Beiträge von Aurelia Prisca

    Anscheinend hatte ihr Onkel wirklich niemandem die Umstände ihrer Ankunft mitgeteilt, wenn selbst Deandra sich nun für ihre Unwissenheit entschuldigte. Vielleicht hatte ihre Mutter ihn darum gebeten, vielleicht hatte es ihr Onkel auch nur vergessen oder es aber für nicht so wichtig empfunden. Welchen Grund auch immer ihr Onkel gehabt hätte, auf die Idee, dass auch die anderen Familienangehörigen gerade mit Sorgen und am Ende gar Trauer zu kämpfen hatten, kam Prisca nicht. Während sie dem forschenden Blick von Deandra begegnete wurde es Prisca wieder bewusst, wie wenig sie sich bisher mit der eigenen Familie und den Angehörigen befasst hatte. Viel zu wenig stellte sie fest und diesen Umstand wollte Prisca jedenfalls von nun an ändern. Zumindest nahm sie es fest vor während sie Deandra zu hörte.


    "Du hast mich wirklich nicht gestört Deandra. Kurz bevor du kamst, stand ich noch am Fenster weil ich einfach nicht einschlafen konnte. Ich musste über so vieles nachdenken, über meine Mutter, meine Familie und meine Zukunft. ... so ist das wohl, mit der Trauer, jeder geht anders damit um und ich kann ja noch nicht einmal meine Gefühle selbst genau beschreiben. Zu fremd und unwirklich erscheint mir alles noch im Moment. ... Aber zu wissen, dass ich mit dir reden kann hilft ... gegen die Einsamkeit und ..."


    Anfangs schüttelte Prisca leicht den Kopf und lächelte schwach, um Deandra davon zu überzeugen, das ihr nichts leid zu tun brauchte. Deandras Worte hatten absolut ehrlich geklungen. Keine Heuchelei oder falsche Anteilnahme konnte Prisca aus ihnen heraus hören und das tat ihr gut. So musste sie ihre Gefühle wenigstens jetzt nicht hinter einer Fassade verstecken wie sie es sonst so oft und gern tat, sondern konnte selbst ganz befreit reden. Wer wusste schon, wie es in einem anderen Menschen aussehen mochte und wie dieser mit seiner Trauer um zu gehen verstand. Im Gegenteil, in Deandras Worten lag etwas, das sie sogleich für sich verinnerlichte. Und diese Worte wiederholte sie sich im Geiste und sprach sie nach einer kurzen Pause aus.


    "... es ist wirklich schön zu wissen, das ich nicht alleine bin. ... Du und auch Onkel Marcus ... ihr habt mich wirklich sehr herzlich empfangen und wollt mir helfen, obwohl wir uns Jahre nicht gesehen haben. ... Es gibt so vieles, das ich nach so langer Zeit gerne von euch und dem Rest der Familie erfahren möchte und was meinen Onkel betrifft, ... so hoffe ich zumindest, dass ich ihn nicht über Gebühr für mich beanspruchen werde. ... Jedenfalls möchte ich das du weißt, dass ich euch sehr dankbar dafür bin. ... wenn also ich einmal helfen oder etwas für euch tun kann, so zögere bitte auch du nicht es mir zu sagen."


    Je weiter sie sprach umso mehr erwiderte Prisca, mit einem deutlichen Nicken und einem befreitem Lächeln, Deandra´s aufmunternde Geste. Prisca war dankbar für die angebotene Hilfe ihrer Verwandten und dafür wollte auch sie etwas von sich zurückgeben. Auch wenn sie nicht wusste, was dies sein könnte und ob Deandra ihr Angebot ernst nahm oder es nutzen würde, das spielt im Moment für Prisca keine Rolle. Welche Dinge sich auch immer daraus in der Zukunft entwickeln mochten, ob zum Vor- oder Nachteil, jedenfalls sprach in diesem Moment nicht die Berechnung aus Prisca. Als kurzzeitig ihre Augen zu glänzen begannen, war es echte Rührung aber vor allem auch die Müdigkeit, die sie nun immer mehr überfiel. Mit einem kurzen Blinzeln versuchte Prisca die Schleier vor ihren Augen beiseite zu wischen, was ihr nicht ganz gelingen wollte.


