"Oh, ich zweifle nicht daran, dass Du mir eine Geschichte erzählen könntest, so voll von... Antezedenzen" Was auch immer das war. "... und Schattierungen, dass ich am Ende auch glauben würde, dass euer Giftmord doch nur ein lässlicher kleiner Ausrutscher, und die Auslöschung unseres Kaisergeschlechtes auch nur eine unglückliche kleine Notwendigkeit war," verhöhnte ich die gnadenlose Relativierung seiner... ihrer... Untaten. Er erinnerte mich an Vinicius Lucianus, der sich diese starsinnige Verkennung der Wirklichkeit bis zuletzt bewahrt hatte.
"Der Bürgerkrieg – naja, wo gehobelt wird fallen die Späne, nicht wahr. Und es waren ja nur" - Ich krauste meine Nase auf eine Weise, die ich für höchst patrizisch hielt. "...einfache Soldaten. Plebejer. - Am Ende deiner Geschichte Manius, würde ich dich wahrscheinlich noch herzlich dafür bedauern, dass du armer Verschwörer mich so monströs belügen mußtest, und verraten, und meinen Namen in den Schmutz treten, und mich im Kerker verrotten lassen!!!"
Jedwede schneeige Kühle war dahingeschmolzen, angesichts seiner beständigen Versuche, das was ungeheuerlich, und durch nichts zu rechtfertigen war, das was mein Leben zerstört und mich haarscharf an den Rand der Vernichtung gebracht hatte... eben doch irgendwie mit hübschen Worten zu entschuldigen.
"WER hat sich da die Welt passend in schwarz und weiß eingeteilt, und... angesichts einer einzigen fetten Ratte in der Speisekammer das gesamte Haus abgefackelt?!" Die Schale hatte ich abgestellt, mit den freien Händen unterstrich ich meine Worte mit leidenschaftlichen Gesten, wies anklagend auf ihn: "IHR, Manius! Bist du eurer eigenen Propaganda verfallen? Siehst du das nicht?! - Und ja, ihr habt wirklich ganze Arbeit geleistet darin, die Wahrheit in das Gewand der Lüge zu zwingen und die Menschen zu zwingen, das Offensichtliche zu verschweigen und statt dessen die Köpfe zu beugen und eure Lügen nachzuplappern. Alles für das neue Regime. Was für ein immenser Fortschritt für Rom. Ja, das lohnt das ganze Blut. Bravo, Manius! Ich bin sicher du bist sehr stolz." Ich spendete ihm einen sarkastischen Applaus. "Aber Lüge bleibt Lüge, auch wenn du das nicht sehen willst, und wenn die verrotteten Lügen, auf die du deine Existenz gebaut hast, einmal ins Rutschen kämen..." An der Stelle sprach ich nicht weiter, ich wollte ihm nicht drohen, ich hatte mich ja verdammt noch mal längst dagegen entschieden es ihm auf so niedrige Weise heimzuzahlen... aber er machte es mir echt nicht leicht!
Wenn er es wenigstens sähe... flehte etwas leises in mir was er mit mir gemacht hatte... wenn er es sähe... und... vielleicht... wenn es doch nur einen Weg gäbe... Wird nicht die Sonne jeden Tag aufs neue geboren... Ich biss mir auf die Lippen, die fatale Schwäche niederzukämpfen, aber meine Augen waren schon feucht geworden vor Sehnsucht nach dem unwiderbringlich verlorenen. Jolín!
"Meinen Frieden..." wiederholte ich kaum vernehmlich. "Den hast du schon zerstört. Du kommst einfach hier hereinspaziert, nach allem was du mir angetan hast, und bringst die ganze alte Scheiße die ich hinter mir gelassen habe – um deinen Verrat und meinen Fall überleben zu können, verstehst du!?" Meine Hand krallte sich in seine exclusive Tunika, und: "Verstehst du das, verdammt?!" fauchte ich ihn aus nächster Nähe an. Er sollte es verstehen!. Er sollte es sehen! (Er roch gut. Er roch viel zu gut und vertraut und... - ) "Du spazierst hier einfach so herein und glaubst allen Ernstes, du kannst einen auf Retter machen?! Für wie bescheuert hältst du mich, dass du glaubst, ich würde noch einmal auf dich reinfallen??! - Lass es. Erspar es mir! Lass es sein!! Sag mir einfach nur warum du wirklich hier bist: Was du von mir willst. Und was du mir dafür bietest."
Beiträge von Faustus Decimus Serapio
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Schneeige Kühle.... fern und kalt wie die erhabenen Gipfel der Pyrenäen... ganz weit entrückt dem würgenden Zorn auf seinen monströsen Verrat... der bodenlosen Verzweiflung über das Ende unserer Liebe... ganz kühl und klar und schroff wie das ewige Eis... mußte ich sein. Um hier nicht... einfach nur zusammenzubrechen, oder ihm... auf der Stelle... mit meinen Händen die Kehle zuzudrücken, und mit seinem Lebensatem auch den unerschöpflichen Strom heuchlerischer Phrasen endlich, endlich zum versiegen zu bringen.
Meine Augen blitzten, meine Hände krallten sich um den Rand der Schale mit den Kerzen.
"Und wie, Manius," Tief durchatmen. "...wie bei allen schlangenhaarigen Erynnien, kommst du darauf, dass ich dir auch nur ein einziges Wort deines klebrig süßen Sermons glaube?" versetzte ich eisig. "Ich höre dich hier... wieder einmal... deine widerlichen Taten bejammern... und sie im gleichen Atemzug rechtfertigen." (Der Giftmord an den Ulpiern war also nur ein kleines Steinchen, das sie uuups losgetreten hatten ohne es zu wollen... was für eine ausgesprochen kreative Sichtweise...)
Schneidend sprach ich, ohne die Stimme zu dämpfen. Er war hier hineingebrochen in meine fragile Zuflucht, wie ein Elefant der alles zertrampelte, aber ich würde das nicht zulassen, und vor allem würde ich niemals wieder auf ihn reinfallen, da konnte er noch so gekonnt seine Stimme beben, seinen Blick sich senken, seine Lippen zucken lassen, da konnte er mir noch so perfekt manipulativ vorgaukeln, es wäre möglich mein altes Leben zurückzugewinnen, es mir wie einen köstlichen Köder vor die Nase halten. Ich glaubte dem Mistkerl kein Wort.
"Du hast keine Ahnung was du mir angetan hast. Du. Hast. Keine Ahnung. Allein der Gedanke, ich könnte es dir – ausgerechnet dir - erlauben mich zu 'halten', mich 'aufzufangen', der Gedanke ich würde mich jemals wieder in deine Hände begeben, deine Hände mit denen du mich schon einmal gründlichst in den Abgrund gestoßen hast, ist.... ist... ach, mir fehlen die Worte!!"
Ich tat einen Schritt zurück, umfing alles um uns mit einer Handbewegung, und sprach, mich mühsam wieder zügelnd – Eis, Faustus. Schnee. Weiß. Reines Weiß. Große Höhe. Abstand. Alles ganz klein da unten....""Jemand anderes hat mich aufgefangen, Manius, sonst wäre ich nicht mehr hier. Und du kannst ganz beruhigt sein. Ich werde dich nicht auffliegen lassen. Denn das ist es doch was dich, wenn ich das Süßholzgeschwafel mal abziehe, wirklich hierherführt: du hast einfach nur Angst, dass ich die Wahrheit über dich publik mache. Aber wie sagt man noch...'Die beste Art, sich zu rächen ist, nicht Gleiches mit Gleichem zu vergelten.'" Aufmerksam betrachtete ich den Einschlag dieser stoischen Weisheit, hoffte (vollkommen un-weise), dass diese Worte ihn so richtig tief trafen.
"Also bleib mir vom Leib mit deinen lächerlichen neuen Lügen und falschen Versprechungen. Suche dir jemand anderen um ihn in deinen Intrigen zu verheizen, und lass mich einfach nur... in Frieden." -
Als ich das Innere des Tempels zum ersten Mal betreten hatte, da hatte ich nur Augen für das majestätische Standbild des Serapis gehabt. Doch es gab da noch viel mehr – Andachtsbildnisse, Statuetten und kleine Nebenschreine... soviele Aspekte der Allgott in sich vereinte, soviele verschiedene Stätten des Gebetes gab es hier. Mindestens.
Soeben stand ich in einer der Seitennischen, im Halbdunkel, dem Gemurmel, dem Duft von Weihrauch und Bienenwachs, und wechselte die Kerzen vor dem Schrein der göttlichen Familie. Isis, Serapis und Harpokrates waren hier als Halbrelief aus bunt glasiertem Ton dargestellt, der Kerzenschein huschte über einen erhobenen Arm, ein gefälteltes Gewand, ein mildes Antlitz... Die alten Kerzen waren beinahe heruntergebrannt, ich entzündete eine der frischen, wechselte sie aus, entfernte die Kerzenstümpfe, und steckte die neuen an. Ganz in diese einfache Tätigkeit versunken, wanderten meine Gedanken ruhig... hin zu etwas, von dem ich mich zu erinnern meinte, dass es der Träumer gesagt hatte, und ich es als 'Binsenweisheit' abgetan hatte – ich war mir aber nicht sicher, womöglich hatte ich es mir auch nur eingebildet, nämlich die Worte: "Wer nach Frieden strebt wird Streit finden". Worte, deren Tiefe und Bedeutungen sich mir erst hier, in der Stille, langsam zu erschließen begannen... (Ich meine nicht die Stille der Lautlosigkeit, Lärm gab es auch hier, eher die Stille einer unbewegten Wasseroberfläche... nur wenn sie glatt, ohne Kräuselung vor einem liegt, kann man einen Blick in die Tiefe des Gewässers werfen und das Profunde erkennen...)
