Allem Anschein hatte ihr Onkel seine Nichte nicht erkannt, oder zumindest hatte er nicht damit gerechnet sie ausgerechnet in einer flavischen Sänfte anzutreffen. Woher sollte er auch von den ehelichen Bänden zu den Flaviern wissen, wenn nicht von der übrigen schwindeligen Verwandtschaft aus Syria. Zu eben jener bestand im übrigen mehr schlechter als rechter Kontakt. Schade eigentlich, schließlich lagen dort die Wurzeln der gens Aurelia - genauer gesagt in Antiochia am Orontes. Na vielleicht hat mein Onkel ja ein paar Neuigkeiten aus der Heimat, sofern er zufällig in der Gegend war. … Oh …anscheinend möchte er nicht, dass ich ihn so nenne., schmunzelte Prisca gedanklich, während ihr Onk …pardon … während ihr ehrwürdiger Verwand … nein, halt so darf ich ihn ja auch nicht anreden …ja wie nun? … während:
"Faustus? … sie mit Küsschen begrüßte: "So darf ich dich aber hoffentlich anreden? Oder wie hättest du es denn gerne, mein Lieber?, fragte Prisca mit einem kecken und gleichzeitig neckenden Tonfall, der keineswegs eingeschnappt sondern vielmehr scherzend und sehr vertraut klang und das, obwohl sie einander gefühlt seit einer Ewigkeit nicht mehr gesehen hatten. So viele Jahre, in denen so vieles passiert war - gutes wie schlechtes - und noch viel schlimmer … wir sind alle so viel älter … Eine grausame Erkenntnis, doch erträglicher zu ertragen angesichts der Tatsache, dass ihr Onkel noch ein paar Jahre mehr auf dem Buckel hatte.
"Ach, … wenn es um Geschichten von früher geht, so bin ich sehr leidensfähig, selbst du sie stets mit eben jener Phrase beginnst, mein lieber Onk … Verzeihung. … Ich freue mich ebenfalls, Dich nach so langer Zeit endlich wieder zu sehen."
Mit einem strahlenden Lächeln stand Prisca ihrem Onkel gegenüber und blickte erwartungsvoll zu ihm auf.
"Was führt Dich nach Rom? … Und warum hat es so lange gedauert, bis Du uns endlich besuchst? … Du musst mir unbedingt von deinen Reisen berichten und wo Du überall warst. …. Aber lass uns doch hinein gehen"
Mit einer einladenden Geste wies Prisca auf die porta und gleichzeitig hing sie regelrecht an seinen Lippen. Es dürstete sie wirklich danach zu erfahren, welche Abenteuer ihr Onkel aus der weiten Welt zu berichten wusste. Insbesondere deshalb, weil ihr eigenes Leben auf eine relativ überschaubare und gleichsam eintönige Welt zusammen geschrumpft war, seit sie als Matrone und Mutter von zwei Kindern ihr Dasein in Rom frönte. Ein Dasein, das ziemlich depressive Auswirkungen hatte angesichts der Tatsache, dass die eigene Existenz sich unausweichlich dem Ende zu neigte.