Phaeneas musste lachen: „Ob ich das schon weiß? Du Glücklicher, dass es wirklich schaffst, dich von der ‚Ruhe‘ im Haus täuschen zu lassen!“
Die in einem großen Haushalt sowieso bestenfalls nur im näheren Umkreis des jeweilig momentanen Aufenthaltsortes des Herrn existierte. Und in letzter Zeit waren die Vorgänge in der Domus sowieso unüberhörbar gewesen.
„Es fehlen nur noch ein paar Kleinigkeiten, der Großteil ist schon erledigt! Wir können quasi jederzeit, innerhalb kürzester Zeit aufbrechen“, berichtete er Lucianus vom Stand der Dinge.
Beiträge von Phaeneas
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Als Gegenstück zu ihrem Lächeln erschien ein schmales Schmunzeln auf Phaeneas‘ Gesicht.
Es erfüllte ihn mit ... Stolz, dass diese junge Frau vor ihm, Duccia Flamma, aufgrund dessen, was er ihr von der Naturalis historia erzählt hatte, den Gedanken erwägte, dieses Werk wieder einmal zur Hand zu nehmen.
„Es lohnt sich“, antwortete er und nickte leicht.
Wie er auf ihre Hilfsbereitschaft reagieren musste, tat ihm selbst in der Seele leid ... Wie großzügig sie ihm anbot, jederzeit zu ihr kommen zu können, das wärmte ihm das Herz.
„Leider werde ich nicht mehr oft Gelegenheit haben, hierher zu kommen, denn ich werde bald mit meinem Herrn nach Rom abreisen.
Aber ... Danke für dein Angebot!“ Und er sah sie an.Nach einem kurzen Moment des Nachdenkens fügte er schließlich hinzu: „Na ja, zum Glück kann ich Plinius‘ Naturkunde auch in der Bibliothek der Villa in Rom weiterlesen.“
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Auch bei mir ist zur Zeit einiges los; ich bin froh, wenn ich demnächst mal dazu komme nachzulesen, was in meiner Abwesenheit passiert ist ...
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Ab heute darf ich bis zum 11. Juni, Donnerstag nächster Woche, im Urlaub verregnetes Wetter genießen
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In letzter Zeit war in der Tat einiges los gewesen - und vor allem seit Lucianus‘ Gattin davon erfahren hatte, dass es demnächst zurück nach Rom ging, seitdem waren praktisch alle Sklaven ständig in Alarmbereitschaft gestanden. Wobei es Phaeneas natürlich nicht als notwendig angesehen hatte, dem Ganzen gesondert Beachtung zu schenken, sprich ein Auge darauf zu haben. In Anbetracht dessen, dass er weit Schlimmeres kannte, war das bisschen unnötige Hektik nach seinem Dafürhalten leicht auszuhalten.
Lucianus war inmitten all dessen selbstverständlich weiterhin etwas besonderes, in tausend Jahren würde der Bithynier dessen täglicher Gesellschaft nicht müde werden, sodass der Ruf ihn binnen weniger Augenblicke herbeiholte.
Phaeneas schien heute schier überzusprühen vor Optimismus und Daseinsfreude. Manchmal war der Sklave etwas ruhiger und seine Stimmung eher neutral und manchmal war er so lebhaft wie an diesem Tag.
„Ja, Herr?“
Es hörte sich an wie das, was Lucianus regelmäßig gehört hatte, nachdem er Phaeneas frisch gekauft hatte, aber es war trotzdem etwas anderes. -
„Nein, dann würde ich wahrscheinlich nicht hier mit dir plaudern können beziehungsweise allein schon etwas abgerissener aussehen“, meinte Phaeneas, mit der schier unvermeidlichen Ironie in den Worten.
Es schmeichelte Phaeneas, wie er zugeben musste, dass der Duccier ihn für einen gelehrten Sklaven hielt. Weisheit, das hatte ihn seit jeher fasziniert. Aber meistens war er, was Erkenntnis anbelangte, allein nur auf das angewiesen gewesen, was sein Geist hervorzubringen im Stande war – was sich nun ja ändern würde, jetzt, wo er lesen und schreiben konnte. Auch wenn es ihm nie wichtig gewesen war, es zu beherrschen, es hatte etwas für sich zumindest die lateinischsprachigen oder die in dieser Sprache aufgearbeiteten Philosophen lesen zu können.
Aber auch auf die nächste Vermutung des Germanen hin schüttelte Phaeneas nur den Kopf: „Auch das bin ich nicht.“„Sicherlich, aber in einem germanischen Dorf müssten auch Unfreie fähig sein“, ergänzte der Bithynier, „mit zur Verteidung beizutragen – einfach weil die wesentlich akutere Gefahr es erforderlich macht.“
Weiter aufmerksam achtete Phaeneas auf die Worte seines Gegenübers. Nachdem dieser erfahren hatte, dass er sich mit einem Sklaven unterhielt, blieb er weiterhin sehr höflich. Mit etwas Fantasie konnte man fast vermuten betont höflich.
