Beiträge von Phaeneas

    „Gesetz?“, wunderte sich nun Phaeneas seinerseits. Zu Unfreien gab es viele Gesetze. Aber die wenigsten davon regelten, was Sklaven faktisch durften oder nicht durften. Das wurde bis zum Äußersten – das absolute Verwöhnen der Diener oder ihre endgültige Vernichtung – großzügig ihren Herrschaften überlassen. Deshalb hatte Politik ja nie was mit Sklaven zu tun, weil die Belange und das Leben von Unfreien ein rechtsfreies Gebiet waren.
    „Ähm, nein, die meisten Sklaven handeln gemäß dem Raum, den ihnen ihre Herrschaften geben. Sprich, solange sich ihre Besitzer nicht in ihr Liebesleben einmischen, gestalten sie’s selber.
    Das ist ja auch im Interesse unserer Herrn, damit wir uns unaufgefordert schön vermehren“
    , zwinkerte der Bithynier. Ja, klar, Cimon und er würden sich natürlich großartig vermehren.


    Áedán. Wer auch immer dieser Typ war, klar, dass Phaeneas über denjenigen gründliche Erkundigungen anstellen würde. Komische Sache. Bisher hatte er noch nie von einem Nebenbuhler (respektive einer Nebenbuhlerin) gewusst. Zumindest von niemandem, der eine ernsthafte Chance gehabt hätte.


    Ernst. Unsagbar ernst musterte der Bithynier Cimon. Todernst. Den hatte Phaeneas auch vor Augen (oder etwas von viel Schlimmeres), wenn er hier einen Fehler machte. Nur einen einzigen. Und alles war vorbei. Alles, was er sich sein Leben lang mühselig aufgebaut und dabei unsäglich gelitten hatte. Alles umsonst.


    Die Sicherheit, die in ihm entstanden war, aus der Gewissheit heraus, besser ihrer beider Situation und die Umstände einschätzen zu können, wurde prompt von Cimon erschüttert, als er treffend feststellte, dass Phaeneas ihn gewollt hatte. Nur machte ihn das noch lange nicht harmlos, sodass eine Beziehung zwischen ihnen den Schutz des Bithyniers nicht in Frage stellen würde.
    Hm, er hatte recht. Auch der Nubier hatte eine hohe gesellschaftliche Stellung, weil er Aurelius Ursus‘ Leibsklave war. Dafür stand ihm natürlich Respekt zu. Allerdings war Phaeneas‘ Herr immer noch Patron von Cimons Herrn, womit sie wieder auf unterschiedlichen Leveln landeten. Außerdem hatte der aurelische Sklave jeglichen Anspruch auf Samthände verwirkt, sobald er Phaeneas‘ „guten“ Ruf in Gefahr brachte.


    „Du bist gut, Cimon“, antwortete der Bithynier und der Satz war mehr als ironisch. „Natürlich habe ich Zeit erbeten, weil du mir ja auch sagen musstest, dass du in eine Frau verliebt bist!“ Wie Gift spuckte er ihm diesen Satz vor die Füße. „Sag mir, Cimon von den Aureliern, was ist mit dieser Frau? Und was ist mit dem Mann, von dem du mir erzählt hast?“
    Und wie konnte er sich schließlich bedingungslos für Phaeneas entscheiden, wenn er in eine Frau verliebt war?


    Dann kam der Nubier auf die gesellschaftlichen Regeln zu sprechen. „Natürlich will ich auch, dass es aus uns selbst kommt! Sonst hätte ich doch mein ganzes Leben schon anders ausgerichtet. Aber gewissen Erwartungen kann man sich auch oder gerade als Sklave nicht entziehen, weil man damit seinen eigenen Herrn schädigt, indem man einen anderen beleidigt. Und deshalb müssten wir so tun, sobald wir zusammen wären, als ob du sofort überglücklich mit der offiziellen Beziehung mit mir einverstanden gewesen wärst. Weil alles andere eine Beleidigung wäre.“
    Phaeneas‘ Welt geriet auch ins Wanken, als Cimon weitersprach. Trotzdem sperrte er sich mit aller Kraft dagegen.


    Traurig und ernüchtert erklärte er: „Alle Welt denkt so, Cimon, verlass dich darauf. Das sind die Regeln, nach denen alles hier funktioniert. Ansehen, Stellung, Macht, Reichtum, um nichts anderes dreht sich das öffentliche römische Leben. Das wirst du doch schon bemerkt haben oder?“
    Mit einem ernsten Nicken holte er sich das Versprechen des Aurelischen ein. Zu schweigen.


    Was?! Was war das denn für eine alberne Frage? Würde er sich sonst das hier mit Cimon antun?! Wenn er sich für den nubischen Sklaven nicht interessieren würde, würde er ihn einfach ignorieren. So wie Phaeneas das eben mit allem tat, was für ihn uninteressant war. So eine alberne Frage konnte gar nicht ernst gemeint sein, also brauchte sie auch keine Antwort.


    Die weitere Auskunft dagegen erstaunte ihn (wieder mal). „Na ja, dass es dich überfordert hat, hat man gemerkt. Aber ... warum warst du noch nie mit jemandem zusammen? Wie alt bist du noch mal? Und du warst doch bestimmt schon mal verliebt?"
    Diese Fragen waren nicht Teil des Verhörs, sondern einfach Ausdruck von Phaeneas‘ Überraschung.
    Der düstere Zorn von vorhin war plötzlich wie weggeblasen. Es war mehr wie ein Plaudern.

