Beiträge von Phaeneas

    „Versteh doch, Hedda, du brauchst nicht auf mich zu hören. Sklaven helfen sich untereinander, so habe ich es zumindest bisher immer gemacht, weil wir untereinander gleichrangig sind. Ich habe noch nie jemandem etwas befohlen und hoffe auch, dass dieser Tag nie kommen wird... Ich will dir eine Hilfe sein, bei deinem schwierigen Anfang, das ist alles.“
    Phaeneas stellte fest, dass er Heddas Entschuldigungen sehr gerne hörte. Sie klangen jedes Mal heilsam und schafften wieder eine kleine Sache aus der Welt.
    „Der Angriff an sich ist schnell verziehen, Mädchen. Mich stört mehr, dass du in mir neben dem Herrn deinen Peiniger zu sehen scheinst. An sich hast du mir nichts getan, nur was du von mir denkst, das tut weh.“
    Und hoffentlich würde Hedda sich das zu Herzen nehmen! Phaeneas war schließlich auch nicht gefühllos, auch wenn er es sich so manches mal gewünscht hatte, und er wollte nicht alles aushalten müssen und erst recht nicht an etwas die Schuld tragen, was die Sache des Herrn war...

    Das war es, was Phaeneas hatte erfahren wollen. Tja, und nun wusste er es. Er wusste, dass Hedda wohl noch einen weiten Weg vor sich hatte.
    Der bithynische Sklave seufzte leise. „Ich begreife nicht, warum du um eine Zeit weinst, in der du eine Schlacht gekämpft hättest, die längst verloren ist. Verstehst du denn nicht, dass es für dich nur eine Möglichkeit geben wird, nämlich nachgeben und damit überleben, einen Ausweg gibt es nicht. Nicht hier.“
    Phaeneas war es immer wieder unbegreiflich, dass neue Sklaven stets so schwer erkannten, dass sie im Grunde gar keine Wahl hatten. Wer fragte sie denn, doch wohl nur Mitsklaven. Und leben wollte am Ende doch jeder. Denn...wer hatte schon das Durchhaltevermögen, für seine „Freiheit“ zu sterben...den Tod auf sich zu nehmen...? Kaum jemand

    Diese Frage überraschte Phaeneas doch etwas, aber er nahm es gelassen hin und antwortete: „Wenn du mich dir helfen lässt“
    Der bithynische Sklave ahnte nichts von ihrer seelischen Verfassung, konnte er doch nur ihre Hülle sehen, die, die schon so oft freundlich und dann wieder spöttisch gewesen war...
    „Und eines musst du verstehen, Hedda. Wenn ich dir helfen soll, werde ich des öfteren auch Dinge sagen müssen, die dir nicht gefallen werden. Das sind die Dinge, die von einem Sklaven erwartet werden, die man von dir erwarten wird. Du wirst dich damit abfinden müssen und mach bitte mich nicht dafür verantwortlich, nur weil ich es bin, der es dir sagt.“

    „Wofür, Hedda, wofür hättest du gekämpft, was hättest du damit erreichen wollen?“
    Phaeneas wollte es endlich aus ihr herausbringen, er musste wissen, woran er war, woran er zumindest im Moment war. Denn er konnte schließlich nie sicher sein, ob ihre Absichten binnen kurzer Zeit schon wieder andere sein würden.
    Es war schließlich ein Unterschied, ob sie um ihre Freiheit kämpfen würde oder mit sich selber, um sich endlich mit ihrem Schicksal abzufinden.

    Das war etwas, was Phaeneas schon seit langem störte: „Hedda, du siehst die Welt so, als könntest du nichts gegen den Verlauf des Schicksals tun. Wieso gibst du alles aus der Hand, liegt dir denn gar nichts an dir selbst? Lern dich selbst zu beherrschen und finde dich hier ein, dann kann dir gar nichts passieren!“
    Das mit der Selbstbeherrschung war wohl der wichtigste Punkt, den sie angehen müssen würde.
    Langsam hob er die Hand und verstrich die Wassertropfen mit den Fingern. Durchsichtig waren sie und doch spiegelte sich glitzernd die Umwelt darin...

