Beiträge von Phaeneas

    Erst hatte Phaeneas Scheppern von Geschirr, dann leiser noch einmal dasselbe Geräusch gehört. Wenig später eine laute Frauenstimme, die etwas schrie...
    Als der Herr ihn rief, eilte der junge Bithynier unverzüglich ins Triclinium.
    Erstaunt - es aber wie üblich nicht zeigend - bemerkte er Hedda am Boden liegend, neben ihr ein Scherbenhaufen und Abdrücke im Gesicht, die von einer Hand zu stammen schienen. Vor ihr der Herr.
    "Ja, Herr?"

    Das mit den Latrinen überhörte Phaeneas charmant, obwohl ihm schon fast ein freches „Wieso nicht?“ auf der Zunge lag, und übersah auch ihr spöttisches Lächeln und meinte nur: „Es geht doch alles über den Herrn. Wer hier hat dir etwas zu sagen, außer dem Herrn?“
    Was Hedda weiter sagte, war für den Bithynier so ungeheuerlich, dass er einige Moment brauchte, um fassen zu können, dass dieses Mädchen es wirklich gewagt hatte, einen derartigen Gedanken, mit ihm, Phaeneas, in Verbindung zu bringen.
    „Das mach mal lieber ohne mich.“ Einen Dieb würde Hedda bestimmt nicht aus ihm machen! „Nachts sind in der Domus Wachsoldaten unterwegs. Außerdem...“ - Jetzt kam das dicke Ende - „...werde ich den Brief wohl nicht abliefern können, wenn ich weiß, dass das Papier geklaut ist.“

    Phaeneas, der an diesem Tag in der Culina eingeteilt war, sah Hedda im Triclinium verschwinden. Er sollte etwas aus einer Vorratskammer in die Küche bringen und war dafür auf dem Gang unterwegs.
    Er wusste nicht wieso, aber irgendwie hatte er das Gefühl, diese in seinen Augen einfache Aufgabe bedeutete Überwindung für das Mädchen. Gerade das war für den Bithynier das leichte an einem Sklavenleben, das man nur zu tun brauchte, was einem gesagt wurde, und sich nicht Gedanken darüber machen musste, was man als nächstes machen wollte.
    Manche Sklaven machten sich Gedanken über Dinge, die Phaeneas nicht verstehen konnte und nicht verstehen wollte. Oft genug waren ihm im Gespräch mit anderen solche Dinge begegnet, mit denen er nichts anfangen konnte, die ihm fremd waren und in seinem Leben keine Bedeutung hatten. Gerade diese Dinge waren es wahrscheinlich, mit denen Hedda sich herumschlug und die ihr Schwierigkeiten machten. Fragte sich nur, ob das jetzt gut war oder nicht? Für Hedda vielleicht schon. Aber halt, wenn sie das davon abhielt ihre Aufgaben als Sklavin gut zu erledigen, wohl eher nicht.
    "Steh hier nicht rum, Phaeneas, und träum nicht!“ Berenice, die in der Küche das Sagen hatte, drängte ihn zur Eile an. Sie hatte eine sehr energische Art, obwohl sie es nicht wirklich böse meinte, und der bithynische Sklave nahm es ihr auch nicht übel. So eilte er, damit alles seinen gewohnten Gang ging...

    „Stimmt, das ist in der Tat ein Problem.“ Phaeneas fluchte innerlich. Die Behauptung, er wolle sich Mogontiacum anschauen, war das eine und stimmte irgendwo auch. Aber jetzt zwang ihn das Schicksal wieder zu einer Notlüge. Viele Sklaven belogen ihr Herrn, um irgendetwas zu erreichen, doch Phaeneas war zuwider seinen Herrn so zu betrügen. „Wir könnten den Herrn um Papier und Tinte bitten, damit du mir etwas Schreiben beibringen kannst.“ Was Phaeneas dann auch wirklich tun wollte, nicht um Schreiben zu lernen – er war bisher gut ohne ausgekommen, also würde er es auch in Zukunft nicht brauchen – sondern um den Herrn nicht ganz belügen zu müssen. „Eine Bibliothek gibt es hier ja nicht, also sehe ich keine andere Möglichkeit.“ Einen Bibliothekar hätte man leichter überreden können, mit fremden Dingen ist man bekanntermaßen großzügiger als mit eigenen. „Oder fällt dir noch etwas ein?“

    Hedda wirkte wie ein verletztes Tier, wie sie dem jungen Bithynier da die Hand entgegenstreckte, die gaben ihre Verletzungen ebenfalls nur zögernd preis. Er wusste das von einer Katze, die sich einmal den Fuß gebrochen hatte.
    Hm, angeschwollen war die Hand ja noch nicht. Aber das konnte ja noch werden. Das Bluten schien nachzulassen. Er ignorierte ihre Beteuerungen und fragte nur sachlich: „Tut’s noch sehr weh? Und kannst du sie noch belasten?“
    Sie kannte schlimmeres... Dann würde das Sklavenleben zumindest in der Hinsicht keine Umstellung bedeuten. Alles in allem war das gut für Hedda, auch wenn Phaeneas ihr freimütig ein schöneres Vorleben gewünscht hätte.