    Also, selten war Phaeneas einem Herrn begegnet, der eine so ausgeprägte, deutliche Mimik gehabt hätte wie Flavius Piso. Es war praktisch auch für den langsamsten Sklaven noch zum Mitschreiben, was in dem Römer gerade so grob vor sich ging. Soweit man das an der Körpersprache ablesen konnte. Im allgemeinen gingen im Hause Vinicia ja nicht so viele Flavier aus und ein, bemerkte Phaeneas bei der Gelegenheit erstaunt. Die meisten Bittsteller kamen eher immer aus anderen Gentes und die Flavier stellten sich nur bei größeren Feierlichkeiten ein. Trotzdem kannte er natürlich diese typisch flavische hochgezogene Augenbraue, über die sich die flavischen Hausdiener nicht lustig zu machen wagten (was bei Sklaven ja gemeinhin die Regel war). Angeblich sollte man daran ja Bastarde erkennen ...
    Dass Piso den Abstand respektierte, um den der Bithynier stumm gebeten hatte, löste ein Gefühl der Beruhigung in Phaeneas aus. Ein Gefühl, das ihn schließlich oft erfüllte, genauso oft wie Irritation und Beunruhigung. Insgesamt war der Flavier für die Lucian’sche rechte Hand ja eine große, imposante Gestalt, also eher ein Mann, an dessen Brust man sich schutzsuchend drückte. Und damit erinnerte er ihn an jemanden, an den er lieber nicht erinnert werden wollte ... Ein großer, dunkel wirkender Mann, mit harten Gesichtszügen und einem viel zu starken Arm, mit dem er alles noch viel schlimmer gemacht hatte, als es ohnehin schon gewesen war. Und er hatte nie den Abstand eingehalten, den Phaeneas sich gewunschen hätte, hatte immer von oben direkt vor ihm stehend auf ihn herabgeblickt ...
    Den Bithynier schüttelte es innerlich. Nein, weg mit der Erinnerung. Hier stand Aurelius Piso und die Sache mit Cimon war viel zu irritierend und Aurelius Piso stand genug Schritte weg. Nur der sah ihn jetzt so tadelnd an. Ach so, Literatur. Es folgte wieder eine artige Entschuldigung: „Es tut mir leid, Herr, doch vorher war es mir leider nicht möglich, mich mit solchen Dingen zu beschäftigen. Vergil wäre mir bestimmt bald begegnet.“ Das Standard-Gesäusel, das man als Sklave halt so von sich gab. Grundausbildung eines Vierjährigen.
    Die Erziehung des Menschengeschlechtes. Hört hört. Da wurde Phaeneas ja aber einer großen Sachen gewürdigt. Dabei fühlte er sich natürlich auch „unglaublich“ geschmeichelt. Dieser Flavier war wirklich unglaublich großzügig, das ließ sich jetzt schon mal feststellen.
    Um dem Gedicht folgen zu können, musste der Bithynier sich aber ganz schön konzentrieren. Normalerweise ließ man an Sklaven doch eher relativ klare Befehle ergehen und die nicht ganz so klaren lernte man als Diener irgendwann formelartig auswendig, um zu wissen, was genau gefordert wurde. Pisos Enthusiasmus konnte er auch nicht so ganz teilen. Für ihn war das nur kitschiges Wortgeplänkel. Auf die Nachfrage nach den künstlerischen Errungenschaften Bithyniens ging Phaeneas nicht ein. Diplomatisch war also erneut die Antwort: „In der Tat sehr poetisch. Wenn du dir die Mühe machen möchtest, Herr, will ich gerne mehr hören. Und was kam dann nach den E... zehn Gedichten?“ Wenn der Patrizier schon mal da war, dann konnte er ihn auch in die Welt der Literatur einführen. Wenn Unwissenheit darüber schon angeblich ein so großer Frevel war.


    Als das Seufzen erklang, bekam Phaeneas schon Angst, Flavius Piso könnte ihm nichts über Pergamon erzählen wollen. Als er es aber doch tat, wurden seine Augen größer und der Bithynier lauschte gebannt und andächtig den Schwärmereien über die stolze, unabhängige Stadt. Auf die Frage nach dem gestürzten Herrscher schüttelte er hastig den Kopf, dass die Locken ein klein wenig flogen. „Nein, von dem weiß ich gar nichts!" Wie ein Kind, das einem Märchen lauschte und um mehr bat.
    Nichts konnte seine offensichtliche Faszination brechen, weder Pisse noch Halunken. Als der Flavier doch auf Bithynia selbst kam, schienen die Augen des Sklaven gar nicht mehr aufhören wollen zu leuchten. Diese großen Augen, in denen sich im Moment besonders klar das Weiße vom Braun-Schwarzen abhob, waren eifrig-fiebernd auf den Erzählenden geheftet. Die Wangen außergewöhnlich blass; die schmalen Lippen leicht geöffnet ... Unübersehbar war Piso nun der uneingeschränkte Mittelpunkt seiner ganzen Aufmerksamkeit ...
    So saugte er begierig das bisschen bithynische Geographie in sich auf. Später würde er detailgetreu alles wiedergeben können, was der Flavier gesagt hatte.
    Als die Sprache auf die Christen kam, stutzte er. Seit der Unterhaltung mit dem Germanen hatte er sich schließlich stumm vorgenommen, sich über diesen Glauben zu informieren. Seine Landsleute tendierten also auch in diese Richtung ...
    Pinienholz. Geistig notiert. Ein Nicken wie hypnotisiert, von so `ner Möchtegern-Zauberin aus der Subura. Klar, dass Phaeneas sofort losziehen würde, um sich von seinem sonst beinahe unangetasteten Taschengeld (das andere eher als Vermögen bezeichnen würden) ein Stück Pinienholz zu kaufen. Hm, wie war das wohl mit bithynischem Marmor ... ?
    „Danke, Herr“, kam mager der Applaus des vinicischen Sklaven zum Ausdruck.


