Beiträge von Pallas

    Als er jemand den Raum betreten hörte, hob Pallas kurz den Kopf, nur um ihn möglichst schnell wieder zu senken, angestrengt seinen Teller zu fixieren und zu hoffen, Bridhe möge ihn übersehen. Näher kommende Schritte ließen den Sklaven sich zunehmend versteifen, letztlich sogar die Augen schließen, nur um sie wieder zu öffnen, als er die Stimme der jungen Mutter vernahm.
    Kein Wort hatte er vergessen, das sie gesagt hatte, keinen der unzähligen Schwerthiebe, die sie ihm damit verpasst hatte. Er hatte zwischenzeitlich nicht mehr oft daran gedacht, war stattdessen der ehemaligen Sklavin aus dem Weg gegangen, um nicht daran erinnert zu werden. Doch nun gab es kein Entrinnen, sein Teller war zu voll, um sich bereits als fertig zu entschuldigen und ihre Bitte ablehnen konnte er auch kaum. Mit aufeinander gepressten Kiefern blickte er nach einigen Sekunden der Stille endlich auf, machte jedoch keinen Hehl daraus, dass er nach wie vor alles andere als bereit war, zu vergeben und vergessen. Sein Blick streifte kurz das Bündel an ihrem Körper, ihr Kind wohl, ein Sohn, wie er gehört hatte. Seine Augen blieben letztlich an ihren hängen.
    „Wie die Dame wünschen.“, gab er gepresst zurück. Kaum ausgesprochen senkte sich der Kopf des Britanniers wieder, der Löffel in seiner Hand stopfte einen Teil seines Essens ihm in den Mund. Es wollte ihm nicht mehr so recht schmecken.

    Es hatte, wie der britannische Sklave immer wieder feststellte, ungemeine Vorteile, der Liebling der Hausherrin zu sein. Man bekam einen eigenen Schlafraum, man wurde mit neidvollen Blicken bedacht, doch am Wichtigsten: Man bekam weitaus besseres Essen.
    Eben dieser Vorteil war es, den Pallas in dieser Minute voll auszukosten gedachte, stopfte er doch eine Menge an Nahrung in sich hinein, die besser zu einem Mann, der doppelt so breit war wie er selbst, gepasst hätte. Geregelte Essenszeiten hatte er allerdings seit langem nicht mehr, weshalb er ebenfalls in den Genuss – wenn man es denn so nennen wollte – eines meist leeren Sklavenspeisesaals kam. Weitgehend allein mit seinen Gedanken, war derzeit auch das Klappern des Geschirrs das einzige Geräusch, das an seine Ohren drang. Es war ihm ganz recht so, mit den gewöhnlichen Sklaven gab man sich als Leibsklave nur noch ab wenn es nötig war und mit den anderen Leibsklaven gab man sich nur dann ab, wenn man sicher sein konnte, dass sie nicht danach trachteten, einem ein sprichwörtliches Messer von hinten in die Rippen zu stoßen.



    Sim-Off:

    Reserviert ;)