...Wenn ich aber nun... überlegte ich...während ich mit einem kleinen Spatel das alte Wachs von den Steinen abkratzte... nur mein eigenes Spiegelbild an der Oberfläche sehe, und es fälschlich für einen Blick in die Tiefe halte? Ich sammelte die Wachsreste in einer Schale (sie wurden eingeschmolzen und neue Kerzen daraus gezogen) –- und das war der Moment, in dem ein großer Stein in hohem Bogen in mein metaphorisches Gewässer hineinpolterte, das Wasser aufstob, die Wellen ans Ufer brandeten, und das Bild (mochte es Weisheit oder reine Selbstbespiegelung gewesen sein), das ich eben noch fassen zu können geglaubt hatte, in amorph hinfortflirrende Teile zerstob...
Als erstens: mein Name – und zweitens: Seine Stimme an mein Ohr drangen. Vom Eingang her. Im höchsten Maße erschrocken, drehte ich mich langsam auf der Stelle... hoffend, dass ich mich nur verhört hatte!! Aber auch – und das war ja das irrsinnige daran: hoffend, dass ich mich nicht verhört hatte.
Nein. Hatte ich nicht. Da stand er. Manius. NEIN... Ich wollte zurück in die Nische fliehen, und mich im Dunkeln verstecken, ich wollte mit der Mauer verschmelzen und mich hinter den Rücken der göttlichen Familie für immer verbergen vor allem was er durch sein Kommen mit sich brachte und wieder heraufbeschwor... Ich wollte auf ihn zutreten, aufrecht und stark, und ihm nur eines sagen: "RAUS!", ihn in hohem Bogen rauswerfen aus diesem Tempel, der mein Überlebensort war, und wo er nichts verloren hatte, ich wollte... ich sollte...
...ich....
......
...stand da nur wie eine Salzsäule...
... und hörte wie der Myste, der dort die Besucher empfing und den Strom der Gläubigen in die richtigen Bahnen lenkte, Manius und seinem Begleiter freundlich zur Antwort gab:
"Seid willkommen im Tempel des Ewigen." Und "Decimus Serapio?" wiederholte er unschlüssig – "Es tut mir leid, doch meines Wissens gibt es hier keinen. Wir hatten mal einen Decrius Serapio, doch der tut jetzt Dienst im campinischen Serapeion."
Meine Zähne bissen fest aufeinander – Manius zerschlug mir hier gerade mein Incognito! Und nun... kroch flau die Angst in mir empor, dass er mich aufgespürt hatte um mir zu schaden, um mich, und damit auch das was ich wußte, unschädlich zu machen.... und dass er und seine skrupellosen Verschwörerkumpanen auch denen, die mir so geholfen hatten, schaden würde.
Ruhig Blut Faustus. Ich stellte mir vor, wie ich mich in Kühle hüllte, schneige Kühle, die Kühle des Weisen, der um die angesichts des Ewigen nur allzu flüchtige Natur allen menschlichen Strebens weiß, und trat aus dem schützenden Tempel-Zwielicht in die Vorhalle auf ihn zu."Frater" wandte ich mich ruhig an den Mysten, "ich weiß, wen die Herren meinen. Lass mich ihnen helfen."
Dankend wandte er sich den nächsten Besuchern zu – ob er Verdacht geschöpft hatte? Ich konnte es nicht sagen. Zum Glück war viel los, hoffentlich ging es einfach nur unter.
"Salvete. Folgt mir doch bitte." brachte ich (äusserlich......) kühl wie eine Hundeschnauze über die Lippen, und führte Manius und seinen fischäugigen Sklavenanhang ein Stück abseits, zum Rande der Vorhalle.Dort, im Schatten, zwischen zwei Säulen, blieb ich stehen und wandte mich ihm voll zu, sah ihn zum ersten Mal richtig an, blickte ihm direkt in die Augen und fragte kalt:
"Was willst du?!"
Leider konnte ich dabei nicht umhin zu bemerken: Der verdammte Mistkerl sah...... einfach nur verdammt gut aus. Und mit einem Mal... war ich mir meines ausgesprochen schlichten Äusseren überaus bewußt. Ich trug, wie die anderen Anwärter und Jünger auch, eine Tunika aus ganz normalem ungebleichtem Leinen, mit einem geknüpften Band gegürtet, und Sandalen. Bisher war ich damit völlig zufrieden gewesen... doch angesichts seiner, von verhaltener Eleganz durchdrungenen, und bis ins Letzte einfach nur mühelos noblen Erscheinung... und angesichts dessen, dass sein Sklave zehnmal besser gekleidet war als ich... wandelte sich meine Tunika – Zack! - zum lumpigen Bettlergewand. -
Alle glücklichen Familien gleichen einander.
- Moment! ... Wie in aller Welt komme ich jetzt darauf?! Vielleicht, lieber Leser, weil es über die darauffolgende Zeit wenig zu berichten gibt... obgleich sie für mich so unendlich bedeutsam war. Ich hatte den Weisen meines Vertrauens gefunden, und wir führten lange Gespräche. Ich meditierte im Tempel. Ich half ein bisschen im Garten mit. Ich machte meine kleinen Erinnerungs-Übungen. Ich lernte eine Menge neues – zum Beispiel, dass ich einen Stier in mir trage. Nein - da irrst du lieber Leser! - nicht so wie der Stier von Tarraco!Ich meine den APIS-Stier, den heiligen Stier von Memphis, der sich noch immer verborgen in S E R A P I O wiederfinden lässt.
Die Wochen wurden zu Monaten, das Gras vergilbte, die Sommerhitze legte sich über die Stadt. Doch für mich war diese Zeit, wenn ich das so sagen darf, der Sommer meiner ganz persönlichen Wiederauferstehung. Und irgendwann ließ es sich beim besten Willen nicht mehr leugnen, dass ich als im Rahmen des Möglichen "geheilt" gelten mußte. Im Hospital gaben sie mir ein kleines Bündel zurück, mit den persönlichen Besitztümern, die sie anfangs in Verwahrung genommen hatten – meine Kleider (gewaschen zum Glück), meine (unangetastete!) Börse, mein Eques-Ring. Und ein roter Turbanschal, der mir gar nicht gehörte, war auch dabei... das war der Beweis: den Träumer gab es wirklich!
Das Geld spendete ich gleich mal dem Tempel, bis auf ein paar As. Mit denen kaufte ich mir bei einem der Essenstände am Haupteingang eine wunderbare gefüllte Teigtasche (ohne Fleisch, aber herrlich duftend und genau richtig gewürzt). Im Schatten der Mauer auf einem Stein sitzend verzehrte ich diese köstliche Mahlzeit andächtig. Ich bot auch einem der herumstreichenden Tempelkätzchen einen Bissen an, aber sie hielt nichts von fleischloser Kost.
Und nun?Ich mußte nicht lange überlegen. Hier an diesem Ort hatte ich zum ersten Mal wieder so etwas wie Frieden gefunden und... etwas Größeres. Ich fädelte den Ring auf ein Stück Schnur und hängte ihn mir um den Hals, verborgen unter der Tunika... Faltete den blutroten... mohnroten...leidenschaftlich roten... Schal zusammen und verstaute ihn in meinem Bündel. Darauf ging ich zu Anastasius und sagte ihm, dass ich bleiben und der Kultgemeinschaft beitreten wollte. Er war einverstanden – obgleich er mittlerweile natürlich um meine Identität wußte – verlangte jedoch, dass ich erst eine Zeitlang mit den Initiaten zusammenleben und deren Leben erproben müsse, bevor ich das erste Mysterium erfahren dürfe.
Mir war das recht. Ich versprach ihm, keine Wolle zu tragen, weiterhin kein Fleisch zu essen und mich rein zu halten, und durfte bleiben. Ab da wohnte ich in einem der Schlafsäle, mit vielen anderen Jüngern (und deutlich jünger als ich waren sie fast alle), von denen verwirrend viele auch 'Serapio' hießen, (weil sie diesen Namen bei ihrer Initiation gewählt hatten), nahm am den kultischen Unterweisungen teil, und am Tempeldienst. Bisweilen spielte ich auch die Syrinx als Teil der musikalischen Begleitung der Zeremonien... das gefiel mir am besten. Und so gewöhnte ich mich langsam auch wieder daran, dass da Menschen um mich waren, die mir gar nichts Böses wollten. Ich freundete mich sogar flüchtig mit zwei anderen Tempelmusikern an.
Was meine Vergangenheit anging, so hielt ich mich natürlich trotzdem bedeckt... und abgesehen davon, dass ich meiner Schwester endlich einen Brief schrieb, hielt ich mich von der Aussenwelt ganz entschieden fern... -
Das Fries oben an der Wand, über meiner Pritsche, bestand aus einem Grundmuster von Palmbättern, die gebündelt waren, sich oben auffächernd, wie Garben nebeneinander gestellt, überlagert von einem verschlungen geschwungenen Band. Die grünen und goldgelben Farben waren bereits verblasst und an manchen Stellen abgebröckelt, es hätte eine Auffrischung vertragen können. Immerzu hörte ich den Hymnengesang aus dem nahem Tempel, während ich da im Hospital lag und darüber sinnierte, dass ich wahrscheinlich der erfolgloseste Selbstmörder aller Zeiten war. Wobei es mir nun, so im Nachinein, schon etwas, gelinde gesagt, schnöde vorkam, dass ich mich - auch wenn der Rest der Schweinebande mir gestohlen bleiben konnte - nicht mal von meiner Schwester verabschiedet hatte. Und dann dieser Träumer, dessen Mandelaugen mir als zauberisches Gaukelbild, eben wie ein halberinnerter Traumfetzen, im Kopf herumspukten – war der wirklich gewesen? War da wirklich jemand gewesen, der mich gar nicht gar nicht kannte, und doch bei mir geblieben war, und mir beigestanden hatte, trotzdem ich da, im Abgrund meiner Verzweiflung, etwas vollkommen ungeheuerliches von ihm verlangt hatte...? Wenn es ihn gab... und anscheinend hatte er mich hierhergebracht, also mußte es ihn doch geben – oder? - dann wollte ich zumindest wissen wer er war und mich.. nun ja... bedanken...