    „Du hast mir nicht richtig zugehört, werter Flavius", wandte Phaeneas eiskalt (Oh! – ein Patrizier! – ein Römer!) ein. „Ich beschränkte ästhetische Erfahrungen nicht nur rein auf das Sehen, sondern weite sie auf alle Sinneswahrnehmungen aus. Und wenn ein Sinn fehlt, sich Dunkelheit auf die Sehfähigkeit des Auges legt, intensivieren sich so die anderen Sinneseindrücke – das Hören ... das Fühlen ... das Schmecken ... Und diese Erfahrung halte ich für sehr ästhetisch.“
    Nach einem kurzen Überlegen, bei dem sich nun auch die Stirn des Bithyniers in Falten legte, ergänzte er: „Außerdem ist Dunkelheit nicht ganz schwarz. Sie ist grau und weiß lamelliert ... und die Farben verlaufen gemächlich ineinander ... Sie hat viele Schattierungen und Abstufungen und inmitten von all dem heben sich nur die Silhouetten der Menschen und Gegenstände um einen herum ab ...“ Meine Güte, für Phaeneas‘ Verhältnisse war das fast schon poetisch. Cimon würde solches Zeug wahrscheinlich nie zu hören bekommen ... egal, wie sich ihre verwirrende Beziehung weiterentwickelte.


    Sim-Off:

    :app: Wow, Kompliment! Super-anschauliche Beschreibung! :]

    Unüberzeugt antwortete der Bithynier: „Also ich musste noch nie jemanden um Erlaubnis fragen.“ Was vielleicht – wie er bei näherer Überlegung feststellte – daran lag, dass er selten zum engeren Umgang seiner Herrschaften gehört hatte. Aufgrund dieser Erkenntnis fuhr er fort: „Also, dass er seine Sklaven so überwacht, passt ja gar nicht zu Aurelius Ursus. Das machen sonst nur die, die’s ihren Dienern nicht gönnen oder ihnen nicht trauen wollen.“ Und ihnen deshalb jegliche Möglichkeiten nahmen, die ihre ständige Kontrolle unterbrochen hätten.
    Mit Leuten wie Aurelius Ursus und u.a. ihrer Art, ihre Sklaven zu behandeln, musste sich Phaeneas Lucianus‘ wegen beschäftigen.


    ‚Wenn wir dem nachgehen wollen ...‘ Immer mehr beschlich Phaeneas das Gefühl, dass dieses Kapitel einer (Liebes)Beziehung in Cimons bisherigem Leben keine sonderliche Rolle gespielt hatte.
    Ein wenig erstaunt nahm er zur Kenntnis, dass sie beide damit schon den offiziellen Segen von Cimons Herrn hatten. Na ja, aber war ja praktisch.


    Hm, wirkte nicht so, als ob Cimon diese spezielle unangenehme Sache (inmitten dieser unsäglichen Geschichte) ausgeplaudert hätte, stellte Phaeneas mit prüfenden Augen fest. Vielleicht hatte der aurelische Sklave selbst nicht ganz verstanden, was er da getan hatte. Womit der Bithynier es automatisch verband, wenn ihn ein Mann gegen seinen Willen anpackte. Sanft oder grob, ganz egal. Hatte er beides zu Genüge erlebt.


    Und er zuckte zusammen, als plötzlich ein Name fiel. Ein Name. Áedán. Und die Rede war von ‚jemand anderem‘. Áedán. Konnte es sein ... ? Dass Cimon sich verplappert hatte und soeben den Namen des ‚anderen‘ Mannes preisgegeben hatte ... ?


    Unsägliche Erleichterung machte sich in dem vinicischen Sklaven breit, mit der Erkenntnis, dass der Nubier niemandem sonst etwas von dieser allgemeinen Geschichte erzählt hatte.
    Zuletzt aber musste er wieder (bitter) lachen. „Ha, mich wollten schon so viele, Cimon! Da bist du wirklich nicht allein! Und gerade seit ich Leibsklave meines Herrn bin, würden so viele sonst was dafür geben, dass ich sie wollen würde!“


    Auf die Beteuerungen ging er gar nicht ein. Die Hand wurde eiskalt ignoriert. „Du hörst mir nicht richtig zu“, mahnte Phaeneas stattdessen unerbittlich und mit ungerührter Miene an. „Ich habe dich gefragt, ob du jetzt weißt, warum du über diese unsere momentane unselige Situation besser geschwiegen hättest. Weil du dich und mich damit in Plutos Küche bringen würdest, wenn das publik wird!
    Schau, ich bin engster sklavischer Mitarbeiter des Senators Vinicius Lucianus und damit selbst eine angesehene und einflussreiche Persönlichkeit. Deshalb bin ich eine großartige Partie und wie schon erwähnt würden Unzählige alles dafür tun, nur ein Fitzelchen Aufmerksamkeit von mir zu bekommen! Und aus genau diesem Grund hättest du mir eigentlich sofort dankbar zu Füßen kriechen müssen, als ich dich geküsst habe – weil ich für dich und deinen Herrn eine gesellschaftliches und politisches Geschenk bin! Wenn aber herauskommt, dass es nicht so war, dass du unsicher warst, dann gerät damit mein öffentliches Ansehen in gewaltige Schwierigkeiten! Weil du damit in Frage gestellt hättest, ob mein Herr wirklich ein so wichtiger Senator ist! Und damit hättest du dein eigenes Ansehen gefährdet! Weil er – natürlich – der Patron deines Herrn und hochgeachteter Consular ist! Und ich sein Leibsklave, für den du dich nicht sofort und unter allen Bedingungen entscheiden konntest! Dass ich widerum dir dafür nicht endgültig den Laufpass gegeben habe, würde man als Schwäche auslegen, womit erneut mein eh schon nicht einwandfreier Ruf endgültig ruiniert wäre!
    So! Hast du jetzt verstanden, warum die über diese Sache nie wieder irgendjemandem gegenüber den Mund aufmachst?!“


    In sich war Phaeneas sein Ruf ja egal, der war – eben – eh schon fragwürdig. Aber seine Autorität als oberster vinicischer Sklave, die konnte er nicht riskieren. Denn von der wüsste er wirklich nicht, wie er die je wieder herstellen sollte. Denn die anderen Sklaven gehorchten ihm sowieso nur, weil sie das von Lucianus aus tun sollten. Nicht etwa weil der Bithynier so furchteinflößend war oder so gut Befehle zu geben verstand.