    "... apropos Hilfe anbieten ... mein Onkel erwähnte heute Morgen bei meiner Ankunft, Gartenarbeit sei eine gute Ablenkung. Zumindest sagte er ich hätte einen grünen Daumen, was auch immer er damit meinte. Vielleicht kann ich dir ja morgen, oder wann du Zeit und Lust hast, ein wenig zur Hand gehen?"


    Prisca schätzte Deandra´s Gesellschaft sehr und das Gespräch, welches sie selbst gesucht hatte nun von sich aus zu beenden, empfand Prisca als sehr unhöflich. Andererseits war es schon tief in der Nacht und vielleicht wollte sich auch Deandra gerne zurückziehen. Was Prisca betraf war sie zumindest offen und bereit für viele gemeinsame Gespräche und sicher würden sich noch genügend Gelegenheiten finden lassen. Das brachte sie in eine gewisse Zwickmühle und so versuchte Prisca mit einem Schmunzeln und einem unverbindlichen und aufgelockerten Thema das Gespräch, für sich und Deandra, heute nicht weiter zu vertiefen. Die gemeinsame Gartenarbeit bot sich zumindest für ein, relativ kurzfristiges, Wiedersehen an.

    Während Deandra an ihr vorbei ins Zimmer ging, wurde Prisca erst bewusst, wie wirr ihre Begrüßung und die Begründung mit der Traube auf Denadra gewirkt haben musste. Sie fühlte sie auf irgendeine Art und Weise ertappt. Obwohl der Auslöser und der Grund ihrer Ausrede an sich harmlos waren, schämte sie sich dafür, sich so naiv verhalten zu haben. Stumm schloss Prisca zunächst die Türe. Etwas verlegen erwiderte sie den Blick, den Deandra ihr zu warf und zu ihrer Überraschung stellte sie fest, dass dieser nicht anklagend sondern eher verständnisvoll wirkte. Sie konnte sich täuschen, denn das Licht war nicht besonders hell, doch schon bei den folgenden Worten sollten sich die Zweifel etwas zerstreuen. Wie es schien wusste Denadra noch gar nicht die genauen Umstände ihrer Ankunft und umso verständlicher war, dass sie wohl die Reaktion eben missverstanden hatte. Auf diese Erkenntnis hin nickte sie müde, aber auch gleichermaßen mit einem ergebenem Lächeln, so als wolle sie damit alles, was Deandra eben gesagt und eventuell sogar gedacht haben mochte, bestätigen.


    "Bitte setz dich doch! ... Es geht mir wirklich nicht besonders gut ..."


    Mit einer einladenden Geste deutete Prisca auf die bereit stehenden Korbstühle. Ja, sie war müde, fühlte sich schrecklich und war immer noch etwas verlegen über ihr eigenes Verhalten. Aber sie wollte auch reden zumindest Deandra kurz erklären, was vorgefallen war. Vielleicht würde es ja Prisca selbst helfen, die Trauer besser zu verarbeiten. Indem sie einfach immer wieder darüber sprach. Und Deandra wirkte auf sie wie eine Person, der sie sich anvertrauen konnte.


    "... und der Grund dafür ist, dass ich heute erst vom Tod meiner Mutter erfahren habe. ... Sie war schon sehr lange krank und wusste, dass sie sterben würde. Ihr letzter Wunsch war es, dass ich hierher nach Mogontiacum reise. ... Onkel Marcus hat mir heute morgen, nach meiner Ankunft, alles erzählt und .. na ja, ich weiß selbst nicht so recht wie ich es beschreiben soll ... seitdem spielen meine Gefühle ein wenig verrückt."