Wie kaum verwunderlich, war ich noch ziemlich durch den Wind, und hatte auch so ein paar Probleme, mir Sachen zu merken. Loquex und die anderen Geweihten gaben mir dann haufenweise Verse zum Auswenig lernen ("Üben, Üben, Üben!" – "Und das trinken nicht vergessen – aber nur klares Wasser!")
Ich war nicht in der Position mich dem zu widersetzen. Und sie waren alle... so nett. (Ehrlich jetzt.)Als es mir ein bischen besserging, schleppte ich mich hin und wieder dann mal an die frische Luft, spazierte in meiner unkleidsamen Krankentunika durch die Gärten... Und natürlich zog es mich auch in den Tempel, da saß ich oft stundenlang auf dem Boden vor dem Götterbild, in weihrauchgeschwängertem Halbdunkel, zwischen anderen Mühseligen und Beladenen und Suchenden, umhüllt von ihrem Murmeln, dem Singen der Initiaten und den leisen Knistern der Kerzenflammen. Das war schon ganz was anders hier, als in einem normalen Tempel. Lange hing ich meinen Gedanken nach. Zum einen... war es ja klar, dass Serapis mich gerettet hatte... aber wozu der ganze Aufwand, das war mir schleierhaft!
Ich dachte auch an meine Eltern, dankbar dass sie mir diesen Namen gegeben und mich damit zum Schutzbefohlenen des Gottes gemacht hatten... ich wußte dass meine Mutter mich ursprünglich anders hatte nennen wollen, und ich fand es traurig, dass ich gar nicht wußte, was meinen Vater mit dem Kult verbunden hatte, was es ihm bedeutet hatte, mich so zu nennen – oder hatte ihm vielleicht nur der Klang gefallen? – zugleich wurde mir bewußt, um wieviel jünger mein Vater gewesen war, als er in Mauretanien gefallen war, als ich es nun war... und was man dergleichen so denkt, losgelöst von der Vergangenheit, losgelöst von allem Äusseren, das sonst betäubend auf die Sinne einstürmt... wenn die Gedanken und Erinnerungen wie große Meerestiere aus der Tiefe auftauchen, manche unerwartet, andere wohlvertraut, manche banal, manche grausig, andere sehr schön... Und manche, vom Krieg, die ich schleunigst zurück in die Abgründe, aus denen sie gekommen waren, zurückverbannte.An einem dieser Tage war es, als ich da so saß, zwischen den anderen, die Beine untergeschlagen... da geschah es, dass die Gedanken, die sich so zahlreich um mich getummelt hatten... langsam davonzogen, wie Wolken vor dem lichten klaren Himmel... und eine wundersame Leere in mir zurückblieb. Beschreiben kann ich das nicht, mit Worten...
Eine der Tempelkatzen kam herbeigeschlichen und rieb ihren Kopf an meinem Knie. Selbstvergessen streichelte ich das geschmeidige kleine Tier, spürte das weiche getigerte Fell, und zugleich hörte ich den Priester erzählen. Oder bessergesagt... ich hatte ihn eigentlich schon die ganze Zeit gehört, es war ein älterer Mann mit einer großen Nase, der schon eine Weile in der Vorhalle zu seinen Schülern sprach, aber nun waren meine Ohren mit einem mal auf eine ganz andere Weise offen, und ich vernahm wie er die Geschichte erzählte, von Osiris (der auch Serapis war) und seinem teuflischen Bruder Sethos, von dem perfiden Mord an Osiris und der langen Irrfahrt der Isis......[Blockierte Grafik: http://www11.pic-upload.de/10.07.14/u3q8wliigplj.jpg] | Der Serapispriester Anastasius
...und wie sie nach viele Umwegen und Gefahren endlich den Sarg ihres Bruder-Gatten fand, an der syrischen Küste, verborgen im Gezweig des riesigen Tamariskenbaumes.
"Als Isis nun auf die Lade mit ihrem toten Gemahl blickte, versank sie wieder in allergrößter Trauer. Sie setzte sich auf die Lade und ihr Klagegesang war so schrecklich, dass einer der Söhne des des Königs von Byblos vor Angst dahinschied. Schließlich nahm Isis die Lade mit dem Körper ihres toten Mannes, lud sie auf ihr Schiff und segelte wieder Richtung Heimat...."
Wie sie ihn trauernd über das Meer brachte, erzählte der Priester mit seiner ruhigen, volltönenden Stimme, und die Worte der uralten Geschichte trugen mich mit sich, so dass ich dabei war, als Isis, angekommen in Ägypten die Lade öffnete und Osiris' Körper noch unversehrt fand. Ich sah auch, wie der niederträchtige Sethos erneut sein Werk vollbrachte, wie er Isis fortlockte und sich an die Lade heranschlich, wie er den Leichnam des ermordeten Osiris zerfleischte und zerstückelte, und alle vierzehn Teile über das ganze Land verstreute. Ich sah die treue Isis, wie sie zusammen mit dem schakalköpfigen Anubis auf einem Papyrusboot den Nil entlang fuhr, und die Leichenteile alle bis auf eines wiederfand, wie sie den Körper mit ihren zauberischen Kräften neu zusammensetzten, wie Isis das fehlende Glied selbst neu erschuf...
"So sang sie die Wärme in den Körper des Osiris zurück, und mit ihren Flügeln hauchte sie ihm erneut den Atem des Lebens ein. Er kehrte zurück zu ihr, sie lagen beieinander und Isis empfing den Götterfalken Horus, der wie ihr wisst auch Harpokrates ist."
Er erzählte von der Götterversammlung, die dem Osiris zusprach, wieder König zu sein – jedoch nur in der Unterwelt, als Herrscher des Totenreiches – und beschrieb das Aufwachsen des Horus, beschützt von Skorpionen, in den Sümpfen des Nildeltas versteckt vor Sethos Bosheit.
"... doch wie er zuletzt aus den Schilfwäldern heraustrat, und als Rächer seines Vaters Osiris gegen den Sethos antrat... werde ich euch an einem anderen Tag erzählen." schloß der Priester die ewige Geschichte.Ich stand auf und ging zu ihm. Um ihn war eine Ruhe, fast greifbar (nebenbei bemerkt: ähnlich wie bei diesem ungewöhnlichen Mann damals in der Spelunke, wo die Urbaner sich so dicke getan und ich mir den Kater meines Lebens geholt hatte), und aus seinen Augen sprach eine ungeheure Wachheit und Klarheit, als er mich ansah.
"Ich habe eine Frage... nein, eigentlich mehrere....." sagte ich leise.
"Nur zu." -
[Blockierte Grafik: http://www11.pic-upload.de/10.07.14/m63uiog6j1b.jpg]
....das erste, woran ich mich wieder erinnern kann... als das schwarze Loch mich ausspie... das ist der Geruch. Es roch nach Valetudinarium - Krankheit, bittere Arznei, Körperdünste, schwärendes Fleisch– scheußlich, ich hasse diesen Geruch! Vermischt mit... Weihrauch. Und Stimmen, gedämpft, wie von fern... darunter ein Rauschen und Grollen und Schaben... und monotoner Gesang.
Der Geruch wurde stärker, mit jeden Atemzug. Ich atmete durch den Mund, um ihm zu entgehen... berührte mit der Zunge meine Lippen, die trocken und rissig waren... spürte unter meiner Wange rauhen Stoff, die spärliche Weichheit einer dünnen Matte. Was... wer.. wie kam ich.... Panik stieg in mir auf. Wie ein Schiffbrüchiger, der an fremde Gestade gespült wurde, schlug ich die Augen auf, fuhr hoch, sah mich blinzelnd um, desorientiert, ohne einen blassen Schimmer wo ich war, wie ich da hin kam, was geschehen war, und ob auf dieser Insel kannibalische Zyklopen oder blutgierige Sirenen oder grausame Kynokephalen meiner harrten?!!!!Eine dünne Gestalt näherte sich. "Ja?" Er beugte sich zu mir, fühlte meinen Puls. Der Mann sah nicht aus wie Zyklop. Eher wie ein gastfreundlicher Phäake. Er war jung, trug eine birkengrüne Tunika, hatte das Haar geschoren bis auf eine seitliche Locke.
"Wo bist du?" fragte er mich.
Ich sah ihn groß an. "Das wollte ich gerade fragen." Meine Stimme war schwach, wie eingerostet. Hektisch sah ich mich um, und ja, ich lag auf einer Pritsche in einem Hospital, aber um mich waren keine Soldaten... Die Gallerie von Elendsgestalten, die hier meine Mit-Patienten waren, hätte jeder thessalischen Schauergeschichte alle Ehren gemacht: eine alte Frau, aus deren Fratze milchig trübe Augen blöde starrten, ein Kind, das von oben bis unten in Verbände gewickelt war, ein grindiger Krüppel – ich wandte den Blick schnell wieder ab. Statt dessen sah an mir runter, noch immer verständnislos, nahm Stück für Stück wahr: Ich trug eine ganz einfache beige Leinentunika. Ich war verdammt mager, und so schwach wie ein ausgelaugter alter Lappen. Aber immerhin, alle meine Gliedmaßen waren noch dran. Um meinen Hals hing, als ich danach tastete, noch immer mein altes Serapis-Amulett, das war so ziemlich das einzige das mir hier vertraut war. An meinen Händen war kein Ring. Um mich herum waren mehrere Papyrusstreifen mit Hieroglyphen darauf an das Holz der Pritsche gepinnt.
"Keine Ahnung?"
"Nein..." murmelte ich beklommen.
"Du bist im Hospital des Serapeions, auf dem Ianushügel." erklärte mir der Geweihte, und schob mir einen Wasserbecher zu, den ich benommen austrank.