    „Na gut“, schloss der Bithynier gnädig das erste Thema ab und bestätigte dem Nubier damit, dass er sich mit dessen Antworten zufrieden geben wollte.
    „Was hat es damit auf sich, als du im Park gesagt hast, du hättest ... das mit der Frau und diesem Mann aufgrund deiner Unerfahrenheit getan? Keine Erfahrung, was meinst du damit?“

    Fixiert darauf, mit sich selbst klarzukommen und Haltung zu bewahren, schön kühl und abgeklärt rüberzukommen, interessierte es ihn grade wieder null, wie Cimon all das sah.
    Wie meistens war es ihm vollkommen egal, was in anderen irgendwie vorgehen mochte (das war ihm sowieso unheimlich, dass andere Menschen die Welt irgendwie anders wahrnehmen könnten als er; alles, was anders war als er selbst, war für ihn absolut unvorstellbar. Deshalb kam er gleich gar nicht auf die Idee, sich vorzustellen, dass es so etwas geben könnte.).
    Diese Haltung stellte sich als einfach dar, denn man konnte sich – eben – komplett auf sich selbst konzentrieren, ohne einen Gedanken an jemand anderen verschwenden zu müssen.


    Bei dem, was Cimon zur allgemeinen Aufklärung der Lage sagte, wunderte der Bithynier sich ein bisschen:
    „Du musst doch deinen Herrn nicht extra um Erlaubnis bitten. Für die ...“ Phaeneas zögerte selbst, weil es doch so unerreichbar weit entfernt klang. „... offizielle Beziehung schon eher, weil deine Verbindung mit irgendjemandem, etwa aus einer hochangesehenen Familia, doch wieder deinen Herrn repräsentiert. Aber stell dir vor, jeder einzelne Sklave deines Herrn würde ihn um Erlaubnis bitten, mit jemandem schlafen zu dürfen? Vor allem wenn du an die denkst, die keine auf Dauer ausgelegte Beziehung eingehen. Stell dir vor, die würden deinen Herrn jeden Tag wieder fragen: ‚Darf ich heute eben mal mit diesem, mit jener, mit sonst wem schlafen?’ Dafür hätte dein Herr bestimmt keine Zeit!“


    „ ... dass ich etwas für dich empfinde ...’, klang immer und immer wieder in Phaeneas’ Geist wieder, verloren, verlockend ...


    Ein Freund. Ja, das konnte der bithynische Sklave gut nachvollziehen. Auch wenn Lucianus ihre Beziehung krampfhaft auf der offiziellen Ebene halten wollte, war seine Bedeutung für Phaeneas persönlich doch die eines Freundes. Sein oder ein Herr wäre ihm so was von gleichgültig, wenn es nur ein Herr für ihn wäre. Dass ihm mehr an ihm lag, hatte seinen Grund nur darin, dass er eben mehr war als nur Besitzer.


    „Sonst nichts?“, hakte Phaeneas misstrauisch nach. Schon beim Zuhören hatte sich seine Stirn in Falten gelegt, während er die Augen konzentriert auf Cimon gerichtet hatte. „Was im einzelnen passiert ist ... hast du ihm das erzählt? Und ... das mit mir? Als du mich berührt hast ... hast du ihm das erzählt?“ Stockend nur kamen diese Worte; dieses Kapitel war ihm nach wie vor unangenehm. Niemand sollte seinen Schwachpunkt kennen.


    So verlängerte sich die Frageliste automatisch aus dem Gespräch heraus: „Ich hoffe, du weißt jetzt, warum du besser nichts gesagt hättest? ... Ach ja, sonst hast du es ja niemandem gesagt?!“, schob er in einer spontanen unheilvollen Ahnung hinterher. Wenn ja ... dann Gute Nacht!

    „Dann muss die mangelnde Aufmerksamkeit wohl wirklich daran liegen, dass du so beschäftigt bist. Aber vielleicht haben alle, die wissen, dass du der Privatsekretär deines Herrn bist“, stellte der Vinicische seine letzte These zu dem Thema auf, „zu großen Respekt, um sich dir zu nähern. Vielleicht fürchten sie ja, Ärger zu kriegen, wenn sie dich anrühren. Weil du ja so nützlich und dementsprechend kostbar bist. Und was deinen Herrn anbelangt, der holt sich seinen Spaß“ - (Phaeneas selbst fand das Wort schrecklich, viel zu banalisierend) - „bestimmt woanders. Du bist ja sein Sekretär und fürs Bett hat man eben einen anderen Sklaven. Oder mehrere.“ Lakonisch kam es von seinen Lippen, ohne dass er dabei eine Miene verzog.
    Zu der Feststellung mit der Einsamkeit in der Menschenmasse konnte der Bithynier nur traurig schmunzeln. Ja, genau so war es.


