Beiträge von Phaeneas

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    So hatte sie sich damit begnügt, wenigstens so weit es ging ihr Äußeres an das einer Frau anzugleichen und die soziale Rolle einer Frau zu übernehmen. Wenn das nicht gerade jemand boykottierte, sie einen cinaedus nannte und sie durch eine Schlägerei an ihre „Männlichkeit“ zu erinnern versuchte. Herzlichen Dank. Als wär‘s nicht schon schwer genug.


    Na gut. Wie lief das noch mal, wenn ein Herr oder eine Herrin einen großen Haufen Sklaven direkt ansprach?, versuchte sich Aurora daran zu erinnern, wie das in einem von Phaeneas geführten Haushalt so ablief.
    Ach ja, genau. Phaeneas blieb in der Sklavenmenge, drückte sich vor seinem Job als Haushaltsvorsteher, und der Sklave, der sich sowieso schon um die Herrschaften kümmerte, war weiterhin zuständig. Also sie.


    „Natürlich, Centurio. Wir wollen deine Arbeit nicht behindern“, versicherte sie und benannte dann nacheinander, schön in der Reihenfolge, in der sie da standen, die Scribae der beiden Senatoren und deutete jeweils auf sie. Der thrakische Leibsklave Phaeneas war natürlich auch dabei.
    Klar, der stand ja sowieso auf so vertrautem Fuß mit dem Herrn Lucianus. Hatte mehr mit ihm als mit seinen Mitunfreien zu tun gehabt …


    Jedenfalls fiel Aurora gerade eine riesen Stein vom Herzen, dass sie keine Schreibarbeiten erledigte. Ja, so fühlte sich Dankbarkeit an.
    Sie konnte gar nichts dagegen machen, dass die in zarte Sandalen gesteckten Füße ein Eigenleben annahmen und der rechte mal links neben den linken Fuß tippte und umgekehrt.

    Ganz von selbst hatte sich natürlich sofort herumgesprochen, wonach die Urbaner suchten. Diese Tratscherei unter Sklaven und dass man dabei immer aufmerksam zuhörte, war von Kindesbeinen auf entscheidend für Unfreie. Und Phaeneas für seinen Teil wusste, warum er seine Briefe von Cimon nirgendwo lagerte, sondern immer bei sich trug, in einem Beutel an seinem Gürtel. Wenn sie irgendwo rumlagen, konnten sie ja von informationsbegierigen Mitsklaven – und die waren in der Regel ordentlich teilnahmsvoll am Leben anderer – oder von neugierigen Soldaten gelesen werden. Und Phaeneas konnte es nicht nur nicht ausstehen, wenn andere in seine Privatsphäre eindrangen, es konnte auch gewaltig gefährlich werden – wenn man entsprechende Herrschaften oder Sklavenaufseher hatte, die gerne per psychischer Gewalt Kontrolle ausübten.


    Mit perfekt entspannter Sklavenmiene erschien also auch der Bithynier im Atrium. Die Hände auf dem Rücken verschränkt harrte er dem, was die Soldaten von ihnen wollen konnten. Wenn man damit aufwuchs, mit einem Fuß im Grab zu stehen, konnte einen die Aussicht auf Gefängnis auch nicht mehr so recht erschrecken.
    Seine Mitbediensteten der Familia Vinicia allerdings hatten da ihre Kindheit unter anderen Umständen verbracht und sahen diese ganze Angelegenheit dementsprechend weniger gelassen.

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    Nervös wickelte sie eine blonde Locke auf einem Finger auf.
    Stumm überschlug Aurora dabei, wie viele Sklaven sich nicht gerade mit den nicht-verhafteten Herrschaften … in weite Ferne verzogen hatten, und teilte ihr Ergebnis mit dem Centurio. Der am Rande erwähnt nicht ihr Typ war. Sie stand da eher auf weniger dunkle Männer.


    Na ja, die Männer. Die waren in der Regel ganz unkompliziert, was Auroras Körper anbelangte. Ein paar wenige waren enttäuscht, sobald sie die flache nackte Brust zu sehen bekamen. Aber die meisten fanden Gefallen an ihrem Körper, so wie er war, auch wenn er nicht in jeder Hinsicht so recht zu einer blondgelockten Frau passte.