    Phaeneas sah, dass Hedda seinem Rat nicht Folge leistete. Nun gut, dann nicht.
    Ruhig hörte er sich alles an, was sie sagte. Sie schien nicht sehr viel gutes von sich zu denken, doch um zu verstehen, warum das so war, müsste er vermutlich ihre Vorgeschichte kennen. Eigentlich war ihm danach, sie wieder aufzurichten und ihr Mut zu geben. Es war einfach furchtbar zu hören, wie sich jemand so schlecht sah! Aber zuerst musste er ihre Gesinnung herausfinden.
    „Was hätte die frühere Hedda denn jetzt getan?“, fragte der Bithynier.

    Natürlich, der Herr wäre dumm, sich alles gefallen zu lassen. Und Phaeneas fand die Aussicht, dass wegen Hedda ständig Unruhe im Haus herrschte, mehr als unangenehm... Also nickte er in Gedanken beifällig und war froh über die Gnadenfrist, die das Mädchen erlangt hatte. Allerdings beunruhigte ihn ein Wort: noch einmal Nachsicht walten lassen... Ob das wohl wörtlich gemeint war? Wenn ja, würde es für Hedda reichen?
    In das Leben einer Sklavin einführen. Das machte er die ganze Zeit schon, nur hatte Hedda schon so manches Mal gezeigt, was sie von solchen Ratschlägen hielt, die in Phaeneas’ Augen nur die Wirklichkeit wiedergaben. Vielleicht sollte er ihr endlich sagen, was passieren würde, wenn sie sich nicht einfand. Irgendwie hatte der junge Bithynier das Gefühl, sie wusste davon nicht wirklich bescheid...
    Phaeneas nickte, drehte sich um und verließ das Tablinum.

    Phaeneas fand Hedda, mit einem Lappen an die Wange gepresst, auf dem Boden kniend.
    Mit einem Mal wurde ihm bewusst, dass er sich, bei ihrer letzten Begegnung, wieder von einer in der Luft hängenden Stimmung hatte anstecken lassen. Er hatte gespürt, dass der Herr ungehalten gewesen war und hatte es prompt aufgenommen. Leicht ärgerte er sich über seine Unbeherrschtheit.
    Er setzte sich neben das Mädchen und sammelte sich erst einmal.
    „Der Herr hat beschlossen, dass dieser Zwischenfall ohne weitere Folgen bleiben wird. Aber du musst vorsichtig sein, Hedda! Er hat dein Leben in der Hand und niemand wir ihn an seinem Recht hindern, dich zu bestrafen, wenn du dich weiter widersetzt.“

    „Ich weiß nicht, Hedda ist schwer einzuschätzen. Manchmal zeigt sie guten Willen und bemüht sich, mit ihrer neuen Lage zurechtzukommen. Dann geht ihr Hass auf alles römische wieder mit ihr durch.“ Im Schlaf töten. Was sollte man darauf schon sagen? Phaeneas wusste nicht, wozu Hedda fähig war, aber das konnte auch an seiner eigenen Unfähigkeit liegen, sich nur einen Mord vorzustellen.
    Auch wenn es nur teilweise positiv war, was der bithynische Sklave dem Herrn berichtete, hoffte Phaeneas, er würde Geduld üben.


    Und wieder war da die Frage, die jeder Sklavenbesitzer früher oder später stellte, die jeden zu beschäftigen schien, gleich wie grausam er sonst war. War das die Beruhigung eines unruhigen Gewissens?
    Der junge Bithynier hätte es nur zu gern gewusst, doch noch nie hatte ein Herr seine wirklichen Gedanken mit ihm geteilt. Philosophische Überlegungen, sicherlich, doch solche Gedanken sahen die meisten Römer nur als interessanten Zeitvertreib an und sie hatten meistens nur wenig mit ihrer wirklichen Lebenseinstellung zu tun.
    „Nein, Herr, ein Tyrann bist du nicht.“ Was ja nicht unbedingt selbstverständlich war. „Bisher ist es mir gut ergangen, ich wüsste keinen Grund zur Klage.“

