Überanstrengung und Unterforderung ... Ja, die wenigstens Freien wussten, was es bedeutete, Sklave zu sein. Vor allem ahnten die wenigsten, dass dieses Danebenstehen und Zusehen so viel Zeit eines unfreien Lebens ausmachte. Und erst recht konnten sie sich dementsprechend nicht ausmalen, was ein Sklave während dieser so langen Zeit anfing. Aus dem sehr verbreiteten Glauben, alle Diener würden mit Fledermausohren dem Gespräch der Herrschaften lauschen, sprach Arroganz – auch wenn es natürlich zu großen Teilen stimmte. Aber am wenigsten konnten sich die politisch aktiven Vorstellen, dass jeder gewöhnliche Außenstehende früher oder später einschlief, wenn zum tausendsten Mal diese ewig gleichen Dinge – von wegen Unterstützung beim politischen Einstieg und ähnliches – besprochen wurden. Da blieb einem nur abzuschalten und sich ein eigenes Thema zu suchen. Sklaven waren schließlich nur rein rechtlich das Gleiche wie Vasen und Tischchen.
Auch als man den abgehenden Gast schon fast als nicht mehr anwesend betrachten hätte können, blieb er immer noch in Phaeneas‘ Augenwinkel. Also gewundert hätte es den Bithynier ja nicht, wenn der Stimmfänger noch einmal stehen geblieben wäre, um sich laut von ihm zu verabschieden – aber eine so vorsichtige Vorgehensweise passte schlicht nicht zu politisch-schleimerischem Kalkül.
Und trotz allem blieb ein Klient erst einmal ein Klient, ein patrizischer noch dazu, und so blieb des Bithyniers Kopf unbewegt, starr geradeaus gerichtet, er reagierte nicht, nur Phaeneas‘ Augen folgten ihm ... So versteckte sich ein – feiger - Sklave hinter seiner Maske.
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Phaeneas‘ „Gastgeber“ konnte nicht nur reden, er konnte auch lauschen. Eine gute Eigenschaft, wie der Sklave erlebt hatte, nur wer gut zuhörte, konnte auch gut sprechen – und antworten. Aus dieser Erkenntnis heraus hatte er auch zum Nutzen der von Sermo ausführlich dargelegten Rhetorik eine Gegenthese, die wieder aus bloßer praktischer Erfahrung resultierte: „Wir alle wachsen von Sprechern umgeben auf. Und es reicht, durch das Leben zu lernen, welche Methoden von anderen angewandt werden, um etwas zu erreichen.“ Es war bezeichnend, dass Phaeneas anderen die agierende Rolle überließ. „Solange man versteht, durchschaut, was sie sagen, wie sie verschleiern, beschönigen und übergehen, ist man gegen jegliche rhetorischen Kunstgriffe immun. Und dazu muss man nur stets mit wachen Ohren zuhören.“
Vorsichtig trank er noch einmal von seinem Wein. „ ... und vor die Haustüre meines Herrn ebenfalls, wie du siehst“, bemerkte Phaeneas am Rande. „Na ja, die vornehmeren Kreise Roms fliehen im Sommer vor der Hitze der Hauptstadt und alle politisch Aktiven landen von selbst früher oder später in verschiedenen Provinzen des Reiches. Insoweit sind fast alle Haussklaven weitgereist“, führte der Bithynier aus, eben in der Art, in der man über seinen Alltag erzählte. „Aber die wenigsten sehen natürlich etwas von den Orten, an denen sie sich aufhalten“, bestätigte er Sermo, indem er wieder auf das Haus des Herrn zurückkam.Er entschuldigte sich. Sermo entschuldigte sich. Damit würde Phaeneas nie klarkommen, niemals im Leben, dass ihn jemand, der – zumindest rein rechtlich – klar über ihm stand, um Verziehung bat. Niemals würde der Bithynier die dahinter stehende Logik verstehen können. Und er wollte es auch gar nicht.