    Schicksalsergeben seufzte der Sklave. Irgendwie schien diese Diskussion ins Nichts zu führen und so breitete er ratlos die Arme aus, zuckte mit den Schultern und ließ schließlich die Arme wieder fallen.
    „Wenn du das sagst.“
    Pallas indes erinnerte sich an eine kurze Szene, als er mit Aquilius zusammengetroffen war und dieser alles andere als guter Laune schien… doch vielleicht war er gegenüber Bridhe anders, wer konnte das schon sagen.
    Und während Bridhe ihre Schritte beschleunigte, blieb der Britannier plötzlich abrupt stehen. Er traute seinen Ohren kaum, hatte sie das tatsächlich gesagt? Unwillkürlich begann das Blut in seinen Ohren zu rauschen, das Herz in wildem Widerstreit gegen seine Rippen zu trommeln.
    „Verstehe.“, erwiderte er kühl.
    Seine Existenz war in ihren Augen also nicht erstrebenswert, sein Leben nicht lebenswert. Er selbst hatte sich nie nach einem anderen Leben gesehnt, wusste er doch zu gut, dass es ihm als Sklave einer patrizischen Familie, noch dazu als Leibsklave, weitaus besser ging als den meisten Freien im römischen Imperium. Und was tat sie? Nahm sein Dasein und warf es in den Dreck. Nicht genug damit, trat es tiefer in schlammige Pfützen und steinigen Untergrund. ‚Sie ist schwanger, sie meint es nicht so.’, sagte sein Kopf. Doch er wusste, sie meinte es genau so, wie sie es sagte. Sie war nicht wie er, sie hielt hier nichts und so verstand sie nicht, dass es keineswegs ein unerträgliches Leben war, das er führte. Ein paar Herzschläge lang stand er so da, steif und unfähig sich zu rühren, nun, da ihm von einer anderen Sklavin praktisch sein Wert abgesprochen worden war. Seine Hände öffneten und schlossen sich zu Fäusten, immer und immer wieder, bis er nach kurzem Lippenzucken „Dann viel Glück bei Aquilius.“ sagte, sich umwandte und zurück zu dem Platz stapfte, an dem er seine Herrin verlassen hatte.

    Die Tränen begannen sich zu verflüchtigen und so wäre es auch mit Pallas Gefühl geschehen sollen, das absolut niederste Wesen auf der Welt zu sein – ein Mann. Bei der Geburt seiner Herrin hatte er mitbekommen, welche Höllenqualen eine Frau bei der Niederkunft wohl durchstehen musste und er kam nicht umhin, sich schuldig zu fühlen, wenngleich er nie etwas Derartiges verursacht hatte – so weit er wusste zumindest. Dennoch senkten sich die angespannten Schultern ein wenig ab und wenn er sich auch nicht gänzlich wohl in seiner Haut fühlte, so half es doch sehr, dass Bridhe sich gefangen zu haben schien. Pflichtschuldig nickte er. „Danke.“


    Dass seine Landesgenossin nach wie vor vorhatte, zu ihrem Herrn zu gehen und die ganze Sache zu beichten wollte ihm nicht so recht in den Kopf. Was spielte es schon für eine Rolle, ob er es von einer zickigen Patrizierin oder einer zi… einer schwangeren Sklavin erfuhr? Die ganze Sache war mehr als übertrieben. Über was Frauen sich bisweilen so den Kopf zerbrachen war schon äußerst lächerlich. Als gäbe es keine anderen Probleme auf der Welt. Doch vermutlich sah er das, als jemand dem unaufhörlich die Logik von Myriaden von Schriftrollen im Kopf herumspukte, zu unemotional.
    „Und? Was ändert das? Du erzählst ihm deine Version, sie erzählt ihm ihre. Wem wird er glauben? Und selbst wenn er dir glauben sollte – was ich statistisch gesehen für unwahrscheinlich halte-“, diesbezüglich hatte er jahrelange ‚Feldforschung’ hinter sich, „-denkst du denn, wenn sie auf einer Bestrafung besteht wird er ablehnen? Ich für meinen Teil würde das wohl nicht tun, sei mir nicht böse. Aber eine beleidigte Sklavin wäre mir weitaus lieber als eine beleidigte Senatorengattin.“

    Hatte er sich vorab bereits unwohl in seiner Haut gefühlt, schien ihn Bridhes Entschuldigung nur noch mehr in die Bredouille zu stürzen. Nun war er auch noch schuld, dass sie ein schlechtes Gewissen hatte, was konnte es schlimmeres geben? Sein Blick wandelte sich immer mehr in den eines geprügelten Hundes, der absolut nicht verstand, warum sein Herrchen ihn nun in den Regen gesetzt hatte, während er irgendwie kleiner und kleiner zu werden schien. Wenigstens vor seinem inneren Auge.
    „Nein, nein. Du musst dich nicht entschuldigen.“, versicherte er schnell, hob zur Unterstützung abwehrend beide Hände.
    „Aber bitte, hör auf zu weinen.“


