Beiträge von Faustus Decimus Serapio

    Im Tragesessel, auf den Schultern von vier stämmigen Trägern, schwankte ich, vom Palatin her kommend durch die Stadt. Ravdushara schlurfte hinterher. Es ging hügelab, hügelauf, durch die von viel zu vielen Menschen verstopften Straßen, und ich war echt froh, dass ich mir die Träger gegönnt hatte. Vor der Castra lies ich sie innehalten, und stieg ab, wobei ich mit dem linken Arm meine Toga in Form hielt, der Rechte hing verbunden in der Schlinge.
    Ravdushara bezahlte die Männer, und ordnete die Falten meiner Toga, dann hielt ich auf die Porta Praetoria zu. Soo lange war es nicht her, dass ich selbst hier Dienst getan hatte, und es war merkwürdig, als Aussenstehender hier zu erscheinen.
    "Salvete Milites. Faustus Decimus Serapio, zuletzt Tribun bei der XXII. Der Stadtpräfekt wünscht mich zu sprechen."
    Mein Sklave überreichte brav das Schriftstück, dass ich am Morgen im Palast erhalten hatte:


    Befehl


    Der Tribunus Angusticlavius,
    Faustus Decimus Serapio,
    ist schnellst möglich zum Praefectus Urbi vorzulassen.



    Im Auftrag der Kaiserlichen Kanzlei

    Gaius Pompeius Imperiosus
    ~~Procurator a Memoria der Admistratio Imperatoris~~


    [Blockierte Grafik: http://pages.imperiumromanum.net/wiki/images/5/5d/Siegel_Administratio_Impera.gif]


    Seiana war mein Fels in der Brandung, die Starke, Vernünftige, Besonnene, das war seit jeher so gewesen... darum bestürzte es mich sehr, als sie in der Umarmung so mit der Fassung rang! Ich drückte sie noch ein bisschen fester und strich ihr liebevoll über das Haar.
    "Na komm..." murmelte ich, jetzt bin ich ja da."
    Wenn auch reichlich spät. Ich hatte zwar eine gute Entschuldigung, und zwar den Feldzug... nichtsdestotrotz fühlte ich mich schäbig, dass ich meine arme Schwester im Auge des Sturmes ganz alleine gelassen hatte.
    "Ach Seiana, es tut mir so wahnsinnig leid, dass du das alles alleine hast durchstehen müssen. Aber jetzt bin ich hier bei dir" widerholte ich, "und passe auf dich auf."
    Bei aller Selbstständigkeit und Klugheit, letztendlich war und blieb es meine Verantwortung für das Wohl meine Schwester zu sorgen und sie zu beschützen.
    "Komm, setzt dich doch erst mal hin..." Sanft schob ich sie zu einer Kline, schickte einen Sklaven nach Wein, und schenkte ihr dann selbst den Becher voll, mit links, meinen rechten Arm barg ich in einer Falte des Badetuches, denn ich wollte Seiana in diesem Augenblick nicht noch eine zusätzliche Sorge aufbürden.
    "...und trink einen Schluck." Zerknirscht betrachtete ich sie, und mir wurde gegenwärtig, dass wir alle beide keinen Anspruch mehr auf jugendliche Unbekümmertheit erheben konnten, dass wir älter geworden waren, seitdem wir zuletzt auseinander gegangen waren.
    "Du mußt mir alles erzählen, ja? Alles was hier passiert ist, während ich weg war."

    ... brach an. Ich spazierte verschlafen in den Säulengang, reckte und streckte mich, und blinzelte in die aufgehende Sonne. Im Peristylgarten zwitscherten die Vögel, ein laues Lüftchen versetzte die Oscilla, die schmückend zwischen den Säulen hingen, in leichtes Schwingen. Es versprach ein schöner Tag zu werden. Ich beschloss, das Frühstück im Peristyl einzunehmen, ließ mir Stuhl und Tisch herausbringen, und ausserdem ein Dutzend Austern. Für gewöhnlich speiste ich morgens nur etwas Puls, doch zur Zeit versuchte ich es mit einer Diät, die die Libido fördern sollte.
    Während ich die Schalen ausschlürfte, gingen mir die Träume der vergangenen Nacht im Kopf herum... verrücktes Zeug, irgendwas mit einem Parademarsch, ja genau, im Traum war ich zusammen mit meinem alten Ausbilder, dem Optio Priscus, im Eilschritt über das Forum Romanum marschiert, dabei waren unsere Beine aneinander gebunden gewesen... wie um alles in der Welt kam ich bloß auf so einen Quatsch?
    Ich schmunzelte kurz darüber, und wandte mich wieder der Realität zu. Es war jetzt einige Tage her, dass ich mir den neuen germanischen Sklaven angeschafft hatte, und ich beschloss, dass er mir doch mal zeigen sollte was er konnte. Auch auf Seianas neuen Leibwächter war ich neugierig.
    So schickte ich eine der Haussklavinnen los, um die beiden zu holen.
    "Bring Theseus und Delon zu mir!"

