"Niemand ist unverwundbar. Cornelius hat das Charisma einer Scheibe Gerstenbrot, und was ihn zum Sieg geführt hat ist vor allem der Umstand, dass die Schicksalsmächte eine jede Armee, die sich ihm entgegengestellt hat, mit verheerenden Wolkenbrüchen bedacht haben."
Und mit anderen Absonderlichkeiten. Was da geschehen war, wie riesige Heere im Schlamm versunken, die Ravennaflotte sich in Luft aufgelöst und die Speere der Misenumflotte sich in Strohhalme verwandelt hatten, war nun mal so absurd, dass man sich nur noch in einer miesen Schmierenkomödie hätte wähnen können – wenn das ganze nicht tausende von höchst realen Toten gefordert hätte. Wenn das ganze nicht so viele gute, anständige Römer zu rückgratlosen Wendehälsen verformt hätte. Wenn es mich nicht alles gekostet hätte, was mir einst lieb und teuer gewesen war.
"Aber es kann ja nicht immer regnen. Dieser Schicksalsirrsinn, diese Raserei der Parzen, das kann nicht ewig währen. Was den Giftmörder jetzt auf dem Thron hält, das sind Leute wie DU, Vater! Die es eigentlich besser wissen, als einem solchen Schwein zu huldigen, die eigentlich besser sind, und die doch vor ihm den Rücken krumm machen!! Das ist die Realität!"
Früher, da hatte ich gezittert und gezagt vor dem Zorn meines Vaters. Jetzt war ich so dermaßen desillusioniert und enttäuscht und verzweifelt, dass es mich kaum berührte. Selbst das Unerhörte daran, dass ich, der ich Livianus so viel verdankte, so mit meinem verehrten Vater sprach, wie ein guter Sohn es niemals hätte tun dürfen, war mir gleichgültig... oder jedenfalls... war es gerade weit weg...
Ich hustete meine Kehle frei und begehrte mit kratziger Stimme ein letztes Mal auf:
"Ich habe verdammt noch mal nie davon gesprochen, auf der Stelle unüberlegt einen offenen Krieg anzuzetteln – ich sage, es ist unsere Pflicht, die Wahrheit zu verbreiten und den Widerstand zu entfachen, bevor die beschissenen Propaganda-Lügen des Ulpiermörders jeden Keim von klarem Denken hier in dieser Stadt ersticken!! Bei allem was du sagst, höre ich am allerlautesten das, wovon du NICHT sprichst! Das ganz entscheidende, was du ausspart, ja, nicht mal zu hören vorgibst! Ich habe dich gefragt, Vater: Wie kannst du dem Mann dienen, der deinen Kaiser und seine Familie, die Ulpier, denen du TREUE geschworen hast, vergiftet hat? Der einen BÜRGERKRIEG verschuldet hat! Der das Reich, dem wir dienen, in ein Meer von Blut getaucht hat? Der sich auf übelste Weise an deiner Familie vergriffen hat! Der EHRE zu Unehre und Lüge zur Wahrheit erklärt! Wie kannst du alles verraten, wofür unsere Familie steht, alles was du mir einmal beigebracht hast, um dich einzureihen bei den Feigen und den Ehrlosen...?! - Das habe ich dich gefragt, Vater, und dein Schweigen, DEIN SCHWEIGEN IST OHRENBETÄUBEND!!!"
Mein Brüllen auch. Ich mußte wieder husten, wurde heftig geschüttelt davon, dann warf ich die Decken ab und erhob mich zittrig von der Kline, und ging. Ging, wankend, einfach fort. Durch den Garten. Meine Stirn glühte, meine Schläfen pochten dumpf, und mir war so erbärmlich kalt. Ich wollte nichts mehr hören!! Ich hasste meinen Vater in diesem Augenblick, hasste ihn dafür, dass er mich im Stich ließ, dass sich zu den Scherben meines Lebens nun auch die Scherben des Bildes gesellten, das ich stets von meinem Vater gehabt und gehegt hatte.
Ich würde nicht in diesem Haus, konnte nicht in seinem Haus bleiben! Aber fürs erste kam ich nicht weiter als bis in mein Cubiculum. Erst ein paar Tage später – und da hatte mein Vater tatsächlich das Konsulat errungen und feierte gerade fröhlich seine erfolgreiche Annäherung an das Mörderregime – war ich hinreichend genesen um nach dem folgenden Zerwürfnis dann auch wirklich fortzugehen...