Beiträge von Faustus Decimus Serapio

    Ich hatte gedacht, über ihn hinweg zu sein. Das hatte ich tatsächlich gedacht, nachdem mein Zorn darüber, dass er mich am Ende einfach nur sang und klanglos versetzt hatte abgeebt war, nachdem alles 'ich hasse ihn' und 'nie wieder' in den Wind geschrien und verweht war. Ich hatte ihn fein säuberlich in eine kleine Kiste gesteckt, beschriftet mit 'weiteres Desaster', und ihn zwischen die Kisten 'Hannibal' und 'Massa' gestellt. Aber das war.... mehr als voreilig gewesen. Hier, in seinen Armen, war von einem Augenblick zum anderen alles so, als hätte es allen Hader niemals gegeben, als wären wir noch immer... Liebende.
    Küssen, ihn küssen... ich versank in einem Meer von Glückseligkeit, ich wollte nie wieder etwas anderes tun als ihn küssen, innig küssen, er hielt mich in seinem Bann... oder vielleicht wollte ich doch noch was anderes, ich schmolz dahin unter seinen Berührungen, ich erwiderte sie zärtlich, fuhr ihm über den Rücken, zog die Tunika aus dem Weg, suchte bloße Haut um mit meinen Fingerspitzen darauf zu schreiben wie sehr ich ihn wollte.
    "Manius!" murmelte ich, mich seiner vergewissernd, "Manius... Ich hatte solche Angst du wärst tot."
    War es die Erinnerung daran? Jedenfalls öffneten sich die Schleusen meiner Gedankenströme erneut, und ich hielt inne, meine Arme um ihn geschlungen, meine Wange an seiner. Warum war er hier? Er schwebte in tödlicher Gefahr. Er war sicher nicht hierhergekommen um eine alte Liebschaft aufzufrischen.
    "Warum bist du hier?" fragte ich leise, beinahe verlegen, so unpassend, ja, kleinlich erschien es mir angesicht der Überwältigung durch unser Wiedersehen mit solch banalen Dingen in die Freude einzubrechen. "Sag mir..." - ich lachte auf, aber nicht weil mir nach Lachen war - "sag mir bitte, dass du nicht hier bist, um mich zum Verrat zu überreden."

    Grinsend betrachtete ich das ungleiche Duell. Iunius hielt sich freundlich zurück, doch auch so machte der Zerlumpte alsbald einen Abgang. Ich wandte mich wieder zu Romana, noch immer in der Absicht, ihre Wünsche in Erfahrung zu bringen, doch dann geschahen zwei Dinge die mich ablenkten: Massa erschien auf den Tempelstufen, und schien hierher zum Speerwerfen zu streben. Auf eine Begegnung mit ihm konnte ich wirklich verzichten!! Der Tag war zu schön um ihn mir von ihm versauen zu lassen.
    Und Secundus, wie gerufen, hatte jetzt genug von dieser Attraktion und strebte zur nächsten.
    "Ich will Streitwagen fahren, darf ich bitte Steitwagen fahren!?"
    "Aber das kannst du zu Hause doch jeden Tag..." widersprach ich mild, doch ich verstand natürlich dass es hier noch viel attraktiver war, und ließ mich bereitwillig von ihm in Richtung Biga ziehen, rief meiner Cousine noch zu:
    "Entschuldige Romana, ich muß mal eine Runde mit ihm fahren. Bis gleich!"


    Vor dem Tempel auf einer Bretterbühne wurden unter Rheas Zeremonienaufseherschaft, und gegen Diebe gut bewacht, gerade die Preise präsentiert: edle Gewänder, wertvolle Schmuckstücke, ein stolzer hispanischer Fuchswallach, und als Hauptgewinn ein lebensgroßes bronzenes Fortunastandbild für das eigene Atrium. Mit einem einzigen mickrigen Los gabs die Chance auf den ganz großen Gewinn... wenn das mal nicht fortunagefällig war!


    Ravdushara kehrte mit der Biga eben von einer Spritztour zurück. Er schien Spaß an seiner Aurigarolle zu haben und lachte von einem Ohr bis zum anderen, ein seltener Anblick. Ich schickte ihn Pause machen und bestieg mit Secundus die Kanzel, hieß ihn sich gut festhalten und ergriff die Zügel, lenkte meine schönen Schimmelstuten auf die große Wiese, ließ sie antraben und dann – hui – eine Runde im Galopp dahinfegen.