    Das hier artete so langsam in ein Geduldsspiel aus. Unwillig nahm ich das Schriftstück entgegen. Zu meiner Zeit bei den CU hatte es so etwas nicht bedurft, um zum Stadtpräfekten vorzudringen. Der Beamte wollte mich offenbar umgehend wieder loswerden – ich hob die Hand, in der Geste gemach, um überhaupt noch zu Wort zu kommen.
    "Augenblick, Procurator. Eine weitere Frage." Ich fixierte ihn eindringlich, um sicherzugehen, dass dieser hastige Mann mir wirklich zuhörte.
    "Mein Kommandant hat mich nach dem Blemmyerfeldzug für eine Hasta pura vorgeschlagen. Ist diese bewilligt worden?"

    <<


    Als ich von Seianas Ankunft erfuhr, sprang ich natürlich sofort aus dem Wasser! Mit nassen Haaren, und nur im Badetuch, eilte ich ins Atrium, und da war sie, an einer Säule lehnend, meine große Schwester.
    "Seiana!" Mit großen Schritten durchquerte ich den Raum, umarmte sie fest mit dem linken Arm, und gab ihr einen Kuss auf die Wange. Meine Wiedersehensfreude erfüllte mich ganz, von Kopf bis Fuß, ich drückte mein Schwesterherz an mich, ohne ein Wort zu sagen, überglücklich sie trotz all der Gefahren und Befürchtungen wohlbehalten anzutreffen. Müde und angespannt sah sie allerdings aus. "Ich bin vorhin in Ostia angekommen und gleich weitergeritten. Bona Dea, was bin ich froh wieder hier zu sein!!"

    <<


    [Blockierte Grafik: http://img337.imageshack.us/img337/1619/ravdushara.jpg] | Ravdushara


    Mit schnippischer Miene führte Ravdushara den Germanen durch die reich mit Mosaiken, Wandgemälden und Statuen geschmückten Räume des Hauses, dann in einen wesentlich weniger eleganten Abschnitt des Gebäudes.
    "Das ist die Sklavenunterkunft." meinte der Nabatäer, und stolzierte in einen langen Raum hinein, der zu beiden Seiten von einfachen Schlafstätten gesäumt wurde. Ein paar Haken an der Wand, an denen die Kleider hingen, dazu neben jedem Lager eine Korbtruhe, dies mußte für die persönlichen Gegenstände der Bewohner reichen.
    "Hier wohnen die gewöhnlichen Sklaven." bemerkte Ravdushara in einem Tonfall, der klar machte, dass er sich nicht dazu zählte. Stets auf der Hut vor Rivalen, die ihm sein angenehmes Leben als bevorzugter Sklave streitig machen könnten, gefiel es ihm nicht, dass sein Herr diesen Neuen gekauft hatte, und dass der zu allem Unglück bisher auch noch einen guten Eindruck gemacht hatte. Für gewöhnlich piesackte Ravdushara die Neuen, damit sie gleich verstanden, dass er über ihnen stand, aber bei dem Hünen traute er sich das nicht...
    "Das Schlaflager da ist noch frei. Und dort in dem Nebenraum kannst du dich waschen. Tu das mal, du hast es wirklich nötig!" stichelte er, verschwand für einen Moment, ging in die Wäschekammer und kehrte mit einer sauberen dunkelgrünen Tunika und einem schmalen Stoffgürtel zurück (es war die größte Tunika, die er hatte finden können). "Hier ist was ordentliches zum anziehen."
    Damit, so fand Ravdushara, hatte er seine Pflicht erfüllt, er verschwand wortlos.

    <<


    "Da wären wir." Ich wies auf die schlichte Front, die, ganz traditionell, nicht verriet, was für ein schönes Anwesen dahinter lag, und erklärte meinem neuen Sklaven, Theseus. "Das Haus meiner Gens."
    Ich klopfte, Marcus lies uns ein, und ich stellte unserem Türhüter gleich den Neuen vor. "Dies ist Theseus, mein neuer Leibwächter. Dies ist Marcus, er dient meiner Familie schon seit einer Ewigkeit."
    Wir traten hinein.
    "Meine Schwester Seiana ist die Hausherrin hier" erklärte ich dem Germanen noch. "Ich will dass du ihr ebenso gehorchst wie mir."