"Warum?!"
"Vergiftung."
"Wie das?" Doch noch während ich das fragte... brachen die Erinnerungen auf wie Wunden ... Dives, wie er mich stehen lässt, Dives, wie er meinem Blick ausweicht, Dives, wie er die Hand seiner Braut ergreift, und die Menge, wie sie skandalgierig die Nüstern blähte, das hämische Tuscheln, und Licinus, der vorgibt mich nicht gesehen zu haben... und all das zuvor und immer so weiter. Gequält schloß die Augen."Du hast es mit dem Opium deutlich übertrieben" fuhr der Mann munter fort, "doch Serapis Asklepios hat dir beigestanden, und wir haben dich kuriert, mit abessinischem Theriak und gründlicher Bestreichung durch das Alicorn, mit den Glyphen der Macht und Asa foetida und Faulbaumrindenklistier, anfangs täglich, dann.... -"
"Schon gut..." So genau wollte ich das nicht wissen. Aber ganz schön viel Aufwand betrieben die hier.
"Wir haben dieses Gespräch übrigens vor zwei Tagen schon einmal geführt" informierte der Geweihte mich freundlich. Er wies auf eine Wachstafel, die da neben meiner Pritsche lag. Ich nahm sie, klappte sie auf, und las, verblüfft, in meiner eigenen Schrift geschrieben: 'Serapeion Trans Tiberim, bin seit einer Woche hier, der Myste heißt Loquex, sie haben mir Theriak gegeben, wer ist der Träumer?, in Zukunft fleischlos'
"Du hast Glück, dass dein Freund dich gleich hierhergebracht hat. Es geschieht nicht selten, dass wir Patienten aus dieser unseligen Opiumhöhle da drüben bekommen..." erklärte Loquex(?), kopfschüttelnd irgendwohin deutend, "Wenn es nach mir ginge, sollte man den freien Verkauf dieses Zeugs schlichtweg verbieten – es gehört nur in Experten-, nicht in Laienhand!! - und ebenso strengsten verboten gehört die Geißel des Glücksspiels und die käufliche Liebe! – Ja, wieviel Tote, Ruinierte und von Geschlechtskrankheit zerfressene, wieviel trauernde Witwen und arme Waisen sich diese Stadt doch ersparen könnte, wenn die Menschen allesamt etwas vernünftiger wären... - Du solltest dies als Warnung nehmen und in Zukunft die Finger von dem Zeug halten, die Entgiftung liegt hinter dir, die Entwöhnung ist nun essentiell, auch rate ich dir zu nahrhafter, jedoch fleischloser Kost, einen Diätplan haben wir bereits erstellt - und das wichtigste: TRINKEN. Trinken, trinken, trinken, MINDESTENS zwei Kannen Wasser täglich..."Und auf diese Weise redete er mir armem Wehrlosen noch lange ins Gewissen.
"- Welcher Freund?" fragte ich schließlich, als der redselige Diener meines Namenspatrons mich endlich auch mal zu Wort kommen ließ – "...der mich gebracht hat?" – doch da konnte er mir auch nicht weiterhelfen: Dunkelhaarig sei er gewesen. Und so schnell wie er gekommen sei, sei er auch wieder verschwunden. -
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Im Stadtteil Trans Tiberim, am Südhang des Janus-Hügels, steht ein alter Tempel, der der Verehrung des Serapis geweiht ist. Verschachtelte Gebäude und Gärten schließen sich auf mehreren Ebenen an ihn an, sie beherbergen die Kultgemeinschaft, sowie eine Bibliothek und ein kleines Armenhospital.
Der Tempelkomplex stammt noch aus den letzten Jahren der Republik, einer Zeit in der der Kult von Isis und Serapis durch Senatsbeschlüsse immer wieder ausserhalb des Pomeriums verbannt wurde. Mittlerweile ist der Kult längst offiziell anerkannt, einige seiner Feste sind Teil des römischen Festkalenders geworden, und er hat großen Anklang in der römischen Gesellschaft gefunden. Vielleicht weil er den Gläubigen ein ganz anderes, ein mystisches und viel persönlicheres Verhältnis zu ihren Göttern bietet, als die geschäftsmäßigen Rituale des römischen Staatskultes.
Unter den flavischen Kaisern, die den Kult besonders förderten, entstand eine prachtvolle Tempelanlage von Isis und Serapis auf dem Marsfeld (und diese erfreut sich insbesondere unter den wohlhabenden Römerinnen so großer Beliebtheit, dass Ovid in seiner 'Ars Amatoria' jene "weihrauchduftenden Altäre" einem jeden, der auf der Suche nach einer Geliebten ist, wärmstens empfiehlt.)So groß und prunkvoll wie sein jüngeres Gegenstück auf dem Marsfeld ist das Serapeion auf dem Ianuculum bei weitem nicht, und selbstverständlich schon gar nicht zu vergleichen mit dem legendären Serapeion von Alexandria.
Zur Zeit seiner Erbauung stand der Tempel frei, von Pinien und Zypressen umrahmt, doch mittlerweile ist die Stadt den Hang hinauf gewuchert, und der Tempelkomplex ist umgeben von Gassen und Wohnhäusern, zur Rechten bedrängt von einem Mietsstall, zur Linken von einer städtischen Wassermühle, wo sich beständig knirschend das Mahlwerk dreht...Wenn man das Hauptportal der Anlage durchschreitet, gelangt der Besucher auf den grob geplasterten Vorplatz des Tempels, wo ein reges Treiben herrscht, von Gläubigen (meist Leute aus dem Viertel), und von Händlern, die Opferzutaten, Blumenketten, Amulette und heiße Würstchen feilbieten, von Menschen die auf der Suche nach Rat und Weissagung sind und von Kranken die sich Heilung erhoffen. Hin und wieder verirren sich auch ein paar Touristen aus der Provinz hierher, verlassen den volkstümlichen Tempelkomplex aber schnell wieder, um spektakulärere Bauwerke zu besichtigen.
Vor dem eigentlichen Tempel, an der Stirnseite des Vorhofes, erhebt sich ein kleines Exemplar eines Obelisken, ganz verwittert, die schwarze Oberfläche ist abgegriffen von den unzähligen Händen die über den Stein gestrichen haben, und die Hieroglyphen darauf sind nur noch zu erahnen.
Aus roten Ziegeln ist der Tempel gemauert, und von seinem halbkreisförmigen Giebel herab lauert, direkt über dem Altar, mit gefletschten Zähnen ein schauriges Untier mit drei Köpfen – der eines Löwen, der eines Wolfes, und der eines Hundes.
Durch die Tempeltüre, die jeden Morgen rituell geöffnet wird, und erst bei Sonnenuntergang wieder geschlossen, sieht man im Allerheiligsten die Standfigur des Gottes, umgeben von Votivgaben. Auf hellenistische Weise ist Serapis dagestellt als bärtiger Gott der Ewigkeit, gekrönt mit dem ährenumwundenen Kalathos, in der Hand hält er den Schlangenstab.Jede Stunde werden die Hymnen zu seinen Ehren gesungen. Eine Schar von Priestern mit kahlgeschorenen Schädeln, gekleidet in weiße Leinengewänder, sowie von Mysten auf verschiedenen Stufen der Initiation, versieht den Tempeldienst, kümmert sich um die Gläubigen, vollführt Rituale und deutet Träume. Einige, die den Serapis in seinem Aspekt als Gott der Heilung besonders verehren, betreiben in einem flachen Nebengebäude ein kleines Hospital, welches vor allem von den Armen der Umgebung aufgesucht wird (denn bei jenen, die es sich leisten können, ist es ja bekanntlicherweise üblich, sich bei Krankheit einen Medicus nach Hause zu bestellen).
An die Rückseite des Tempels schließt sich die Bibliothek an, sowie die Unterkünfte der Kultmitglieder und die Gärten. Dort befinden sich auch, teilweise unterirdisch liegend, die nichtöffentlichen und nichtzugänglichen Bereiche der Verehrung, von denen niemand, der die Weihen nicht erfahren hat, wissen kann was dort geschieht. Während jene, die es wissen - darüber schweigen.
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"Du erinnerst mich... total an meine letzte Liebschaft..." reminiszierte ich versonnen vor mich hin, während der schöne Fremde weiter auf seiner peregrinen Begriffstutzigkeit gegenüber unserer römischen Mors voluntaria beharte. Es berührte mich nur sehr, sehr fern, denn wenn es eines gab, dessen ich mir sicher war, dann dass ich im Dienste Roms, im Kampf gegen die Verschwörerbrut und beim Einstehen für die Wahrheit auch auf meinem verlorenen Posten mehr Mut bewiesen hatte, als ich es mir (früher) jemals zugetraut hätte. Und damit lächelte ich nur milde, als er den Untergang meiner Welt mit seinen kleinen peregrinen Kümmernissen verglich, und zauste ihm sacht das rabenschwarze Haar. "Der wußte auch nie, wann es besser ist, nichts mehr zu sagen... Und er war schön... ebenso betörend schön wie du... wenn auch ein ganz anderer Typ..."
Eigentlich... war er doch gar nicht mein Typ gewesen... mit seinem sonnig strahlenden Blondhaar... seinen treuherzigen Vergissmeinicht-Augen... eigentlich entsprach der dunkle Träumer mit seinem exquisiten orientalischen Touch doch viel mehr meinem Beuteschema... und trotzdem hatte der Blonde mir mein Herz (oder sollte ich besser sagen, 'die kläglichen Reste, die Manius davon übrig gelassen hatte') gestohlen. "Verraten hat er mich dann... wie sie alle... sobald Fortuna nicht mehr mit mir war... sobald Macht und Pracht und Einfluß dahin waren... hat auch er mich fallen lassen... wie sie alle."
