Im Gegensatz zu ihrem Sklaven fand Prisca (in der Nacht der Überfahrt) kaum Schlaf und dementsprechend müde und kleinlaut war sie am nächsten Morgen. Das hielt die Aurelia jedoch nicht davon ab, an ihrer Forderung vom Vortag fest zu halten, auch wenn Lyciscus das gar nicht gefiel. Prisca konnte seine Sorge ja verstehen, aber auf dem Schiff hätte sie es vor lauter Ungeduld nicht ausgehalten, bis endlich die Nachricht sie erreicht hätte. Abgesehen davon fühlte sich Prisca in der Nähe ihres Leibwächters immer noch am sichersten, auch wenn ihr auf dem Schiff keinerlei Gefahr drohen würde.
Bis hierher also und nicht weiter … So war es ihr Wunsch gewesen und darauf bestand nun Lyciscus, als er sie sanft aber bestimmend an den Schultern fest hielt. Prisca erwiderte seinen Blick und dieses Mal widersprach sie ihm nicht. Vielmehr würde sie seinen Anweisungen Folge leisten und dieses Versprechen gab sie ihm nun:"Ja ich habe verstanden, Lyciscus. Ich werde hier warten und falls nötig zurück zum Schiff eilen, sollte etwas ungewöhnliches passieren. Ich verspreche es dir." Mit einem leisen Seufzer blickte Prisca ihrem Leibwächter und den drei Matrosen nach, in der Hoffnung, dass auch Lyciscus sein Versprechen halten- und vorsichtig sein würde.
Die drei Matrosen folgten dem Thraker und ihre Blicke wanderten ebenfalls in alle Richtungen umher. Man merkte den Männern deutlich die Anspannung an, da Landeinsätze eindeutig nicht zu ihren Stärken zählten und als Lyciscus gegen die Tür hämmerte, rückten die Drei augenblicklich enger zusammen."He, Thraker! Warte mal! Wäre es nicht klüger, wenn wir sofort umkehren? …. Dieser Spruch da ist mir nicht ganz geheuer", zischte der Erste leise zu Lyciscus und die beiden anderen Matrosen nickten sogleich beifällig: "Ja … was, wenn da in dem Haus eine Horde Banditen auf uns wartet?" … "Bei Neptun´s Dreizack, ich weiß schon, warum ich am liebsten auf einem Schiff bin, da gibt es keine scheiß Mauern, hinter die man nicht blicken kann …" Besonders mutig wirkten die drei Matrosen nicht, obgleich sie ebenfalls bewaffnet waren, aber noch hielten sie ihre Position schräg hinter Lyciscus und horchten gebannt in Richtung der Türe …
Nichts war zu hören! Es herrschte absolute Stille … bis …
… plötzlich ein Kratzen und Scharren aus dem Inneren drang. Zuerst ganz leise, dann etwas lauter, … so als würde etwas aus dem hinteren Teil des Gebäudes in Richtung Türe gezerrt. Außerdem war nun das Getrampel von Füßen zu hören, die ziemlich hektisch über den Boden zu huschen schienen. Wie viele Füße es waren, das konnte man allerdings nicht heraus hören.
"Oh Scheiße, Mann … lass uns lieber abhauen, ja? … Tot nützt du deiner Herrin ebenso wenig, wie wir unserem Kapitän", rief der erste Matrose wieder in Richtung Lyciscus, der hier das Kommando hatte und der Zweite stimmte sogleich mit ein: "Ja lass uns abhau … Moment mal …" Mitten im Satz stockte der Mann. Er hob den Kopf und schnupperte kurz: "Hier riecht doch etwas verbrannt, oder täusch ich mich …"
"Nein, du täuschst dich nicht … Da …da….DAAAAA!!!", kreischte der Dritte nun fast hysterisch, als er mit den Fingern auf die porta deutete. Durch den unteren Türschlitz drang heller Rauch, der schnell immer dichter und dichter wurde. Doch das war noch nicht alles. Eine Stimme dang aus dem Inneren des Hauses, laut und bedrohlich und irgendwie völlig irre:
"GEHT …GEHT WEG! ….SCHNELL!! … HI HI HI …ICH MUSS … MUSS DAS HIER ZU ENDE BRINGEN … SIE! SIE MUSS BRENNEN …JAWOHL … HI HI HI … BRENNEN MUSS … SIE! … DIESE HEXE!!!!! …. DANN WIRD ALLES WIEDER GUT. … HI HI HI …HÖRT IHR MICH NICHT? … LAUFT, SO LANGE IHR NOCH KÖNNT!"