    Aurora selber war da dagegen gar nicht zufrieden!
    Ach, wie oft ernteten andere Frauen durch Aurora neidische Seitenblicke. Wie gerne hätte sie auch so einen vollkommenen kurvigen, weichen Körper! Was würde sie dafür geben! Alles! Wirklich alles!
    Aber die Götter hatten kein Erbarmen. Als Kind hatte sie noch gehofft, sie würde eines Tages aufwachen und der Alptraum, diese tragische Verwechslung wäre vorbei … aber das war nie geschehen. Jedes Mal wieder war sie jedoch in einem Jungenkörper aufgewacht …


    „Das ist kein Problem, Centurio“, bestätigte sie höflich lächelnd.
    Es dauerte nicht lange und die Schreibsklaven, unter denen auch Lucianus‘ Leibdiener und oberster Unfreier Phaeneas war, trudelten im Atrium ein.

    Nur die Aufhebung der Ausganssperre hatte Phaeneas dazu bewegen können, die Villa wieder zu verlassen. Denn allein der Gedanke, gegen römische Obrigkeit zu verstoßen und deshalb – folgerichtig - in Schwierigkeiten zu geraten, war für ihn ein reiner Alptraum. Nein nein nein, da war es im Haus schon wesentlich sicherer gewesen und nichts liebte der Bithynier schließlich so sehr wie Sicherheit.


    Aber auch diese vermeintliche, zurückgekehrte Sicherheit auf den Straßen konnte Phaeneas nicht darüber hinwegtäuschen, dass er einsam war. Wieder einmal.
    Es war seltsam, wenn dieses Gefühl zurückkam. So altvertraut, schließlich hatte ihn dieser Zustand nur durch winzig kleine Bruchteile seines Lebens nicht begleitet, und jedes Mal wieder verfluchte er sich selbst, dass er sich überhaupt wieder auf diese Illusion eingelassen hatte. Auf einen Menschen, auf diese Illusion, nicht allein zu sein. Denn letztlich war er allein, immer wieder, bei jedem Atemzug dazu verdammt, vom Schicksal dazu auserkoren … Vom unerbittlichen Schicksal …


    Die Sorge um Lucianus machte ihn halb verrückt. Erst diese Ungewissheit, ob er sich Cimon anvertrauen konnte, die an seinen Nerven – aus Stahl! - gezehrt hatte, und jetzt das. Zur Zeit fielen irgendwie alle seine Alpträume zusammen. Vor seinen Augen hatten sie Lucianus abgeführt … Von einem Augenblick auf den nächsten war er weg gewesen. Wenn die Prätorianer Phaeneas wenigstens mitgenommen hätten, dann könnte er jetzt immerhin bei ihm sein, seinen üblichen Aufgaben als Leibdiener nachkommen … Bei reiflicher Überlegung erschien das dem Sklaven eigentlich auch wesentlich sinniger, schließlich hatte Lucianus vor ihm keine Geheimnisse gehabt und sämtliche Mitwisser versuchte der neue Kaiser von Rom in seine Gewalt zu bringen.


    Und Cimon war weit weg … Wieder in Mantua. Halbwegs in Sicherheit, wie Phaeneas hoffte. Na ja, sein Herr war Legat einer Legion, das konnte in dieser Situation ein Vorteil wie ein Nachteil für die persönliche Unversehrtheit seines Geliebten bedeuten. An etwas anderem lag dem Bithynier ja schließlich nicht. Lucianus, Cimon, seine eigene Sicherheit. Um diese drei Dinge drehte sich sein ganzes Universum.
    Aber mit dem weit entfernten Nubier verfuhr er genauso wie mit allen Geliebten, die das Schicksal je weit von ihm weggeführt hatte. Er verdrängte die Sehnsucht einfach. Es gab einfach nur den Gedanken an den wundervollen Cimon, den Phaeneas über alles liebte, mit dem er sehr glücklich war und der eines Tages wieder bei ihm sein würde. Nur die Götter wussten wann.


    Selig lächelte er den ruhig fließenden Tiber hinunter, als er sich an Cimon und die wenige Zeit mit ihm erinnerte. Einfach umwerfend war allein noch die Erinnerung daran. Sobald er Geräusche hinter sich hörte, verschwand das Lächeln langsam aus seinem Gesicht. Fremde Leute gingen seine Empfindungen schließlich nichts an.