Was Phaeneas gänzlich belustigte, er aber natürlich strikt versteckte, war, wie Sermo das „zumindest nicht als Unfreier dienen“ betonte. Es gefiel dem Sklaven, auf unerklärliche Weise, und es zeigte vor allem, dass sein Gegenüber realistisch war – nicht wenige ließen sich von ihrer persönlichen Freiheit zu der dummen Annahme verleiten, tatsächlich ihr eigener Herr zu sein. Und Phaeneas mochte solche Naivität nicht sonderlich.
Wenn der Bithynier bei dem, was der ihm gegenübersitzende Mann dann jedoch sagte, schon seine Suppe gehabt hätte, hätte er sich gehörig verschluckt. „Du willst in den Senat und hast noch keinen einzigen Sklaven besessen?! Herrje!“ Phaeneas lehnte sich zurück, auf seinem Gesicht ein absolut unverständiges Lächeln, in etwa so als hätte man ihm eröffnet, die Sonne sei nur eine optische Täuschung, und er müsste diese Erkenntnis erst noch verarbeiten.
Als dann das bestellte Essen kam, schüttelte der Bithynier noch ein letztes Mal über die seltsame Welt den Lockenkopf und widmete sich der heißen Suppe. „Guten Appetit“, erwiderte er – ein ‚Lass es dir schmecken.‘ wäre zu persönlich gewesen. Der Sarkasmus, der in Sermos Worten mitschwang, ließ seine Äußerungen über die Politik noch intensiver in Phaeneas‘ Ohren hallen. „Was bewegen?“, schob er also nur, wie beiläufig, ein.
„Wer weiß, vielleicht sehen sich diese Leute auch als Statisten?“, fügte er - noch ein wenig, sehr seicht scherzhaft – an. „Nein“ – Scherz beiseite – , „dadurch, dass viele den Purpurstreifen schon vom Vater vererbt bekommen und sie ihr Weg von selbst in die Politik führt, sind dort genug dabei, die ihre Zeit im Senat nur absitzen.“ Dieses In-die-Oberschicht-hineingeboren-werden und sämtliche zugehörigen Pflichten dazuzubekommen erlebte Phaeneas ebenfalls seit Kindesbeinen an. -
Jetzt bin ich spontan auch noch krank geworden. Mal sehen, was das noch wird ...
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Bis inklusive Donnerstag, vielleicht auch inklusive Freitag hab ich absolut gar keine Zeit.
Bis hoffentlich bald!
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„Gerne doch, Lictor!“, erwiderte Antias mit souveränem Lächeln – er liebte seinen Job trotz allem! Und das hier war ganz klar der bequemere Teil.
Dann merkte Antias auf. Erfolgreich, oh, da hatte jemand seinen spendablen Tag. Ja, Erfolg konnte man fast überall im Leben brauchen, egal ob es erst einmal um die zufriedenstellende Erledigung eines Auftrages oder um Aufstieg, eine neue Flamme oder Sport ging.
„Danke, Gleiches zurück. Vale, lictor!“ -
Glücklicherweise war das ausklingende Gespräch nicht mehr allzu überproportional politisch, weshalb auch Phaeneas‘ Gedanken wieder auf normale Bahnen zurückkehrten. Üblicherweise lauschte er solchen Unterhaltungen sowieso nur dann, wenn er sie mitzuschreiben hatte (oder er – seltenerweise – das Gegenüber seines Herrn persönlich kannte). Trotz seiner mangelnden Begeisterung und dementsprechend Aufmerksamkeit für solche Angelegenheiten hätte der Bithynier in dieser Sache ohne Weiteres für Lucianus antworten können. Wort für Wort hätte er es haargenau so darlegen können. Dafür kannte er seinen Herrn inzwischen längst schlicht zu gut. Und seine Großzügigkeit war nicht nur bei den Sklaven dieses Hauses oder seinen ehemaligen Untergebenen in der germanischen Provinzverwaltung bekannt. Wenn Lucianus abgesagt hätte, hätte Phaeneas sich Sorgen gemacht und einen Arzt gerufen.