    Die Antwort auf die Frage, was das ewige Leben so bedeutete, fand Phaeneas reichlich unbefriedigend ...
    Na toll, und laut den Christen erwartete ihn jetzt – so er den Christen Glauben schenkte – ein ewiges Leben, von dem er gar nicht wusste, wie es überhaupt aussah, was ihn da erwarten sollte. Und überhaupt: „Und da freust du dich drauf? Auf ein ewiges Leben, das dir diese ‚Heldentat’ von diesem Jesus da eingebracht hat, extra von ihm geschenkt wurde – und von dem du nichtmal weißt, was da auf dich zukommt? Wer weiß, vielleicht straft dich dort ja Gott für jedes kleine Mal, wo du nicht die 10 Gebote eingehalten und nicht Gott und Jesus und alle anderen Menschen geliebt hast?“
    Genauso unbefriedigend war auch die Toten-Auferweckungsgeschichte, die jetzt folgte (‚Gott hat sein Volk heimgesucht ...’ Das klang schon fast wie eine Drohung):
    „Ach?! Und wenn ich jetzt Christ werde, kann ich nie wieder krank werden, weil ich an den Sohnes eines ... äh, des einen Gottes glaube, und wenn ich mal tot bin, werde ich jedes Mal wieder zum Leben erweckt?! Nein danke, genau dafür hab ich mich nicht den Isis-, Magna Mater- oder Mithras-Priestern angeschlossen, um solchen lebensfernen Unsinn glauben zu müssen! Solchen Zauber-Brimborium kannst du mir nicht verkaufen, mein Bester!“, widersprach Phaeneas heftig. Entsprechend ungläubig und unwillig zu glauben sah er deshalb auch aus.
    „Wenn du mir wenigstens erzählen würdest, dass die Blinden es satt hatten, diese scheußliche Welt und ihr eigenes elendes Leben weiter mitanschaun zu müssen und sie deshalb bewusst ihre Augen für immer verschlossen haben, sprich sich von der Welt abgewandt haben – und dann kam dieser Jesus und hat ihnen die Augen für ein paar kleine restliche angenehme Dinge geöffnet und ihnen so eine neue Perspektive geschenkt. Das wär wenigstens halbwegs glaubwürdig.“

    Nur keine falschen Gedanken, nur keine falschen sonstigen vom Kopf vorgegaukelten ... Empf ... Eindrücke. Während Cimon seinerseits näher kam, war Phaeneas nur damit beschäftigt sich krampfhaft im Griff zu haben. Beherrschung, Beherrschung, Selbstbeherrschung. Nur bloß nicht zu begeistert sein von der Gegenwart von diesem absolut atemberaubenden Mann, in den er sich ja auch nur heftigst verliebt hatte. Der Bithynier verliebte sich nicht oft. Und wenn, dann wurde er nur vollkommen hilflos von seinen Gefühlen mitgerissen. Gar keine gute Voraussetzung, wenn man ja eigentlich immer alles unter Kontrolle haben wollte.


    Als dürftige Reaktion auf Cimons schiefes Lächeln erschien seinerseits ein leichtes, sparsames Lächeln auf Phaeneas’ Gesicht.
    Dumm waren die Worte des Nubiers tatsächlich. Aber das zählte im Moment nicht. Gerade gab es wichtigeres zu klären.


    Der intensive Blick ging Phaeneas durch und durch und rüttelte an seiner Selbstbeherrschung. Erfreulicherweise lenkte ihn das von anderem ab, was ebenfalls irritierend wirken hätte können.


    Das zurückhaltende Lächeln gefror auf Phaeneas’ schmalen Lippen, als er plötzlich Cimons Wärme direkte durch die Tuniken hindurch spürte. Auf den nubischen Schritt nach vorne folgte auf dem Fuß ein bithynischer Schritt nach hinten. Der die alten Verhältnisse wieder herstellte. Heile Welt eben.


    Aus dem, was der aurelische Sklave dagegen sagte, sprach so viel Sinn für Humor (andere würden es auch Dummheit nennen), dass Phaeneas augenblicklich wieder lachen musste. „Nein, Cimon, das nun gerade wirklich nicht! Ich hab noch ein paar Fragen an dich, schon vergessen? Lesen, das können wir später immer noch machen – wenn du meine Fragen zu meiner Zufriedenheit beantwortet hast.“ Wobei Phaeneas da noch ein paar andere Dinge zuvor einfallen würden, die ihm persönlich in dieser hoffentlich zukünftigen Situation wichtiger wären.
    Aber wie gesagt zuerst die Fragen, deren fehlende Antworten ihm noch einiges schleierhaft erscheinen ließen. In dieser ganzen – unsäglichen – Geschichte.
    Im Übrigen wusste der Bithynier ganz genau, dass seine Mutter – auch wenn sie es ihm nie gesagt hatte – definitiv gewollt hätte, dass der Zukünftige ihres Sohnes bestimmte Kriterien erfüllt. So im Sinne von nett und höflich und verlässlich. Und genau beim letzten Punkt musste Phaeneas also gemäß dem unausgesprochenen Willen seiner Mutter nachhaken.


    „Was hast du deinem Herrn erzählt – über das, was zwischen uns passiert ist?“


    Das Verhör begann.

    Ich bitte um Geduld bei allen, die mit mir schreiben. Momentan geht es bei mir ziemlich drunter und drüber, was sich natürlich auf die Regelmäßigkeit meiner IR-Aktivitäten auswirkt.
    Tut mir also echt leid, wenn es mal deutlich länger dauert. :( Ich vergesse wirklich niemanden, komme nur nicht gleich dazu zu antworten.