Aber nun war da jemand, jemand der mich so innig tief ansah als würde ihm wirklich was an mir liegen, und ich krallte mich in diese sanfte Illusion, die mich beschirmte, vor der monströsen Einsamkeit, vor der zermalmenden Gewissheit voll und ganz und unendlich ALLEIN zu sein.
Ich erwiderte seinen zauberischen Blick, spielte ein wenig mit dem Kelch in meiner Rechten, streichelte seine Finger mit der Linken.
"Bleib bei mir." bat ich ihn. "Ich habe... habe Angst allein zu sterben." Und so sehr konnte mich kein Rausch entrücken, dass mir bei diesen Worten nicht eine kalte Hand die Kehle zugeschnürt hätte. "Bleib bei mir," bat ich ihn flehentlich, "bis es vorbei ist..... - ja?"Der erste Schluck benetzte kühl meinen Gaumen. Es war ein vorzüglicher Wein, und der vertraute Beigeschmack des darin gelösten Opiums legte sich lindernd auf mein zerfleischtes Gemüt.
"Und ich will es dir erklären..." murmelte ich, "damit auch du verstehst... warum kein Platz mehr für mich ist, in dieser Welt."
Sacht legte ich meinen Kopf an seine Schulter. Es fühlte sich gut an. Ich nahm noch einen Schluck. Diesmal erwischte ich mehr von dem ungelösten, klumpig im Wein herumschwimmenden Zeug, das nicht wirklich gut schmeckte, und würgte es entschlossen herunter. (Eigentlich war das keine Art, das gute Opium zu sich zu nehmen, es zu trinken und zu essen war so grob, hatte nichts von dem sinnlichen Genuß des Rauchens, es entfachte nicht den Geist-erhebenden und Wesen-beflügelnden Zauber der Traumblume, es wirkte ausgesprochen körperlich, ja bleiern... aber ich wollte eben sicher sein).
"Was ich zurücklasse ist nichts als Qual. Alles habe ich verloren. Alles was ich je erreicht habe, wurde mir genommen. Und die Wahrheit, um deren willen ich all dies auf mich genommen habe... will niemand hören. Weil es gefährlich ist. Weil ganz Rom in viehischer Gleichgültigkeit vor denen buckelt, die sich mit Gift an die Macht gemordet haben, die tausende von Soldaten sinnlos zur Schlachtbank führten, die Lüge zu Wahrheit, und Wahrheit zu Lüge und Ehre zu Unehre und Unehre zu Ehre erklärt haben. Ich kann es nicht mehr ertragen: Wie die Römer, um die zu schützen ich gegen die Deserteure und Frevler in die Schlacht gezogen bin, nun meinen Fall verhöhnen. Wie sie mich zum Aussätzigen machen. Wie die, die ich einst für Freunde hielt, mich nicht mehr zu kennen vorgeben, damit mein Unglück nicht auf sie abfärbt. Wie ich sehen muß, wie einst ehrenhafte Männer alles verraten, was sie ehemals hochhielten... um sich einen Platz am Fressnapf des neuen Diktators zu sichern. Wie einer, den ich einst rasend geliebt habe... sich als infamer Verschwörer entpuppt... der mich so ungeheuerlich belogen und benutzt hat, dass ich es noch immer nicht glauben kann. Wie sie sich alle abwenden. Wie... mich selbst... meine Familie... in aller Öffentlichkeit... vor dem Senat... diffamiert, um ihren Stand zu verbessern..."
Kleine Schlucke, nahm ich, immer wieder, während ich ihm dies alles erzählte, leise und stockend.
"Und wenn ich weiter kämpfen würde, weiter und mit allen Mittel – was könnte geschehen, als dass ich mich vollends aufreibe, an der Feigheit und Falschheit dieser Stadt... an die ich früher doch tatsächlich mal geglaubt habe.... und meine Familie würde immer in Gefahr sein. - Oder aber... ich wäre erfolgreich, und es würde zu einem neuen Umsturz führen. Mit noch mehr Blutvergießen. Noch mehr Römern, die sich gegenseitig abschlachten. Noch mehr Leid. Es gibt keinen Ausweg... als diesen."Ich leerte den Becher, würgte das Zeug angestrengt herunter. Der klumpige Bodensatz verkleisterte meine Kehle. Mir war etwas übel... Wie Blei lag mein Kopf an des Fremden Schulter. Und sowie das Blei meine Glieder erfüllte, kam nun eine weiche, warme Gleichgültigkeit über mich. Die Wände der Laube verwandelten sich in Vorhänge aus Buchstaben, die leise gegeneinander klimpernd im Winde wogten... Durch sie hindurch erblickte ich die gesamte Stadt, ja dahinter das gesamte Reich, als ein biblioides Geflecht von Zeilen und Sätzen und Absätzen, schimmernde Lettern und sich verzweigende Stränge und Kolonnen von Einsen vermischt mit aufrecht stehenden "Ovalen". Ich wollte meinem Gefährten berichten, was ich da sah, welche wundersamen Erkenntnisse mir zuteil wurden, doch meine Zunge war so schwer, und ich so unglaublich müde. Ich schloß die Augen. Mein Atem ging... ruhig.... fast unmerklich... still... Frieden. Glücklicher Frieden. Alles, alles was geschehen war, ging mich nichts mehr an, es war nur mehr eine Geschichte, die irgendwann, irgendwo, irgendjemand irgendwem erzählt hatte. Alles war gut...bis auf den Umstand, dass da noch immer diese Übelkeit war, und dass diese Übelkeit... wuchs. Und wuchs...
"...mir ist.... so... schlecht..."
Großartige letzte Worte.~ ~ ~
Dieser träge Halb-Gedanke 'Großartige letzte Worte, Faustus.' ist das letzte woran ich mich noch vage zu erinnern meine. Wie eine sumpfige Insel in bodenlosem Gewässer... Was danach geschah... ist schwarz, abgrundtiefe Finsternis, ein Loch klafft in meinem Erinnern... Doch das "mir ist so schlecht" natürlich nicht meine letzten Worte waren, wirst Du, lieber Leser, Dir sicherlich schon gedacht haben. Denn wären sie es gewesen, könnte ich Dir, lieber Leser, diese meine Geschichte wohl kaum erzählen...
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Das Spielhandbuch finde ich echt gut. Was ich mir noch als hilfreich vorstellen könnte, gerade für Spieler, die noch wenig Erfahrung beim Forenrollenspiel haben, wäre eine Ergänzung der Punkte im Handbuch mit dem Punkt "Rollenspiel".
Dazu fallen mir die Aspekte "Charaktererschaffung" und "Charakterkonzepte" ein, oder solche Fragen wie "wie finde ich ins Spiel", "wie gestalte ich Szenen, die andere zum Mitspielen einladen" (oder auch "Kennenlernen ohne Anrempeln") , "Konfliktspiel", "kleine Geschichten"... Vielleicht auch etwas zu "Hilfe, ich wurde befördert - wie biete ich meinen simon-Untergebenen gute Spielmöglichkeiten".
Wenn da Interesse besteht, würde ich anbieten, etwas dazu zu schreiben. -
"He...!" protestierte ich (sanft), als er mir den Wein (sanft) einfach aus der Hand nahm. "Was soll denn das...?!"
Und dann kam ich auch noch in den Genuß der selben ollen Phrasen, die ich schon von meinem liebsten Massa vernommen hatte, bevor er sich (wieder mal) aus dem Staub gemacht hatte.
"Bona Dea, Dulcis... Es geht hier doch nicht um Lucullus. So sehr war ich nun auch nicht in ihn verschossen. Ich weiß nicht ob er wartet... keine Ahnung, ich weiß nicht was da drüben ist, oder, ob da überhaupt was ist....."
Es gab da ja sehr verschiedene, und größtenteils sehr vage Ansichten. Die Floskel von 'den elysischen Feldern wo unsere lieben Verblichenen weilten', war nun mal... nicht viel mehr als eine Floskel.
Ich seufzte und schüttelte ein wenig den Kopf. Ich mußte niemandem mehr etwas beweisen. Doch der Unsinn, der da von seinen hinreißenden Lippen perlte, reizte mich zum Widerspruch. "Willst du etwa behaupten, Marcus Porcius Cato Uticensis, der große Cato, Verteidiger der römischen Republik, der lieber den Freitod wählte, als sich dem stumpf obsiegenden Unrecht zu unterwerfen, sei ein Feigling?" sprach ich schleppend. Absurd... Mit sanfter Empörung fuhr ich fort:
"Möchtest du etwa der edlen Lucretia, die sich ohne zu Zögern den Dolch in den geschändeten Leib stach, Unehrenhaftigkeit unterstellen? Erkennst du nicht die Tapferkeit des Dichters Petronius, der im Kreise seiner Freunde mit Gleichmut verblutete, weil seine Verse den Mächtigen zu viel Wahrheit enthielten? Du bist kein Römer, nicht wahr Pulcherrimus? So unkundig wie du über die Mors voluntaria sprichst."
Aber dass er mich erneut geküsst hatte – das gefiel mir. Und auch, dass sich dieser mysteriöse Schöne gerade so um mich bemühte... fast so als wäre ich noch immer derselbe wie früher - bevor diese ganze Lawine von Unrat über das Imperium hereinbrach, bevor ich alles verlor - ... gefiel mir... Da konnte nicht mal die Ansammlung schwer erträglicher (Binsen-)Weisheiten, die er mir gerade zuraunte, etwas daran ändern. (Naja... das mit der Wahrheit, die nur für die Unerschrockenen war, war vielleicht doch nicht ganz so verkehrt.)Ich lächelte... desillusioniert (aber sanft).
"Schöner Träumer." flüsterte ich, und hauchte ihm meinerseits einen leichten Kuss auf die Lippen, "hier sucht niemand eine 'Lösung'. Denn es gibt keine. Ich will nur dass es aufhört."
Ich hatte BILANZ gezogen, und jeder vernünftige Mensch musste mir zustimmen, dass es nach alles was geschehen war schon seit langem nur noch diesen einen Weg für mich gab.