    "Um keine Zeit zu verlieren?!" wiederholte ich fassungslos. "Das ist die allererbärmlichste Ausrede die ich je gehört habe!" Und was ich ihm vor allem anderem vorwarf – sein Wort gebrochen zu haben – darüber ging er hinweg als wäre es vollkommen belanglos!
    "Gewesen, ja, gewesen..." Ich hätte nicht fragen sollen. Nun hatte ich meine Antwort, in Worten und Handeln, und mir war nur noch hundeelend.
    "Ich erkenne dich nicht wieder."
    Erst Seiana angreifen und sich dann rasch aus dem Staub machen. Na bravo! Wie hatte ich in diesem Mann jemals einen Achilles sehen können? Oder, wenn er wirklich einer gewesen war... wie in aller Welt hatte er sich so plötzlich in diesen Lump verwandelt?
    Ich wandte mich ab, wollte ihn nicht weggehen sehen, es war zu schmerzhaft, angesicht dessen was ich mal mit ihm geteilt hatte. Wenn ich ihm bloß nicht so viel schulden würde!! .... egal wie unsäglich widerwärtig er sich aufführte, es änderte daran leider nichts. Wie eine schwer lastende Eisenkette, die ich wohl niemals loswerden konnte.
    Langsam, schleppenden Schrittes, ging ich zu Seiana. Sie sah gar nicht gut aus. "Lass dir nichts einreden. Er..... er setzt alles daran ein Zerwürfnis herbeizuführen. Er weiß nicht, was es bedeutet eine Familie zusammenhalten zu müssen, und er sagt das alles nur, weil er genau weiß wo es wehtut."

    Damit hatte ich eine Entscheidung getroffen, und auch wenn mir bei all diesen Zwiespältigkeiten gar nicht wohl war... es war immerhin eine Entscheidung, und somit war ich in gewissem Maße erleichtert. Ich schmunzelte über Seiana Scherz, krauste die Nase und schüttelte den Kopf – nein, besser nicht. Aber etwas Ablenkung könnte ich wirklich vertragen! Wie schade dass der schöne Iulier nicht hier in Rom lebte, ich wäre doch in Versuchung diese Bekanntschaft weiter zu verfolgen... Aber kaum waren meine Gedanken abgeschweift, pfiff ich sie wider zurück.. denn es gab im Augenblick doch tatsächlich wichtigeres als mein Liebesleben.
    "Hmm... mal sehen. Leicht wird es jedenfalls nicht."
    Allein die Vorstellung, wieder für längere Zeit in die Carcer-Welt einzutauchen, ließ einen dunklen Schatten über mich fallen... Dann, bei den Gedanken daran, was mein Dienst alles so unangenehmes mit sich brachte, fiel mir noch etwas anderes ein:
    "Übrigens... ich weiß ja nicht ob du es schon weißt, aber... also, der Procurator a libellis war bei mir – ein echt schmieriger Kerl... - und der hat fallen lassen, dass der Kaiser dich zum Eques erheben will!" Ich lächelte ihr zu, mächtig stolz auf meine bedeutsame Schwester. Ich konnte mir denken, dass sie, die bemüht war keine Partei zu ergreifen, das vielleicht deswegen nicht so gut fand... aber "Du hast das verdient. Kaiser hin oder her."
    Auch Pompeius' unverschämte Mutmaßungen kamen mir wieder in den Sinn. "Und dann hat er noch irgendwelche komischen Andeutungen gemacht, wegen der alten Geschichte zwischen dir und der Iunia. Als ob das irgendwie jetzt noch von staatstragender Bedeutung wäre... " Ich schüttelte verständnislos den Kopf. So ein Wichtigtuer...