    Mit zittrigen Fingern fuhr sich Prisca kurz über die Augen und versuchte zu erklären, was alles vor gefallen war.


    "Ich war gerade in Griechenland, auf einer Studienreise ... aber wie sich herausstellte, hatte meine Mutter diese nur als Vorwand benutzt, um mich weg zu schicken. Ich sollte wohl nicht sehen, wie sie starb ... sie ... sie litt nämlich an ... Aussatz ... ... das alles erfuhr ich erst heute von meinem Onkel. Sie hatte ihm das alles geschrieben und ihn anscheinend gebeten, dass er künftig mein tutor sein solle."


    Nur schwer konnte Prisca dies aussprechen und sie schämte sich sichtlich. Die Todesursache ihrer Mutter war für sie selbst wie ein Makel, der ihr von nun an anhaften würde und erst nach einer langen Zwischenpause konnte sie zu Ende sprechen. Wieder trafen sich ihre Blicke und fast schon entschuldigend wirkte Priscas Gesichtsausdruck bei der Feststellung der Tatsache, dass sie wohl von nun hier bleiben würde.

    Die gespielte Verzweiflung wich langsam wieder aus Prisca´s Gesicht. Ein zaghaftes fast zögerliche Nicken zum Zeichen, dass Camryn´s Worte ihre Wirkung nicht verfehlen würden, folgte und Prisca begab sich in die Position, von der aus Camryn sich um die Haare kümmern konnte. Die Sklavin gab sich wirklich sehr besorgt und obwohl sie dabei nicht schlecht reden wollte, tat sie es trotzdem. Prisca wurde den Verdacht nicht los, dass die Sklavin etwas ganz Bestimmtes damit bezwecken wollte. Die Wäsche ihrer Haare wäre die beste Gelegenheit weiter darüber nach zu grübeln, was jedoch nicht möglich war, denn den fürsorglichen und lieben Worten der Sklavin konnte sich auch Prisca nicht gänzlich verschließen. Hab ich denn gerde eben wirklich sooo verzagt und hilflos gewirkt? konnte Prisca gerade noch für sich denken. Falls Camryn das alles nur geheuchelt hätte, wäre sie zumindest die perfekte Schauspielerin, oder Camryn, oder am Ende sogar sie Beide.


    "Findest du wirklich, dass meine Haare so schön sind? Das Öl duftet jedenfalls sehr angenehm und wenn es den Frauen der östlichen Länder gefällt, so will ich es gerne auch probieren und die ornatrix soll am besten gleich morgen damit beginnen, meine Haare zurecht zumachen."


    Ja, auf ihre seidig glänzenden, langen Haare war sie ganz besonders stolz und Camryn´s Komplimente verfehlten ihre Wirkung nicht. Prisca antwortete geschmeichelt und hielt still, solange Camryn damit beschäftigt war die Haare zu waschen. Von den Kulturen der östlichen Länder hatte sie schon einiges gehört denn der angeblich überschwängliche Reichtum dort beeindruckte sie. Wie mochte es dort wohl sein, in Ägypten oder gar dem Reich der Parther, welches die Römer schon bald erobert haben würden. Zumindest zweifelte Prisca nicht daran, dass es in Rom schon bald viele neue exotische Waren und Sklaven als Kriegsbeute zu bestaunen gäbe. "Wenn ... ja wenn ich nur endlich dieses kalte und grässliche Germanien hinter mir lassen kann!" Davon konnte sie im Moment nur träumen und hoffen, dass wenigstens die Worte von Camryn in Erfüllung gehen werden..