Wenn man als Sklave nicht gerade an Leib und Leben bedroht war, dann war alles, was man tun sollte, so einfach, so einfach. Wenn man nicht gerade ausgehorcht wurde, dann gab es nur die ewig gleichen Arbeitsabläufe oder man stand irgendwo herum, wie jetzt gerade eben. Seltsam, dass das Leben nur aus Überanstrengung und Unterforderung zu bestehen schien. Ersteres konnte man Phaeneas kein bisschen ansehen und ansonsten war sein Gesicht nur wie ein spiegelglatter Teich, der scheinbar durch nichts getrübt wurde. Die großen dunklen Augen verloren sich für einen Moment in der Ferne (die durch die Wände des Atriums begrenzt wurde), selbstvergessen, wirklichkeitsvergessen. Und doch nachwievor von großem Ernst geprägt, unauslöschlich, unabänderbar, aber die Ironie des vorhin Gedachten hatte die Schwermut aus seinem Gesicht gewischt.
Auch wenn ein Teil von ihm längst zu Theorie, zu Gedanken, zu Abstraktem geworden war, war er trotzdem immer fest in der Realität verankert (aus Gründen der Sicherheit) und bemerkte dementsprechend das aufmerksame Auge des Flaviers, das auf ihm ruhte. Aber in solchen Dingen war er wesentlich zu phantasielos, um dazu eine konkrete Vermutung anstellen zu können. Zum anderen auch, weil es ihm nicht wichtig war. -
Wieder bei der Porta der Villa Vinicia angekommen informierte Antias den von Purgitius Macer losgeschickten Lictor: „Mein Herr wird dem Praetor an besagtem Vormittag als Iudex beiseite stehen, du kannst ihm also seine Zusage überbringen, Lictor.“
Und genau das war immer der Zeitpunkt, an dem solche Sonderaufträge für Antias erledigt waren. Ab jetzt war der Mann, der da vor ihm stand, nur noch ein ganz gewöhnlicher Besucher, der höflich an der Tür verabschiedet werden musste. -
‚Warte einen Moment!‘ Diese Zeitangabe würde Antias gut einhalten können, denn der Herr wusste sofort, wie seine Entscheidung ausfiel. „Gut“, nickte der Sklave also, mit einem abschließenden: „Faciam, domine!*“ und machte sich wieder auf zur Haustüre.
Nun galt es nur noch, das den Lictor wissen zu lassen. Der würde sich freuen, wenn er auf Anhieb eine positive Antwort bei seinem Vorgesetzten vermelden konnte.Sim-Off: * Mach ich, Herr!
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Zitat
Original von Appius Terentius Cyprianus
Antworten können etwas länger dauern. Irgendwie brauche ich mehr ZeitGutes Stichwort - genauso geht's mir zur Zeit auch.
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Antias klopfte an der Tür des Arbeitszimmers seines Herrn, um dann einzutreten und die dringend nach Antwort verlangende Botschaft des Lictors loszuwerden: „Herr, der Praetor Purgitius Macer hätte dich gerne als Iudex bei einer Gerichtsverhandlung in der Basilica Ulpia am ANTE DIEM IV ID IAN DCCCLX A.U.C. (10.1.2010/107 n.Chr.), vormittags. An der Porta steht ein Lictor, der wissen möchte, ob du zu- oder absagst.“
Leicht musste Antias grinsen, als er sich an die schön zurecht gelegten Worte des Lictors erinnerte und sie mit seiner eigenen schlichten, auf das wesentliche reduzierten Widergabe verglich. -
Ja, gut, manchmal kam man seinem Schicksal nicht aus. Na ja, und so war die Sache wenigstens erledigt, mit möglichst geringem Aufwand. Mühlen eines Sklavenhaushaltes mahlten auch manchmal ganz schön langsam.