„Hast du deinen Platz im Imperium schon gefunden?“, fragte der Bithynier dann, vielleicht ein wenig, um von sich selbst abzulenken, vielleicht auch nur einfach so. -
Phaeneas schob die Tür zu seines Herrn Cubiculum auf. Seit Lucianus‘ Bruder und dessen Gattin – sowie deren Gefolgschaft – in der Domus Legati eingezogen waren, hatte sich einiges geändert. So brachte der Bithynier Briefe nun nicht mehr in das Arbeitszimmer des Hausherrn – das Tablinum - , weil der „Hausherr“ nun ein anderer war. Phaeneas, der Veränderungen gewohnt war, hatte auch diesmal keine Schwierigkeiten gehabt sich umzustellen und einfach das getan, was er bei Veränderungen immer tat: sich bedingungslos angepasst.
„Zum einen ein Brief von der Gens Artoria und zum anderen einer von der Aurelia. Wenn du mich fragst will sich der eine von dir verabschieden und der andere dich vorab schon in Rom willkommen heißen“, spekulierte Phaeneas und drückte Lucianus die zwei Papyrusrollen in die Hand.
Ad Marcus Vinicius Lucianus
Provincia Germania
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Mogontiacum
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Regia Legati Augusti Pro Praetore____________________________________________
Mein geschätzter Patron,
sehr bereue ich es, nicht mehr die Zeit gefunden zu haben, dich zum Abschied persönlich aufgesucht zu haben. Es ist eine untröstliche Angelegenheit für mich und hinterlässt mit Sicherheit einen Fleck auf deinem Vertrauen mir gegenüber. Ein Brief ist besser als nichts.
Wenn dir einer meiner schnellsten Sklaven diesen Brief überbringt, so werde ich schon kurz davor sein, Mogontiacum zu verlassen. Mantua und die Legio I rufen mich. Ein Ruf, dem ich folgen muss und werde. Ich danke dir, Lucianus, für deine Unterstützung auf meinem Wege und möchte dir in jedem Fall die Meine zusagen. Ich werde dir schreiben, wenn ich angekommen bin.
Pass auf dich auf, mein Patron, mögen die Götter dich und die deinen hüten.
Ad
Marcus Vinicius Lucianus
Regia Legati Augusti pro Praetore
Mogontiacum
Provincia GermaniaSalve, mein Patron!
Lange hast Du nichts mehr von mir gehört, was daran liegt, dass hier tatsächlich nicht viel geschehen ist. Abgesehen davon, dass der Kaiser Rom verlassen hat, um sich an der Küste zu erholen. Mögen die Götter ihm endlich die nötige Genesung gewähren!
Wie ich gehört habe, wirst Du bald nach Rom zurückkehren. Das freut mich sehr, werden wir doch dann bald die Möglichkeit zu einem persönlichen Gespräch haben. Ein solches wäre mir auch wesentlich lieber, um auf die Bitte zu sprechen zu kommen, die ich an Dich richten möchte. Und zwar möchte ich Dich darum bitten, mir etwas Land zu verkaufen. Denn die Größe des Landes, das ich mein Eigen nennen kann, genügt leider nicht, um die Voraussetzungen für eine Berufung in den Senat zu erfüllen. Es wäre wirklich sehr freundlich von Dir, wenn Du meiner Bitte stattgeben würdest.
Ich wünsche Dir eine angenehme Reise nach Rom und freue mich darauf, Dich wiederzusehen.
Mögen die Götter stets über Dich und die Deinen wachen!
Vale,
[Blockierte Grafik: http://img81.imageshack.us/img81/8400/siegeltauwj6.gif]
Roma, ANTE DIEM XVI KAL IUN DCCCLIX A.U.C. (17.5.2009/106 n.Chr.)
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Es war wie üblich – üblich für Germania – ein eher zu kühler Tag, aber langsam ging es in Richtung akzeptablere Temperaturen. Das war so ziemlich einer der wenigen Gründe, warum Phaeneas froh sein konnte, dass er demnächst nach Rom kam, ansonsten war es ihm relativ egal, wohin er ging. Sein Leben war seit je her von wechselnden Orten geprägt gewesen, ihm lag selten – sprich, nie – besonders an einer Landschaft oder einer Stadt – und es hatte etwas beruhigendes, wenn etwas blieb, wie es war, eine der Beständigkeiten seines Lebens - also die ständige Veränderung - erhalten blieb. Das verhieß – na ja, ließ vielmehr hoffen – dass anderes, woran ihm mehr lag, sich nicht veränderte.
Außer Ständen von Bauern, fahrenden Händlern und natürlich denen von mogontinischen Bewohnern, wo die Erzeugnisse und Waren aller genannten verkauft wurden, waren an diesem Tag auch Gaukler und Musikanten in der Stadt. Tja, und weil es da etwas zu sehen gab, hatten sich Euselius und Phaeneas aufgemacht dabei zuzuschauen. Der Bithynier kam zu diesem Spektakel weniger, weil es ihn interessierte, sondern schlicht nur um Gesellschaft zu haben, um unter Leuten zu sein. Manchmal hatte er keine Lust sich mit anderen abzugeben und manchmal ertrug er die Einsamkeit nicht. Dementsprechend war es in weit größerem Maße Euselius, der Phaeneas duldete; dazu waren die Menschen, die es mit dem Bithynier zu tun hatten, schier verdammt: zu dulden. Denn er bemühte sich nicht immer gerade, die angenehmste Gesellschaft zu sein, und es war nicht immer leicht mit ihm. Mal von Zweifeln und Unsicherheit wegen der Ungewissheit der Welt geplagt legte er auf der anderen Seite auch manchmal einen kräftigen Schuss wenig feinfühliger Ironie an den Tag und gab sich zeitweise sehr distanziert und kühl.