    "Ich bin sicher, dass du dich gut um mich kümmern wirst, so wie es mein Onkel will. und wenn ich einen Wunsch habe, werde ich es dich gerne wissen lassen. Aber wie du schon sagst, im Moment sieht wirklich alles noch sehr düster aus für mich. Ohne meinen Onkel wäre ich wohl verloren, denn er ist wirklich ein sehr bewundernswerter Mann. Allein schon wie er heute, bei meiner Ankunft, die Soldaten zurecht gewiesen und mich anschließend so herzlich empfangen hatte. Und dann im triclinum, als er mich ..."


    "... so liebevoll getröstet hatte, während ich geweint habe. Ganz so, wie es meine Mutter immer getan hat." Während Camryn ihr gerade sanft durch das Haar strich, hätte sich Prica beinahe dazu hinreißen lassen, ganz offen über ihre Gefühle und Ängste zu sprechen. Doch die wollte sie vor Camryn nicht zu geben, auch wenn diese versprochen hatte Geheimnisse für sich zu behalten. So brach sie mitten im Satz ab, egal was die Sklavin davon halten mochte oder auch nicht. Prisca brauchte wirklich eine Person, der sie ganz vertrauen und bei der sie Trost finden konnte und diese Person hoffte sie in ihrem Onkel zu finden. Mehr wollte sie nicht von ihm ... naja das stimmte vielleicht auch nicht ganz ... etwas gab es da schon noch. Ungewollt musste Prisca ganz im Gedanken schmunzeln. Sie wollte ja noch herausfinden, wie sie ihn am besten um den Finger wickeln konnte, um die selben Freiheiten zu genießen, die sie von ihrer Mutter her gewohnt war. Aber das durfte sie Niemandem sagen und daher warf sie schnell einen Blick zu Camryn, als hätte diese sie in ihren Gedanken ertappt.


    "Es ist gut zu wissen, dass du unsere Geheimnisse für dich behalten wirst, Camryn!"


    mit diesen Worten nahm Prisca das unübliche Angebot der Sklavin an, auch wenn sie selbst keine Verschwörung plante, geschweige denn daran gedacht hätte mehr Gefühle zu ihrem Onkel zu hegen als unter Verwandten eben üblich. Mit einem verschwörerischem Lächeln auf den Lippen begab sich Prisca zu den Stufen des Beckens, um dem warmen Wasser zu entsteigen. Schon wollte sie sich in das hingehaltenen Badetuch hüllen, als sie einen Wandspiegel erblickte. Selbstsicher schritt sie an der Sklavin vorbei darauf zu, um sich zuerst davon zu überzeugen, dass ihr Körper nicht zu sehr unter den Strapazen gelitten hatte. Ein paar Mal drehte sie sich prüfend vor dem Spiegel und war eigentlich mit dem Ergebnis sehr zufrieden. Mit einem Wink rief sie nun Camryn zu sich, um sich das Badetuch umlegen zu lassen und ihr, noch einige Wünsche mit zu teilen, die ihr spontan in den Sinn kamen.


    "Findest du, dass ich zu abgemagert aussehe? ... ich habe ohnehin viel zu wenig Garderobe mit auf meine Reise mitnehmen können, als dass ich mir erlauben könnte in meinen Kleidern unmöglich aus zu sehen. ... Sind die Märkte hier in Mogontiacum wirklich so erlesen, wie mein Onkel behauptet hat? ... Er hat mir nämlich vorgeschlagen, dass ich einen Einkaufsbummel unternehmen soll. Vielleicht sollte ich das auch tun, um mich ein wenig von meinen trüben Gedanken ab zu lenken ... Camryn ich will, dass du mich dann begleitest und mir mit deinem Rat zur Seite stehst! ... Aber für heute hast du schon genug für mich getan. Es reicht, wenn du mir noch ein pflegendes Öl für meine Haut aufträgst und mich dann in mein cubiculum begleitest. Dann darfst du dich zurückziehen. Das Auskleiden kann auch eine andere Sklavin übernehmen."