    Eigentlich brannte ich darauf, Theseus mal kämpfen zu sehen, mir ein Bild von seinen Fähigkeiten zu machen. Aber leider mußte ich mich dringend darum kümmern, dass die Ladung Amphoren mit Olivenöl, die jüngst von unseren Besitzungen bei Tarraco gekommen war, zu einem angemessenen Preis verkauft wurde. (Seitdem Celeste mir diese Dinge nicht mehr abnahm, mußte ich den ganzen Kram wieder selber machen, schrecklich!)
    "Ravdushara, kümmer dich bitte um Theseus,ja? Danke.." Mit diesen Worten enteilte ich, überließ es vertrauenvoll meinem Leibsklaven dem Neuen alles Wichtige zu zeigen.

    Da schien ich wirklich einen Glücksgriff getan zu haben! Unkompliziert, stark wie ein Bär, und freundlich, was wollte man mehr. Natürlich konnte man als freier römischer Bürger einen Sklaven nie wirklich ganz durchschauen... aber ich hatte nicht den Eindruck, dass er mich anschwindelte.
    Dankend nahm ich das Brot entgegen, tunkte es in meinen Eintopf und wünschte guten Appetit. Ravdushara nahm, dienstbeflissener als gewöhnlich, gleich den Krug und schenkte mir ein. So aßen und tranken wir, dann machten wir uns gestärkt wieder auf den Weg, und zwar zum Domus meiner Familie.

    [Blockierte Grafik: http://img169.imageshack.us/img169/8343/sklaveianitorfr0rt1.jpg]


    Decimus Pinus, was war der Junge gewachsen seit seinem letzten Besuch!
    "Willkommen junger Herr."
    Marcus öffnete die Türe weit, um den Decimer samt Anhang hineinzulassen, meinte noch zu Posca: "Das Pferd bitte dort herum, da geht es in den Hof.", und schickte auf der Stelle einen Laufburschen los, um den Herrschaften bescheid zu geben, dass Verwandschaft eingetroffen war.




    IANITOR - GENS DECIMA

    [Blockierte Grafik: http://img169.imageshack.us/img169/8343/sklaveianitorfr0rt1.jpg]



    Bedächtig öffnete der alte Ianitor die Türe, und blickte auf die Versammlung von Trägern und Gepäck, auf den jungen Mann, auf seinen Kollegen auf der Schwelle. Was für ein Menschenauflauf, es sah ganz so aus als wolle da jemand länger bleiben. Der junge Herr schien dem Ianitor nicht vollkommen fremd, doch sicher konnte er sich nicht sein, seine Augen waren nicht mehr die allerbesten.
    "Salvete." grüßte er höflich, "Wen darf ich melden?"





    IANITOR - GENS DECIMA

    Sofern ich nicht noch eine Frage hatte... Mich beschlich der Verdacht, dass dieser freundliche Bürokrat hinter seinem Schreibtisch sich einen Spaß daraus machte, arme administratio-unerfahrene Militärtribunen auf die Folter zu spannen! 8o Da hatte ich schon auf der langen Reise die ganze Zeit darüber gemutmaßt wo ich landen würde, und nun machte er nicht mal eine Andeutung. Ausser: Rom. Rom war schonmal gut, aber es konnte von Vigilen bis Garde alles bedeuten.
    Tief durchatmen Faustus.
    "Um welchen Posten geht es, Procurator?"

    Lächelnd nahm ich dieses Versprechen meines neuen Sklaven entgegen, und erwiderte:
    "Wenn du gut arbeitest, dann wird es dir bei uns auch gut ergehen, Gra... Grau.... - Nein, also der Name geht nicht, der bleibt einem ja in der Kehle stecken, da werden wir einen anderen finden müssen. Vielleicht... Theseus! Oder.... na, das sehen wir später. Komm erst einmal mit."
    Der Sklavenmarkt war kein Ort für eine Unterhaltung, das Gebrüll, der Gestank und das Klirren der Ketten störten ein wenig. Ich winkte Ravdushara und dem Barbaren mir zu folgen, steuerte eine Seitengasse an.