    Und war er eben noch das Abbild des misshandelten Sklaven gewesen, so wandelte sich Pallas’ Gesichtsausdruck mehr zu einem jener Gesichter, die Perseus entgegen geblickt haben müssen, als er verkündete, er habe Medusa den Kopf abgeschlagen. Er verkniff sich ein „Bist du des Wahnsinns?“ und ließ jenen verwirrten Ausdruck für sich sprechen.
    „Äh…“, war das einzige an verbaler Unterstützung, die er vorerst herausbrachte.
    „Ja aber… aber…“
    Für jemanden, dessen Gedächtnis wahrlich vollgesaugt war mit allerlei Sagen, Legenden, Geschichten und Gedichten stellte sich der Britannier in manchen Moment als ausgesprochen uneloquent dar.
    „Lass dir doch von ihr nicht die Freude auf dein Kind verderben. Ich bin mir sicher, du malst dir jetzt alles schlimmer aus, als es wird. Denkst du denn wirklich, Aquilius würde dich schwer bestrafen? Er ist doch recht verträglich, oder nicht?“

    Pallas, ein Mensch der von Natur aus keinem anderen wegen was auch immer böse sein konnte, zuckte bei Bridhes Worten erschrocken zusammen und sah hinter sich. Fast hatte er befürchtet, Antonia würde nun hinter ihm stehen und das Donnerwetter seines Lebens auf ihn herabregnen lassen, doch weit und breit war niemand mehr zu sehen.
    Seufzend richtete er den Blick wieder nach vorne, einen ratlosen Gesichtsausdruck zur Schau stellend.
    "Naja... zu ihrer Verteidigung... woher soll sie das denn wissen? Du weißt doch, wie diese Leute sind, ebenso gut könnte man ihr sagen, sie mache dem Tisch damit Angst, dass man ihm einen Stuhl wegnehme."
    Als er sich der Tatsache bewusst wurde, dass das in Bridhes Augen sicherlich nicht der beste Vergleich war, beeilte er sich schnell weiterzureden. Auch hier war es ein Thema, das ihm so gar nicht behagte und bei dem er sich bereits sicher war, dass er sich nur noch tiefer ins Verderben reiten konnte, egal was er sagte oder tat. Nichtsdestotrotz hob er abwehrend die Hände.
    "Ich... nein... ich meinte... ich... äh... Du bist natürlich völlig normal... äh... "
    Hilflos lächelnd hoffte er, sie würde ihm das Gestammel einfach abkaufen und nicht weiter darauf eingehen.
    Manchmal war sich Pallas sicher, er wurde hier bestraft. Bestraft für etwas, das er in einem anderen Leben getan haben musste oder für etwas, das er irgendwann in diesem Leben noch tun würde. Soweit er sich erinnern konnte hatte er nämlich bislang nichts getan, um ein derartiges Leben zu verdienen. Weniger das Sklave-sein störte ihn, kannte er doch nichts anderes. Vielmehr der Spießrutenlauf, dem er sich tagtäglich ausgesetzt sah war es, der ihn an der Gerechtigkeit der Götter zweifeln ließ.
    "Schwanger... naja... nicht mehr lange."
    Vermutlich war es nicht das, was Bridhe hatte hören wollen, wie er sich im Nachhinein bewusst wurde. Doch... was war das für ein Geräusch? Ein Schluchzen? Oh ihr Götter, alles nur das nicht...
    Zaghaft wandte er den Kopf in Bridhes Richtung und... tatsächlich, sie begann zu weinen. OhihrGötterohihrGötterOhihrGötterohihrGötter, schoss es ihm durch den Kopf. Frauen waren schlimm genug, schwangere Frauen noch schlimmer, aber weinende schwangere Frauen?
    "Ach, Bridhe...", setzte er unbeholfen an.
    "Bitte... wein doch nicht. Es wird schon nicht so schlimm werden. Du wirst sehen, morgen weiß sie schon nichts mehr davon. Im Moment hat sie doch nur ihr Kind im Kopf, glaub mir."