„Selbstverständlich“, nickte Antias. „Dann frage ich ihn sofort. Warte bitte einen Moment! Tritt nur ein inzwischen!“ So bat er den Lictor erst ins Warme, um sich anschließend auf direktem Wege zum Arbeitszimmer des Hausherrn zu begeben. -
Sim-Off: Stimmt
Als er Lucianus‘ „Bitte“ und „Danke“ kennengelernt hatte, war das für Phaeneas erst mal reichlich gewöhnungsbedürftig gewesen und es hatte lange gedauert, bis er damit klargekommen war. Wenn dagegen einer von zehntausend Bittstellern, die zu dem Consular kamen, derartige Vokabeln in den Mund nahm, war das etwas anderes, denn die wollten sich sowieso alle nur beliebt machen, damit sie die erbetene Hilfe bekamen. Mit Schleimerei kam Phaeneas wesentlich besser zurecht als mit ernst gemeinter Höflichkeit oder gar noch Freundlichkeit.
So nickte er also nur – höflich – und bedachte den flavischen Sinn- äh, Unterstützungssucher weiterhin mit keinem Wort.
Schließlich hatte ein Sklave ein Gespräch unter den Herrschaften nur angenehmer zu machen – beispielsweise durch Verpflegung - , aber nicht zu unterbrechen (zumindest nicht mehr oder minder sinnlos). Und die zwei unterhielten sich ja gerade über so was von wichtige Dinge - so wichtig, dass das Ganze nach wenigen Sandkörnern einer Sanduhr im Prinzip abgeschlossen war. Ja, sowas nannte sich Politik. Der Bithynier wettete sonst was, dass sämtliche Senatssitzungen genauso abliefen.
Als er sich also längst wieder deutlich in den Hintergrund zurückgezogen hatte, da geschah etwas ganz außergewöhnliches: Phaeneas begeisterte sich ernsthaft für etwas, was die beiden da austauschten, indem er sich nämlich innerlich darüber amüsieren musste, wo der Flavier Aurelius Ursus getroffen hatte – in den Thermen (das war noch vollkommen legitim) und in einer Taverne. Na, hoffentlich wollte er später, wenn er erst mal was geworden war, seine politischen Unterredungen nicht auch in Tavernen abhalten! -
Den größten Schwung Klienten hatte Lichas heute bereits ins Atrium gelotst, nun galt es nur noch Vereinzelte oder kleinere Gruppen einzulassen, schön eins nach dem anderen. Als er diesmal die Tür aufzog und den Davorstehenden erblickte, durchzuckte ihn die Erinnerung an dieses Gesicht. Den hatte er doch schon mal gesehen, oder? Nur der Name dazu – oder der Name des Herrn beziehungsweise der zugehörigen Familie – fehlte. Nicht die klitzekleinste Information wollte Lichas kommen, die ihm offenbaren könnte, wem er hier die vinicische Porta öffnen sollte.In Anbetracht dessen, dass es ihm also schlicht nicht einfallen wollte, warf er einen Blick hinter den Anmeldesklaven – bevor der auch nur dazu kam, seinen Herrn vorzustellen – und entdeckte dort, oh Wunder, Aurelius Ursus. Ah ja, klar, natürlich.
„Salve, domine Aureli!* Der Herr sitzt schon im Atrium. Nur herein!“ Mit großer Geste wurde erst der Senator und dann dessen Begleitsklave eingelassen, dem Lichas kameradschaftlich zuzwinkerte, während er den beiden den bereitstehenden Lysias mit auf den Weg gab.Sim-Off: * In wunderschönstem Latein
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Im Atrium war der Patron bereits mit den Anliegen seiner Klienten beschäftigt, genauso wie sich sämtliche Diener im Raum um die Gäste kümmerten und in einer Ecke spielten wieder die beiden Sklavenjungen Charmis und Menyllus, diesmal mit hölzernen Murmeln. Sobald der patrizische Senator (samt Anhang) den Raum betreten hatte, eilte sofort Antias auf ihn zu, um ihn prompt zum Hausherrn zu bringen. Der just in dem Moment im Gespräch mit dem Klienten, mit dem er sich gerade unterhalten hatte, fertig geworden war.