    „Nun gut, dann bin ich einverstanden.“Was Hedda ihm wohl zu verdanken hatte? Das hätte Phaeneas jetzt nur zu sehr interessiert, aber fragen konnte er ja nicht... Dankbarkeit war nicht gerade eine Eigenschaft, die er Hedda zugewiesen hätte, aber irgendwo schien es doch einen Schlüssel zu ihr zu geben. Und wo der war, hätte der bithynische Sklave nur zu gern gewusst.
    Aber gut, kommt Zeit, kommt Rat, die Zeit würde schon alles richten.

    „Ich habe nicht gewusst, dass auch das mit all dem zusammenhängt“, meinte Phaeneas. Es würde in Zukunft schwierig sein, Gesprächsthemen mit Hedda zu finden, weil es gut sein konnte, dass er mit jeder zweiten Frage auf eben jenes stoßen würde, was sie nicht sagen durfte. Es war ja nicht nur das Verbot, auch sie selber schien nicht gut darauf zu sprechen zu sein.
    Dann erinnerte sich der Bithynier an Heddas Wutausbruch gerade eben: „Zeig mal deine Hand“

    Misstrauisch sah Phaeneas das Mädchen an. Niemals wollte er schuld sein, wenn sie doch etwas in den Brief schreiben würde, was Auswirkungen haben würde, niemals! Deshalb versicherte er sich noch einmal: „Bist du dir wirklich ganz sicher, dass nichts falsches darin stehen wird? Ich tue dir einen Gefallen und ich möchte keinen Ärger dafür bekommen. Bedenk das. Wenn du darauf eingehst, kann ich dir auch versichern, dass ich alles tun werde, damit der Brief niemandem sonst in die Hände fällt.“

    „Du wirst schon wissen, was du tust“, meinte Phaeneas schulterzuckend.
    Die Verwunderung in Heddas Gesicht ließ den bithynischen Sklaven schmunzeln.
    Aber eine Sache gab es noch zu klären: „Hm, da du mir ja jetzt gesagt hast, was du gerne zurück hättest, würde es dann nicht reichen, wenn ich es dem Centurio mündlich ausrichte?“ Phaeneas war bei dem Gedanken unwohl, einen Brief übergeben zu müssen, denn er konnte schließlich nicht nachprüfen, was Hedda schreiben würde. Am Ende besprach sie mit dem Centurio Fluchtpläne oder ähnliches... Der Bithynier konnte sich zwar nicht vorstellen, warum er das tun sollte, aber man wusste ja nie...

    Nicht nur einfach eine Sklavin? Gab es da noch Unterschiede? Da mussten wohl die besonderen Umstände, wie sie überhaupt Sklavin geworden war, eine Rolle spielen.
    „Ja ja, das habe ich gemerkt, dass man sich mit dir nicht anlegen darf“, meinte Phaeneas, aber eingeschüchtert klang er dabei nicht.
    Doch alles in allem konnte der Bithynier sie beruhigen, er war überaus friedfertig und war nie auf Ärger mit Mitsklaven aus, denn das wirkte sich meistens auf den Herrn aus... Und das wollte Phaeneas in jedem Fall verhindern.
    Eines „Oh“ konnte sich der Sklave nicht verwehren. In der Tat eine scheußliche Geschichte und er war sehr froh, dass er nicht wusste, wie sein Vater umgekommen war.
    „Hattest du außer ihr noch Familie?“ „Hattest“ bezog sich auf die Zeit, in der Hedda noch frei gewesen war.

    Phaeneas lehnte an der Wand, betrachtete einen Punkt vor sich in der Luft und ließ manchmal den Blick schweifen. Es war ruhig, keine Besucher, Briefe oder ähnliches.
    So irgendwo lehnen, warten, dass die Zeit verging, und den eigenen Gedanken nachhängen, das hatte der junge Bithynier oft genug so getan und war seit langem daran gewohnt, im Grunde kannte er sein Leben gar nicht anders. Es gab so vieles, was sich tagtäglich wieder in seinen Kopf drängte und überdacht werden wollte. Die ganze Welt bestand doch aus Fragen, die auf ihre Beantwortung warteten. Wie hatte ein Herr das genannt? Ach ja, Philosophie. Das war es wohl.