    An diesen Ort hatte es ihn als allererstes gezogen, nachdem die Ausgangssperre aufgehoben worden war. An den Fluss, ans Wasser. Etwas kühl war es heute für eine Tunica, aber es ging gerade so. Ansonsten stand er vollkommen still, an dieser Stelle, an der man theoretisch ganz zum Tiber hinuntergehen hätte können, wenn man nur gewollt hätte. An dieser Stelle, an der er vor geraumer Zeit der jungen Frau begegnet war, zu der Phaeneas bewundernd aufgesehen hatte, weil sie versucht hatte sich umzubringen


    Sim-Off:

    Reserviert ;)

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    Hinter Aurora war längst Menyllus losgelaufen, um die restlichen Unfreien schon mal freundlich vorzuwarnen, dass Besuch ins Haus stand.


    Vorsorglich hatte die Türsklavin die Soldaten auch mal bis ins Atrium begleitet (Tigranes hatte ja immer noch wachsam die Porta im Auge). Wahrscheinlich brauchten die Herren – wie damals beim Besuch ihrer schwarzen Kollegen – Hilfe bei ihrer Durchsuchung.


    Dass sie an der Tür Dienst hatte, war noch ein Erbe ihrer … etwas zu männlichen Vergangenheit. Deshalb wurde sie weiterhin für das Porta-Öffnen eingeteilt, obwohl sich Frauen in der Villa Vinicia üblicherweise nicht um so etwas kümmerten. Bisher hatte sich da noch niemand an ihrem weiblichen Aufzug gestört.
    Na ja, Mania durfte sie oft in der Küche helfen. Süßspeisen zubereiten machte Aurora wahnsinnig Spaß, sie kreierte immer neue Variationen mit Rosinen, Honig, Milch und tausend Gewürzen. Mania war sowieso die beste Freundin, die Aurora sich immer gewunschen hatte. Mit ihr konnte man so schön über Männer reden und … na ja, eben über Frauenangelegenheiten. Und sie war so einfühlsam und sensibel! Nie waren ihre Worte hart und verständnislos. Und sie hatte so wunderbar angenommen, dass Aurora nicht als Mann leben konnte, weil sie eben nun mal keiner war!


    Wissen die Götter, wie es zu dieser Laune der Natur gekommen war und wie die Götter grausam genug sein hatten können, sie in einem männlichen Körper zur Welt kommen zu lassen. Sie! Eine Frau in einem Männerkörper! Wenn das mal nicht absurd war!

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    ‚In Oooordnung‘, dachte sich Aurora nur noch, als ihr der Soldat mit Militärsprache – sprich Befehlen – kam. Sofort trat sie einen guten Schritt zurück und zog die Tür weit einladend auf.
    Wenn den vinicischen Sklaven jetzt eines klar war, dann – die Herrschaften waren nicht da! Das heißt, der soziale Schutz fehlte im Zweifelsfall. Also mal lieber zu allen Herrschaften nett sein und schön kuschen!


    „Natürlich, Centurio“, nickte sie. „Fühl dich wie zu Hause.“


    Die Stimme musste sie verstellen, jedes Mal wenn sie jemandem die Tür öffnete. Aber wirklich verbergen ließ sich ihre tiefe Stimme ganz und gar nicht. Es war so demütigend, wenn jemand sie reden hörte!


    Nur mit Mühe und Not hatte Aurora durchsetzen können, dass sie mit ihrem Frauennamen angesprochen wurde und die anderen im Sklavenhaushalt von ihr als „sie“ sprachen. Auch wenn sie wusste, dass sie für viele immer noch der „Mann“ war, der sich einbildete, eine Frau zu sein. Viele riefen ihr „cinaedus*“ hinterher. Salve?! Sie suchte zwar nach Beziehungen mit Männern, aber sie selbst war keiner! Deshalb war für sie an der Bezeichnung „cinaedus“ allein schon die Endung falsch!
    „Effeminatus*“ gefiel ihr da schon besser, die Endung stimmte zwar auch nicht, aber dafür traf ‚femina’ umso eindeutiger zu.


    Sim-Off:

    *cinaedus = die antike Variante von 'Schwuchtel'. Ein sehr 'weiblich' auftretender Mann, der sich schminkt, auf Männer steht und bei ihnen passiv ist


    effeminatus = ein verweichlichter/ver-weib-lichter Mann. Die Definition ist vergleichbar dem oben.