    Tiberius Durus weilte im Haus. Natürlich, bei besonders hohem Besuch (wenn es mal nicht all die lästigen Bittsteller waren, auf deren ständige Gegenwart Phaeneas gut verzichten könnte) gab es immer etwas zu trinken und „Kleinigkeiten“ (wie die hohen Herrschaften sie nannten; in Wirklichkeit machten die noch viel mehr Arbeit als die alltagstauglichere Version davon) dazu.
    Mit einem Krug Wein und einem mit Wasser sowie zwei Bechern (Lukios hatte schließlich ausdrücklich abgelehnt; Wünsche so wichtiger Mitarbeiter wichtiger Politiker galt es zu respektieren) und einer Platte angefüllt mit „Kleinigkeiten“ betrat Phaeneas das Atrium.
    An der Art, wie die beiden Politiker redeten, erkannte er sofort, dass es sich um ein heikles Thema handelte. Geistig machte er sich eine Notiz, nach dem Einschenken eine Weisung an die anderen vinicischen Unfreien ergehen zu lassen, das Atrium nicht ohne ausdrückliche Aufforderung aufzusuchen.
    Schließlich reichte er stumm die beiden mit verwässertem Wein vermischten Becher an die Adressaten weiter und stellte die Platte auf dem zierlichen Tischchen zwischen den Klinen ab.

    Kurz vor dem Peristylgang verabschiedete sich Evanoridas vom aurelischen Cimon: “Siehst du, da steht er schon. Viel Spaß. Vale, Cimon!” Damit drehte er sich um und verschwand. Die Sache mit Arete, der stolzen, grausamen Arete, gab noch genug Stoff her zum Grübeln.


    -------------------------------


    Einen Fuß leicht angewinkelt gegen die Säule hinter ihm gestellt lehnte Phaeneas an dem Marmortrag- und zierelement, den Kopf zurückgelegt.
    Cimon war ihm angekündigt worden. Klar, völlig natürlich, seit Aurelius Ursus samt Anhang für die Hochzeit von so ner x-beliebigen Aureliertochter angereist war.
    Nun war der Bithynier damit beschäftigt, sich geistig und moralisch für diesen Besuch zu wappnen.


    Als er Cimon den Peristylgang betreten sah, fiel erst einmal die Sorge von ihm ab; die Sorge wegen der Seuche, die nun endgültig als unberechtigt widerlegt war, da er Cimon in Persona hier stehen bzw. gehen sah.
    Mit dem Satz “Ein Glück, sie haben dich aus der Quarantäne entlassen!”, bei dem sich Phaeneas von der Säule abstieß und einige Schritte auf Cimon zustolperte, brach diese Erleichterung aus ihm heraus.


    Dann stand er vor ihm.
    Cimon. In sekundenschnelle ratterten verschiedene Passagen aus Cimons Brief durch Phaeneas’ Kopf, wie ein Wasserfall stürzten sie sich über die Klippen von Phaeneas’ Verstand.
    Nein. Halt. Stopp.
    Phaeneas schloss die Augen. Brannte das Feuer in sich nieder und kühlte seinen Kopf.
    “Schön, dass du hier bist, Cimon. Wie ich nun wirklich sehe, geht es dir gut. Ich hoffe, du hast einiges an Zeit mitgebracht.”
    Die Miene so gut wie nichtssagend. Der Ton der Stimme nahezu neutral.

    Ja, Cimon. Der ging hier ja beinahe schon ein und aus. Zumindest für Phaeneas’ Verhältnisse.
    Natürlich fragten Leute nach dem Bithynier , wichtige Leute, Sekretäre, Leibsklaven und ähnliches. Aber diese Leute wurden von Phaeneas selten zurückbesucht, nur wenn es wirklich sein musste.
    Er hatte ja diese seltsame Neigung, sich in der Stadt für gewöhnlich mit ganz einfachen Leuten herumzutreiben. Zumindest mit Leuten, mit denen sich andere von seinem Rang niemals freiwillig abgehen würden.
    Deshalb war dieser Cimon ja eine ganz seltsame Ausnahme. Weil er einmal eine standgesgemäße Bekanntschaft des Bithyniers war.


    “Bedaure, der ist noch mit dem Herrn Lucianus unterwegs.” Im gleichen Moment kam Antias vom Atrium her ins Vestibulum, grüßte knapp und verschwand in der linken Cella. Lächelnd korrigierte sich Evanoridas: “Ah, nein, jetzt ist er doch wieder im Haus. Hey, Antias!”, rief er in Richtung der offenen Porta Cellae. “Treib mal eben Phaeneas auf.” Der Gerufene steckte seinen Kopf aus der Tür, nickte und machte sich auf die Socken.
    “Und du kannst mit mir mitkommen, Cimon.”

    oder: Warum macht er mich verrückt?!


    ‚Warum kriegst du denn jetzt keine Post mehr?’, hallten nachwievor Berenices Worte in Phaeneas’ Ohren. Spöttisch, so kamen sie bei ihm an. Und noch immer zitterte sein Inneres dabei. Denn er konnte nicht leugnen, dass sie seinen wunden Punkt getroffen hatte. Vielleicht würde ja nie wieder eine Papyrusrolle von Cimon bei ihm ankommen? Der nubische Sklave schrieb doch sonst so fleißig. Kaum in Mantua hatte er schon einen Brief geschickt. Und jetzt diese Sendepause. Würde er etwa nie wieder etwas von ihm hören? So wie er schon so oft von Menschen auf immer verlassen worden war, sie verloren hatte. Berenices Worte hatten diese Angst nur noch geschürt.
    Schon wieder allein.
    Doch nun lag diese Schriftrolle in Phaeneas’ Händen. Mit dem > C < , wie immer. Und es erfüllte ihn mit Genugtuung. Berenice hatte doch gar keine Ahnung. Cimon hatte ihn nicht vergessen, nicht verlassen. Hier war der unwiderlegbare Beweis dafür. Mit einem (selbst)zufriedenen Lächeln brach der Bithynier das Siegel.
    Überraschung machte sich dann auf seinem Gesicht breit, als feiner bläulicher Stoff heraus fiel. Erstaunt inspizierte er das ... Tuch. Ein Löwenkopf mit Lorbeerkranz war darauf zu erkennen. Ratter ratter. Das Zeichen der Aurelier. Es war wirklich das Zeichen der Aurelier ... ... ! Für ihn. Von Cimon. Das hatte nun in der Tat mehr als nur symbolisches Gewicht. Denn wenn Cimon ihm das Zeichen seiner Familia schickte, dann zeigte das, dass ihre ... Beziehung inzwischen etwas offiziellerer Natur war. ‚Und offizieller bedeutet fester ...’ Diese Geste imponierte sogar Phaeneas, der sonst nie etwas auf offizielle Dinge gab.
    Hatte Cimon dieses Stück Stoff etwa vielleicht selbst getragen? Bestimmt hatte er das! Und nun schickte er es Phaeneas. Etwas, was Cimon auf dem Leib ... ‚Ruhig bleiben, Phaeneas, nur ruhig bleiben. Immer kühlen Kopf bewahren.’
    Um mit dem Lesen beginnen zu können, legte er das Stück Stoff zur Seite (in Gedanken beschäftigte er sich schon damit, wie er das nun wieder erfolgreich vor den neugierigen Blicken der anderen Sklaven verstecken konnte).