Neben Lucianus befand sich wie immer Phaeneas, mit ernstem Gesicht, in seine Mitschrift vertieft. Auch nachdem der, dessen – selbstverständlich weltbewegende – Probleme er festhielt, sich längst wieder entfernt hatte, kritzelte der Bithynier noch emsig auf seiner Wachstafel herum. Sobald er dann den letzten Strich in das weiche Material gedrückt hatte, sah er auf und ließ den Blick einmal kurz durch das Atrium schweifen, beendete den Rundblick bei Lucianus – und widmete sich dann doch nicht gleich wieder seiner Schreibausrüstung, wie ursprünglich beabsichtigt, denn da war Cimon. Dessen Saturnaliengeschenk Phaeneas gerade benutzte. Der Bithynier sandte ein dezentes Lächeln hinüber, das sich allerdings nur kurzzeitig auf seinen Lippen hielt. Die vielen Leute außen herum. Das stand ihm gerade deutlich vor Augen. Sklavenpflicht. Daran versuchte er sich konsequent zu erinnern.
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„Salve, lictor!“, grüßte Antias zurück. Aufmerksam lauschte er den Ausführungen des Beamten und prägte sich vor allem Namen, Amtsbezeichnung Datum, Ort und ... ja, natürlich Anliegen ein.
Schön formuliert, befand außerdem der Ästhetiker in ihm – aber der war hier ja nicht wichtig.
„Ja, gut“, bestätigte Antias erst einmal, dass er die Botschaft aufgenommen hatte. „Wünscht der Praetor selbiges sofort zu erfahren oder reicht auch eine schriftliche Zu- oder Absage, nachdem der Herr es erfahren hat?“ Das war noch die Frage, ob er gleich rennen musste oder ob das Ganze noch Zeit hatte. -
Sim-Off: @ Piso:
Freu dich nicht zu früh, aus dem Wortspiel kann man noch Traumtänzer machen.
Während jegliche Aufmerksamkeit mit großer Wahrscheinlichkeit auf Lucianus lag, erschien auch Phaeneas, dessen Leibsklave, noch an Ort und Stelle, war er doch meistens irgendwo in der Gegend um Lucianus herum zu finden, auch wenn der ihn gerade nicht akut brauchte. Es ging dem Bithynier ja schließlich auch nicht in erster Linie darum, jederzeit zu Diensten zu sein, Lucianus gab ihm das, was Phaeneas selbst fehlte: Sicherheit und Stabilität.
In beinahe abenteuerlicher, aber durch und durch souveräner Weise balanzierte der bithynische Sklave zwei Krüge und ebensoviele Becher ins Atrium. Dafür, dass er nun wirklich seit Ewigkeiten wichtigster Unfreier in Lucianus‘ Familia war, war er sich nachwievor nicht zu schade dafür, selbst den Serviersklaven zu machen. Das Türöffnen lag ihm einfach nicht, dafür musste man wesentlich redsamer sein, aber ansonsten sah sich Phaeneas als ganz gewöhnlichen Diener, der eben zu einem da war – dienen!
Bemüht unauffällig trat er zu den beiden Männern hinzu, stellte alles, was er hierhergetragen hatte, auf dem kleinen Tischchen ab, befüllte die Becher und reichte den ersten dem Gast, den zweiten dem Hausherrn. -
Gemäß dem, was er gesagt hatte, positionierte Phaeneas also den Stilus, den er von Cimon zu den Saturnalien bekommen hatte, bei den anderen Schreibsachen und bettete auch das Stück Tuch daneben. Dafür, dass der bithynische Sklave sonst in allen Dingen so ordentlich war (eiserne Ordnung hielt), lagen hier die Wachstafeln relativ durcheinander.
Es war schön, Cimon weiterhin so begeistert zu sehen, wenn es um Literatur ging. „In der Tat“, bestätigte Phaeneas erst, für seine Verhältnisse relativ optimistisch, und bemerkte dann noch: „Sich mit den Menschen zu beschäftigen, ist manchmal so müßig ...“, und kehrte damit wieder seinen Pessimismus heraus.