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    Nachwievor hatte Aurora Probleme damit, dass ihre Brust so flach war wie ein Brett (sie kaschierte es, indem sie sich jeden Morgen etwas unter die Tunica stopfte), ihre Schultern so breit und ihre Hüften viel zu schmal! Der Bartwuchs störte sie, das tägliche Rasieren und die Stoppeln am Kinn ...
    Allgemein diese ganze Körperbehaarung, ständig musste sie sich überall enthaaren – da war sie um die lange Frauentunica ordentlich froh!
    Wenn sie in den Spiegel sah, war es ihr, als würde sie etwas so unsagbar hässliches erblicken - und es erschien ihr wie eine lebenslange Strafe der Götter, dass sie dieses Etwas war. Nun gut, seit sie ihre Haare lang hatte wachsen lassen, seit sie in schönen, vollen Locken über ihre Schultern fielen, seitdem war es nicht mehr ganz so schlimm. Manchmal, geschminkt (und sie schminkte sich jeden Tag), sah ihr Gesicht sogar ganz hübsch aus. Wenn es nur nicht so kantig wäre ...
    Insgesamt war ihr Körper viel zu eckig!


    Das laute Klopfen hatte Aurora verunsichert. Die darauf folgenden Befehle noch viel mehr.
    Um Fassung bemüht lächelte sie die vor der Tür stehenden Männer an. Soldaten waren hier schon in letzter Zeit definitiv zu viele gewesen. Das hier war nun wirklich nochmal eine Steigerung.


    Ihr Tonfall mäanderte zwischen höflich und besorgt. „Salvete, die Herren. Was kann ich für euch tun?“ Schlimmer konnte es ja wohl nicht mehr kommen – sagte sich die Sklavin.


    Sim-Off:

    Tut mir leid, für die lange Wartezeit

    Worauf sich Linos‘ Kopfschütteln bezog, war dem Bithynier nicht ganz klar. Aber gut, der Kreter würde sich seine eigenen Gedanken zu dem Thema machen und daraus schließen, wie sein zukünftiges Leben in der Hinsicht aussehen sollte.


    Absolut unglaublich – äh, fantastisch natürlich, ein gütiger, verzeihender, liebender Gott. Das hatte die Welt noch nicht gehört! Gebannt und immer gebannter lauschte Phaeneas dem, was Linos da erzählte. Das war so … anders, als alles, was man in der römischen Welt dachte und wie man bewertete.
    Hm, das klang einleuchtend. Iesus war nicht auf Stimmenfang gewesen. Hm, ja, nicht wirklich.
    Ach ja, stimmt. Vorher hatte Linos ja mal erwähnt, dass sich aus … irgendwas diese Belohnung von selber ergab. Was war das noch mal gewesen? Ach ja … aus der Liebe zu Gott und dem Nächsten. Wer auch immer das sein sollte. Und warum auch immer das mit dem Lieben nötig war. Schon komisch und kompliziert, das mit dem christlichen Glauben.
    Na ja, langsam konnte sich der Bithynier ein Bild davon machen, wer dieser Iesus war, durch das, was Linos alles über ihn erzählte.


    Misstrauisch und prüfend hatte Phaeneas seinen „Glaubenslehrer“ gerade noch gemustert. Langsam glättete sich seine in zweifelnde Falten geworfene Stirn wieder. Linos‘ Verteidigung des christlichen Glaubens schaffte es tatsächlich, ihn bis zu einem gewissen Grad zu besänftigen. Eine gute Portion Vorsicht und ständig neue Überprüfung dessen, was ihm gesagt wurde, würde natürlich immer bleiben. Trotzdem machte er sich nicht die Mühe, irgendwie in Worte zu fassen, dass der junge Mann vor ihm ihn in diesen konkreten Dingen vorübergehend überzeugt hatte.


    „Und wer ist nun mein Nächster?“, wollte der Bithynier aber prompt wissen.


    „Jemanden zu finden ist in Rom relativ leicht. Man muss nur Leute kennen, die jemanden kennen, der jemanden kennt, der wieder jemanden kennt. Man fängt also einfach irgendwo an, bekommt einen Tipp, wer da was wissen könnte, und fragt sich dann durch. Und irgendwann kommt man endlich an die Leute, die man sucht“, führte Phaeneas aus.
    „Gibt es bei den Christen denn etwas, woran man sie erkennen kann?“


    Inzwischen war die Erinnerung an diesen absolut traumhaften Mann namens Cimon vorübergehend komplett beiseite geschoben.

