Kaum war die Frage ausgesprochen kamen Prisca Zweifel. War die Frage zu direkt? War sie richtig formuliert? War dies überhaupt DIE richtige Frage? Doch zu spät! Die Priesterin hatte die Frage bereits angenommen. Jetzt gab es also kein zurück mehr und Prisca würde mit der Antwort leben müssen oder zumindest mit den Deutungen, welche der Orakelspruch eventuell zulassen würde. Würde sie am Ende überhaupt Gewissheit haben, wie es um ihren sehnlichsten Wunsch stehen würde oder würde die Ungewissheit bleiben? Schon wieder Fragen über Fragen, auf die Prisca keine Antwort fand. Es blieb ihr also ncihts anderes übrig als zu warten und zu hoffen.
Gedankenverloren blickte Prisca der jungen Priesterin nach, bis diese in dem dunklen Gang verschwunden war und ein leichter Schauer rann ihr über den Rücken bei der Vorstellung, durch welch dunkles Labyrinth der Weg zum Orakel wohl führen mochte. Ob es tatsächlich ein Labyrinth gab wusste Prisca natürlich nicht und sie würde es auch nie erfahren, denn niemand kannte das Geheimnis das hinter diesem dunklen Durchgang lag. Allein die Phantasie beflügelte Prisca in dem Bild von einem Labyrinth aus Gängen, von denen ein einziger zur Sibylle führen würde und auch von dem Orakel selbst hatte Prisca ein bestimmtes Bild vor Augen ohne zu wissen, ob es das Orakel überhaupt gab.
Just in dem Moment ertönten undefinierbare Geräusche aus dem dunklen Gang und ließen weitere Schauer über Prisca´s Rücken laufen. Es klang so wie ein Röcheln und Stöhnen, dazu ein Kratzen von Nägeln auf Stein, vermischt mit einem dumpfen Pochen und Rauschen, als ob weit entfernt ein Wasserfall zu strömen begonnen hätte. An dem Punkt hörte Prisca lieber auf ihre Phantasie spielen zu lassen, denn sie wollte sich gar nicht vorstellen, was da hinter dem schwarzen Loch in der Wand genau vor sich ginge.
Zum Glück war Lyciscus zwischenzeitlich zurück gekehrt und seine Anwesenheit bewahrte Prisca davor, zu sehr ins grübeln zu geraten. Vielmehr vermittelte seine ruhige und gelassen wirkende Art und Haltung ein gutes Gefühl der Sicherheit. Prisca lächelte ihrem Leibwächter (auf sein Nicken hin) kurz zu und ihr Blick ruhte weiterhin auf dem Thraker, dem das Warten augenscheinlich weitaus weniger ausmachte wie ihr. Andererseits kein Wunder, denn als Sklave musste er wohl oder übel geduldig sein und warten können.
"Du wolltest vorhin wissen, was uns in Antium erwartet …", griff Prisca unvermittelt die Frage ihres Sklaven wieder auf, deren Beantwortung nun eine willkommene Ablenkung von der Warterei darstellte: "Nahe Antium besitzt meine Familie einen kleinen Landsitz direkt am Meer. Ich … ich war schon ewig nicht mehr dort und soviel ich weiß auch niemand aus meiner Familie", kurz stockte Prisca in Erinnerung an ihre letzte Reise dorthin. Das war so lange her, dass Prisca die Bilder von damals nur noch schemenhaft in Erinnerung rufen konnte und sie wunderte sich nur, weshalb sie überhaupt an diese eine Reise denken musste. War es wegen dem Anlass oder wegen ihrer Begleitung … oder einfach nur wegen der Sehnsucht nach ein wenig Erholung? …egal …
"Naja, es liegt ja auf dem Rückweg und ich denke es ist längst an der Zeit, wieder einmal persönlich nach dem Rechten zu sehen. Außerdem ist der letzte Bericht des Hausverwalters längst überfällig, was bisher noch nie vorgekommen ist" Ein fehlender Bericht war noch kein Grund zur Sorge, oder sollte er es gerade deswegen sein, weil es der Erste fehlende war?
Eine (unerwartete) Antwort darauf sollten die Aurelia und ihr Leibwächter bald schon erhalten - doch zunächst galt es erst einmal die Antworten der Sibylle abzuwarten.