ich hatte schon geahnt dass du nicht erfreut wärst darüber."
Er schüttelte den Kopf, ließ die Hand mit dem Papyrus sinken.
Hatte er es geschluckt?
"Dann bleibt ja nur noch die Frage:" fuhr Jarsiat mit trügerischer Ruhe fort, "Warum sprichst du, Viriates, des nachts so bang von Kataphrakten? Rufst nach einem Lucullus?" Ein Ausdruck von Spott trat in sein Gesicht. "Mir ist nicht bekannt dass die Parther jüngst einen Angriff auf Alexandria veranstaltet hätten, aber weißt du, manches geht ja auch an uns hier hinter den Bergen vorbei, also erleuchte mich..."
Oh nein. "Ich... -"
"Erspar mir die Lügen. Du arbeitest für die Rhomäer, nein, du bist Rhomäer! Ein Spion bist du! Einen neuen Marionettenkönig wollt ihr!" stellte er zornig fest. "Ich habe dich im Schlaf rufen gehört, doch ich wollte es nicht glauben, darum nur habe ich deine Sachen durchsucht. Wer bist du wirklich?! Antworte, oder der Sand wird rot von deinem Blut!"
"Ja, ich bin Römer." gestand ich ihm widerwillig. "Ja, ich war früher Legionär, aber ich habe... - Jarsiath!" Mit furchtgeweiteten Augen zuckte ich heftig zurück, riss abwehrend einen Arm hoch, in Richtung des Gazellenkadavers, und "Leopard!" kreischte ich panisch, "Leopard!!"