    Voll Stolz und Faszination beobachtete ich vom Pferderücken aus die perfekte Vorführung der Garde- meiner Einheit! Besonders spannend fand ich es, die Einzelkämpfe ausserhalb der Formation zu sehen... und zur Abwechslung einmal die herausragenden Künste der einzelnen, hervorgehoben aus der Schlacht-Maschinerie, würdigen zu können.
    Beim nun folgenden Höhepunkt der Darbietungen stand aber nun wieder die Formation ganz im Mittelpunkt. Voll Vorfreude sah ich den Aufmarsch der "beiden Einheiten", und als sie sich Auge in Auge gegenüberstanden meinte ich beinahe diese besondere, unheilsschwangere, wie vor einem Gewitter bis zum Bersten mit Spannung aufgeladene Atmosphäre wie vor einer wahren Schlacht, wahrzunehmen.
    "Beginnt!" gab ich das Kommando, verfolgte gebannt die Entwicklung dieses Manövers.

    Zeitverschwendung. Nichts anderes war dieser Besuch gewesen. Oder vielleicht hatte es mir noch einmal vor Augen geführt, das meine Familie nicht ohne Grund für gewöhnlich keinen Umgang mit den Germanicern pflegte. Ich verabschiedete mich und machte mich auf den Rückweg, hoffend dass ich in nächster Zeit von solch vergifteten Einladungen verschont bleiben würde.

    "Ein Verurteilung, Germanicus, wäre sein Tod." antwortete ich ungerührt. Und das wohl zurecht, denn wer den Kaiser vergiftet hatte, verdiente (eigentlich) nichts besseres, eher noch schlimmeres, wie zum Beispiel eine besonders qualvolle Hinrichtung. Von daher sollte er sich, wenn ihm tatsächlich etwas an Vinicius' Schicksal lag, eher darüber freuen, dass die Untersuchungshaft (rein rechtlich gesehen war es nichts anderes) noch immer andauerte. Aber ich hatte nun wirklich genug von den Versuchen mich auszuhorchen und zu bestechen, und solch an Hochverrat grenzendes Gerede verdarb mir ausserdem den Appetit. Ich war nach einem Lammspieß schon satt.
    "So, ich muß mich dann mal wieder aufmachen." Ich richtete mich auf und säuberte mir die Hände. "Ich bedanke mich für deine Gastfreundschaft. Das Essen war vorzüglich. Und grüß bitte Lucilla von mir."

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    Die Türe schloß sich hinter uns. Uns... Er und ich, war es nicht ein Naturgesetz, dass zwischen uns unüberwindliche Entfernungen waren, das Mare Nostrum, oder eherne Standesgrenzen, oder der Umstand dass er ein Proskribierter war und ich... Gardepräfekt! (Ein Dichter hätte das nicht krasser ersinnen können, als es die Wirklichkeit erschaffen hatte.) Aber er war hier, in meinem Arbeitszimmer, dessen vollkommen alltägliche, banale Erscheinung absolut nicht der angemessene Rahmen für dieses weltenerschütternde Wiedersehen war.
    Ich betrachtete ihn ungläubig, ohne auch nur einen klaren Gedanken fassen zu können... aber dann war ich auch schon auf ihn zugegangen und hatte ihn fest in die Arme geschlossen.
    "Du lebst." flüsterte ich, ihn in meiner Umarmung haltend... ja, er war es. (Und wäre er mit der Absicht gekommen, ein Attentat auf mich zu verüben, dann wäre ich ab dem Moment Geschichte gewesen. Aber da hatte ich nochmal Glück gehabt.)
    Ich schloß die Augen und, noch immer frei von Gedanken, spürte ich seine Schultern, von mir umschlungen, seinen Körper, seinen Atem, den rauhen Stoff seiner Tunika, das Bartgewirr, das meine Wange streifte. Er roch ganz anders als in meiner Erinnerung, nach Garküchendunst und Pferd anstatt nach den exquisitesten Duftölen, aber ich ließ diese Wahrnehmung und das wofür sie alles stand, nicht bis in meine herrliche gedankenfreie Zone vordringen, ich hielt die Augen geschlossen und verspürte in diesem der Welt gestohlenen Augenblick nur eines: er lebte und das machte mich unbeschreiblich glücklich.