    Scheinbar war auch Bridhe nicht ganz klar, was denn nun an ihrer Aussage so verwerflich gewesen war. Der Sklave schenkte ihr einen fragenden Blick, legte die Stirn kurz in Falten und sah geflissentlich wieder auf den Weg vor sich.
    „Hm.“, brummte er. Dann gab es nicht mehr allzu viele Möglichkeiten.
    „Ich vermute, wenn es nicht die Worte an sich waren, war es der Ton. Du klangst ein wenig… äh… na ja.“
    Hilflos zuckte er mit den Schultern. Frauen gegenüber war er generell hilflos, schwangeren Frauen umso mehr. Kaum hatte er sich getraut, Bridhe die Hand zu reichen, um ihr beim Aufstehen zu helfen, fürchtete er doch, sie an der falschen Stelle zu berühren, ihr durch eine Unbedachtheit Schmerzen zuzufügen. Als wandele sich eine Frau während sie ein Kind in sich trug zu einem Wesen, das am Besten in Watte gepackt und in ein ruhiges Zimmer gestellt werden sollte.
    „Vielleicht war es auch nichts, was du getan hast. Sie ist in letzter Zeit ein wenig… unberechenbar. Vermutlich wegen der Geburt und so… also, nicht, dass alle Frauen wegen so etwas… äh… ich meine…“
    Seine Hand fuhr in das wuschelige Gestrüpp, das er sein Haar nannte und trotz intensiver Bemühung der lokalen Friseure tat was es wollte und sich partout nicht an den Kopf anlegen wollte. „Naja, sie wird dich deswegen nicht gleich ans Kreuz nageln lassen.“
    Wobei er sich da innerlich gar nicht so sicher war, wie er zu klingen hoffte. Nein, nein, bestimmt nicht, das wäre selbst für die Claudia eine übertriebene Reaktion.

    Pallas hatte in der Zwischenzeit tatsächlich ein besonderes Gespür für die inneren Vorgänge seiner Herrin entwickelt. Vermutlich war es das, was ihn bisweilen vor körperlicher Züchtigung bewahrt hatte. Allein während der Schwangerschaft war es ein Spießrutenlauf gewesen. Was in einem Minute richtig gewesen war, war in der nächste schon wieder das Schlimmste, was man hatte tun können.
    So ließ er sich nicht lange bitten, als er seinen Namen hörte, sprang behände vom Boden auf und harrte der Dinge, die da kommen mochten. Ou, klang nicht gut. Klang gar nicht gut. Und sah noch weniger gut aus. Kurz wanderte sein Blick zu Bridhe. Es brauchte nicht viel um Antonia derart zu verärgern, wie er wusste, aber was hatte sie nun eigentlich ausgefressen? Naja, würde er wohl noch erfahren.
    „Äh… ja, Herrin.“, beeilte er sich zu sagen, nickte eifrig und trat vor, um der Hochschwangeren beim Aufstehen zu helfen. Seine Herrin half ebenfalls, indem sie ihre Aufmerksamkeit gnädigerweise wieder anderen Dinge zuwandte. Andernfalls wäre er wohl doch noch zerflossen unter jenem Blick.
    Mit schiefem Lächeln sah er Bridhe an, als wolle er etwas wie ‚Weiber’ sagen, bis er sich bewusst wurde, dass ja auch seine ‚Kollegin’ zu jener Sorte Mensch gehörte. Jene Sorte Mensch, mit der er bisweilen immer öfter seine Schwierigkeiten hatte.