Zumindest gegenüber denen, die ihm nicht wirklich etwas bedeuteten, und das waren schließlich die meisten.
Jedenfalls verfolgten die beiden äußerlich so gegensätzlichen Sklaven die Schau, die Bauchredner und Taschenspieler boten. Gerade jonglierten Akrobaten auf den Händen stehend mit den Füßen Ringe, Bälle, ja sogar Dolche. Man konnte alles übertreiben, fand Phaeneas. Um an so etwas Gefallen zu finden, hatte er zuviel blutiges am eigenen Leibe erlebt. Wahrsager mischten sich unter die Leute und boten einen Blick in die Zukunft an.Nie würde der Bithynier wissen wollen, was die Zukunft ihm bringen würde, denn er war der Meinung, dass er das früh genug erfahren würde – schließlich ging er nicht wirklich davon aus, dass seine Zukunft übermäßig viel Erfreuliches bringen würde. Nein, sein Leben würde so weitergehen wie bisher – (das mit Lucianus und dem Frieden und der Ruhe, die damit einherging, war bestimmt nur ein Fehler des Schicksals, der Fortuna, und würde eines Tages wieder berichtigt werden) – und all das Deprimierende wollte Phaeneas nicht hören.
„Oh, schau nur, die Tänzerin da hinten!“, rief Euselius begeistert und bekam solche Stilaugen.
„Wenn sie dir gefällt“, meinte Phaeneas nur, aber dass er sich überhaupt dazu herabließ, sich zu diesem Thema zu äußern, war schon viel. Wild und aufreizend tanzte sie. Der Bithynier wettete für sich, dass man danach für ein paar Münzen mit ihr ins nächste Wirtshaus gehen konnte. Aber er behielt es für sich. Denn Euselius hätte das Geld sowieso nicht.
Den blonden Sklaven schienen solche Gedanken in diesem Moment überhaupt nicht zu beschäftigen. So sorglos wirkte er, während er der Frau zusah, so unbeschwert wie fast immer. Ganz auf den Augenblick konzentriert, den Tanz der stark geschminkten Schönen.
In diesem Moment wurde Phaeneas von hinten her angetupft. Dort stand eine etwas ältere Frau, die ein Essenswägelchen vor sich herschob. Er schüttelte den Kopf: „Danke, gute Frau, ich brauche nichts.“ Und mit einem schnellen Blick auf Euselius‘ Rücken fügte er an: „Und mein Begleiter hier auch nicht.“ Sie wiegte bedenklich den Kopf. „Sicher nicht? Ich habe hier gute Suppe und Eintopf und lukanische Würste dazu. Und wenn du Durst hast, im Lokal meines Mannes da drüben ... Ihr müsst doch hungrig sein bei der langen Aufführung!“, versuchte sie ihn weiter zu ermuntern. „Und selbst wenn ihr jetzt keinen Hunger habt, etwas später wird er bestimmt kommen!“ Versöhnlichere Töne anschlagend – bei so einer hartnäckigen Geschäftsfrau – meinte er: „Na, dann können wir dich ja immer noch herwinken.“ Sie nickte und schob den Wagen an, um weiterzufahren. Gerade jetzt drehte sich Euselius nach Phaeneas um. Er sah leicht enttäuscht aus – ah ja, die Tänzerin hatte aufgehört und war samt Musikanten in der nächsten Taberna verschwunden. „Schau nur, der Seiltänzer da drüben!“, sagte Phaeneas schnell, um ihn abzulenken. „Ah ja.“ Der Blonde wandte sich wieder dem bunten Geschehen zu. „Schön.“
Nach einer Weile der eingehenderen Betrachtung konnte man dann endlich wirkliche Begeisterung heraushören: „Echt klasse, welche Sprünge der da auf diesem Seil hinlegt!“ „Schau nur!“, bemerkte Phaeneas, schlicht nur in dem Bestreben Euselius‘ Stimmung oben zu halten. „Jetzt setzt er sich mit einem Hocker mitten auf das Seil.“ Der Angesprochene nickte. „Und dazu zieht er noch eine Tabula heraus und liest sie gemütlich!“
Während sie der Schau des Seiltänzers weiter zusahen, begann Phaeneas: „Ach, übrigens, du kennst ja noch gar nicht die neueste Neuigkeit. Ja, bei mir zuhause tut sich mehr, als nur die Amtsübergabe bedingt.“ Ein leicht ironischen Grinsen. Und er fuhr fort: „Wir sind schwanger.“
Nach einer kurzen Atempause ergänzte er: „Meine Herrschaften erwarten ein Kind.“ In Anbetracht dessen, dass er üblicherweise nichts - spannendes - von sich selbst erzählen konnte, dann heute wenigstens von anderen.
„Na, sag bloß“, erwiderte Euselius. „Wie lang hat das denn gedauert?“
Mit einem leisen Schmunzeln und einem Stoß in die Rippen gebot Phaeneas ihm zu schweigen und nicht solche Witze über Lucianus und seine Ehefrau zu machen.Sim-Off: Ein paar Feinheiten verändert
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Es war schon verrückt.
