Unbewusst hörte Valentina zwar die Schritte, die sich näherten doch sie gab nicht all zu viel darauf. Schließlich lebte sie hier nicht alleine. Als sie jedoch eine männliche Stimme hörte die ihr im ersten Moment vollkommen fremd erschien, fuhr sie auf ihrer Liege herum und starrte den hochgewachsenen Mann erschrocken an. Wie kam er hier rein? War er gefährlich und warum kannte er ihren Namen? All diese Fragen schossen der jungen Quintilia durch den Kopf. Aber dann, bei einem zweiten Blick und als der Mann weitersprach, kamen Zweifel ob Valentina den Mann wirklich nicht kannte. Sie kniff die Augen zusammen und stand langsam auf. Den Kopf etwas zur Seite gelegt, kam sie langsam und vorsichtig näher.
Das Lächeln kam ihr bekannt vor, auch wenn es momentan etwas unpassend wirkte. Es waren auch diese Augen, die sie wiedererkannte. Und dann fiel es ihr wieder ein. Erschrocken blieb sie stehen. "Canus?" Fragte sie zweifelnd, denn sie hatte gerade das Gefühl einem Geist gegenüber zu stehen. Seit er damals vor so langer Zeit die Familie verlassen hatte, hatte niemand mehr über ihn gesprochen und irgendwann glaubte Valentina, dass er sie verlassen hatte. Genau wie jeder andere ihrer Brüder.
Doch er stand nun vor ihr, lebendig und alles andere als abwesend. Noch einen Moment blieb sie so stehen wie sie war, dann aber warf sie sich mit wenigen Schritten um den Hals des großen Bruders. Tränen liefen über ihre Wangen und die Umarmung die der Bruder bekam war erstaunlich fest für ihre zierliche Statur. "Canus!" Weinte sie erneut. "Ich bin so froh, das du wieder hier bist. Wo warst du so lange? Warum hast du mich so lange alleine gelassen? Ich hätte dich hier so dringend gebraucht." Obwohl es Vorwürfe waren, hielt Valentina ihren Bruder ganz fest, fast so als wollte sie ihn nie wieder loslassen.