    Man hätte den britischen Sklaven in den letzten Minuten durchaus mit einem frisch geköpften Huhn vergleichen können. Er rannte hin und her, wusste weder ein, noch aus, fast, als wäre er der werdende Vater und nicht der Bote, der diesem die Nachricht einer bevorstehenden Geburt überbringen sollte.
    Die Hebamme hatte er gefunden, nachdem er zunächst in der falschen Ecke des Hauses nach ihr gesucht hatte. Die alte Frau hatte ihm den Arm getätschelt und einige beruhigende Worte gemurmelt, die ihn absolut nicht beruhigt hatten. Bei allen Göttern, das war schließlich seine erste Geburt.
    Irgendwie war er jedenfalls wieder in die Gänge der Villa geraten. Sich seiner höchst wichtigen Mission erinnernd, machte er sich auf die Suche nach Gracchus. Um nicht erneut wertvolle Zeit zu vergeuden (er glaubte tatsächlich, eine Geburt wäre nach ein paar Minuten vorbei und er verpasste nun alles), fragte er sich durch und landete schließlich hier, vorm Arbeitszimmer des Herrn der Herrin. Oder so ähnlich.
    Anklopfen vergaß oder verdrängte er, jedenfalls stand er plötzlich im Raum, wo ihm sein Missgeschick auffiel. Auweia, das würde Ärger geben.
    "Äh.", begann er zu stammeln. "Vergib mir, Herr. Die Herrin Antonia ist schwa... äh, ich meine, sie bekommt ein Ki... also, jetzt, meine ich. Sie... äh... sie liegt in den Wehen. Jetzt."

    Es war nicht Pallas' Tag. Absolut nicht. Erst war er auf einer Lache aus verschüttetem Garum ausgerutscht (und hatte stundenlang dementsprechend geduftet), dann hatte man ihm eröffnet, er "durfte" heute seine Herrin auf einem Ausflug in die Stadt begleiten - was zweifellos Blasen an den Füßen bedeutete - und nun musste er sich auch noch ewig vor ihrer Tür die Beine in den Bauch stehen, weil die Damen drinnen beschlossen hatten, männliche Wesen hätten draußen zu warten, während die Herrin hergerichtet wurde. Pft.
    Als die Tür mit ordentlicher Wucht aufflog, hob er erstmals wieder den Blick. Er sah jedoch mitnichten, was er erwartete. Eine mittelgroße Traube aus Sklavinnen kam armewedelnd herausgestürmt, plapperte etwas von "Wasser" und "verloren", woraufhin der Brite lediglich dachte 'Besorgt ihr doch selbst ein Neues'. Es folgte ein kurzes Intermezzo. Jeder andere Mann hätte sich wahrscheinlich gefreut, so viele Frauenhände auf seinem Körper zu spüren... Pallas war eher irritiert, denn sie schubbsten und drängten ihn nach hinten. Ehe sein in solchen Situationen etwas langsamer Verstand begreifen konnte, was denn nun eigentlich los war, waren sie auch schon wieder verschwunden.
    So, nochmal langsam. Was war los? Herrin. Kind. Jetzt. Amme. Gracchus. Und nun noch sortieren... die Herrin bekam ihr Kind? Ach du heilige..
    Etwas ratlos trat der Sklave von einem Bein aufs andere. Aiaiai, was denn jetzt? Amme... er sollte die Amme holen. Genau. Erst die Amme holen und dann dem Herrn bescheid sagen. Gut. Gut. Das konnte er. Bestimmt... also los. Die Beine wollten nicht recht gehorchen.
    "Beweg dich, du Torfkopf.", sagte er zu sich selbst und tatsächlich, er löste sich aus seiner Starre. Zunächst noch etwas langsam, aber nach weniger Schritten kam er ins Laufen und flitzte durch die Villa...


    Acanthus musterte erneut den Sklaven, um schließlich zu nicken. Verwandschaft Antonias kam äußerst selten zu Besuch, daher schien eine besondere Aufmerksamkeit vonnöten.
    "Nun, dann willkommen in der Villa Flavia. Ich werde die domina vom Besuch informieren lassen. Folgt dem Jungen ins Atrium und wartet dort.", erwiderte der Ianitor und deutete auf einen Halbwüchsigen, der schon bereit stand, dem Besuch voranzugehen.