    Bei diesem Herrn still, wie unsichtbar auf dem kleinen Hocker in der Ecke zu sitzen und ihm andächtig zu lauschen, wie er für sich selbst laut Schriften von Philosophen las, das hatte Phaeneas jedes Mal wieder genossen. Leider war auch oft genug griechisches dabeigewesen, wovon Phaeneas natürlich kein Wort verstand, doch das lateinische war jedes Mal spannend gewesen und es hatte genug Anregungen beinhaltet, über die er in den nächsten Tagen nachdenken hatte können.
    Tja, was würde der Bithynier dafür geben, so etwas wieder hören zu können!


    Es war kühl und zog ein bisschen, sodass der Sklave wieder die Arme vor der Brust verschränkte. Er dachte sehnsüchtig an die warme Sonne Italias. Zu heiß war es ihm nicht schnell und er liebte Hitze. Seltsam, dass ein Herr einmal gesagt hatte, Phaeneas würde gut in die Schatten des Hauses passen... Wie auch immer er das gemeint hatte.


    Die Aufgabe als Ianitor würde eine Umstellung für Phaeneas bedeuten. Im Laufe seines Sklavenlebens hatte er sich angewöhnt einfach zu tun, was man ihm aufgetragen hatte, ohne noch viele Worte zu verlieren. Im Allgemeinen war das sehr praktisch, denn die Zeit des Herrn wurde nicht weiter beansprucht. Doch hoffentlich würde man ihm das als Ianitor nicht als Unhöflichkeit auslegen.


    Wie schnell sich doch das Schicksal wendete. Bis vor kurzem hatte Phaeneas noch einem Mann gehört, der weder ein guter, noch ein schlechter Herr gewesen war. Fast den ganzen Tag war er mit Schreibarbeit beschäftigt gewesen und der bithynische Sklave hatte als dessen Bote fungiert, ihm Wein und Gebäck gebracht und ansonsten auf jeden kleinen Wink reagiert.
    An und für sich, eine angenehme Aufgabe, auch wenn es ihm oft genug erschienen war, als sähe der Herr ihn nicht, denn wenn er überhaupt kaum aufgeschaut hatte, dann hatte er trotzdem meist nur an Phaeneas vorbeigesehen.


    Für seine Neigung, dem Herrn geradeheraus ins Gesicht zu schauen, hatte der bithynische Sklave schon oft Ärger bekommen. Manche liebten es eben mehr, wenn ihre Diener demütig vor ihnen den Kopf senkten, vielleicht gab ihnen das auch mehr Sicherheit. Doch anderseits gab es erstaunlicherweise auch wieder Herrn, die es schätzten, wenn ihnen ihre Sklaven in die Augen sahen. Es war jedes Mal wieder schwer, einzuschätzen, was einem Herrn wohl lieber war. Riet man falsch, konnte man mit einer Ohrfeige oder zumindest mit einer Zurechtweisung rechnen.
    Der neue Herr, er schien nichts dagegen zu haben, wenn Phaeneas aufsah, wofür er schon ein Stück im Ansehen des jungen Bithyniers gestiegen war.


    Phaeneas blickte gedankenverloren in die Ferne. Er war wie so oft gefangen im Netz der Gedanken und doch zugleich mit allen Sinnen gegenwärtig. Er hatte schließlich stets hellwach sein müssen, wenn ein Herr etwas verlangte.
    Eine Erinnerung nach der anderen kam auf und so sinnierte er vor sich hin...

    „Na ja, ’viele’ ist vielleicht zu viel gesagt, es waren nur einige, doch es gab sie...“ Noch immer war die schöne Erinnerung an den einstigen Geliebten angenehm nah.
    „Ist das nicht ein Widerspruch, zu sagen, dass du ihm gehörst, doch dass er nicht dein Herr ist?
    Und was willst du tun, wenn der Herr dir einen Auftrag gibt?“


    Dieses Zugeständnis kam überraschend, doch es erklärte die Bedeutung dieser Kette. Phaeneas lächelte. „Dann will ich es gerne tun.“ Er erklärte: „Ich könnte versuchen, den Herrn um einige Stunden außer Haus zu bitten. Um mir Mogontiacum anzuschauen. Er hat ohnehin bisher keinen Besuch bekommen, ich glaube ich bin entbehrlich. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass er ablehnt, ist groß, denn er kennt mich kaum und es könnte ja sein, dass ich weglaufe...“ Dass diese Möglichkeit vollkommen außer Acht stand, war für Phaeneas selbstverständlich.