"Auch du würdest fraglos verstehen, würde ich dir erklären wie es dazu kommt – aber das tue ich wohl besser nicht, denn es wäre gefährlich für dich."
Ich griff an ihm vorbei und nahm erneut meinen Kelch zur Hand, ließ den roten Wein mit den Schlieren halbgelöster Klumpen im Becher kreisen, und fragte den Träumer dann leise... zögernd, den Blick auf das Rot gerichtet –
"Aber wenn du... mir wirklich helfen möchtest... Es gibt etwas, wofür ich dir sehr dankbar wäre." -
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Was war los? Icarion wand sich, wollte nicht so recht mit der Sprache herausrücken, ganz zerrissen zwischen dem Drang, der Domina gehorsam Rede und Antwort zu stehen, und der Sorge um seinen Herrn... und seiner Ehre als Gesellschafter, der die persönlichen Angelegenheiten seiner Herrschaft stets mit allergrößter Diskretion zu behandeln hatte.
"Es... Ähem... Nun. Dein Bruder hat seit seinem Auszug ja in größter Zurückgezogenheit gelebt. Er hatte keinerlei gesellschaftlichen Umgang. Doch schließlich hat einer, ein einziger, seiner früheren Freunde den Kontakt gesucht. Zu Beginn schien dieses einen wohltuenden Einfluß auf meinen Herrn zu haben, und führte auch dazu, dass er wieder unter Leute ging, doch dann... - Jener Freund hat ihn letztendlich wohl ebenfalls fallen gelassen." berichtete Icarion widerstrebend. "Und seitdem ist mein Herr... verändert. Ich vermute, dass er den Entschluß gefasst hat, dieser Stadt endgültig den Rücken zu kehren. Er sprach gelegentlich davon, nach Hispania zurückzugehen. Doch es gefällt mir nicht, ihn ohne Custodes zu wissen. - In der Herberge zum Salamander, nahe der Via Portuensis." -
Kaum hatte der Bedienstete die Laube verlassen, öffnete ich das Kästchen. Darin lagen die braunschwarzen Klumpen, hinter deren unscheinbaren Äusserem sich eine Unendlichkeit von Traum und Glück verbarg, von Freiheit und Vergessen und....
Ich nahm eines der Stücke zwischen Daumen und Zeigefinger, rieb darüber, prüfte die zähe Konsistenz, roch daran, kostete mit der Zungenspitze. Es war gutes Zeug, eben jenes welches wir gerade rauchten. Ja. Es war mehr als genug.
Just bei diesem Gedanken war es, dass sich die Hände des schönen Träumers so sanft um mein Gesicht legten... er leise zu mir sprach. Verwundert sah ich in an – war ich denn so leicht zu lesen... und vor allem... was interessierte es ihn? Seine Mandelaugen waren dunkle Brunnen. Ein Windhauch ging durch die Laube, ließ die Rauchschwaden tanzen.
"Finden...?" wiederholte ich trist. Eigentlich wollte ich... alles leugnen, seine Frage ins Lächerliche ziehen, und ihm irgendwas von irgendeinem wilden Fest erzählen, welches ich mit vielen Freunden zu feiern gedachte und wofür ich dieses Opium gekauft hatte..... aber die Worte wollten mir nicht über die Zunge kommen.
"Es ist nicht... um etwas zu finden." antwortete ich ihm statt dessen langsam. "Nein... ich habe andere Gründe. - Aber... finden werde ich dabei dann vielleicht... die Antwort auf eine Frage, die... - Seit Edessa stelle ich mir diese Frage... - Und das ist lange her. Mein halbes Leben schon. Es ist so..." begann ich zu erzählen, und mit einem Mal sah ich es wieder alles vor mir, so genau als stünde ich dort... "ich hatte einen Freund, damals, er hieß Lucullus, und hatte... sehr viel Mut und ein großes Herz... und glaubte doch eigentlich an gar nichts... Er war stark und stand mir bei, damals.... Er liebte das Opium, und... ausserdem ein Mädchen namens Luciana.... aber so ganz abgeneigt war er mir auch nicht..." Ich lächelte. Lächelte wehmütig, als ich uns sah, dort, am Ufer des Euphrates im Staub sitzen und kameradschaftlich das Opium teilen, und wie ich - sehr jung war ich da, sehr jung wir beide - dann den Kopf an seine Schulter legte, und er mich 'Blauauge' nannte. Schwer lehnte ich den Kopf in die Hände des schönen Träumers, so wie damals an diese Schultern.
"Doch dann kam die Schlacht. Und vor uns... die parthische Reiterei. Es war wie... Gewitter und Erdbeben und alle Furien und Harpien und Keren zugleich, als die Panzerreiter auf uns zu sprengten. Und Lucullus... er wandte sich zu mir, und rief mir etwas zu, durch das Getöse rief er zu mir: "Faustus! Wir sehen uns dann auf der anderen Seite!"."
Das hatte ich noch nie jemandem erzählt. Wozu erzählte ich es dem Fremden? Mein Gesicht verhärtete sich, ich schloß knapp:
"Er fiel. Ich habe überlebt. Und seitdem frage ich mich... ob er noch auf mich wartet. Auf der anderen Seite. Und sich fragt... warum zum Henker ich so lange brauche."
Nun ja. Jetzt konnte ich es herausfinden. Ich griff nach meinem Weinkelch, und begann das Opium da hineinzubröckeln, Stückchen für Stückchen zu zerpflücken und in den roten Wein zu rühren. -
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"So ist es, werte Domina. Dein Bruder hat mich freigelassen." antwortete Icarion, selbst noch immer verblüfft über diese Tatsache. Zwar hatte er immer an sich geglaubt und nie daran gezweifelt, dieses große Ziel irgendwann eines fernen Tages zu erreichen... doch dass es ihm nun so plötzlich in den Schoß gefallen war... das war ihm beinahe unheimlich. Unter dem scharfen Blick der Dame zumal, fühlte er sich geradezu wie ein Hochstapler.
"Per epistulam." Verschüchtert wies er auf die Urkunde, bot sie der Decima an, falls sie sich selbst davon überzeugen wollte, dass dies alles seine Richtigkeit hat.
"Er hat uns alle freigelassen, alle die wir mit ihm nach Trans Tiberim gekommen waren, alle auf einmal... uns mit einem Peculium versehen und uns fortgeschickt." berichtete Icarion weiter. Seine Miene war besorgt, es bedurfte, nach all dem was zuvor geschehen war, ja nicht viel, dabei weiteres Unheil zu wittern. Darum hatte er sich ein Herz gefasst und sich in die Höhle des Löwen gewagt. Die Domina würde schon wissen was zu tun war. Und selbst wenn nicht, so wäre er dann zumindest der Verantwortung ledig... -
Seltsam war es... diesen Fremden zu küssen... so unerwartet wie unverhofft noch einmal zu küssen... und diesen Kuss mit so viel... Sehnsucht?... erwidert zu spüren. Ihn zu küssen war wie... ein leises Echo... ein schwacher Nachklang all der Küsse, die ich in meinem Leben genossen hatte. Zärtlich waren seine Hände in meinem Nacken, und wie ein leiser Abschiedsgruß des Lebens an mich folgten sie den Pfaden, die so viele andere Hände streichelnd dort gegangen waren. Unweigerlich stiegen da die Gesichter derer, die ich geliebt hatte, empor vor meinem inneren Auge... Das wollte ich nicht. Nicht noch mehr Abschiede. Traurig, und zugleich doch schon sehr weit fort, blickte ich den Fremden an, suchte durch sein Bild die aufsteigenden Erinnerungen zu vertreiben, fuhr mit den Fingern langsam durch sein Haar, so dass das rote Tuch um seinen Kopf sich löste und herabglitt.
"... Wer bist du?" fragte ich ihn, fragte ich ihn nachdenklich. Ich mochte seine Lippen. Ich MOCHTE das falkenhafte in seinen Zügen, den Hauch des Orientalischen. Träge umschwebten uns die Schlieren. Ich mochte die Linien seines Körpers unter meinen Händen... langsam verfolgte ich sie, erkundete sie träumerisch. Merkwürdige Muster waren das, die die Sonnensplitter da um uns in den Rauch malten. Ein Kaleidoskop aus Traum und Licht...... wo hindurch leise der Diener wieder hinzu getreten war. Er brachte uns, ohne sich ob unserer Zweisamkeit eine Regung anmerken zu lassen, eine Karaffe mit Wein, schenkte uns ein, und er versah auch die mittlerweile leer gerauchte Pfeife mit einem neuen Stück Opium. Aber vor allem brachte er mir, fein säuberlich in einem Holzkästchen verpackt, den Opiumvorrat, den ich zuvor "zum Mitnehmen" geordert hatte.
"...Leg es einfach da hin..." murmelte ich.
Der Diener tat wie geheißen, legte es auf das Beistelltischchen neben der Kline. Ich konnte die Augen nicht davon lassen.
Es fing an mit einem Kästchen in Trans Tiberim. Es endet mit einem Kästchen in Trans Tiberim. -
Die Glut der Pfeife erblühte, als der Fremde daran sog, und der blutige Schimmer legte sich auf seine exquisiten Züge, so duftig sanft wie das fallende Blatt einer Mohnblüte. Mandelaugen...
"...Ja." murmelte ich.