Er sprach mit einem Germanen und der protestierte gegen die Formulierung des germanischen Freiheitsbestrebens. Würde er mit einem Römer ohne germanische Wurzeln reden, würde der sich wahrscheinlich gegen den römischen Eroberungswillen wehren und es etwas „schöner“ ausdrücken.
Und er, Phaeneas, stand zwischen den Welten.‚Du kennst dich ziemlich gut aus, möchte ich sagen.‘ Na ja. Was Phaeneas nicht überzeugte.
Er reagierte auch nicht, weil er es einem Fremden grundsätzlich erst einmal nicht glaubte, wenn der etwas positives über ihn sagte.„Ein Legionär? Per deos!“ Der Bithynier lachte. „Nein wahrlich nicht.“
Spontan war die Erheiterung über das Beispiel des Jungen, ja durchaus war sie das. Natürlich lag es in Phaeneas‘ Selbstverständnis, dass er, seine Person, von allem Militärischen weit entfernt war.
Aber irgendwo hatte es doch etwas künstliches, denn üblicherweise pflegte der Sklave nicht vor Fremden – die ja fast alle waren – ehrlich fröhlich und ausgelassen zu reagieren. Es gab der Situation nur etwas „natürliches“, ließ sie leichter, lockerer erscheinen, passte mehr in diese mogontinische Alltagssituation – fiel deshalb weniger auf. Und daran lag dem Bithynier, möglichst unauffällig zu sein, dass nie ein (ihm fremder) Mensch auf die Idee kommen mochte, dass an Phaeneas etwas interessantes, erkundungswertes wäre.„Wenn ich dir nur einen einzigen Namen genannt habe, dann habe ich dir nicht zwei weitere vorenthalten, ich trage nur den einen. Ich bin Sklave“, schloss er.
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„Na ja, die Möglichkeit, ein einflussreiches Amt erlangen zu können, ist ja ein Anreiz sich mit ganzer Kraft für das Imperium einzusetzen. Wenn nur die Mitglieder einer Familie für eine Statthalterschaft in Frage kämen, würden die der restlichen ihren Ehrgeiz spürbar drosseln.
Und der Kaiser muss sich darüber hinaus schließlich auf etwas stützen können. Solange er solche Aufgaben gerecht verteilt und alle mächtigen Männer entsprechend würdigt, identifizieren sie sich mit seinen Plänen und tragen zu deren Umsetzung bei. Wenn er das nicht täte, welchen Nutzen hätten sie davon ihm Gefolgschaft zu leisten?“, theoretisierte der Bithynier. Vielleicht hatte Lucianus in diesem Punkt recht, dass Phaeneas diese Dinge aus einer recht einfachen Perspektive sah, der von jemandem, der schlicht nur im römischen Reich lebte.„Verweichlichen?“ Phaeneas‘ Stimme klang, als müsste er sich erst einmal an dieses Wort gewöhnen. „Sicherlich. Die Leute konzentrieren sich auf ihr tägliches Leben und ihren Beruf und wären im Ernstfall nie im Stande, sich oder ihre Familie zu verteidigen. Ich bin in dieser Sache ein Paradebeispiel – ich habe tatsächlich noch nie ein Schwert in der Hand gehalten.“
Ob militärisch genug Schutz herrschte, daran zweifelte der Bithynier kein bisschen. Auf die Bedenken des jungen Germanen meinte er: „Im Allgemeinen ist ja nicht so, dass regelmäßig Aufständler in römisches Kerngebiet einfallen. Um Grenzgegenden des Reiches würde ich mir da eher Sorgen machen. Nur ... bisher haben die Legionen hier immer alles gut abgehalten – warum sollten sie in Zukunft einmal das Imperium nicht schützen? Das Schützen-können ist wieder eine andere Sache, aber das ist wohl die Frage, um die sich germanisches Freiheitsbestreben und römischer Eroberungswille seit jeher drehen. Darüber zu diskutieren wäre für uns beide wirklich müßig.“Wie Phaeneas fand, bewies der Junge kluge Vorausschauung. „Ich denke schon. An Sicherheit gewöhnt man sich schneller als man glaubt.“
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Irgendwo im zweiten oder dritten Buch. Wenn das, was er bisher gelesen hatte, mittendrin war, konnte er ja später vielleicht noch den Anfang lesen, überlegte er still für sich.
Phaeneas löste gänzlich den Blick von den gezeigten Schriften, wo er vorhin noch größtenteils verweilt hatte, und sah nun wieder die Duccia, Duccia Flamma, an. Mit aufmerksamen Augen blickte er sie an und sog ihr Wesen in sich auf.
„Es ist nur für mich selbst. Ich habe erst vor kurzem das Lesen und Schreiben gelernt und brauche deshalb möglichst viele Übungsmöglichkeiten.“ Ein klein wenig – ein kleines bisschen schüchtern, aber er redete. Nicht über irgendetwas belangloses, sachliches, sondern über etwas, das unmittelbar mit ihm zu tun hatte und für ihn eine Rolle spielte. Es war sozusagen eine Art höfliche Schüchternheit.