    Zitat

    Original von Phaeneas
    Der Posteingang von Benutzer »Appius Terentius Cyprianus« ist bereits voll.


    Vielbeschäftigter Prätorianerpräfekt, nimm dir Zeit für die Anliegen der Familia Vinicia.
    Wenn du uns schon die Herrschaften wegverhaftest 8o


    Hat sich erledigt. Danke ;)

    Befriedigt beobachtete er, wie Cimons Unsicherheit schwand. Sehr schön. So sollte es sein. Zufrieden nahm er das Lächeln zur Kenntnis.
    Instinktiv streckte er sich seinem Geliebten entgegen. Diese Händen, sie fühlten sich so gut an, so derart unverschämt gut. Cimon hätte bedenkenlos Stunden so weitermachen dürfen, der Bithynier würde sich immer noch nicht übersättigt fühlen. Stunden. Diese Hände. Dieser Mann.


    Schon wieder schaute Phaeneas Cimon völlig unverständig an, sobald der mit der Sprache herausrückte und bestätigte, dass es an der Tätowierung lag.
    Gerade wollte er ihn fragen, was bei allen Göttern an so einem lächerlichen Sklavenzeichen so schlimm sein sollte, da lagen seine Lippen schon auf denen des Nubiers. Wie lange war es her. Einen Pulsschlag lang waren sie vor seinen geschwebt, er hatte Cimons Wärme gespürt, ihn förmlich geschmeckt, und prompt war er schon überredet gewesen, für den Moment nonverbale Kommunikation vorzuziehen. Unwiderstehlich eben.


    Während der aurelische Sklave seine Hände an Phaeneas‘ Hals positioniert hatte, gingen die vom vinicischen an dessen Taille. Von dort aus wanderten sie über Rücken, Bauch und Brust zu den Schultern, um Cimon mit leichtem Druck von sich wegzuschieben, nachdem er den Kuss unterbrochen hatte.
    Viel Beherrschung kostete das schon, in Anbetracht dessen, dass das ganze Selbst des Bithyniers nur noch in allem, was mit Berührung zu tun hatte, dachte, aber … wenn sein Geliebter schon diese seltsamen Bedenken anführte, dann wollte er auch wissen, was es damit auf sich hatte. Schließlich war es für ihn immer noch absolut unverständlich, wo das Problem bei so `ner Tätowierung liegen sollte. Hatten schließlich jede Menge Sklaven.
    Einen süchtigen Moment lang hing er noch an Cimons Augen, unfähig sich zu lösen. Dann hakte er nach, noch immer atemlos: „Aber … aber was stört dich denn an der Tätowierung?“
    Eine vernünftige Unterhaltung und Küsse schlossen sich in der Regel gegenseitig aus.

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    Vielbeschäftigter Prätorianerpräfekt, nimm dir Zeit für die Anliegen der Familia Vinicia.
    Wenn du uns schon die Herrschaften wegverhaftest 8o

    Mit flinken Fingern öffnete der Nubier das Halstuch selbst. Irritiert beobachtete Phaeneas ihn dabei. So fiel ihm die Tätowierung ins Auge, die das Zeichen der Aurelier zeigten: ein Löwe. Der vinicische Sklave hatte schon so unendlich viele Unfreie mit verschiedensten Kennzeichen ihrer Zugehörigkeit zu einer Familia gesehen, dass er sich im ersten Moment bei diesem Anblick gar nichts Böses dachte. Erst als er Cimon noch einmal von oben bis unten gemustert hatte und sich alles, was geschehen war und er von seinem Liebsten so wusste, durch den Kopf hatte gehen lassen, da kam er entfernt auf die Idee, dass da der Hund begraben liegen könnte. Auch wenn er selbst diese Variante reichlich abstrus fand.