    Nur nichts anmerken lassen...! Das Blut rauschte mir in den Ohren, und mir war, als müsse die ganze Casa erfüllt sein vom raschen Schlag meines Herzens, das pochte so laut wie eine parthische Kriegspauke! Wenn ich nur dieses kleine, so charakteristische schiefe Lächeln sah... an was das mich alles erinnerte.... Mir wurde heiß und kalt und mein heiteres Lächeln schien mir nur noch eine maskenhafte Grimasse zu sein. Mein Blick ging von Manius zu Massa – hoffentlich hatte er keinen Verdacht geschöpft! Ich wußte nicht ob ich ihm noch trauen konnte, er hatte mir zuletzt eine unberechenbare, fiese Seite von sich gezeigt, und er wußte ja auch viel zu viel über diese meine tragische Liaison. Wie hatte ich mich nur ausgerechnet an seiner Schulter ausheulen können....? Zum Glück hatte ich ihm wenigstens den Namen verschwiegen, sonst wüßte er jetzt genau was gespielt wurde.
    Mit Mühe wandte ich meinen Blick von beiden ab, und richtete ihn statt dessen auf den Durchgang links des Tablinums. Immer schön einen Fuß vor den anderen setzen, Faustus.
    "Hier entlang..." sagte ich, und führte Manius vom offenen Feld herunter in die Deckung meines Officiums.

    Mitten in die Fresse! Das hatte er verdient! Das tat so gut!! Aber meine Hand schmerzte von dem Schlag. Ich rieb sie, einen Schritt zurückweichend, angespannt Massas Reaktion erwartend, ihn sprungbereit taxierend... doch wieder Erwarten schlug er nicht zurück, hielt sich nur an der Säule. Vielleicht weil ihm selbst im Grunde doch klar war, dass ihm dieser Schlag gebührte?
    Römer, Griechen, Hispanier..... Seiana hatte Recht, sollte er doch bei der Classis ein ruhmloses Dasein fristen.
    "Massa was redest du für einen Unsinn??!" fauchte ich verständnislos auf seine wirren Worte, noch immer zornig, aber nicht mehr ganz so rot umnebelt wie vor dem Schlag. "Das ist so lächerlich! Der Präfekt wusste sehr genau dass ich dich als Optio ad spem ordinis wollte! - Was?! Ich fass es nicht! Du hast meinen Brief nicht mal gelesen?!!" Da hätte ich es mir echt sparen könne, mir den Kopf über meine womöglich zu harsche Wortwahl zu zerbrechen, wenn es schon so weit war, dass er das was ich ihm zu sagen hatte, lieber ignorierte. "DU hast mich hintergangen! DU hast dein Versprechen gebrochen! DU hast mich im Stich gelassen, dich kaltblütig von mir abgewandt, mich auf die schnödeste nur vorstellbare Weise abserviert, und dann... dann hast du nicht mal den Schneid meine Antwort zu lesen?!"
    Ich schüttelte den Kopf, hob die Hände gen Himmel, als würde irgendwo da oben am Firmament vielleicht eine Antwort zu finden sein, die mir erklärte, wie sowas sein konnte.
    "Bin ich dir so gleichgültig?" Vehement wiederholte ich die Frage, wieder auf ihn zugehend, ihn bei den Schultern packend, ihn mit der Kraft der Verzweiflung gegen die Säule drückend. Ich hatte ein Recht auf eine Antwort! Ich hatte ein Recht darauf, dass er mich SAH! Massa, Hannibal, ja sie waren alle groß darin mich nicht mehr zu sehen, sich ohne Gewissenbisse einfach wortlos aus dem Staub zu machen... "Sieh mich an!! Antworte mir!" Es war schon beinahe ein Flehen. "Bin ich dir so gleichgültig?!"