„Mein Lehrer hat mich inzwischen mehrmals in der ‚Naturalis historia‘ lesen lassen und ich möchte diese Schrift nun gerne selbstständig weiterlesen. Ich finde es bemerkenswert“, fügte er an, „wie der Verfasser dieses Werkes anhand von Gedankengängen das Universum erkundet und auf diese Weise etwas beschreiben kann, was er so noch nie gesehen hat – und das mit einer schier unbestechlichen Logik!“ Während er erzählte, was in etwa ihm an Plinius‘ Naturkunde gefiel, kam auch etwas Emotion in Phaeneas‘ Worte. „Und man stelle sich nur vor, beim Lesen kommt man dabei der Sonne und den Sternen näher, man kann in das All hinausblicken und der Erdkreis offenbart manche seiner Geheimnisse ...“ Wer das hier aus dem Zusammenhang gerissen hören würde, da war sich Phaeneas sicher, der würde sich fragen, über welchen mächtigen Zauber die beiden da sprachen.
„Na ja, es ist sozusagen meine erste wirkliche Lektüre“, fügte der Bithynier noch an.
Ihre Entschuldigung ließ er so stehen, erzählte nur von seinem Unterricht und seinem Wunsch, eben dieses Buch weiterzulesen und warum – ein unausgesprochenes ‚Du störst nicht‘. -
„Das stimmt, die Kaiserwürde wird vererbt“, stimmte Phaeneas zu und fuhr fort: „Aber eine Statthalterschaft nicht. Dafür wird nach ein paar Jahren immer wieder ein neuer Senator ausgewählt. Dass in diesem aktuellen Fall zwei Brüder nacheinander diese Aufgabe übernehmen, ist mehr oder minder reiner Zufall. Es gibt schließlich viele Männer, die es verdienen eine solche Aufgabe übertragen zu bekommen. Sich auf eine Familie zu beschränken, wäre da etwas - unangebracht.“
Die Zeichen, die von dem fremden Germanen ausgingen, die Mimik, der Tonfall, ignorierte Phaeneas absichtlich, wieder aus Rücksicht auf sich selbst ...
„Na ja, wenn man die falschen Viertel meidet und abends nicht allein und ungeschützt auf die Straße geht, dann ist so eine Stadt relativ sicher ... Natürlich kann immer etwas passieren und es kommt auch zu gewaltsamen Übergriffen, aber letztendlich gibt es doch ein Gesetz, für dessen Einhaltung gesorgt wird – und man muss nicht selbst seine Stadt gegen Eindringlinge verteidigen.“„Ja, die Vigiles machen das“, nickte er weiter, „im Allgemein durchgängig Söldner.“
Der Sklave stellte sich all die großen Straßen vor, die Städte und Ortschaften miteinander verbanden, auf denen er jemals – natürlich nie allein - unterwegs gewesen war, und dann noch die, die er auf seiner Reise nach Mongontiacum passiert hatte, und dazu all die restlichen im riesigen römischen Reich, die unermesslich viele und jede wieder gewaltig lang sein musste – und dabei überlegte er sich folgendes, wie jeweils ein Soldat einer städtischen Truppe einen Abschnitt abmarschierte. Etwas weiter weg wieder einer.
„Also die Straßen außerhalb der Städte üblicherweise nicht. Da kommen höchstens regelmäßig Soldaten von verschiedenen Legiones hier in der Gegend vorbei, aber es existiert kein konkretes Sicherheitssystem. Wer auf Reisen für seine Sicherheit sorgen will, muss sich selber darum kümmern, dass er wohlbehalten wieder ankommt. Denn Straßenräuber und Banditen gibt es natürlich genug ...“ -
„Aber nein, aber nein, schließlich war er so lange Statthalter wie noch keiner vor ihm! Wenn er sein Amt nicht vernünftig geführt und der Kaiser ihm deswegen misstraut hätte, hätte man ihn nie so lange in Germania belassen. Nach einer gewissen Anzahl an Jahren wird jeder Statthalter wieder abberufen, der eine früher, der andere später, und ein neuer übernimmt diese Aufgabe. Ein ganz natürlicher Vorgang. Das Amt des Legatus Augusti pro Praetore ist ja schließlich nicht auf Lebenszeit gedacht“, erklärte der Bithynier und bestätigte anschließend die Nachfrage des jungen Germanen: „Ja, Vinicius Hungaricus.“
Germani – Germanoi? Ein Germane – der Griechisch konnte? Das irritierte – oder imponierte - Phaeneas doch gewaltig. Der Sklave konnte sich zwar nicht vorstellen, wo diese Sprache im Alltagsleben hier in der Provincia Germania zum Einsatz kommen sollte, auch nur irgendwie seinen Platz haben konnte, aber nun gut ... Das Leben war immer wieder – und leider viel zu oft! – für Überraschungen bereit und es würde schon einen triftigen Grund haben, warum es wichtig war, dass der Junge hier – in der tiefsten Provinz (auch für Phaeneas, der nicht viel auf sich als Städter hielt, behielt Mogontiacum doch immer etwas von einer kleinen Provinzstadt) – von Griechisch Ahnung hatte.
Auf die Ausführungen seines Gegenübers hin folgte von der Seite des Sklaven erst einmal bedrücktes Schweigen. Innerlich addierte er für sich das, was er aus anderen Quellen ungefähr über das Leben im freien Germania gehört hatte. Dann begann er einfach:
„Ich könnte mir das nie vorstellen. Ständig an Leib und Leben bedroht zu sein. Dass von einem Moment auf den anderen meine „Nachbarn“ über mich herfallen.“ Phaeneas schüttelte den Kopf. Solche wilden und ungeordneten Verhältnisse passten kein bisschen in seine wohlgeordnete Welt, in der alles seinen Platz hatte und dementsprechend irgendwie doch meistens vorauszusehen war.„Na ja, aber diese Gegend hier ist ja auch Germania. Du könntest genauso gut ein Germane sein, wenn du beispielsweise aus einem der Dörfer um Mogontiacum herum oder einer der kleineren Ortschaften oder Städte stammen würdest“, fügte er an, als er die vorherigen Gedanken mehr oder weniger zur Seite zu schieben geschafft hatte.