    Für den Augenblick war ihre Trauer wieder in den Hintergrund gerückt, und das Angebot ihres Onkels, bei einem Enkaufsbummel etwas geld aus zu geben wollte sich Prisca in keinem Fall entgegen lassen. Vielleicht hätten auch Helena und Deandra Lust sie zu begleiten, aber da sie sich ohnehin noch bei den Beiden persönlich vorstellen wollte, könnte sie auch selbst fragen . Und vor allem was Deandra betraf, wollte Prisca sicher gehen, dass nicht Camryn die Überbringerin irgendeiner Nachricht wäre.



    /edits Tippfehler *seufz*

    Der Hustenanfall war ebenso schnell vorüber wie er kam und während sich Prisca noch ein paar mal räuspern musste, wurde ihr bewusst wer dort vor der Tür wartete. "Ausgerechnet Deandra!" Prisca ruckte hoch und setzte sich augenblicklich auf dem Bett auf. Bei Deandra wollte sie doch von Anfang an einen besonders guten Eindruck hinterlassen. "Und jetzt?" Nach diesem ungewollten und unvermeidbaren Anfall musste Deandra doch glauben, hier drin im Zimmer sei eine Kranke oder gar eine Aussätzige, so wie Prisca´s Mutter ... . Prisca begann sich schon wieder die unmöglichsten Gedanken aus zu malen. Dabei wollte Prisca sich bei dem ersten Treffen doch nur so natürlich und freundlich geben um nicht, durch Camryn´s Gerüchte, voreingenommen zu wirken. Und sie wollte eben auch gut auf das Gespräch vorbereitet sein und nicht, wie jetzt, mit verheulten Augen da sitzen.


    Das war wohl nun alles nicht mehr möglich, denn ein Blick auf das verweinte Laken bestätigte, dass sie schrecklich aussehen musste. Verzweifelt fuhr sich Prisca mit der Hand über das Gesicht. Würden diese Wechselbäder der Gefühle auch irgendwann einmal wieder aufhören? Im Moment sah es nicht danach aus, doch zuerst musste sie eine Lösung finden. Schon setzte sie zum sprechen an und wollte eben„Danke, das ist nett, aber bitte komm morgen wieder!“ rufen, als sie die eingeatmete Luft mit einem Seufzer wieder entweichen lies. "Wie klang das denn nur? ...Nein ..." Prisca schüttelte den Kopf über sich selbst. dann würde Deandra ganz sicher annehmen hier im Zimmer befinde sich eine Kranke, vielleicht soger eine Aussätzige, mit einer ansteckenden Krankheit die noch dazu unhöflich ist.


    "Nein das geht auf keinen Fall!" Schnell begann Prisca die von den Tränen durchnässte Stelle auf dem Bett mit einem Kissen abzudecken. Hell ist es ohnehin nicht im Zimmer. Meine verweinten Augen schiebe ich eben auf den Hustenanfall und den ... hmm ... den hatte ich, weil ich mich an einer Traube verschluckt habe! ...genau ich habe im Bett noch etwas gegessen und mich dabei verschluckt, ja so müsste es gehen. Legte sich Prisca in Windeseile einen Plan zurecht, da sie gerade den noch unberührten Obstkorb auf dem Tisch entdeckt hatte. Schnell lief sie hin, riss ein paar von den Trauben ab und aß sie hastig auf, damit es auch wirklich echt aussah. Gut nur, dass sie sich jetzt nicht noch verschluckte!


    "Wie viel Zeit ist vergangen?" Nicht viel, hoffte Prisca, da sie auf die Frage von Deandra noch immer nicht beantwortet hatte. Ein letztes Mal atmete sie tief durch. Sie wollte wirklich nicht unhöflich sein, auch nicht voreingenommen und sich auch über niemanden, den sie noch gar nicht kannte, bereits eine Meinung bilden. Nein das wollte sie nicht und es würde ihr auch nicht schwer fallen. Die Stimme eben, hatte sanft fast schon tröstlich geklungen. "Vielleicht will ich auch nur nicht allein sein ...jetzt ...in dieser schrecklichen Einsamkeit der Nacht, meiner Trauer und der Tatsache, das ich niemanden mehr habe mit dem ich wirklich offen reden kann... " kam es Prisca dann noch unvermutet in den Sinn, während sie schon auf den Weg zur Türe befand. Ein kurzes verunsichertes Blinzeln, dann öffnete Prisca etwa ein bis zwei Minuten, nachdem Deandra gefragt hatte, die Türe.