    Secundus war mit Feuereifer bei der Sache, und als schon nach wenigen Versuchen sein Iaculum geradewegs in den finsteren Togamann fuhr, und in der Holzwand steckenblieb, da waren wir beide mächtig stolz. Er bekam ein Los für die große Lotterie überreicht, und dann hies es nur: "Nochmal!!"
    "Na gut." sagte ich. Wir hatten ja Zeit. Während er weiter mit den Speeren übte und die hölzernen Gegner zur Strecke brachte, gesellte ich mich zu Romana. Wieder ließ ich meinen Blick durch die Menge schweifen, betrachtete die Menschen, winkte kurz meiner Großcousine Messalina zu, die in ihrer weißen Tracht wie immer auffällig aus dem Meer bunter Flecken herausstach.
    "Dies hier sind nicht die Speere, die wir für gewöhnlich benutzen." erklärte ich Romana "Sie gehören eher zur Reiterei. Aber mit einem Pilum wirklich was zu treffen, ist eine ganz andere Herausforderung."
    Wenn ich so drüber nachdachte, war Romana die perfekte Begleitung für mich: eine das Auge erfreuende Erscheinung, kunstsinnig, wortgewandt, fröhlich, freundlich und bescheiden. Ich konnte gar nicht mehr verstehen, was mir anfangs an ihr mißfallen hatte! Wenn ich heiraten müßte - und ich konnte das wirklich nicht mehr allzu lange vor mir herschieben.. - dann sollte meine Frau genau so wie sie sein... oder vielleicht doch lieber mehr wie Seiana?...Nein, die würde mir ja dann ständig in alles reinreden. Bei Romana konnte ich mir nicht vorstellen, dass sie ihrem Mann viel widersprechen würde. Aber ob sie auch in Gesellschaft brillieren, stramme Söhne gebären, einen großen Haushalt organisieren und Zucht und Ordnung beim Gesinde aufrechterhalten könnte, das war natürlich die andere Frage. Sie wirkte so zart, vielleicht zu sehr.
    "Sag, liebe Cousine, was möchtest du gerne tun?" fragte ich sie zuvorkommend. Dann fiel mein Blick auf die zwei Kämpfer, die gerade nebenan zum Strohsackduell antraten, und ich machte sie auf die beiden aufmerksam.
    "Sieh mal, die Duellanten dort. Der linke ist Gardeoptio, ein Iunier, guter Mann. Pass auf, der wird den anderen gleich mitsamt Strohsack in Grund und Boden rammen..."

    Ich war zu spät! Als mein Beneficiarius mir den Stapel heutiger Schreiben auf den Tisch gelegt hatte, war ich gerade vollauf mit der Planung der Carales-Mission beschäftigt gewesen, und dann war ein Speculator aus dem Norden zurückgekommen und hatte interessantes zu berichten gehabt, und dann war dies gewesen, dann das, und erst als der Tag schon zur Neige ging, arbeitete ich mich durch den als "nicht dringend" vorsortierten Teil der Schreiben... Einladungen, Denunziationen, Schmeichelbriefe, Bestechungsversuche, Gnadengesuche, Werbung, und dann diese unscheinbare kleine Tabula, die wie ein greller Blitz in meine mittlerweile doch wieder recht wohlgeordnete Welt einschlug.
    Manius?!!
    Auf dem hastigen Weg zur Casa war ich für meine Aussenwelt wie blind, in meinem Schädel rasten die Gedanken, wie die Flügel einer Windmühle im Tramontana: Ist es wahr?! Kann das sein?! Und was wenn es eine Falle ist?! Ich darf mir nichts anmerken lassen. Es könnte mich den Kopf kosten. Aber ist es wahr?! Kann das sein?!


    "Ephialtes" sprach ich mühsam beherrscht zu unserem Ianitor, als ich in das Vestibulum trat "Wenn später ein Besucher für mich erscheinen sollte, dann tu bitte folgendes... -"
    "Verzeih Herr, du hast bereits einen Besucher. informierte mich freundlich unser Ianitor. "Aton aus Alexandria. Dominus Massa empfängt ihn soeben im Atrium."
    .... Er war hier. Er oder jemand der unser Geheimnis kannte, der sich für ihn ausgab... Ich wurde blass um die Nase bei dem Gedanken in welch tödliche Gefahr dies meine Familie stürzen könnte. Und Massa? Beim Geifer des Cerberus – ich verschluckte einen Fluch - was für eine... unglückliche Konstellation.
    Ruhig Blut Faustus. Lass dir nichts anmerken Faustus.
    Ich atmete tief durch, warf meinen Mantel über die Schulter zurück und trat in Atrium...