Noch hatte ich kaum gekostet vom Opium hier, und das was ich zuvor schon verzehrt hatte war auch nur eine Kleinigkeit gewesen, zudem war ich einiges gewöhnt, und darum trieb ich noch immer an der Oberfläche des Rausches, losgelöst bereits, und doch noch nicht entrückt genug, um zu glauben, dass ein so WUNDERSCHÖNES Wesen wie dieses hier sich einfach aus Lust an der Freude zu einem heruntergekommenen Aussätzigen wie mir gesellen würde. Aber schon entrückt genug, dass ich es nicht mehr hinterfragte... ob er nun ein Handlanger von irgendeinem meiner mannigfaltigen Feinde war, der bei der Farce von Hochzeit meine Spur aufgenommen hatte... oder ein Kurtisan auf der Suche nach Kundschaft... oder ein raffinierter Dieb, der mir die Börse stehlen würde sobald er mich eingewickelt hatte. Es war mir so gleichgültig, vollkommen bedeutungslos, solange da nur... jemand war, zwischen mir und dem Entsetzen.
Sacht berührte er mein Kinn, hob meinen Kopf, ich ließ es geschehen und tauschte mit ihm einen verschleierten Blick, und die Lügen in seinen Augen sahen so täuschend echt aus. Unter seiner Berührung fiel die Taubheit von meinen Lippen, und ich bekam Lust, noch einmal zu küssen, ihn zu küssen. Ich umfasste seine Hand, als er Anstalten machte, sie zurückzuziehen.
"...Bleib." bat ich ihn, und rückte ein wenig zur Seite, damit er Platz finden konnte auf der Ruheliege, neben mir.Dann nahm ich wieder die Pfeife entgegen, und rauchte, langsam, mit halbgeschlossenen Augen. Als ich sie wieder öffnete, und mich leicht aufrichtete, um die Pfeife auf dem Tablett abzulegen, fiel mein Blick, an dem schönen Fremden vorbei und durch eine Lücke im Blattwerk der Laube, direkt in zwei dunkle Augen - zwei uns verstohlen betrachtende dunkle Augen in einem Gesicht, von dem ich nicht hätte sagen können, ob ich es auf den ersten Blick eher als 'kühn' oder als 'verworfen' bezeichnet hätte.
Wo kam denn der auf einmal her, das fragte ich mich im ersten Augenblick verwundert, denn ich hatte ja nicht umsonst eindeutig eine abgeschiedene Laube aufgesucht. Aber auch diese Frage versandete in ihrer Belanglosigkeit, und ich erwiderte den Blick dieses heimlichen Beobachters einen Atemzug lang unverwandt – IRONIE, Ironie des "Schicksals", oder wie auch immer man es nennen möchte, mich in den Augenblicken wo ich der Welt den Rücken kehrte noch einmal mit Männern zu umgeben, die zu schön waren um wahr zu sein – bevor ich mich an den Fremden neben mir heranbeugte, mit den Fingerspitzen langsam seine Wange berührte, den hohen Wangenknochen nachfuhr, den Schwung der Braue.
"... du bist... schön... wie ein Falke am Morgen über den zerklüfteten Ufern des Chaboras..." murmelte ich. Meine Hand glitt an seinen Nacken, hielt ihn, langsam beugte ich mich näher, bis meine Lippen trocken und leicht die seinen streiften. Ich war ausser Übung. Enorm ausser Übung. Aber seine Lippen fühlten sich warm und lebendig an. Sie atmeten. Behutsam küsste ich diese Lippen, opiumsanft und und wehmütig. -
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Nur haarscharf war Icarion den bohrenden Fragen der Decima Seiana entkommen, beim letzten Mal. Ganz knapp war das gewesen.
Und nun... nun stand er doch tatsächlich... freiwillig vor dem Cubiculum der Herrin. In den Händen hielt er, noch immer, das zusammengerollte Pergament, das alles veränderte, und noch immer fiel sein Blick wieder und wieder darauf, und hielt daran fest, sich voll ungläubigen Staunens versichernd, dass es wirklich war."Domina Decima Seiana?" erhob Icarion schließlich die Stimme – deren melodisches Timbre im Augenblick eher belegt klang – und klopfte beklommen an die Türe der Dame.
"Hier ist Icarion." Er verbesserte sich schüchtern: "Decimianus Icarion." -
Durch die von üppigem Blattwerk umrankten Wände der Laube stachen die Sonnenstrahlen, schräg, wie Speere, von gold zu grün sich verfärbend.... ein dämmriges Wassergrün füllte die kleine Kuppel... und dieses unwirkliche Licht sickerte hinein in mein flaches, von den ersten Zügen aus der Opiumpfeife nur sacht umwölktes Dahindösen... Ich war gefallen, in diesem halben Tagtraum, und ich wußte nicht, ob es der Chaboras war, oder der Fluss bei Vicetia, der mich in seine glasigen Tiefen gesogen hatte. Ich trieb dahin, zwischen den Toten, all den toten Kameraden, Treibgut im Strom waren wir alle, und ich dachte mir, in diesem Traum, ganz losgelöst, dass es doch wohl eher der Styx war, der mich verschungen hatte... Die auf und ab wogende Transparenz, die quecksilbrig sich wölbend, dehnend und verschwimmend sich wandelnde Fläche über mir kam näher, und dann durchbrach mein Kopf die Wasseroberfläche. Da sah ich Felsen, nichts als Felsen. Kein Baum, kein Strauch, keine Menschenseele, absolute Einsamkeit. Der Strom, der mit mit sich riss, wand sich durch eine graue Öde scharfkantiger Steinblöcke, und in der Luft lag der Geruch von Asche und verbranntem Fleisch... und ein Brausen. Ein gefräßiges Brausen, dem ich stetig näher kam, und von dem mir, mit jener absoluten Sicherheit des Traumwissens, klar war, dass es mich nicht bekommen durfte.
Ich kämpfte. Schlug mich mit heftigen Stößen durch die aufgewühlten Wassermassen, bis zum Ufer, griff nach den Felsen, glitt ab an Algen und Moder, griff erneut danach, zerschnitt mir an den schieferscharfen Steinen die Hände, reckte mich verzweifelt nach dem viel zu hohen Uferrand, vermochte ihn nicht zu erreichen, fiel zurück in die gierigen Fluten. Dann sah ich ihn... da, auf dem Felsen an dem der Strom mich vorrübereissen wollte, selbstvergessen ruhend, sich räkelnd. Er hatte das Kinn auf die Faust gestützt und seine Augen leuchteten blau, so ungeheuer blau, wie der unendliche Himmel, wie das Meer vor Tarraco in der gleissenden Mittagssonne, blau wie Hyazinthen und Vergissmeinicht.
Ich schrie seinen Namen. Ich streckte die Hand nach ihm.
"Marcus! Marcus Dives! Dulcis Dives! Marcus meus! Hilf mir!"
Wie der Sonnenglanz auf seinem Haar huschte, als er langsam den Kopf zu mir wand. Wie liebevoll sich die honiggoldwarmen Strähnen an seinen elegant geschwungenen Nacken schmiegten. Wie vollendet gemeißelt sich die Muskeln der entblößten Wade in ihrem Spiel abzeichneten, als er sich träge reckte. Wie olympisch die Gleichgültigkeit, als er sich uninteressiert abwandte, und sich mit der schönen Hand, anstatt sie mir zur Rettung zu reichen, lediglich eine Strähne zurückstrich, lasziv hinter das Ohr.
Und schon war ich von der Gewalt des Stromes weitergerissen, und schon war er entschwunden, und in meinen Ohren gellte das Toben und Brausen und dumpf ein Dialog aus längst vergangener Zeit:
"Was mag er denken, der Apoll?" hatte ich gefragt.
Und die Antwort hatte gelautet: "Nichts! Höchstens, wann er endlich von diesem Felsen herunter klettern darf!"
Ich war allein. Unendlich allein.
Ich gab auf.
Der Strom und die Trauer verschlangen mich.Das Entsetzen war noch um mich, als ich aufschreckte. Von den Schritten dessen, der da in die Laube getreten war. Der Diener sei zurückgekommen dachte ich, mit der georderten Dosis. Zittrig richtete ich mich auf, fuhr mir über das schweißklamme Gesicht, und schlug meine mir jetzt erstickend schwer erscheinende Paenula heftig zur Seite. Es war aber nicht der Diener, sondern... ein wohlgestalter Fremder, und er betrachtete mich auf eine Weise, die ich abgewrackte Existenz absolut nicht erwartet hätte – und die mich ausgesprochen argwöhnisch gemacht hätte, wenn ich noch über einen Funken Klarheit verfügt hätte, doch wie die Dinge lagen, war es mir, erdrückt von dieser grauenvollen Einsamkeit, benebelt vom Mohn, vollkommen GLEICHGÜLTIG, ob er ein Angestellter des Purpurgartens oder ein zufälliger Gast oder ein bezahlter Auftragsmörder war. Ich wollte nur nicht so unendlich ALLEIN sein, in meinen letzten Momenten, und darum bot ich ihm sogleich die Opiumpfeife an, reichte sie ihm hastig hin, mit einem maskenhaft verzerrten Lächeln:
"....Möchtest du...........?!" -
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Frühling in Trans Tiberim. Befreit aus der Enge ihrer Behausungen bevölkerten die Menschen luftig gekleidet die Strassen. Kinder spielten fröhlich lärmend, ein Barbier schliff seine Schermesser mit ohrenbetäubendem Kreischen, ein Schuster hämmerte auf dem Gehsteig an seinen Waren, vor einer Garküche drängte sich die Kundschaft... Die Luft war lind, es roch nach Holzrauch, aber noch fast gar nicht nach Müll, die üblen Stadtausdünstungen der Sommerhitze waren nur einen entfernte Vorahnung.