    "... warte bitte! ... es tut mir leid ... ich hatte eben nur einen ... Hustenanfall ... Das ist nett, dass du mich begrüßen willst Deandra. ... eine Traube ... ich hab mich nur verschluckt ... ich wollte dich nicht warten lassen ... bitte komm doch herein ..."


    Für eine geordnete Antwort blieb allerdings keine Zeit mehr und somit fiel sie wohl etwas durcheinander aus. Ihre Stimme klang noch etwas belegt und Prisca lächelte entschuldigend, während sie die Sache mit dem Hustenanfall zu begründen versuchte. Sie blickte zum ersten Mal in die Augen der Person, von der sie in der kurzen Zeit ihrer Anwesenheit schon so einiges gehört hatte. Doch es wollte so gar nicht zu dem Gesagten passen oder gar dem, was sie sich unter einer 'argwöhnisch agierenden Glucke', wie es Camryn so schön umschrieben hatte, vorgestellte. Eine gut aussehende und sympathisch wirkende Frau, mit einer angenehmen und besorgt klingenden Stimme das war der esrte Eindruck, den Prisca in diesem Moment von Deandra gewann.

    Prisca merkte sehr schnell, dass Camryn nicht nur wegen ihrer Massagekünste etwas ganz besonderes zu sein schien. Auch mit ihrer Herkunft und mit dem was und wie sie es sagte, zeigte sie dass sie keine einfache Sklavin war, die lediglich eine Funktion erfüllte. Massieren konnte sie jedenfalls hervorragend und Prisca ahnte bei ihrer Antwort, wo sie es gelernt haben musste. „So Eine ist sie also. Sieh an! Fast klingt es so als hätte mein Onkel auch ... mit ihr ... nein?! ... er hat doch nicht etwa? ... mit ihr? ... nein! ... obwohl? ... Eigentlich kenne ich meinen Onkel ja gar nicht ... vielleicht also doch? ... nein!“ Camryns Worte brachten Prisca tatsächlich dazu, ihre Gedanken ergebnislos um das eine Thema kreisen zu lassen, auch wenn sie selbst nicht mit reden konnte. Den Männern schöne Augen machen, ja das tat sie oft und gern wenn sie wollte, aber wie es sich für eine anständige Patrizierin aus gutem Haus gehörte, war sie stets keusch geblieben. Aber es sich vorstellen, darüber nachdenken oder gar tuscheln, das war ja erlaubt. Und je mehr sie darüber nachdachte, umso mehr bestätigte es aber auch ihre ablehnende Haltung der Heirat gegenüber, denn was gab es, was eine Sklavin einem Mann bieten konnte, was sie nicht auch von einer freien Frau bekommen konnte.


    "Ich Auch? ... äh ..hm ... ja ich war auch zu Studienzwecken dort, ein wenig Philosophie, griechische Geschichte, Astronomie ... meine Mutter wollte es so. Doch der eigentliche Grund warum sie mich nach Athen geschickt hat wohl der, dass ich ihr nicht beim sterben zu sehen sollte."