    Und da war er. Da stand er, aus Fleisch und Blut, neben dem Impluvium. Ich hatte gedacht, die Welt müsse stehenbleiben, wenn ich ihn wiedersähe, alles würde sich mit einem Schlag auf vollkommen verrückte Weise verändern, aber... er war da, und mein Herz machte einen Sprung, und mir wurde flau im Magen, aber ansonsten... das Wasser des Brunnens floss noch immer bergab, die Welt bewegte sich weiter, alles sah genau so aus wie immer, und er stand einfach so in unserem Atrium, er, der sonst so elegante, ganz und gar gepflegte Aristokrat, in schäbigen Gewändern, fremdartig verändert durch ein verwildertes Ungestrüpp im Gesicht... aber er war es. Er, Ziel meiner grenzenlosen Sehnsucht, meiner innigsten Liebe, meiner überschwänglichsten Briefe – und zuletzt meiner wütenden Verwünschungen.... also kurz gesagt: mein vorletztes Desaster.
    Ihm gegenüber: mein allerletztes Desaster. Massa, in herrischer Haltung – zu Hause mit einer Vitis bewaffnet?
    Lass dir nichts anmerken. Du darfst dir nichts anmerken lassen, Faustus. Nicht vor den Sklaven und schon gar nicht vor Massa...
    "Salve." grüßte ich mit heiterer Miene, stürzte mich in eine Scharade bei der es um Kopf und Kragen ging. "Wie schön dass du es einrichten konntest. Verzeih die Verspätung, die Arbeit nahm kein Ende..." Ich rollte die Augen gen Himmel, trat dann lächelnd auf ihn zu, dabei fixierte ich genau den Punkt zwischen seinen Augen, ich fürchtete meine Fassung nicht aufrechterhalten zu können, wenn ich ihm wirklich in die Augen sähe!
    "Lass uns doch in mein Officium gehen." Mit einer Handbewegung wies ich den Weg. Massa zeigte ich einfach nur die kalte Schulter – nach allem was in letzter Zeit passiert war, würde ihn das wohl wenig überraschen.

    "Tu das." Wenn Octavius an die Administratio schrieb, dann sollten die sich halt drum kümmern. Ich machte mir aber eine Notiz, um mich später daran zu erinnern, den Präfekten jemanden mit den neuesten Berichten zur Lage in Ägypten in Misenum vorbeizuschicken. (Hoffentlich war mit Celeste alles in Ordnung, sie hatte noch nichts von sich hören lassen... aber es war ja auch ein weiter, unsicherer Weg für Depeschen..)


    Als Pompeius dann weit ausholte, hörte ich zuerst aufmerksam, dann nur noch mit mühsam unterdrückter Ungeduld zu. Da hörte sich wohl jemand gerne reden. Blablabla... Ein weiterer Nachteil meines neuen Postens: ich hatte die Pflicht, mich mit all diesen aufgeblasenen Zivilisten zu beschäftigen.... Unverschämtheit wie er sein Flittchen auf eine Stufe mit meiner Schwester stellen wollte. Überhaupt, der alte Steit war doch längst verblasst, warum machte er jetzt so einen Terz darum?
    "Wenn deine Frau sich wieder einmal vergisst, Pompeius, so ist es allein an dir sie an ihre guten Manieren zu erinnern." antwortete ich womöglich noch etwas kühler als zuvor, wobei eine leichte Ironie bei den "guten Manieren" mitschwang. "Meine Schwester hingegen wahrt jederzeit die Contenance. Hat sie nicht sogar deine Frau, trotz deren... Ausschweifungen.... weiterhin als Angestellte bei ihrer Zeitung beschäftigt? - Und mir liegt es noch viel mehr fern, dich für die Fehltritte deiner Gattin zu belangen, denn natürlich ist auch mir an einer reibungslosen Zusammenarbeit gelegen. Also ist dies eine Sache, die du einzig und allein bei dir zu Hause klären solltest."

    Auch das noch. War ihm sein Sieg im Triclinum nicht genug, mußte er sich auch noch an meiner Verzweiflung weiden?! Schlappte uns dreist aufdringlich hinterher und quasselte irgendwas über Stella, was mich im Moment nicht weniger hätte interessieren können.
    "Verschwinde." sagte ich leise. "Du Bastard."
    Für einen Augenblick war es wie früher, Seiana die mich vor den Fischerjungs beschützte, Seiana die meine Mütze zurückeroberte, als die sie mir geklaut hatten, aber dann – wie KONNTE er es wagen - kehrte glühendheiß meine Wut zurück, und da war ich auf einmal gar nicht mehr hilflos, da wollte ich nur noch eines: ihm das süffisante Lächeln aus dem Gesicht prügeln.
    Mit einem Ruck löste ich mich von meiner großen Schwester, ging auf Massa zu, Mord im Blick.
    "Du verlogener Dreckskerl. Du widerlicher Heuchler." fauchte ich, mit zornbebender Stimme, immer weiter auf ihn zu kommend. "Was soll dieses Scheiß-Spielchen?!! Kapier's endlich: ich will dich nie wieder sehen! Verpiss dich endlich!!"
    Und mit diesen Worten ballte ich die Faust und schlug sie ihm, von grenzenlosem Zorn beseelt, mit voller Wucht ins Gesicht... (ich muß leider dazusagen, dass meine Faust keine Herkulesfaust war, vor allem nicht nach Tasheribat), rammte ihm um einen Sekundenbruchteil später bösartig das spitze Knie in den Magen, und, erwartend dass er sich niederkrümmen würde, riss ich meine Ellbogen zusammen um sie ihm dann, schön mit Schwung, von oben in die verletzliche Grube hinter dem Schlüsselbein zu stoßen...