    Als Cimon dann endlich sagte, was los war, kam von Phaeneas nur ein verblüfftes „Bitte, was?!“ zurück. Dann musste er lauthals lachen. Die Augen schlossen sich dabei für einen kurzen Moment. „Das ist doch kompletter Unsinn, Cimon! Du bist für mich der unwiderstehlichste Mann auf Erden! Glaub mir, mit dir kann keiner mithalten. Nicht im Entferntesten. Glaubst du, ich hätte mir dich ausgesucht, wenn du mir nicht gefallen würdest, Cimon?“


    Also wirklich, so ein hirnrissiger Gedanke. Wenn der Bithynier sich schon nur alle hundert Jahre eine Beziehung gönnte, dann wollte er schon mit jemandem zusammen sein, der auch wirklich fantastisch und ein Anlass zu Freude war. Warum sollte er sich sowas auch mit jemandem unerfreulich machen, den er komplett uninteressant fand?
    Klar, andere – die meisten - in dieser Gesellschaft machten sowas. Nach der Devise: >Lieber jemand Langweiligen ins Bett gebracht als niemanden.< Aber die hatten dann auch ständig genug Leute dafür und hatten kein Problem damit, die andauernd durchzuwechseln und nur selten jemand Ordentlichen dabei zu haben.
    Phaeneas dagegen hätte sich das nie angetan. Dafür hätte er allein schon nicht die Nerven. Und es war mit viel zu vielen Gefahren verbunden, als dass er es sich in seiner Position hätte leisten können. Und er hatte definitiv keine Lust dazu. Warum sich mit was Halben zufrieden geben, wenn man doch was Ganzes haben konnte?
    Nein, auf welche seltsamen Gedanken Cimon da kam.


    „Hat das was mit dieser Tätowierung zu tun?“

    Beinahe geräuschlos wie immer schob Phaeneas in seiner Eigenschaft als Lucianus‘ Leibsklave die Tür zu dessen Schlafzimmer auf.
    Gemäß dem, was sein Herr ihm gesagt hatte, wollte er dort nach dem Rechten sehen.
    Es war noch nicht lang her, dass die Prätorianer zusammen mit dem Senator und Consular abgerückt waren. Kurz danach hatte sich der Sklave erst mal in die hinterste Sklavenkammer, die diese Villa zu bieten hatte, zurückgezogen und allen Mitbediensteten verboten, dort aufzutauchen. In diesem relativ kleinen Raum hatte er so lange wie versteinert dagesessen, den Blick starr auf die Wand gerichtet, bis sich sein Herzschlag wieder normalisiert hatte und er wieder halbwegs entspannt atmen konnte.
    Jetzt wollte er herausfinden, was sein Herr vorhin gemeint hatte.
    An die Soldaten in und vorm Haus würden sich die Haussklaven langsam gewöhnen müssen. Es war schon anstrengend gewesen, in welche Dinge die bereits nach so kurzer Zeit ihre Nase gesteckt hatten und nicht unkontrolliert hatten lassen wollen. Der vorläufige Höhepunkt war gewesen, als Arete entnervt einen Prätorianer gefragt hatte, ob sie auch schon das frisch polierte Silbergeschirr aus dem Wirtschaftstrakt in ihre Ausstellungskästen in einem der Triclinia zurückpacken durfte, nachdem er sie aufgehalten hatte.


    Phaeneas ließ seinen Blick durch das Zimmer schweifen. Wie einsam sahen Lucianus‘ Räumlichkeiten aus, wenn ihr Bewohner nicht mehr da war und wahrscheinlich nie wieder da sein würde. Wie ausgestorben. Irgendwann würde hier jemand anderes residieren. Aber wenn alles gut lief, würde der Bithynier davon nichts mehr mitbekommen.


    Also von Unordnung war hier keine Spur. Alles genau so an seinem Platz, wie es sein sollte. Zur Kontrolle schüttelte der Sklave Kissen und Decken aus, öffnete Truhen und kleinere Behältnisse. Dabei fiel ihm ein Blatt Papyrus in die Hände, das da bei Phaeneas‘ letzter Sauberkeits- und Ordnungskontrolle definitiv noch nicht gewesen war. Verwundert und misstrauisch las er die Zeilen, die darauf abgefasst worden waren:


    Hiermit überschreibe ich meine Sklaven:


    Phaeneas und Lais


    auf meinen Sohn


    Lucius Vinicius Massa


    gez.
    Marcus Vinicius Lucianus


    Seine Hände zitterten, als er fertiggelesen hatte. Und wenn sein Herz vorher schneller geschlagen hatte, dann raste es jetzt. Entgeistert wischte er seine nun feuchten Handflächen an seiner dunkelblauen Tunica ab.
    Lucianus hatte sich selbst praktisch schon beinahe für tot erklärt. Deshalb hatte er seine zwei wertvollsten Sklaven schon mal vorsorglich seinem Sohn überschrieben.
    Entsetzt starrte Phaeneas aus dem gegenüberliegenden Fenster. Er gehörte für den Moment gar nicht mehr Vinicius Lucianus. Sein neuer Herr war jetzt Vinicius Massa. Der Junge. Das Kind.