    Die direkt daran anschließende Frage und vor allem das Wort Studienzweck brachten Prsica doch merklich durcheinander. Denn irgendwie überschnitten sich ihre Gedanken über das Eine und der Zweck ihrer Reise nach Athen, mit dem was Camryn ursprünglich dorthin führte. Prisca zählte daher schnell eine Reihe der Themen auf, an denen sie sich zumindest zeitweise versucht hatte, wenn auch mit mehr oder weniger ausdauerndem Erfolg. Bei der etwas verbittert klingenden Bemerkung am Schluss, war sie sich zumindest über den Grund der ganzen Strapazen, die hinter ihr lagen, wieder im klaren. Damit lies sie es auch auf sich beruhen und widmete sich lieber wieder dem angenehmen Gefühl der Massage. Auf die von Camry aufgezählten Freizeitmöglichkeiten hier ging sie nicht weiter ein, sondern nahm sie einfach zur Kenntnis.


    Gut! es ging ja nun um den Klatsch, den Camryn nach einigem Zögern endlich verlauten ließ. Da waren die Gedanken an andere Freizeitbeschäftigungen ohnehin schnell vergessen. Denn das was sie zu hören bekam war erstens: Schlichtweg ... eine Frechheit! Auch wenn das Gesagte der Wahrheit entsprechen sollte, konnte sich Camryn doch nicht allen Ernstes erdreisten, so über ihre Herrin zu sprechen! Was ging es die Sklavin an, was die Herrschaft tat oder nicht. Was konnte sie daran ändern und was erwartete sie? Darüber urteilen zu wollen stand ihr einfach nicht zu! Das war eben Prisca´s Überzeugung. Auch wenn sie selbst keine Sklaven zu Unrecht schlecht behandelte, so war es eben ihre anerzogene Einstellung und Verhaltensweise dem Sklavenvolk gegenüber, die vor allem durch den Vertrauensbruch ihrer Leibsklavin Leonita nur noch verfestigt hatte. Und hier hatte sie den Beweis, wie undankbar die Sklaven doch alle waren und wie schlecht sie hinter dem Rücken über ihre Herrschaft redeten! ... aber zweitens: waren es eben doch interessante Informationen und sollten sich diese irgendwann ihr gegenüber bewahrheiten, wäre Prisca zumindest darauf vorbereitet. Also würde sie die Sklavin mit Sicherheit nicht dafür zurecht weisen. Die angenehme Massage war anscheinend zu Ende und Prisca betrachtete noch eine Weile das Mosaik mit den Delfinen, bis sie sich ihre Antworten und ihre Schauspieltaktik zurecht gelegt hatte.


    "So ist Deandra wirklich? Aber das muss doch auch meinem Onkel irgendwann auf fallen, wenn sie euch so schlecht behandelt. Tut er denn gar nichts dagegen? ... oder was ist mit Helena? Zumindest sie muss es doch spüren ... was sagt sie denn dazu? .... und Du ... Du gibst dir doch wirklich sehr viel Mühe bei dem was du tust, das habe ich eben bemerkt. Die Massage hat mir nämlich sehr gut getan und ich fühle mich auch schon viel besser!"


    Sie bemerkte den verzagten Gesichtsausdruck und das unruhige Verhalten der Sklavin und Prisca hob ihre Augenbrauen und blickte Camryn nun ungläubig, aber auch voller Anteilnahme an. Sie sprach leise und langsam und versuchte am Ende sogar ein wenig zu lächeln, so als müsse sie das Gesagte erst richtig zuordnen ... eine Lösung dafür finden ... oder zumindest Trost spenden, wenn es denn eine unumstößliche Tatsache wäre. Doch insgeheim kannte sie diese Eigenarten und Gemütsschwankungen von sich und ihren ehemaligen Freundinnen aus Ostia nur zur Genüge ... na und? Trotzdem mochte und respektierte man sich ... irgendwie jedenfalls. Dass Deandra anscheinend nur versuchte, die Zügel im Hause in der Hand zu halten, war für Prisca nur allzu verständlich und nachvollziehbar. Obwohl sie ihre Verwandte noch gar nicht persönlich kennen lernen durfte, imponierte es Prisca sogar, wenn Deandra wirklich so sein sollte wie Camrym sie glauben machen wollte.. Wie dem auch sei, Deandra schien eine starke Frau zu sein und nichts anderes wollte Prisca selbst immer sein. Und wenn sie selbst der Unmut von Deanra zu Unrecht treffen sollte, würde Prisca sich schon zu wehren wissen. Aber welchen Anlass sollte sie selbst dazu geben? Prisca nahm es zur Kenntnis, aber herausfinden wollte sie es selbst, ohne sich blind auf die Aussagen einer Sklavin zu verlassen.