Das Geschrei war kaum verklungen als die Türe mit lautem Gepolter auf flog. Ein gewaltiger Schwall Rauch drang nach außen, gefolgt von einem brennenden Strohbündel, das funkenschlagend und völlig unvorbereitet den ersten Matrosen frontal traf. Seine Hose fing sofort Feuer und begann lichterloh zu brennen, was dieser mit einem überraschen und hellen Schmerzensschrei quittierte. "Oh Scheiße, wir sind am Arsch....aaarrrrgghhh!", schrie der Zweite nun ebenfalls los, während er gebannt auf seinen brennenden Kollegen starrte. Weiter kam er nicht, da traf ihn ein weiteres Wurfgeschoss (in Form eines Steines) am Kopf und schickte ihn sogleich in Morpheus Reich. Der dritte Matrose wiederum eilte nun dem Ersten zu Hilfe, indem er ihn packte, zu Boden warf und versuchte, durch herum wälzen im Staub irgendwie die Flammen zu ersticken
Die drei Matrosen waren momentan also "bestens bedient" und vorerst keine große Hilfe mehr. Doch wider Erwarten stürzte nun keine Horde von wilden Banditen heraus, sondern lediglich ein einzelner Mann (der Verwalter). Sein Gewand war dreckig und voller Strohhalme und in der Rechten hielt er ein gladius. Sein graues Haar war völlig wirr, seine Augen weit aufgerissen und blutunterlaufen und sein Gesichtsausdruck ließ keinen Zweifel daran, dass er völlig den Verstand verloren haben musste. Mit gefletschten Zähnen und wie ein Tier knurrend fixierte er Lyciscus … kurz verharrend, ehe er zum Angriff ansetzte. "UUUUAAAAAAAAAAAAAAAAAHHHH!!!!, brüllte er so laut wie er nur konnte und fuchtelte mit dem gladius wild über seinem Kopf hin und her. Doch der Angriff war nur eine Finte und blitzschnell zog sich der Mann, mit einem irren Kichern, wieder hinter die Rauchwand in das Haus zurück: " HI HI HI HI …. DIE HEXE! … GLEICH … GLEICH BRENNT SIE … MOMENT! … ICH … ICH …MUSS …NOCH MEHR FEUER MACHEN … HI HI HI HI"
Der Blick und der Weg in das Haus war nun frei, sodass jeder der so verrückt war dem Irren in das Haus zu folgen sehen konnte, woher der viele Rauch so plötzlich gekommen war. Der Verwalter hatte im gesamten atrium Stroh und Strohbüschel ausgelegt und musste diese wohl just in dem Moment angezündet haben, als Lyciscus und die drei Matrosen an der Türe angekommen waren. Wie das sprichwörtliche "Strohfeuer" loderte das trockene Gras mittlerweile lichterloh, doch die umgebenden Mauern und Säulen aus Marmor boten dem Feuer nur wenig neue Nahrung, sodass das Feuer sehr wahrscheinlich von selbst wieder ausgehen würde, ohne gleich das ganze Anwesen abzufackeln.
Allerdings würde das Feuer noch lange und heftig genug brennen, um sich bis zur Mitte des atriums durch zu fressen. Dort wiederum bot sich jedem potenziellen Betrachter folgendes bizarres Bild: In der Mitte des atriums - direkt vor dem impulvium - befand sich eine Frau, umgeben von Strohbündeln und gefesselt auf einen Stuhl. Über ihren Kopf war ein Sack gestülpt und darunter musste sie wohl geknebelt sein, denn man hörte nur undefinierbare Laute, während sie heftig an ihren Fesseln zerrte und herum zappelte. Was wiederum wenig verwunderlich war, angesichts des drohenden Feuertodes, der sie zweifelsohne ereilen würde, wenn nicht irgendwer ihr in letzter Sekunde zu Hilfe eilen würde. Von dem Irren war im übrigen nirgendwo auch nur eine Haarsträhne zu sehen, doch weit konnte er sehr wahrscheinlich noch nicht sein, denn man hörte zumindest sein irres Kichern schaurig von den Wänden des Anwesens wider hallen …