„Hm, ich bin mir nicht sicher, ob du mir helfen kannst“, überlegte er dann auf des anderen spontanes Angebot hin. „Aber danke, Cimon, ich werde gerne auf dich zurückkommen – wenn ich wieder einmal in der Bibliothek der Villa Vinicia gestanden bin und nicht wusste, wo ich hingreifen soll“, schmunzelte er. „Doch ...“ Und jetzt wurde Phaeneas leicht verlegen. „ ... kennst du eine Schrift, die sich mit Bithynia beschäftigt?“ Die ewige, ewig brennende Frage.„Aber wenn du willst, können wir gerne gemeinsam dort weiterlesen, wo ich stehen geblieben bin“, bot er schließlich mit Blick auf die Papyrusrolle an.
Es überraschte den Bithynier ein weiteres Mal, als Cimon den Kopf senkte. Phaeneas selbst tat das nur, wenn er sich dafür schämte, etwas schlecht gemacht zu haben, was er als Sklave eigentlich gut können müsste. In dem Bereich, den er als sein ‚Privatleben‘ bezeichnete, senkte er seinen Kopf nie.
Ein weiteres Mal überraschte der aurelische Unfreie ihn, als er doch eine ganze Reihe an Sprachkenntnissen aufzählte, über die er mehr oder weniger gut verfügte. „Nicht schlecht“, war allerdings Phaeneas‘ einzige Reaktion; ihn selbst konnte man schließlich mit nichts beeindrucken, wenn es um Sklavenfähigkeiten ging. Neid war dem Bithynier fremd. „Und woher kommt deine Mutter konkret?“, erkundigte er sich.
„Von mir kannst du sprachenmäßig nicht viel lernen“, bremste er Cimon prompt. „Ich spreche, lese und schreibe nur Latein, es ist meine Muttersprache.“ Davon abgesehen, dass er es in schriftlicher Version auch erst seit kurzem beherrschte. „Eines von wenigen germanischen Wörtern, die ich gelernt habe, ist ‚Heilsa.‘. Das bedeutet ‚Salve.‘. In einem anderen germanischen Dialekt kann man auch noch ‚Heile.‘ sagen. Das ist wirklich alles, was ich außer Latein kann. Na ja, und die ins Lateinische übernommenen griechischen Fremdwörter natürlich“, fügte er noch, mehr wie im Scherz, hinzu. -
Cimon verleugnete sich selbst, indem er vorschob, es nicht zu wissen. Er sah richtig elend aus; und Phaeneas ging es in diesem Anblick auch so. Die reuevollen und entschuldigenden Reaktionen des aurelischen Sklaven ließen den vinicischen sich jedes Mal wie Cimons Peiniger vorkommen; aber so sollten sich bitte sehr nur dessen Herrschaften fühlen.
Nun blieb dem Bithynier also wieder nichts anderes, als zu versuchen, sein Gegenüber erneut zu beruhigen: „Es ist schon gut, Cimon. Es ist mir lieber, du lachst. Die Gegenwart von fröhlichen Leuten ist angenehmer als die von solchen, die ein schiefes Gesicht ziehen.“
Dann dachte er erstmals über das nach, was der andere gesagt hatte; und musste herzlich lachen. „Ach, du meinst etwas in der Richtung von auf dem Rücken tragen? Dann müsstest du wohl beide auf deine Schultern nehmen und mir würden sie die Einkäufe aufladen!“
Gemeinsam mit Cimon trank er nochmal. „Ja, bitte“, bestätigte Phaeneas und ließ sich von dem Brot reichen. Es war eigentlich ein absolut perfekter Augenblick. In dieser Küche wurden sie in Frieden gelassen, sie hatten vor niemandem etwas zu fürchten, es war warm und gemütlich, sie konnten gutes Brot und guten Käse essen und dazu guten Saft trinken und Phaeneas saß dem gutgelaunt grinsenden Cimon gegenüber. Nur leider war das Leben selten so.