Sim-Off: Man beachte dabei, dass Phaeneas als Sklave die meiste Zeit seines Lebens alles andere als am Leben „unbedroht“ und sicher war. Er neigt oft dazu, an das eine zu denken und das andere zu vergessen. Vielleicht weil es einfacher ist ...
Nur als Info am Rande -
Langsam fand Phaeneas über die - bestimmt - unbedachten Worte und Gesten seines Gegenübers seine Ruhe wieder. Dass der Germane darüber hinaus noch nachgab und selbst äußerte, nur seine eigene Perspektive zu kennen, beschwichtigte ihn zusätzlich noch. Trotzdem ...
Es ging hier um Dinge, in denen Phaeneas kein bisschen zu scherzen geneigt war. Auch wenn er sich scheinbar auf eine Diskussion einließ, war doch von vornherein klar, dass er keinen Fingerbreit, keinen Digitus von seiner Position abrücken würde. Das konnte er sich auch gar nicht leisten. Hier ging es um mehr als nur ein Leben ...
Mit dieser neugewonnen, nun krampfhaft aufrecht erhaltenen Gelassenheit versuchte er weiter dem ihm an und für sich fremden Mann zu lauschen.
Verantwortung ... Eine Verantwortung, die einen möglicherweise hungern oder körperlich bestraft werden ließ. Gefühl dahinter ... Da gab es, von Phaeneas‘ Seite, nicht viel Gefühl. In solchen Situationen hörte er rechtzeitig damit auf zu fühlen.
„Erst sagst du, es nicht wissen zu können, und dann stellst du Vermutungen über das Gefühl eines Sklaven an. Widersprichst du dir damit nicht leicht?“ Leicht – eine sehr deutliche Untertreibung.
Was er sich dann nicht verkneifen konnte, war eine harmlose Erkundigung: „Worauf wolltest du denn hinaus?“, fragte der Sklave ganz unverfänglich, scheinbar hilfsbereit.
Der fremde Germane gab schließlich ganz offen zu, sich etwas bestimmtes erhofft zu haben, eine bestimmte Vorstellung zu Phaeneas gehabt zu haben. Wenn er jetzt etwas ins Schwimmen geriete, wäre es dem Bithynier ganz recht. Nur dass es ja manche Leute gab, die unglaublich gut und schnell lügen konnten ...Mit der Antwort bezüglich der Nornen und der unwichtigen menschlichen Kategorien konnte sich Phaeneas jedoch insgesamt nicht recht zufrieden geben: „Aber wenn eure Götter unter den Menschen keine konkreten Unterscheidungen machen, dann müssten doch auch alle geprüft werden? Das wäre doch nur gerecht ... Anders ist es doch nur Willkür ... ohne jeden Sinn.“ Und ihm widerstrebten Dinge ohne Sinn.
„Hm, ah ja, gut“, nickte Phaeneas zu den Erklärungen über das Gesicht des Christengottes. Dann verfiel er seinerseits ins Grübeln. „Wenn das Leben eine Prüfung sein sollte ...“ Das beschäftigte ihn nachwievor. „Glaubst du, dass man für eine bestandene Prüfung auch zu Lebzeiten schon belohnt werden kann?“, fragte er dann mehr oder weniger spontan und dachte dabei an Lucianus und wie unendlich gut es ihm bei ihm ging und welch unglaubliches Glück ihm nun schon seit einer unfassbaren Anzahl an Jahren vergönnt war. Schließlich war Phaeneas dieser langen Zeit gegenüber misstrauisch, genauso wie er generell gegenüber jedem Glück misstrauisch war. Weil er glaubte, es nach einer bestimmten, meist nicht allzu langen Zeit wieder zu verlieren. So war es bisher immer gewesen. Nur war er jetzt schon unglaublich lange bei dem Vinicier und nichts tat dem Glück Abbruch. Und irgenwann musste es doch logischerweise wieder vorbei sein. Und die Normalität musste zurückkehren. Aber all die lange Zeit bei Lucianus machte ihn stutzig – und besonders jetzt, wo dieser fremde Germane vom Leben als eine Prüfung sprach.
„ ... Das Leben als Prüfung ... Das ist wahrhaft nicht weit hergeholt ... Ich habe mir ehrlich gesagt noch nie Gedanken darüber gemacht, wozu das, was mir im Leben begegnet, gut sein könnte ... So betrachtet erscheint mir natürlich einiges ganz anders ...“
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Die offizielle Begrüßung des neuen Statthalters und der dafür organisierte Empfang, das lockte sogar Phaeneas aus den Tiefen der Domus Legati Augusti, Phaeneas, der sonst froh war über so wenig Trubel wie nur irgend möglich und Feste und Empfänge allgemein nicht so berauschend fand.