    Schon bald hatten wir ruhigere Gefilde erreicht. Eine zur Straße offene Popina, ein bescheidenes Lokal, bot Wein und einfache Speisen an, einige Tische standen draussen im Schatten einer großen Platane. Dort ließ ich mich nieder, meinte "Setzt euch".
    Bei der Serviererin, einer spärlich bekleideten Sklavin, bestellte ich verdünnten Wein und dreimal Fischeintopf. Ich dachte mir nämlich, dass der Sklave bei dem Schlitzohr von Händler bestimmt nicht gut zu essen bekommen hatte, und dass Loyalität auch durch den Magen ging. Ausserdem waren wir lange auf den Märkten unterwegs gewesen, und ich hatte selbst Hunger bekommen.
    "Um ein paar Dinge klarzustellen, Ga... Gr... Threseus" begann ich, während wir auf das Bestellte warteten. "Ich habe dich gekauft, weil ich einen Leibwächter benötige. Ich erwarte von dir Treue und Mut. Und Verschwiegenheit. - Komm nicht auf den Gedanken eine Flucht zu versuchen, zum einen wäre es sinnlos, du würdest nicht weit kommen, zum anderen wäre ich dann gezwungen, dir ein Schandmal in die Stirn brennen zu lassen. Und beim zweiten Mal wäre es dein Tod. - Hast du das verstanden?"
    Von solch ernsten Dingen sprach ich zwar ungern, aber so war nun mal die harte Wirklichkeit. Die Serviererin kam zurück, stellte uns einen Tonkrug auf den Tisch, Becher und irdenen Schalen mit dem Eintopf, dazu einen Laib flaches Brot.

    "Hast du deine Zunge verschluckt, Scriba?!" herrschte ich den schreckhaften Schreiberling an, als er weder Anstalten machte, mir zu antworten, noch, mich anzumelden. Das waren ja Sitten! Da ging es ja selbst bei den Stadtkohorten höflicher und effizienter zu. Und das auf dem Palatin!


    Verstimmt trat ich in das gezeigte Officum und sprach:
    "Salve Procurator, ich bin Tribun Decimus Serapio. Ich komme aus Ägypten und bin wegen meiner Versetzung hier. Du hattest mir geschrieben."



    Wie es sich für einen anständigen Soldaten gehörte, begab ich mich schon bald nach meiner Rückkehr zum Marstempel. Ein großer hölzerner Kran überragte das Gebäude, es sah aus, als würde dort am Dach gearbeitet. Ravdushara folgte mir mit den Opfergaben, es war der übliche Kleinkram und ein roter Kampfhahn, den er an den zusammengebunden Füßen kopfüber trug. Das war kein sonderlich wertvolles Opfertier, aber do ut des, und Mars' Beistand hatte ich in letzter Zeit kaum verspürt. Bei Tasheribat hatte meine Kohorte gegen die Barbaren keine gute Figur gemacht, und meine Verwundung war immer noch nicht verheilt. Dabei hatten wir dem Kriegsgott zuvor einen tadellosen Stier geopfert. Als wäre es ein anderes Leben, erinnerte ich mich an dieses letzte Opfer, es war ein glänzender Tag gewesen, und ich hatte mich selbst wie ein junger Gott gefühlt, als ich vor den Augen der XXII. dem Stier eigenhändig die Kehle durchgeschnitten hatte, und die Soldaten alle mit den Waffen auf die Schilde geschlagen hatten ... Letzten Herbst war das gewesen, und fühlte sich an, als wäre es Jahrzehnte her.


    Während ich die breite Treppen zum Tempel hinaufstieg, dachte ich auch an die anderen Opfer zurück, die, die ich Mars hier an diesem Ort gebracht hatte. Das mit Licinus zusammen, nach unserer Rückkehr aus Parthien, und dann natürlich das allererste, damals, am absoluten Tiefpunkt, das Opfer, für das ich meine Sandalen verkauft hatte. Danach hatte ich dann beschlossen sub aquila zu gehen.
    Ich blieb auf dem Vorplatz stehen, neben dem Altar, an der Stelle wo ich an jenem denkwürdigen (oder sagen wir besser: entscheidenden, denn so würdig war er nicht gewesen) Morgen den Sonnenaufgang beobachtet hatte, und blickte in den Himmel. Er zeigte sich heute glasig, getrübt vom Rauch unzähliger Kochfeuer. Aber ich hatte es noch genau vor Augen, wie die ersten Sonnenstrahlen den Mamor weißrötlich hatten erglühen lassen, wie Inschriften und Zierrat golden gestrahlt hatten. Ein Schwarm Tauben flog vom Giebel des Tempels auf, ihr Flügelschlag ein schwirrendes Geräusch an meinem Ohr.
    Wenn ich noch einmal der siebzehnjährige, verwirrte Faustus wäre und noch einmal an diesem Scheideweg stünde... was würde ich tun?....... Eine müßige Frage.
    Wir steigen in denselben Fluß und doch nicht in denselben, wir sind es und wir sind es nicht.