Langsam ging ich durch die Straßen. Was da um mich herum war – lag weit, sehr weit, fort. Betraf mich so wenig, als wäre es ein Bild an irgendeiner Wand, über das im Vorübergehen flüchtig der Blick schweifte. Und auch der Sturm, der getobt hatte und gewütet... hatte sich gelegt, in dem Augenblick als der Entschluß über mich gekommen war. Wie ein Schlafwandler ging ich die Straße entlang. Warm angezogen in meiner Paenula, unter der verborgen ich das Gladius trug, aber kalt, immerzu so kalt von innenheraus.Ich hatte alle Bande gelöst. Und ich wußte jetzt auch, was ich die letzten Male falsch gemacht hatte. Ich hatte es tun wollen, weil es erwartet wurde, und weil es keine stärkere Geste gegen das inthronisierte Unrecht gab als diese, und ich hatte es vor allem tun wollen wie es erwartet wurde. Aber ich war nunmal kein Held. Mir fehlte diese unmenschliche Härte, die vonnöten war, um sich selbst einen kalten Stahl in den Leib zu rammen. Ich fand es sogar... recht barbarisch... meinen Körper, der zugegebenermaßen nicht mehr im Bestzustand war, mir aber doch sehr lange gut gedient hatte, der viel mitgemacht, der bis nach Mesopotamien marschiert und bis nach Nubien geritten war, der sich von schlimmen Verletzungen erstaunlich gut erholt hatte, und, der, bei aller Bescheidenheit, nicht gerade übel ausgesehen hatte, der Begehren geweckt und in vollen Zügen ausgekostet hatte, und der mich jeden Tag mit einem Strom von Empfindungen, einer ganzen Palette lebhafter Regungen versorgt hatte... diesen Körper so grausam zu behandeln.
Aber etwas hatte sich verändert. Die Dinge waren.... klarer geworden. Die verlogene Brut, die sich in dieser Stadt die 'vornehme Gesellschaft' nannte war mir egal. Meine "Freunde" hatten sich im Augenblick meines Falles schlagartig unsichtbar gemacht, von meinen Liebschaften wollen wir lieber schweigen, und für meine Familie war ich auch nur noch ein Hindernis beim Anbiedern an das Mörderegime.
Von daher... war ich jetzt frei, frei es nur für mich zu tun. Und einfach nur weil ich nicht mehr konnte. Und... auf meine Weise.Drüben, auf der anderen Seite des Tibers, hält sich ja hartnäckig das Bild von Trans Tiberim als schmuddeligem Viertel voll von Fremden, kreativen armen Schluckern, Neu-Römern mit Einwanderungshintergrund, dubiosen orientalischen Kulten etc. Diese Leute wären überrascht gewesen von den schmucken Strassenzügen an den Hängen des Ianiculums, von den hübschen Stadthäusern, mit dem Luxus von reichlich Raum erbaut, umrahmt von Palmen und Oleander. Ich ging da vorbei, langsam, schon ausser Atem von der leichten Steigung.
Der Purpurgarten begrüßte mich wie einen alten Bekannten. (Was ich auch war.) Der Türhüter geleitete mich in den begrünten Innenhof, dort umfingen mich die leise perlenden Klänge einer Laute, und der Mohn, ja, der Mohn allüberall in bunt glasierten Töpfen stand er in voller Blüte. In Purpur und Glut prangten die Blumen, in Mondweiß und Safrangelb, durchscheinend fleischfarben und in duftigem Amethyst. Ich steckte die Hand aus, und fuhr langsam, durch die kühlen Blüten. Die Luft war duftgeschwängert, nicht von den Blumen selbst – sie leuchteten ja nur, sie dufteten nicht – sondern von dem Rauch ihres segensreichen Saftes. Die Gäste genossen, manche auf geschmackvollen Klinen unter der Pergola, andere im Garten oder in sich zum Hof öffnenden Alkoven, Morpheus' Gabe.
Ich wählte eine Kline in einer abgeschiedenen Laube. Der Diener brachte mir das übliche, richtete alles her. Zudem orderte ich einen ganz beträchtlichen Vorrat "zum mitnehmen". Er verschwand, um es mir einzupacken. Müde... unendlich müde... lehnte ich mich auf die Kline zurück und griff nach der Opiumpfeife. -
".... Möge Anteros deine falsche Larve mit grindigem Aussatz überziehen! Möge dein roter Lügenmund verwelken, deine Heuchel-Zunge verdorren! Möge die Harpie, der du dich heute in die Klauen wirfst, jeden Tag deines Ehelebens zu einem Tag im Tartaros machen! Mögest du den Kleinmut, mit der du die Gaben des Eros so achtlos in den Schmutz getreten hast, tausendmal bereuen. Und möge all die Macht nach der du so gierig lechzt dir zufallen... und dich zermalmen." beschloß ich meinen Fluch mit versagender Stimme, mich an einer Säule aufecht haltend.
Und was geschah dann? Verdunkelte sich der Himmel? Erbebte die Erde? Barsten die Mauern? Tat sich ein Abgrund auf, um den treulosen Heuchler zu verschlingen? (Und die ganze toxische Gästeschar gleich mit?)
Nein....
Gar nichts geschah... mal abgesehen von einem rügenden Blick der Quintilia... die Zeremonie ging weiter, ebenso der seichte Kleinsprech drumherum... die Männer schwatzten von ihren Karrieren und die Frauen von schönen Kleidern...
(Die braven Römer waren offenbar in ihrer Ignoranz so gut geschult durch die Kaskade bizarrer Ereignisse, die während des Ulpiermörders unaufhaltsamen Marsch zur Macht über das Reich hereingebrochen waren, dass die guten Leute etwas, das nicht sein "durfte", schon gar nicht mehr wahrnahmen.... Wer daran gewöhnt war, Augen, Ohren und Mund stets verschlossen zu halten, und sein Hirn tunlichst nicht zu benutzen, um der Gefahr zu entgehen, das Offensichtliche zu sehen – dass unsere Wirklichkeit Risse bekommen hatte, durch die hindurch wahnsinnige Schicksalsweber wider jede Vernunft und Logik, jedoch mit Hilfe von sehr viel Regen, den übelsten Abschaum auf dem Palatin hatten einziehen lassen – wer gelernt hatte all dies zu übersehen, der nahm natürlich einen einfachen Skandal wie diesen hier längst nicht mehr war.
Und doch kam ich nicht umhin mich zu fragen, wie unser Reich eigentlich diesen ungeheuren geistigen Kahlschlag verkraften sollte? Was ist eine Gesellschaft, in der nur noch diejenigen reüssieren konnten, die Scheuklappen anlegten und an Propaganda glaubten, welche so plump daherkam, dass ein mäßig begabtes Kind sie durchschauen müßte? Oder auch diejenigen, die vorgaben diese Lügen des Regimes zu glauben?
Es war... leider... eine Gesellschaft der Törichten und Heuchler. Und es war auch eine... verkehrte Welt... in der die Leute sich allen Ernstes empört von mir abwandten, weil ich mit der Garde ausgezogen war, um Rom, um die Bürger der Stadt, um sie selbst, vor den Kriegshorden des Ulpiermörders zu beschützen, anstatt wie sonst alle den Kopf in den Sand zu stecken und am Ende zum Gewinner überzulaufen.)Meine Welt war es jedenfalls nicht mehr. Für mich war hier kein Platz mehr – was keine neue Erkennis war. Natürlich hätte ich nicht auf dieses Fest kommen sollen. Es war ja nur das verzweifelte Klammern an die allerletzte Hoffnung gewesen, die mich dazu gebracht hatte, mich dieser Schlangengrube auszusetzen. Schöner Iulier, letzter Strohhalm, falsche Hoffnung... was blieb war unendlicher Überdruss. Und Ekel. Ein geradezu körperlicher Ekel. Es ekelte mich an, wie unterwürfig die stolzen Römer sich diesem irrwitzigen Unrechtsregime beugten. Es ekelte mich an, wie leichthin sie Dinge wie Wahrheit, Loyaltät und Treue auf den Müllhaufen der Geschichte warfen. Es ekelte mich an, wie hämisch sie alles geringschätzten, was über das Zusammenraffen von persönlichem Vorteil hinausging, wie sie ihre Fähnchen nach dem Winde hängten, begierig sich beim Ulpiermörder einzuschleimen.
Um Rom und diese Leute zu beschützen hatte ich alles gegeben und alles verloren.
Ich wandte mich ab. Genug.
Der Quintilia und ihrem Verlobten zum Abschied vage zunickend ging ich mit versteinertem Gesicht durch das Atrium zum Ausgang. Es hätte eigentlich nicht mehr schlimmer werden können. Wurde es dann aber doch. Denn da erblickte ich ausgerechnet Licinus, meinen "alten Freund", dessen Verrat mich unter all den "Freunden", die mich sang- und klanglos genau dann im Stich gelassen hatten als ich sie am meisten gebraucht hätte, am ärgsten schmerzte... weil ich bei ihm so garnicht damit gerechnet hatte. Er stand da und unerhielt sich munter, und tat so als würde er mich nicht sehen. Aber ich hatte bei weitem nicht mehr die Kraft, mich einer solchen Begegnung zu stellen. Einen Augenblick lang sah ich ihn an, stumm, traurig und mit unverholener Verachtung, dann wandte ich den Blick ab und ging an ihm vorbei hinaus.
Geh doch zum Hades. Geht doch allesamt zum Hades.Als ich auf die Straße trat, darum kämpfend mich zu fassen, mich einfach nur soweit zu fassen dass ich nicht hier vor dem Haus zusammenbrach, fuhr schneidig mein Streitwagen vor. Ja. Mein zu diesem Anlass überhoffnungsvoll reaktivierter, und nun grotesk unpassender Streitwagen. Ravdushara, lässig die Zügel haltend, sah auf mich, sah zur Porta... wo sich niemand zeigte... und mit jetzt sehr beherrschter Miene wieder zu mir. Er bot mir die Hand, hievte mich in die Kanzel und fuhr an. Die Biga holperte über das Pflaster. Ich klammerte mich fest.
"Fahr schneller."
Er schnalzte mit den Zügeln, und der Wagen fegte, sämtliche Strassenverkehrsregeln mißachtend, durch die Straßen. Der Fahrwind zerrte wie wild an meiner Toga, trocknete die Feuchtigkeit auf meinen Wangen. Adios Silberstreif am Horizont. Adios Marcus Dulcis Dives...