    Was – gründlich gewaschen?! Ein Schock durchfuhr Phaeneas, als er begriff, dass Cimon offensichtlich einem von der Seuche Befallenen in den letzten Minuten beigestanden hatte. Und da sollte er sich nicht sorgen?! Die anschließenden Beteuerungen führten jedenfalls nur zu mäßiger Erleichterung.
    Nach einigen weiteren Zeilen klopfte ihm das Herz schon bis zum Hals: ‚Er will mich wiedersehen, er will mich wiedersehen. Er will es tatsächlich. Und im gleichen Atemzug: ‚Liebt er mich? Oh ihr Götter, liebt er mich?‘ Und im noch mal gleichen Moment schimpfte er sich selbst aus dafür.
    Anschließend musste Phaeneas lachen. Auf so eine drollige, sprich irre Idee kam auch nur Cimon, Katern etwas vorzulesen. Wobei, Phaeneas sprach mit Katzen. Weil sie so starre, distanzierte Augen hatten. Wie er selbst. Nur bei Katzen mochte er sie.


    Phaeneas´ Augen flogen über die Zeilen. Dann klebten sie daran, wurden immer weiter gezogen. Dann setzte sein Herz aus – und flatterte gleichzeitig. Die Hände, die den Brief hielten, zitterten leicht. ‚Sicher. So sicher ... Das kann nicht sein. Das kann nicht sein. Es kann einfach nicht.‘ ... ... ... Angst erfüllte ihn und Hoffnung zugleich. Schaukelten sich höher, erstickten sich gegenseitig und nährten sich.
    Flach ging Phaeneas‘ Atem. Kaum wagte er, tiefer Luft zu holen, seine Brust zu heben. Dann schien Cimon über etwas anderes zu schreiben. Und der Vinicische hielt es kaum aus. Deswegen drang der Sinn dieser Zeilen auch nur sehr langsam zu ihm vor. Na ja, belanglos. Alles war im Moment belanglos. Alles andere ... außer das.
    Phaeneas war ein erwachsener Mensch. Ein erwachsener Mann. Und Cimon raubte ihm den Verstand. Jetzt, und vorhin, und jeden Abend und jede Nacht, wenn er sich schlaflos herumwälzte.
    Falsche Angst. Falsche Dinge. Oh so falsch ... war sie gar nicht. ‚Verlieb dich niemals in einen Draufgänger!‘ So lautete die klare Anweisung, die er stets an sich selbst hatte ergehen lassen. ‚Verlieb dich niemals in einen Frauen- oder Männerheld!‘ Es war so einfach ... zu verstehen ... Aber jetzt war es zu spät. Oh verdammt, es war zu spät.
    Wie nur hatte Cimon es geschafft, alle seine Not- und Frühwarnsysteme zu umgehen? Jetzt blieb ihm nur noch die Notbremse, die Notbremse, wenn Cimon ihm gegenüberstand. Denn soweit – soweit hatte er sich ja wohl gerade noch im Griff.


    ‚So sehr, dass es schmerzt.‘ Verschwitzt, zitternd und erschöpft, ihm war heiß, saß er vor der Papyrusrolle, starrte auf die Tinte-Buchstaben.
    Besuchen. Seufzend wischte sich der Bithynier die nassen Hände an der Tunica ab. Oh, nein .... Wenn Cimon kommen würde ... Es würde schreckliche, verheerende Wirkungen haben ... Er erkannte sich ja selbst kaum wieder. Na gut, natürlich hatte er sich selbst schon so erlebt. Aber nur in Momenten, in denen es angebracht gewesen war. Ungefährlich.
    Die letzten Worte klatschten ihm wie Wäsche im Wind ins Gesicht. Leer, wie inhaltslos, weil so leicht und dünn.


    Die eine Hand ließ los, das Papyrus rollte sich ein. Die andere Hand ließ es ebenfalls los. Die Hände kehrten zum Besitzer zurück. Müde schloss Phaeneas die Augen. Dabei war erst früher Nachmittag. Und er fühlte sich schon wie sonst nur spät abends. Daran war dieser Brief schuld. Cimon machte ihn verrückt. Allein nur seine Worte schafften das.
    Der Bithynier konnte gar nicht mehr denken. Mochte gar nicht daran denken, was Cimon geschrieben hatte, was es bedeuten mochte.


    Der Abstand hatte auch in Phaeneas einiges in Gang gesetzt. Die Zeit, die seit ihrer letzten Begegnung vergangen war, hatte es verstärkt, wachsen lassen. Und nun musste er teuer dafür bezahlen. Nun durfte er es bereuen.

