Ihre Nichte hatte Valentina gestern Abend noch die Botschaft überreicht. Natürlich hatte sie beim Lesen neugierig ihre Nase in das Schreiben gesteckt. Valentina lies sie gewähren. Traurigkeit überkam sie, als sie an diese Hochzeit erinnert wurde. Nicht weil sie den jungen Mann dort traf. Ihm ging es damals schlechter als ihr. Aber das war das letzte Mal, dass sie an der Seite ihres damaligen Verlobten stand. Doch die junge Quintilia versuchte dieses Gefühl beiseite zu schieben und stattdessen an den weiteren Verlauf des Abends zu denken. Daran, dass sie Varus getroffen hatte und ihn bis heute immer wieder sah. Das vertrieb die dunklen Wolken und sie konnte schon wieder lächeln.
Es wunderte sie, dass Serapio sich noch an sie erinnerte. War er damals doch wirklich sehr durcheinander. Natürlich hatte er sie durch sein Verhalten gekränkt und auch in Verlegenheit gebracht, doch wer war sie den erste Stein zu heben? Oft genug war sie diejenige gewesen, die Fehler machte. Und wahrscheinlich hatte sie auch gegen hunderte von gesellschaftlichen Regeln verstoßen, als sie den Mann überhaupt angesprochen hatte. Doch sein Blick, er war so verloren, so traurig, so wütend. Sie hatte im ersten Moment gar nicht begriffen, doch dann war es ihr klar geworden. Und charmant ausgedrückt, waren die beiden damals sogar im Geiste vereint. Beide wünschten sich wohl, dass die Braut vorneüber auf die Nase fiel.
Nun hörte sie das Klopfen an der Tür und zupfte noch einmal eine Strähne ihrer Haare zurecht. Die Nichten hatten ihr bei der Wahl ihrer Kleidung geholfen. Eine Stola in dunklem Rosa gefiel schließlich der Wahl der Frauen. Die Brosche ihrer verstorbenen Freundin diente als Zierde und die Haare waren fast schon kunstvoll hochgesteckt. Sie hatte nicht viel und doch wollte sie als Hausherrin gut aussehen, wenn sie Besuch bekamen. Dies kam ohnehin leider viel zu selten vor.
Valentina öffnete nach einer angebrachten Wartezeit die Türe und blickte in das bekannte Gesicht des Mannes den sie auf der Hochzeit kennen gelernt hatte. „Salve, Faustus Decimus Serapio. Schön dich wieder zu sehen. Bitte, kommt doch rein.“ Meinte sie dann auch in Bezug auf seinen Begleiter.
Sie trat einen Schritt zur Seite und lies die beiden Männer herein treten. Es wäre gelogen, wenn Valentina behaupten würde, seit gestern Abend nicht von einer gewissen Neugier befallen worden zu sein. Was der Mann wohl wollte? Von seltsamen Geschehnissen hatte er geschrieben, die er persönlich mit ihr besprechen wollte. Die Entschuldigung hatte sie schon längst angenommen, hatte sie ihm doch seit damals nicht wirklich gegrollt.
Sie schenkte beiden Männern ein freundliches Lächeln, nein sie war Serapio nicht böse oder trug ihm sein Verhalten nach. Noch würde sie irgendeinen Vorteil aus seiner damaligen Lage ziehen wollen. Sie war nicht wie die Braut. Valentina wollte damals einfach helfen.