    „Sie scheint mit dem Gedanken nicht klarzukommen, Sklavin zu sein, Herr. Selbst eine so kleine Arbeit scheint Überwindung für sie zu bedeuten. Im übrigen ist sie sehr unbeherrscht.“
    Wie leicht und schnell ihre Stimmung schwankte, hatte Phaeneas ja oft genug erlebt.
    Schließlich begann Phaeneas aufzuzählen: „Als Hedda gebracht wurde und du gingst, Herr, wollte sie mir erst nicht folgen. Am nächsten Tag hatte sie im Garten einen Wutanfall und ging kurz auf mich los. Jetzt gerade eben versuchte sie noch einmal das gleiche.“ Seine Stimme war ruhig wie immer.
    Doch im selben Moment fiel ihm die Flut der Worte auf, die sich aus seinem Mund ergossen hatte. Der letzte Herr hatte solches nicht sonderlich geschätzt, deshalb hatte der bithynische Sklave es sich ganz abgewöhnt mehr als nur nötig zu reden. Im Gegensatz zu den wenigen Worten, die er mit jenem Herrn gewechselt hatte, erschien ihm das hier als direkt ungewohnt.


    Sim-Off:

    Edit: Fehlendes Wort

    Phaeneas sah den Ausdruck in ihren Augen und lächelte. „Ein Glück. Hoffentlich heilt die Haut schnell. Du kannst es ja mal mit Spucke versuchen und dann in die Sonne halten, Mahir behauptete immer, das wirke Wunder!“
    Das „Entschuldige.“ klang versöhnend. „Ist schon gut.“ Hedda drehte sich leicht weg von ihm und Phaeneas sah diese Pose leicht erstaunt. „Schämst du dich?“, folgte eine ganz einfache, fast primitive Frage.

    Erleichtert hörte Phaeneas das Klingen der Scherbe, als sie am Boden aufkam, und ließ Hedda los
    „Komm!“, forderte er sie auf und fügte hinzu: „Und wenn du nicht weißt warum, der Herr hat es befohlen. Auch wenn du im Moment sauer auf ihn sein magst, mach wenigstens mir keine Schwierigkeiten.“
    Entschlossenheit ging von ihm aus, eine Eigenschaft, die er nicht gerade oft zeigte, aber da Hedda ihn schon zweimal angefallen hatte und sie seine Freundlichkeit bisher nicht gerade honoriert hatte, wollte er nicht mehr länger ruhig bleiben, zumindest nicht bis das alles erledigt war.
    Phaeneas achtete darauf, dass das Mädchen bis zur Sklavenunterkunft immer vor ihm ging, denn jetzt war ihm nicht nach unangenehmen Zwischenfällen. Außerdem wartete der Herr...

    Als Phaeneas das Tablinum betrat, war er wieder die Ruhe in Person. Auch was Hedda ihm irgendwann erzählt haben mochte, vielleicht über etwas von einem freien Willen oder Stolz, war vergessen. Wozu auch, er war in seinem Element, und das war alles, was zählte.
    Der junge Bithynier servierte dem Herrn die Speisen und schenkte ihm Wein in den Becher.
    Er verfolgte, wie der letzte funkelnde, rotleuchtende Tropfen sich vom Rand der Kanne löste und in den Becher fiel, wo er nur kurz die glatte Oberfläche in Bewegung brachte.
    Phaeneas trat zurück, um zu erwarten, ob der Herr vielleicht noch irgendeinen Wunsch hatte oder ihn dabehalten wollte.

    In diesem Moment fühlte sich Phaeneas von Heddas schroffen Worten verletzt.
    „Gut, versuch es allein.“Als sie aufstand und sich weiter weg hinsetzte, hielt es auch den Bithynier nicht mehr an seinem Platz. „Ich gehe wieder zurück an meine Arbeit“, meinte er nur noch kurz und drehte sich um und verließ den Raum.
    Er wusste nicht, was er von Hedda halten sollte. Sie war so undurchschaubar, mal umgänglich, mal aufrührerisch und frech... Das Gemeine dabei war, dass sie ihre Frechheiten auch oft genug an Phaeneas ausließ, obwohl er guten Willen zeigte. War es hier klüger, verständnisvoll zu sein oder ihr ab und zu ihre Grenzen aufzuzeigen?
    Na ja, die Zeit würde es zeigen und auch das Schicksal spielte ja immer wieder zwischen alles.