    Seit Mago, sein Liebhaber, Küchenchef geworden war, hatte sich nichts verändert. Zumindest nichts an ihrem gegenseitigen Verhältnis. Mago hing nachwievor genauso begeistert und leidenschaftlich an ihm.
    Nur war er, Evanoridas, nun das Ziel Nummer Zwei von Aretes Abneigung. Ziel Nummer Eins war Mago, der ihr ihre Beförderung weggeschnappt hatte. Klar, soweit konnte Evanoridas das noch verstehen – aber wieso konnte sie nun ihn auf den Tod nicht mehr ausstehen? Erst kannte sie ihn praktisch gar nicht und jetzt aus heiterem Himmel verabscheute sie ihn? Und das nur wegen seiner Freundschaft mit Mago? Nach dem Motto: ‘Alle Freunde meiner Feinde sind auch meine Feinde’?
    Das Klopfen verhinderte weiteres Grübeln. Als Evanoridas die Tür geöffnet hatte, setzte er ein lockers Lächeln auf und machte einen auf gute Laune: “Du bist doch Cimon, von den Aureliern. Na, schickt dich dein Herr Ursus vorbei? Will er was von unserem Lucianus?”

    Nickend nahm Lysias den Wunsch des Alten ... pardon, des älteren Senators entgegen und blickte dann abwartend zwischen dem begleitenden Sklaven und seinem Herrn hin und her.
    Selbstverständlich gehörte es für gewöhnlich zum Service des Hauses, dass Leibsklaven, Sekretäre etc. auch etwas gegen den Durst bekamen, aber wenn Lukios schon so eindeutig ablehnte, erübrigte sich das natürlich.
    Da der Herr Lucianus schon alle Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte, senkte Lysias also nur dienstverpflichtet den Kopf, lächelte Lukios noch einmal beiläufig zu und gab schließlich dezent im Hintergrund den Getränkewunsch des Tiberiers in der sklavischen Dienstkette weiter.
    Dann verzog er sich wieder an die Haustüre, wo Tigranes, sein persönlicher Leibwächter bzw. der der Porta, schon auf ihn wartete.

    Ausrichten. Na wunderbar, dann musste Antias jetzt nicht rennen und um einen Termin fragen, sondern konnte es getrost und berechtigt auf später verschieben - und sich jetzt gleich, sobald der Annaeer weg war, wieder seiner Lektüre widmen. Wie würde Asterix das Problem mit den Behörden wohl lösen?
    Rücksprache mit den Sklaven, die Ahnung von der Tageseinteilung ihrer Herrn hatten, war auch immer eine sehr umständliche Sache.
    „Sehr wohl, Herr Annaeus Varus, wird gemacht. Vale, der Herr!“, schickte Antias dem zukünftigen Praefectus noch hinterher – und stürzte sich dann auf „Asterix erobert Rom“! :]

    Im Moment lag die „Asterix erobert Rom“-Episode (die für den gehorsamen Sklaven natürlich nur unterhaltsame Abwechslung darstellte) auf seinem Hocker in der Cella.
    Geduldig hörte sich Antias das Anliegen des Annaeers an. Dann traten „Sorgenfalten“ (die natürlich nur einstudiert waren) auf seine Stirn. „Es tut mir leid, dem Herrn Annaeus mitteilen zu müssen“, meinte er in Richtung des Leibsklaven, „dass Senator Vinicius Hungaricus momentan leider nicht hier in der Villa weilt. Wünscht der zukünftige Praefectus Aegypti einen Alternativtermin, zu dem er seinen Patron in jedem Fall erreicht?“
    Im Grunde wollte Antias gerade nicht um jeden Preis wissen, was der Annaeer wollte, sondern wie es bei Asterix und Obelix weiter ging.


    Sim-Off:

    Zur allgemeinen Info bzw. @Hungi: Nach Absprache mit dem Spieler hinter Annaeus Varus

    Auch das Atrium leuchtete in der Sonne, die das Compluvium hereinließ, und es schimmerte noch etwas Licht vom Peristyl herüber. Endlich ergaben die naturüberfüllten Szenen, die an den Wänden dargestellt waren, für Lysias Sinn. Sobald die Sonne all das Grün beschien.
    „Herr Tiberius, mein Herr dürfte jeden Moment erscheinen. Ihm wurde dein Besuch gerade eben angekündigt. Mach es dir doch auf einer der Klinen hier bequem – und möchtest du etwas zu trinken?“
    Sah nach einem lauen Sommerabend mit seiner Liebsten aus.

    Sanft tanzten die Sonnenstrahlen auf Lysias’ sommerbesprossten Wangen, als die Tür geöffnet war und die Sonne endlich ihren Weg zu ihm fand. Lysias hatte gute Laune, wie eben immer, wenn es draußen sonnig und damit hell und warm war. Später war er für den Putzdienst eingeteilt – konnte das seinen perfekten Tag beeinträchtigen? Nein, natürlich konnte es das nicht. Warum arbeiten, wenn man es genauso gut „leben“ nennen kann? Für Lysias war das alles gleich.
    Genauso freute er sich über die tiberischen Sklaven – er kannte sie inzwischen, grüßte sie gut gelaunt. „Ah, zu Vinicius Lucianus. Kein Problem ...“

    „Salve, der Herr, du wünschst?“, erkundigte sich Antias, nachdem er die Tür zur vinicischen Stadtvilla aufgezogen hatte.
    Gerade eben hatte er sich die achte Episode von „Asterix erobert Rom“ zur Hälfte reingezogen, die ähnlich wie die „Gaius“-Serie regelmäßig in lesbarem Format erschien. Es handelte sich bei dieser Ausgabe um die Aufgabe mit dem Haus, das Verrückte macht. Und beim ersten Teil hatte sich Antias schon so schlapp gelacht, dass er kurz Menyllus hergerufen hatte, um ihm einen Teil vorzulesen ...