    Das der Bithynier noch auf dem Arm seiner Amme gesehen hatte. Das vor kurzem erst unter Aufsicht seines Lehrers mit Patschhändchen seine ersten Stilübungen gemacht hatte. Das der Vater noch vor nicht allzu langer Zeit das letzte Mal übers Knie gelegt hatte.
    Der Sklave musste sich an der Wand festhalten, um sicher stehenbleiben zu können.
    So schnell ging es. Flüsterte ein leises Stimmchen in seinem Kopf. So schnell hatte er schon wieder einen neuen Herrn. Den-weiß-der-Olymp-wievielten.
    Das kalte, erbarmungslose Schicksal.


    Ganz zu schweigen davon, dass der Junge einfach jemand ganz anderes war als Lucianus. Niemand konnte einen anderen Menschen ersetzen. Zumindest nicht für Phaeneas. Bei Sklaven schon, da konnte der eine Sklave Nullachtfuffzehn–Aufgaben genauso gut erledigen wie ein anderer. Da war einer schnell ersetzt. Aber menschlich? Da war Lucianus einfach nur weit weg und bald tot.

    Ich hätte da mal eine Bitte:
    Kann man nicht eigentlich männliche Cognomina aus der Liste der Cognomina für Frauen rausstreichen?


    Ich meine, gut, die Namen, bei denen die männliche Endung einfach feminisiert wurde, das kann man noch vertreten.
    Aber die, bei denen die a-Endung sowieso schon die männliche Form ist, finde ich das einfach lächerlich, die für eine Frau zu verwenden. Vor allem, wenn Männer solchen Namens auch noch berühmt sind und in jedem Geschichtslexikon stehen …


    Das betrifft z.B. Namen wie:
    Bestia, Catilina, Cinna, Dolabella, Mamurra, Massa, Merula, Nerva, Pansa, Scaevola, Sisenna, Sura, Tucca


    Das sind nur die, die mir spontan aufgefallen sind.


    Das weibliche Cognomen „Lupa“ finde ich übrigens auch ziemlich fragwürdig …

    Sogar Phaeneas, der sonst eigentlich mit dem Gegenteil von Einfühlungsvermögen gesegnet war, bemerkte, dass Cimon unsicher war. Mit einem charmanten Lächeln und viel Initiative von Seiten des sonst so passiven Bithyniers versuchte er darüber hinwegzugehen. Diese leichte Scheu machte seinen Neuen irgendwie nur noch unwiderstehlicher.


    Bereitwillig bot er Cimon seinen Hals dar. Sonst spürte er dort nichts als den Stoff der schier unendlich vielen verschiedenen römischen Mäntel. Jetzt hatte er dort küssende Lippen, fühlte die Nase, den warmen Atem seines Geliebten. Die dort längst eine Gänsehaut hingezaubert, dafür gesorgt hatten, dass sich die feinen Härchen aufstellten.


    Kaum hatte er Hand an das Halstuch gelegt, schien ein Ruck durch den Körper des aurelischen Sklaven zu gehen. Ein wenig irritiert sah Phaeneas den Nubier an, hielt inne, ließ aber die Hände an dem um den Hals geschlungenen Stoff. Abwehr stand in den Augen seines Gegenübers.
    Schon sank er vor dem Bithynier auf die Knie. Nun gut, er war nicht der erste Mann, der vor ihm kniete ... Aber in so einem Zusammenhang war das dann doch alarmierend merkwürdig.


    In einer flüssigen Bewegung ging er auf Augenhöhe mit Cimon, legte eine Hand auf seine Schulter. Bei niemandem sonst hätte er Körperkontakt gesucht, noch nicht mal oder erst recht nicht wenn es darum ging, jemanden zu trösten (davon abgesehen, dass Phaeneas so was sowieso nicht machte). „Cimon? Was ist denn?“, fragte er leise.