Kurz schloss Valentina die Augen um sich voll und ganz auf Cascas Stimme konzentrieren zu können. Es war das Eine ein schönes Gedicht zu lesen. Es war aber noch viel schöner es von jemandem zu hören, der wusste wie man Gedichte vortragen musste. Aus seinem Mund waren die Wörter gleich noch viel bedeutsamer und gefielen Valentina noch viel besser als sie es damals auf dem Papier gelesen hatte. Selbst als er geendet hatte ließ Valentina noch einen Moment die Augen geschlossen und genoss den Nachklang in ihrem Kopf noch voll und ganz. Erst als sie hörte wie jemand herantrat blickte sie wieder auf und betrachtete den Sklaven. Er sah wirklich nicht aus als könnte er schwer arbeiten und für die Sicherheit seines Herrn konnte er auch nicht sorgen. Doch Casca hatte ihn sicherlich mit Bedacht gewählt, was er ihr auch mit seinem nächsten Satz bestätigte. Der Sklave wusste also viele Gedichte einfach so aus dem Kopf. Bewundernd blickte Valentina ihn an. Er musste sehr gebildet sein. Und wieder einmal wurde ihr klar in welch einer kleinen Welt sie die ganze Zeit lebte. In ihrer Familie gab es keinen Sklaven der einfach nur Gedichte rezitieren konnte. Als ihre Eltern noch lebten hatten alle Sklaven Arbeiten im Haus zu verrichten und als ihr älterer Bruder das Familienoberhaupt wurde, wurden die Sklaven reduziert. Und als nun Valentina übernahm, war kein Geld mehr da für Sklaven. Einzig ein Sklave, der schon immer da war und zur Casa gehörte wie die Einrichtung, war ihnen geblieben. Er aber war alt, älter vermutlich noch als Euphorbus vor ihr. Auch hatte sie sich als einziges Mädchen unter lauter Brüdern früher nicht viel für Gedichte interessiert. Später hatte sie wahrlich keine Zeit mehr gehabt. Und nun saß sie hier mit einem so gebildeten Mann! Verlegen sah sie in ihren Becher und war fast dankbar als weitere Sklaven herankamen und ein paar Speisen brachten.
Fast erschrocken blickte sie dann aber auf als Casca ihr anbot sich ein Gedicht auszusuchen, da der Sklave alles vortragen würde was sie sich wünschte. Nun hatte sie aber ihr ganzes Wissen schon preis gegeben. Sollte sie ehrlich sein und von ihrer Notlage erzählen? Was würde Casca dann von ihr denken? Sie genoss seine Gesellschaft so sehr und wünschte sich, dass sie mehr Zeit mit ihm verbringen durfte, vielleicht irgendwann sogar hier einziehen konnte. Er hatte Gefühle in ihr ausgelöst, die sie verloren geglaubt hatte, nachdem Serapio abkommandiert worden war. Das wollte sie nicht verlieren. Einen Moment rang sie mit sich selbst, dann aber hatte sie eine rettende Idee. Sie hob ebenfalls den Becher und erwiderte Cascas Blick. Ihr entging nicht die Art wie er sie ansah und Valentina konnte nicht verhindern, dass ihre Wangen einen ähnlichen Rotton annahmen wie der Wein in ihren Bechern. "Ich lasse mich gerne überraschen. Trag uns deine Lieblingsgedichte vor, Euphorbus."