    Der Junge kam samt Besucher schließlich im Atrium an.
    Von hier aus war unter anderem das Lararium in Sichtweite, welches Masken der berühmten und verdienten Ahnen der Flavier, beispielsweise die gewesenen Kaiser, beinhaltete. Wie jeder repräsentative Raum waren Wände und Boden reich verziert, ebenso wie die Möbel, die im Raum standen.
    "Wenn ihr hier kurz warten würdet? Die Domina wird gleich erscheinen.", versprach der Junge höflich, verneigte sich knapp und eilte davon, um einige Erfrischungen zu holen.


    Wie stets war es das Gesicht vom flavischen Ianitor Acanthus, das der Besucher als Erstes erblickte. Gerade weit genug, dass er hinaussehen konnte, hatte er die massive Tür der Villa geöffnet und musterte nun den Sklaven, welcher direkt davor stand.
    "Wer bist du und was willst du?", spulte er die übliche Begrüßung für Unfreie ab, nicht ohne die Sänfte im Hintergrund mit einem kurzen Blick zu bedenken.

    Glücklicherweise war das Kissen, das in seinem Gesicht landete, recht weich gepolstert und richtete so keinen größeren Schaden an. Reflexartig fing Pallas es sogar auf und brachte es zurück an seinen Platz. Vielleicht wollte Antonia ja noch einmal etwas werfen… und in dem Fall hieß es besser das Kissen als die Vase.
    „Herrin.“, begann er zögerlich. Dass die Angesprochene aufblickte und so ihr griesgrämiges Gesicht offenbarte ließ ihn für einen Moment wieder verstummen.
    „Vielleicht bist du ja schwanger, Herrin?!“
    Es war mehr eine Frage, als eine Vermutung, dennoch entlockte sie der Claudia ein schallendes Lachen. Er wisse so gut wie sie selbst, dass dies unmöglich sei, sagte sie.
    „Nichts ist unmöglich, Herrin. Ich meine-“
    Eine Geste Antonias schnitt ihm das Wort ab.
    „Oder einfach nur der Stress… diese Sache mit deinem Gatten… und so… “
    Das schien Antonia nun einleuchtend, denn sie senkte nickend ihren Kopf wieder.
    „Hol trotzdem einen Medicus.“, befahl sie, schwang die Beine aufs Bett zurück und schloss die Augen.
    „Wie du wünschst, Herrin.“, erwiderte Pallas, verbeugte sich knapp und beeilte sich, den Raum zu verlassen. Sollten ihre Sklavinnen die Launen der Patrizierin weiter ertragen. Sofern sich heute noch eine hinein traute.

    Eingeschlafen war Pallas noch nicht, lediglich mit den Gedanken in gänzlich anderen Gefilden. Als er Micipsas Blick bemerkte, fühlte er sich ertappt, glaubte schon, etwas verpasst zu haben und sah zu Bridhe. Hatte jemand ihn etwas gefragt? Er lächelte hilflos und zuckte mit den Schultern. Im Zweifelsfall war Unwissenheit zu signalisieren immer besser als Unaufmerksamkeit.
    Dennoch brannte ihm eine Frage auf den Lippen, die er nun, wo das Mädchen und die fernen Stimmen fort waren, zu stellen wagte.
    "Bridhe, du hast vorhin etwas gesagt.. ", begann er zögerlich, den Blick auf einige Grashalme gerichtet, die orange vom Feuer beleuchtet wurden. Wie viele Bücher hatte er gelesen, wie viele Gedichte und doch wusste er nicht recht, wie er den folgenden Satz formulieren sollte.
    "Du bist schwanger?"

    Es war faszinierend, je mehr sie redete, desto mehr verstand man mit der Zeit. Zumindest glaubte Pallas, es zu verstehen.
    Massilia. Lutetia. Gallien. Kein Wunder, dass die nicht anständig sprechen konnte. Als Britannier hatte der Sklave eine natürliche Abneigung gegen alles, was aus Gallien kam. Dass Ylva mehr in Richtung Germanien gehörte wusste er natürlich nicht.
    "Ahja. Sicher schön da.", antwortete er jedoch diplomatisch.