    Sim-Off:

    Edit: Inhaltlicher Fehler

    Es war schwierig. Phaeneas bemühte sich Hedda zu helfen, doch alles, was er sagte, sah sie als Angriff. Andererseits war auch allein schon kompliziert, was er überhaupt sagen konnte, denn er wusste schließlich nicht, was bei ihr möglicherweise falsch ankommen konnte.
    Die Eröffnung, dass sie den Todesstoß wirklich wagen würde, war schockierend, doch er wagte nicht darauf etwas zu sagen, denn diese Entschlossenheit kannte er nicht.
    „Auch wenn es nur ein schwacher Trost sein mag, für immer hast du deine Freiheit vielleicht nicht verloren... Die Römer sind nicht ganz so herzlos wie du sie siehst, jedenfalls sie alle zu verurteilen, wäre falsch. Ein Sklave kann freigelassen werden, doch auch nur, wenn er ein guter Sklave war und es seinem Herrn und sich nicht allzu schwer gemacht hat.“
    Und so wie Hedda sich bisher gab, würde sie eine Freilassung wohl nie erreichen...
    „Deine Schwester? Wie hast du sie verloren? War es erst vor kurzem?“ Er ließ es, ihr sein „Beileid“ auszudrücken, denn dergleichen waren meistens doch nur leere Floskeln. Seine Nachfrage allein drückte mehr Mitgefühl aus als so etwas.
    Zugleich fiel dem bithynischen Sklaven etwas ähnliches ein. Seine Mutter, zuerst war sie verkauft worden und dann hatte eine Seuche sie hinweggerafft. Eines war nicht direkt auf das andere gefolgt, mit genügend zeitlichem Abstand dazwischen, doch irgendwie schien es, als wollte das Schicksal nichts halbes stehen lassen... Gleich nachdem sie weggegeben worden war, hatte Phaeneas sich daran gemacht herauszufinden, wohin sie gekommen war. So hatte er auch von ihrem Tod erfahren.
    Es war der erste Abschied gewesen, in einer langen Reihe. Nicht alle waren der Tod gewesen, doch fort war fort und als Sklave lernte man es mit Fassung zu tragen, manchmal schon als kleiner Junge.

    „Das stimmt nicht ganz, ich kannte viele, denen ich mein Leben anvertrauen hätte können.“ Es war tatsächlich wörtlich so, Phaeneas ließ schließlich nur Personen näher an sich heran, denen er komplett vertrauen konnte. Der schöne Arion beispielsweise hätte sich lieber seine zarten Hände anhacken lassen, als auch nur eine Silbe von dem zu verraten, was Phaeneas ihm anvertraut hatte.
    Arion, er war der Liebling der vornehmen römischen Damen gewesen, jede seiner Herrinnen hatte mit verzücktem Lächeln gelauscht, wenn er auf der Kithara gespielt hatte, und dabei seine Schönheit bewundert. Groß, schlank und sehr feingliedrig war er gewesen und er hatte sich auch mit 40 Jahren das jugendliche Antlitz bewahrt. Der energische Zug um den Mund und die Art, wie er manchmal – wenn keiner der Herrschaften in der Nähe gewesen war – die schmalen Lippen aufeinandergepresst hatte, verrieten etwas von seinem eigenwilligen Wesen. Aber genauso wie ihm die Huld der Damen zugeflogen war, hatte er auch deren Lauen ertragen müssen. Davon zeugten ein paar Narben in seinem ansonsten sehr feinen Gesicht.
    Doch selbst wenn sie mit ihm als Sklaven machen hatten können, was sie wollten, so war es Phaeneas gewesen, dem Arion seine Gunst geschenkt hatte...


    Hedda blickte an dem Bithynier vorbei und er tauchte dabei in ihren Blick. Wieder wusste er nicht, was daran ihn jedes Mal wieder einnahm.
    Amüsiert bemerkte er wie sie „deinen Herrn“ sagte. „Es ist auch dein Herr, Hedda, auch wenn es dir vielleicht nicht recht sein mag. Nun, ich habe den Herrn bisher nur zweimal gesehen. Als ich hierher kam und als du gebracht wurdest. Ich glaube jedenfalls, dass er seine eigenen Erwägungen haben wird, wenn du ihm diese Bitte vorträgst.“
    Phaeneas kam ein Gedanke. Ja, das war eine Möglichkeit. Doch bevor er ihr es unterbreitete, wollte er einiges wissen: „Es ist ein persönlicher Gegenstand, sagst du...“