    Dieser Angriff überraschte Phaeneas ziemlich, wie er gerade noch ruhig auf dem Boden neben den Scherben saß und im nächsten Moment Hedda sich auf ihn stürzte.
    Ihre rotgeweinten Augen stachen ihm so entgegen. Da war noch die Scherbe, die sie ihm vor das Gesicht hielt und die ihn irriterte.
    Phaeneas reagierte schnell. Er packte die Hand mit der Scherbe und drückte sie nach unten, weg von seinem Gesicht, befreite sich dann aus ihrem Griff und hielt sie fest und sicher so, dass sie ihm nicht mehr gefährlich werden konnte.
    „Lass mich in Frieden, Hedda. Wenn du mir etwas tust, wird es nichts an deiner Situation ändern. Kann ich etwas dafür, dass du hier bist?“

    Der bithynische Sklave wusste nicht, welche Wirkung seine Worte auf Hedda hatten. Was er sagte, waren doch schließlich nur Tatsachen. Langsam sah der Boden besser aus. Phaeneas kümmerte sich nicht darum, was Hedda in diesem Moment tat, geschweige denn, was in ihr vorgehen mochte.
    „Etwa beim Herrn vielleicht? Hat er denn das Tablett fallengelassen?“

    Phaeneas sah sie an und es lag etwas von der Melancholie darin, die ihm von Natur an zu eigen war und die das Leben in der Sklaverei noch verstärkt hatte.
    „Natürlich kann er alles mit mir machen. Was ändert es da, dass ich ein Mensch bin? Ein Sklave muss tun, was der Herr sagt, egal was er davon hält, ob es gut oder schlecht ist, denn er ist der Herr.“
    Er wusste nicht, worauf sie hinaus wollte, als sie nach seinem Stolz fragte. Auch was sie mit der Puppe meinte, war ihm schleierhaft. Der freie Wille, das verstand er sehr gut, doch er hatte längst erkannt, dass es den nicht gab, wer konnte schon immer frei nach seinem Willen entscheiden?
    „Das war ein freundliches Angebot, Hedda, sicherlich, doch du solltest bedenken, dass ich dabei persönliches Risiko eingehe. Mir liegt nicht daran, Ärger mit dem Herrn zu bekommen. Und ich werde ihn nicht beklauen und auch nicht dabei zu sehen.“

    Dass der Herr wütend war, war nicht schwierig zu erraten. Phaeneas lauschte schweigend seinen Anweisungen und nickte. Doch ganz so konnte er die Worte des Herrn nicht stehen lassen, da sich sonst vielleicht Verantwortung auf ihn übertragen hätte, die er nicht tragen wollte. „Ich werde mich bemühen, Herr, doch wenn sie es nicht annehmen will, werde ich daran nichts ändern können.“
    Der Herr ging und Phaeneas machte sich daran, die Scherben und Essensreste wegzuräumen. „Willst du mir vielleicht noch helfen, wenn du mir ohnehin schon zusätzliche Arbeit gemacht hast?“, meinte er in Richtung Hedda, ohne dabei aufzuschauen.

    Milde lächelnd blickte Phaeneas das Mädchen an. „Gut, wenn es um deine Hand nicht so schlimm steht“, sagte er erst und erklärte dann weiter: „Mit der Frage wollte ich nur herausbekommen, ob sie gebrochen ist, das war alles, worum es mir ging. Wenn man die Hand für nichts mehr benützen kann, weiß man, dass sie gebrochen ist.“
    Hedda schien es wirklich nicht zu schaffen, einmal nur für eine kurze Weile keine Hintergedanken zu haben. Sie schien nicht fassen zu können, dass er um ihretwegen mit ihr sprach, sich um ihretwegen um sie kümmerte, was ja schließlich nicht selbstverständlich war, er hätte in diesem Moment genauso gut Berenice in der Küche helfen können oder etwas anderes machen können. Doch er war hier, im Garten, einzig und allein, wegen ihr, damit sie nicht andauernd so einsam war.