Die anderen Sklaven hatten sich darum gerissen, wer hier heute dabei sein und bedienen durfte, alle waren sie begierig dieses große Ereignis aus erster Reihe mitzuerleben.
Ganz nebenher, neben sinnvoller Beschäftigung, bekam Phaeneas so mit, was in der Halle vor sich ging. Antrittsreden neuer Legati Augusti interessierten ihn trotz allem – auch wenn er heute hier dabei sein hatte wollen - recht wenig, vor allem wenn sie inhaltlich so viel hergaben wie die von Hungaricus. -
Mit den Zweifeln des jungen Germanen an seinen Worten kam Phaeneas erstaunlicherweise wesentlich besser zurecht. Schließlich hatte er ja selbst gesehen, wovon er sprach. Es waren Tatsachen und um Tatsachen hatte er sich schon immer wesentlich weniger Gedanken gemacht.
Über die jugendliche Unwissenheit des Jungen nachsichtig lächelnd nickte Phaeneas: „Ich fürcht’s fast. Was das Halten anbelangt“, fuhr er dann fort, „redest du mit dem Falschen, da müsstest du eher jemanden fragen, der sich genauer damit auskennt, wie man Häuser baut.“Zum momentanen Legaten führte er aus: „Zur Zeit ist es Marcus Vinicius Lucianus. Aber er wurde inzwischen abberufen und der neue Statthalter ist schon in Mogontiacum angekommen. Demnächst wird sich also Marcus Vinicius Hungaricus, der Bruder des alten Legaten, um die Geschicke der Provinz kümmern.“
Ganz unpersönlich redete der Sklave davon, ganz so als hätte es gar nichts mit ihm zu tun. Als wäre er irgendein unbeteiligter Bewohner der Provinz, der all das eben nur so vom Hörensagen wusste. Er fand es insgesamt auch gar nicht unangenehm, dass ... Vala nicht mitbekommen hatte, dass er aus der Regia herausspaziert gekommen war.„Und du, wo warst du vorher, bevor du jetzt nach Mogontiacum gekommen bist?“, erkundigte sich Phaeneas. Wenn der junge Germane schon kaum ein römisches Gebäude kannte ... dann stellte sich diese Frage. Und der Bithynier fragte sich allgemein schon seit längerem, wo all diese Leute herkamen, die nach Mogontiacum strömten.
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Phaeneas beobachtete die erfreute Reaktion der Duccia Flamma. Er beobachtete, so wie es eben der tat, der er oft und auch hier zu einem guten Teil war: Der bedächtige Sklave, der wenig aus sich herauskam, der still beobachtete und ruhig reagierte.
Tja, bis zum nächsten Mal würde es nicht lange hin sein. „Danke, ich werde es ihm ausrichten“, antwortete er relativ neutral, ohne große Regungen. Es war eine dienstliche Sache, eine sklavische, nichts weiter, nichts aufregendes. Und gerade diese Dinge als repräsentativer Sklave mochte er recht wenig, weshalb er so oft als nur irgend möglich seinen Herrn verschwieg. Lieber der mutmaßliche Unfreie eines armen Schluckers als der des „großen“ Statthalters.„Ja, genau, Plinius“, nickte Phaeneas prompt, als sie den Namen des Autors aussprach. Solche Vorgänge musste man immer nach Kräften unterstützen.
Auf ihre Aufforderung hin folgte er ihr, quer durch die Bibliothek, an Schriften und Regalen vorbei und war dabei froh eine Führerin zu haben – hierher hätte er sich nicht so schnell verirrt. Dass sie sich inmitten all dieser Reihen überhaupt zurecht fand war allein schon bewundernswert.
Im Anblick der ihm von ihr gezeigten Schriftrollen schließlich machte er sich noch einmal gründliche Gedanken darüber, wo er in eben jener Lektüre verblieben war – etwas, worauf zu kommen nicht schwer war: „Im Prinzip bin ich noch relativ am Anfang, bei den Abhandlungen über die Welt, ihre Gestalt und Bewegung, den Elementen, und gerade erst sind die erste Sterne aufgetaucht.“ Wie von selbst erzählte Phaeneas ihr, der Duccia, dass er das Buch für sich selbst suchte und es selbst lesen würde. Er, der sich gerne aus allem heraushielt. Warum er das wohl machte?
Es gefiel ihm, ihre lebendige Art – im Sinne des Wortes Leben* - , wie sie redete, wie selbstbewusst sie sich bewegte ...
Es war einer der seltenen, aber vorkommenden Fälle, in denen Phaeneas spontan von jemandem angetan war ...Sim-Off: *Woran man wunderbar ablesen kann, wie Phaeneas sich selbst sieht: als einen lebenden Toten
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Sim-Off: Okay, das mit der Länge hat nicht ganz so geklappt. *g*
Über die Art, wie der junge Germane ihn musterte, machte er sich von vornherein lieber keine Gedanken, denn wenn er es täte, würde es ihn am Ende noch irritieren – deswegen ließ er’s. Aber was ihn dann schließlich doch irritierte, war die Hand, die der Junge ihm hinhielt.