    Recht wacklig stand Hedda auf.
    Eigentlich war es Phaeneas selbst unangenehm, wie er zu dem Mädchen war, mal freundlich, mal spöttisch, doch er wusste ja auch nicht, was wohl besser für sie war. Und schließlich provozierte sie ja auch andauernd.
    „Du hattest die Möglichkeit zu wählen?“ Sieh an! Ein sanfter und zugleich aufmunternder Zug erschien auf dem Gesicht des Bithyniers. „Dann zieh es jetzt durch! Du kannst alles schaffen, wenn du nur willst, das sieht man doch. Das einzige, was dir dabei im Weg steht, sind deine Bedenken. Wer weiß, vielleicht wird alles ganz anders als du befürchtest.“
    Gerne wäre er auf Hedda zugegangen und hätte ihr zumindest die Tränen aus dem Gesicht gestrichen. Doch ob sie über diese Geste wohl sonderlich begeistert wäre?
    Bei all dem spürte er die Kälte umso deutlicher, die ihm die Glieder hochkroch... Was musste es hier auch so kalt sein, in Germania.

    „Du bist sehr misstrauisch, Hedda“, stellte Phaeneas philosophisch sinnierend, mit leiser Stimme fest. „Doch du hast recht es zu sein, manchmal sitzt man schneller in der Falle als man glaubt.“ Er bezog es auf die Vorliebe mancher Herrn, die Schwächen ihrer Sklaven auszuhorchen und schamlos auszunutzen.
    Dann kam er wieder auf das Thema zurück. „Natürlich, ganz wird es sich kaum vor dem Herrn verbergen lassen, aber du musst ihn nicht flehentlich darum bitten, es zurückzubekommen, und ihm erzählen, was für eine Bedeutung es für dich hat. – Doch das wirst du sowieso nicht tun. Geh ganz sachlich und nüchtern an die Sache heran, diese Rolle beherrschst du schließlich ganz hervorragend.“ Der bithynische Sklave dachte nach, meinte dann: „Es sei denn, der Herr stellt dir eine Falle. Vielleicht wird er erst ablehnen, um zu sehn wie du reagierst...“

    „Wie soll ich dich sonst nennen, wenn du dir so etwas antust?“ Ein Hauch von Hilflosigkeit und Ungläubigkeit, dass Hedda zu so etwas fähig war, schwang in der Stimme des jungen Bithyniers mit.
    Wie konnte man sich nur so gehen lassen?


    Tränen überfluteten ihr Gesicht.


    „Ach, und du willst dir den Todesstoß versetzten?!“ Phaeneas konnte den leichten Spott nicht verhindern.
    „Ein Ertrinkender bindet sich doch nicht zusätzlich Gewichte an, um schneller zu ertrinken, sondern versucht sich so lange wie möglich über Wasser zu halten.“
    Wer weiß, wie sie auf dieses Spielchen reagieren würde...

    Dass sie ihre Versprechen brachen, dagegen konnte Phaeneas nichts sagen, hatte er doch schon öfter erlebt, wie leichtfertig so mancher Herr das Blaue vom Himmel gelobte und schließlich nichts davon einhielt, und so manches Zugeständnis, manche Versicherung doch nicht wahr machte.
    So wie niemand je Rücksicht darauf genommen hatte, ob man vielleicht mit manchen Mitsklaven gerne zusammen geblieben wäre. Man wurde einfach verkauft, irgendwo hin, vielleicht weit weg von dem, den man liebte... Auch davon konnte der junge Bithynier ein Lied singen, dass man schneller getrennt war, als man überhaupt zusammen war...


    „Sicherlich, so ist es. Doch muss der Herr nicht unbedingt wissen, wie wichtig es dir ist.“

    Phaeneas wusste nicht wirklich, wie er mit dieser Situation umgehen sollte. Widerspenstige Sklavinnen, die sich weigerten zu arbeiten und jede Gelegenheit zur Flucht nutzten, ängstliche Sklavinnen, die Furcht vor der Sklaverei hatten, sowie vernünftige Sklavinnen, die eingesehen hatten, wie man sich ein halbwegs erträgliches Leben ermöglichte, alles hatte Phaeneas erlebt, aber noch keine, die sich selbst Schmerzen zufügte, nur um ihrer Wut Luft zu machen.
    „Du musst verrückt sein, dich so zu quälen, Mädchen“, meinte er schließlich. Dann schwieg er eine Weile, bis er meinte: „Außerdem hilft es dir doch nichts. Du musst dich stellen und zwar deiner Zukunft. So machst du es dir doch nur selber schwer. Willst du ein Leben – oder nicht? Es dir lieber selbst ruinieren?“