    Zitat

    Original von Petronia Romana


    Unter all den Hübschen war eine die ich kannte: meine Cousine Romana. Still und leise beobachtete ich sie – ich wollte sie ja nicht in ihrer Andacht stören – und registrierte zufrieden, dass der Tempel, wenn er auch klein war, seine Wirkung auf sie nicht verfehlte.
    "Salve Romana," sprach ich sie an, nachdem sie ihr Opfer vollführt hatte, "ich wünsche dir ein fröhliches Fortunafest. Möchtest du vielleicht mit mir und Secundus* rüber zu den Spielen gehen? Ich habe ihm versprochen, dass er Speerwerfen darf."
    Mein kleiner Cousin (wegen dem es schon so großen Streit in der Familie gegeben hatte), hatte nämlich nicht so viel übrig für die "langweiligen Mädchensachen", die seine Mutter und Schwester, auch hier irgendwo im Gewühl, vorhatten.
    Ich sah mich nach Secundus um und da fiel mein Blick auf einen Mann mit blondem Haar, ein Stück weiter weg.... war das nicht der schöne Iulier?! Schon hatte ich ihn wieder aus den Augen verloren, doch die Erinnerung an unser unvergessliches Zusammentreffen, die Aussicht ihn womöglich hier wiederzusehen, vertrieb ein gutes Stück weit meinen Missmut, lies ein Lächeln auf meinem Gesicht erscheinen, und einen Funken von... Beschwingheit in mir aufglimmen.
    Ich bot Romana meinen Arm an und schritt die Stufen herunter, sammelte Secundus samt seines Kindermädchens ein. Aufmerksam nach Dives Ausschau haltend, begab ich mich mit dem Jungen zu der Speer-Werf-Bahn unweit des Tempels. Zwei echte Prätorianer hatten dort die Aufsicht. Sie waren die Attraktion für die Buben, und ertrugen die ganze Aufmerksamkeit mit Fassung. Abgesehen von den beiden, waren auf dem Fest noch einige andere meiner Soldaten anwesend, um falls nötig für die Sicherheit zu sorgen. Aber noch war es früh, kaum einer besoffen, alles friedlich.


    Die Bahn war mit Bretterwänden abgeschirmt. Auf der Rückwand waren die Ziele aufgemalt. Da gab es einen kopflosen Blemmyerkrieger (der gab einen Punkt), einen fiesen parthischen Bogenschützen (zwei Punkte), und einen verdammt böse dreinblickenden bärtigen Mann in Toga, durch ein Cornelierwappen noch deutlicher kenntlich, der einen Blut triefenden Dolch in der Hand hielt. Wenn man den durchbohrte, erhielt man drei Punkte!
    Secundus bekam drei Iaculi ausgehändigt, und ich zeigte ihm geduldig, was die richtige Ausgangsposition zum Werfen war, wie er ausholen mußte um Schwung aus dem Oberkörper zu holen. Das machte mir richtig Spaß. Natürlich sahen jetzt alle uns zu, und die meisten der Buben beneideten Secundus wohl glühend.




    Sim-Off:

    * Secundus, NSC von Venusia, hier mit Venusias Einverständnis gespielt.