Zu fast allen Personen hielt der Bithynier mindestens ein, zwei Schritte Abstand, diese Distanz wahrte er gegenüber allen, die nicht das Recht hatten diese Entfernung zu verringern und denen Phaeneas zu viel Misstrauen entgegenbrachte - und das traf auf so gut wie alle Menschen zu. Als Kind – als Sklavenkind – fing es an, dass einem jeder – aber auch wirklich jeder – wann immer er wollte eine Ohrfeige verpassen oder durchs Haar streichen konnte und es setzte sich fort durchs ganze Leben, immer und immer wieder wurde dieser Abstand so schnell durchbrochen. Weshalb Phaeneas jeden unnötigen und unerwünschten Körperkontakt mied – und sei es nur so etwas harmloses wie ein Händeschütteln oder ein Schulterklopfen, auch so etwas zerstörte die kleine Distanzzone ... das letzte bisschen Stolz.
Vor dem Bithynier, zwischen den beiden Männern, die Hand. Es wäre unhöflich, diese Geste auszuschlagen. Und er war ein Sklave. Und die Unhöflichkeit eines Unfreien war noch wesentlich schlimmer als die beispielsweise eines römischen Bürgers. Ihm fiel auch keine plausible Erklärung ein, um darum herumzukommen.
Deshalb erhob er seine Hand und reichte sie dem jungen Germanen. Es war nicht der Händedruck eines selbstbewussten Mannes. Viel zu unsicher.
Mit dem, was der Junge dazu sagte, kam Phaeneas wesentlich besser zurecht. Es war eine Floskel, das mit der ausgedrückten Freude, nichts weiter als eine Floskel, so klärte er die Sache mit sich selbst.
„Mein Name ist Phaeneas ...“, erwiderte er – was auf den dreiteiligen Namen hin etwas seltsam klang.Langsam fing er sich von dem Schock über das Händeschütteln wieder. Dazu klang Valas Kommentar zur Regia schlicht zu amüsant.
„Wie lange es braucht? Hm, keine Ahnung. Auf so etwas habe ich nie geachtet. Na ja, ganze Gebirge sind es wohl weniger, aber es gibt ja im Imperium genug Bergwerke, um den Bedarf des ganzen Reiches zu decken.“ Phaeneas musste lachen über den Enthusiasmus, mit dem der Junge über den Statthalterpalast sprach. „Du müsstest einmal die reichen Stadthäuser in Rom sehen oder erst den Palast des Kaisers! Und die vielen anderen repräsentativen Gebäude und Monumente in anderen wohlhabenden italischen Städten – dagegen ist das hier noch schlicht zu nennen. Na ja, hierbei handelt es sich um die Regia Legati Augusti pro Praetore und wie der Name schon sagt lebt hier der Statthalter von Germania. Dazu kommen noch seine Frau und seine Sklaven, im Wohnbereich, und in den Arbeitszimmern arbeiten die städtischen oder provinzialen Beamten, samt den zugehörigen Schreibern und Sklaven. Für all diese Leute ist dieses Gebäude vorgesehen.“ -
Gerade hatte Phaeneas überlegt, ob er lieber auf der einen Seite des Raumes anfangen sollte zu suchen oder vielleicht eher auf der anderen und ob dann oben im Regal oder vielleicht besser unten? Während er also weiterhin noch recht unentschlossen vor all den Büchern stand, kam ihm eine Frau zu Hilfe - eine Germanin, noch dazu eine Duccierin, wie der Bithynier feststellen durfte. Und zwar Duccia Flamma, über deren Amstübernahme in der Schola Germaniae er schon längst bestens informiert war, schließlich wusste der Sklave von fast allem, was in Mogontiacum vor sich ging – von „Berufs“ wegen.
Jedenfalls war er erleichtet über dieses Hilfsangebot, was sich allerdings nur darin zeigte, dass der allergrößte Ernst aus seinem Gesicht verschwand. „Salve, ich bin Phaeneas, Sklave des Vinicius Lucianus.“ Nie erwähnte er außerhalb des Hauses seine genauere Funktion, die des Leibsklaven. „Ja ...“, fuhr er etwas überlegend klingend fort, „... ich suche nach der ‚Naturkunde‘ von Plinius dem Älteren.“ -
„Ah ja, klar ... natürlich.“ Phaeneas nickte leicht. Es war immer wieder das gleiche Muster, wie er feststellte, immer wieder „entließ“ er Lucianus an die Arbeit, egal ob jeden Morgen oder jetzt. Gleichzeitig überlegte er, ob sein Herr ihm gerade vorhin einen Grund gegeben hatte – wenn man mal vom Wetter absah – sich auf Rom zu freuen. Dann erinnerte er sich selbst wieder daran, wie sehr sich seine jetzige Situation von früheren Zeiten, die er erlebt hatte, unterschied und wie viel er jetzt hatte, wovon so manches für sich allein schon unglaublich gewesen wäre – beispielsweise die Ruhe und den Frieden, den er jetzt genoss, - und vor allem die Gegenwart von jemandem, der ihn nicht nur als zwingende Nebenerscheinung zu etwas anderem duldete. Und unter diesem Gesichtspunkt gesehen fände er es – nein, nicht vermessen, daran dachte er gar nicht – lachhaft auf irgendetwas in doch ferner Zukunft zu sehen, wenn doch die momentane Situation schon so fantastisch war.
„Wir sehen uns ja“, fügte er hinzu ...vielleicht auch mehr für sich selbst. Jedenfalls schob es die etwas nachdenklichen Gedanken fort, von denen er so, wie sie in diesem konkreten Fall auftraten, nicht wusste, was er mit ihnen anfangen sollte.