    Kisch? War das etwas zu essen? Küsche? Ob es half, das Wort zu zerlegen? Kü - sch - e. Küche?
    "Die Küche? Culina? Ja?"
    Die Furchen auf seiner Stirn verrieten, wie angestrengt er nachdachte. Doch, sicher, die Küche musste es sein.
    "Äh...also, die Küche. Du gehst in den Gang da-", mit einer Hand deutete er in die entsprechende Richtung, "-dann gleich links, nächste rechts und dann nochmal rechts. Und dann immer geradeaus. Und dann nochmal links. Kann man nicht verfehlen."
    Wenn man sich auskannte.

    Mit zusammengekniffenen Augen, als würde ihm dies beim Verständnis von Ylvas Worten helfen, sah Pallas seine Mitsklavin an.
    "Flavia Celerina? Kenne ich nicht, nein.", bestätigte er ihre vorige Äußerung, ohne zu wissen, dass sie diese vorige Äußerung getätigt hatte. Wie sie selbst nun hieß vermochte er noch nicht genau zu sagen. "Isch" sagte sie recht oft. Vielleicht aber auch "Moi". Moi klang nach einem Namen. Ylva allerdings auch. Schwierig.
    Das äußerst unintelligente Gesicht, dass er nach der nächsten Frage aufsetzte, war vermutlich bereits Antwort genug. Kein Wort hatte er verstanden.
    "Schpesch-en?"
    Der flavische Sklavengeschmack war wirklich ein sonderbarer. Wie kommunizierte ihre Herrin bloß mit ihr? Die Ankunft im Atrium riss ihn jedoch aus diesen Gedanken.
    "Ah, hier sind wir. Das Atrium. A-tri-um."

    Wie so oft fühlte sich Pallas wie ein kleiner Außerirdischer. Ein Britannier in Rom. Das plötzlich aufkeimende Bedürfnis, eine bestimmte Melodie zu summen, unterdrückte er erfolgreich. :D
    Das Dumme war, dass er nicht allein das Verhalten von Nicht-Kelten/Römern nicht recht nachvollziehen konnte, sondern vor allem Bridhe ihm Rätsel aufgab. Sie war nicht römisch - gut, das war nicht allzu schwer zu verstehen. Doch ihr Kind? Hatte sie denn bereits ein Kind? Wohl kaum, das hätte sie sicherlich erzählt. Das ließ jedoch nur den anderen Schluss zu, dass sie schwanger sein musste. Er beschloss, sie später danach zu fragen und warf lediglich Micipsa, in einer Geste der Verbrüderung, einen Blick zu, der nichts anderes zu besagen schien als "Weiber".
    Dido indes machte Anstalten die Feier zu verlassen, hinterließ lediglich einen Anhänger und verschwand im Dunkel der Nacht.


    Doch sie sollte nicht die letzte Besucherin gewesen sein, wie ferne Stimmen wenige Minuten später verrieten. Es war wie verhext.
    "Hört ihr das?", fragte er. Schließlich konnte es auch sein, dass seine Fantasie heute ein wenig überaktiv war und er sich die Stimmen nur einbildete.

    "Äh.", war erneut das Erste, das dem Sklaven in den Sinn kam.
    Atrium? Also doch nicht Cubiculum? Kannte sie überhaupt den Unterschied? Wollte sie vielleicht in Wirklichkeit in die Culina? Diese und ähnliche Gedanken schossen in Pallas' Kopf hin und her, als würden sie Flipper spielen.
    "Ääfach... ja... genau."
    Er beschloss, egal ob sie nun tatsächlich das Atrium meinte oder nicht, sie dorthin zu bringen. Unterwegs traf man vielleicht einen anderen Sklaven, der den Kauderwelsch übersetzen konnte. Mit einer Hand bedeutete er ihr, ihm zu folgen.
    "Ich bin übrigens Pallas.", sagte er, gedehnt und langsam, als würde er mit einem Schwerhörigen sprechen.