Und dazu ließ der Bithynier selten zu, dass jemand mit ihm gemeinsam einen Moment so empfinden konnte; dafür schloss er sich oft zu sehr von anderen ab und genoss allein oder ließ allein genießen. Das machte diesen Augenblick noch besonderer, denn Cimon war da und sie ließen sich beide wissen, dass es ihnen so gefiel.
Immer mehr kam Phaeneas also zu dem Schluss, dass die Coqua sich ruhig Zeit lassen sollte; vielleicht sollte er sich doch einmal auf Bestechung verlegen und bei der aurelischen Köchin anfangen? Für das nächste Mal.
Doch momentan konnten sie noch hier sitzen und sich das Essen und den Saft schmecken lassen. Mit einem Lächeln fing Phaeneas Cimons Blick auf.
Und der Bithynier war ein aufmerksamer Beobachter; war von Kindesbeinen auf darin geübt, gut auf sein Gegenüber zu achten und möglichst die kleinste Regung zu bemerken.
„Oh, lange, sehr lange. Kein Fest endet vor den Abendstunden. Es wird sicher spät werden. Hm, ob mein Herr zu den Gästen gehören wird, die am frühesten gehen“, überlegte Phaeneas, „weiß ich nicht recht. Aber ich glaube, auch das wird keinen großen Unterschied machen.“ -
Einen Tag nach dem, an dem er schon jede Menge Botengänge erledigen hatte dürfen, machte sich der bithynische Sklave wieder vor den Räumlichkeiten von Lucianus‘ Schwägerin durch Klopfen bemerkbar. Nachdem er herein gebeten und wieder dieses ungewohnten Lächelns angesichtig worden war, versuchte er sie von der neuen Lage in Kenntnis zu setzen. Herrje, wie sollte er das nur sagen?! Sollte er das Ganze mehr ihr hinschieben oder die Verantwortung eher bei sich selbst lassen? (Davon abgesehen, dass Phaeneas Verantwortung nicht ausstehen konnte.)
„Der Herr lässt dir noch einmal bestätigen, dass du ihn auf besagte Hochzeit begleiten wirst.“ Immer schön unpersönlich formulieren, nie von sich selbst reden. „Er meinte, du könntest dir für diesen Anlass eventuell eine neue Garderobe aussuchen wollen.“ Bei diesen Worten zog der Bithynier den Geldbeutel hervor. „Außerdem besteht noch die Notwendigkeit, für das Brautpaar ein angemessenes Geschenk zu erwerben. Vielleicht würdest du mich dabei – in Verbindung mit dem Kauf von Ersterem - unterstützen wollen, Herrin?“ Mehr einer Bitte kam es gleich; und etwas anderes als eine Bitte konnte er auch schlecht an eine Dame ihres Ranges richten.
Und es war ehrlich formuliert. -
Sim-Off: Zu wenig kitschig – Überraschung mal drei!
Die wenigstens pflegten sich an der Porta in so vielen Regungen zu ergehen. Trotzdem fand Lysias es absolut unterhaltsam. Eine nach oben wandernde rechte Augenbraue – etwa ein Flavier? „Aber natürlich, Herr, der Name.“
Ach ja, das musikalische Genie, von dem man in ganz Rom hörte – zumindest wenn es einen interessierte. Dennoch beschloss er, den Besucher nachwievor ernstzunehmen. „Den Hausherrn, der Wahl wegen ...“, wiederholte Lysias seinerseits. Unglaublich, mit welchen Anliegen die Leute hierher kamen! Exotischer ging’s wirklich nicht mehr!
Das Schielen an ihm vorbei ins Haus hinein registrierte der Sklave mit Erheiterung. Der Name allein war schon eine todsichere Eintrittskarte, gleich würde Piso also von der Villa sehen (oder zumindest fast), was sein Herz begehrte.
„Du hoffst berechtigt“, fasste er nun zusammen, „er sitzt in seinem Arbeitszimmer und normalerweise dürfte nichts dagegen sprechen, dass er dich empfängt. Komm bitte mit, ins Atrium, Herr!“