    P.S. In der WiSim gibts für alle Besucher persönliche Angebote, bedient euch. :)

    ...von der Cena im Triclinum, durchquerte ich mit hölzernen Schritten den Peristylgarten, erst im tiefen Schatten des gegenüberliegenden Säulenganges blieb ich stehen, legte den Kopf zurück, weit in den Nacken. Ich war leer... nein, nicht leer, in mir war eine entsetzliche Taubheit, eine für nichts anderes mehr Raum lassende Stumpfheit. Kühle Luft, einatmen, ausatmen. Der nächtliche Garten war ein fadenscheiniges Bild, durch dessen Löcher mich ein tiefer Abgrund anstarrte.


    Zitat

    Original von Decima Seiana
    Sie ging ihm nach, ins Peristyl, näherte sich ihm zögernd und legte ihm sacht eine Hand auf die Schulter. Und strich erst mal ein paar Mal darüber, ohne etwas zu sagen, weil ihr jeder Kommentar – geht's, alles in Ordnung, irgendetwas in der Richtung – so absolut deplatziert vorkam in diesem Augenblick.


    Meine Schwester... natürlich. "Geh wieder rein." sagte ich mit dieser komisch flachen Stimme, "Du mußt wirklich nicht....." Meine Schulter war hart angespant, aber unter ihrer Hand wurde sie weicher, ich atmete heftig aus, und ein feines Zittern ging über mich hinweg. Das unheimliche Nichts ging fort, und mit Wucht kehrte der Schmerz zurück.
    "Verdammt...." flüsterte ich, fuhr mir fahrig über das Gesicht, ungläubig dass das eben gerade wirklich passiert war. "...verdammt...."

    Sinnvoll ihn zu schützen? Meine Augen weiteten sich. Eigentlich hatte ich mich schon fast dazu durchgerungen, ihn ans Messer zu liefern, wollte nur mehr Seianas Bestätigung dafür... doch sie wandte die Dinge in ein ganz anderes Licht.
    "Also... was immer ich auch tue. Nichts davon ist richtig." sagte ich schließlich, nachdem sie alles scharfsinnig auseinandergenommen hatte. "Hmm... ein Tyrannenmord wars aber nicht...... und was mir nicht aus dem Sinn geht – es war ja nicht nur der Kaiser, auch seine Frau und Maioranus, und nach dem was ich erfahren habe, vom Personal und von den Medici... war es ein wirklich qualvoller Tod. Ich hab das nicht für die Propaganda so gesagt. Ich finde, so etwas muß gesühnt werden!"
    Dass man um der höheren Sache willen unschöne Dinge tun mußte, der Gedanke war mir nach den Feldzügen die ich mitgemacht hatte nun wirklich nicht fremd. Aber die Verteidigung des Reiches gegen die Barbaren, das war doch was anderes, als wenn man einen unbequemen Stadtpräfekten loswerden wollte.
    "Ich schulde dem Kaiser Treue. Bei allem hin und her, und fragwürdig und zwiespältig, daran muß ich festhalten. Also.... ich werde dem Kaiser die Wahrheit sagen. Aber... ich werde versuchen Zeit zu schinden. Mit dem... Gedanken, den du da gerade geäussert hast. Vinicius ist tatsächlich sehr geschwächt im Augenblick, er muß erst wieder genesen, und ich werd sagen dass er kaum vernehmungsfähig ist, dass ich aber daran arbeite, dass er ein öffentliches Geständnis ablegt... ja, und ich werd auch versuchen, ihn dazu zu bringen. - Nicht um noch mehr Gunstbezeugungen zu bekommen, ich hab schon alles was ich mir nur wünschen kann. Aber es wäre gut, wenn die Öffentlichkeit endlich mal klargemacht bekommt, was wirklich geschehen ist. Hmm.... bist du damit einverstanden? Und könntest du mir vielleicht deinen Medicus für ihn schicken... ? ...ähm, aber nicht den hübschen, lieber den alten."

    Die Invasion Ägyptens? Die stand meiner Meinung nach zur Zeit aber ganz weit im Hintergrund. Erst mal mußten die Rebellen aus Syrien und Germanien besiegt sein. Nein, es wäre zwar nett gewesen, eine Reise ins schöne Misenum zu machen, und ich hätte auch Octavius gerne unterstützt, aber hier in Rom hatte ich wichtigeres zu tun.
    "Meine Zeit erlaubt das nicht, aber ich danke dir für die Information. - Was gibt es sonst noch?" erwiderte ich kurzangebunden.