Wie konnte meine Schwester, bei so haarsträubenden Vorgängen, nur eine so unmenschliche Ruhe bewahren!? Ich schnaubte zornig – ja, wenn sie nicht Auctrix wäre... stünden wir nicht ganz so so exponiert... aber es war ein höchst ehrenvoller Posten, und es wäre höchst un-decimerisch, sich ins Bockshorn jagen zu lassen!
Kämpferisch reckte ich das Kinn und versicherte Seiana solidarisch:
“Dann würden sie einen anderen Vorwand finden. Livianus hat nun mal als einziger von der Riege klar Position bezogen, die anderen sind doch allesamt Speichellecker!“
Früher hatte mich Seiana, bei irgendwelchen geschwisterlichen Auseinandersetzungen, mit ihrer überlegen-kühlen Art immer wieder zur Weißglut gebracht – aber sich aufzuregen brachte uns nicht weiter, darum atmete ich tief durch, lehnte mich an den Sockel einer Genius-Romanus-Statue und richtete meine Aufmerksamkeit wieder auf ihre Worte. Zu hören, dass die Garde nichts gefunden hatte, erleichterte mich ungemein, nicht etwa, dass ich vermutete, Seiana hege Umsturzpläne, aber die Prätorianer konnten einem ja mühelos auch aus harmlosen Dingen einen Strick drehen. Zum Beispiel die Formulierungen in Livianus' Briefen, die waren bisweilen unbeschönigt... und auch bei meinen konnte ich nicht beschwören, dass sie böswillig gelesen, nicht Anlass zu Vorwürfen geben könnten....
Da ist noch mehr. Ich staunte. Wie üblich hatte meine Schwester schon zwei bis drei Ecken weitergedacht, aber die Lösung, die sie anvisierte war... überraschend. Ich blickte sie bewundernd an. Ein Bündnis mit dem Gardepräfekten würde uns schützen, und Seiana wäre endlich verheiratet. Noch dazu mit einem richtigen Mann, einem der ihr das Wasser reichen konnte. Zudem hatte sie meinen Rat beherzigt!
“Du bist genial. Das wäre die Lösung aller Probleme! Aber... was ist mit dem Quintilier?“
Aber schon wischte ich die Frage mit einer Handbewegung beiseite, egal, einen Quintilier vor den Kopf zu stoßen, um einen Gardepräfekten zu gewinnen, da sollte man nicht lange fackeln. Hm... mir fiel die Frau ein, die bei dem Gastmahl des Cleonymus an der Seite des Terentiers gehangen hatte. Aber die hatte eher nach schmückendem Accessoire ausgesehen.
“Was hat er gesagt?? “