    "Aber wenn das wirklich alles stimmt, was kann ich dann tun?... ich bin doch gerade erst angekommen ... und mein Onkel? ... Der ist von jetzt an mein tutor, das heißt ich werde wohl hier bleiben ... Also wird Deandra mir den Umgang mit ihm ebenso neiden, wie sie es bei Helena tut! Aber ich habe ihr doch gar nichts getan, oder?... nein ... ich ... ich glaube, das Beste wird sein ... wenn ich mich nun zu Bett begebe ... das ist momentan einfach alles zuviel für mich ..."


    Priscas Verhalten wechselte sich schlagartig, als sie Camryns ernste Miene sah. Da Camryn am Beckenrand saß musste Prisca, gezwungener Maßen, vom Wasser aus zu ihr aufschauen und das unterstrich nur noch den verzweifelten und hilfesuchenden Blick, den sie der Sklavin jetzt zuwarf. Prisca wirkte ganz so, als würde ihr schlagartig bewusst was das von nun an für sie selbst zu bedeuten hatte. Noch einmal versuchte sie alles mit zitternderr Stimme in begreifbare Worte zu fassen ... um letztendlich bei der Feststellung der Tatsachen - zum Schein - zu kapitulieren: Niemand würde ihr, der armen kleinen Nichte, dabei helfen können! Niemand ... oder?

    Ob sie nun schon eine Ewigkeit so da gelegen hatte oder erst ein paar Minuten, das wusste Prisca nicht mehr. Auch nicht, ob sie nun wach war oder träumte. Sie vernahm ein leises Klopfen, oder besser gesagt sie glaubte ein Klopfen an der Tür vernommen zu haben. Sie musste träumen! Denn sie glaubte sich wieder zu Hause in Ostia zu befinden, in ihrem Zimmer. Sie war traurig und weinte und das Klopfen an der Türe konnte nur eines bedeuten. Jemand den sie sehr liebte würde kommen um sie zu trösten! Dankbar und voller Erwartung hob Prisca den Kopf und blickte zur Tür ...


    ... und die Illusion verschwand ebenso schnell, wie sie gekommen war. Ihr altes Zuhause, die ehemaligen Freundinnen, sogar die Mutter, alles was sie bisher geliebt und geschätzt hatte löste sich wieder in Luft auf. Zurück blieben nur die Tränen und die Gewissheit alleine hier Germanien zu sein. Prisca fand sich in dieser fremden Welt wieder, bei Menschen die sie noch nicht kannte und einschätzen konnte. Sie war allein in dem Zimmer und sie fühlte sich verlassen. Aber war sie das wirklich? Hier war doch schließlich auch ihre Familie. So sehr sich Prisca auch bemühte stets berechnend zu bleiben und nach außen hin stark zu wirken, so sehr wünschte sie sich auch, sich geborgen fühlen zu dürfen. Die Mauern mit denen sie ihre wahren Gefühle umgab, waren bei weitem nicht so dick und undurchdringbar wie manche vielleicht glaubten. Sie hatte eben gelernt sich viele Eigenschaften und Angewohnheiten, ob nun gut oder schlecht, von Anderen abzuschauen und für sich zu ihrem Vorteil zu nutzen. Und der einzige Fehler den ihre Mutter begangen hatte war der, sie dabei zu wenig an zu leiten und zu erziehen.


    Hatte sie sich das Klopfen nun eingebildet oder nicht? Aber wer konnte um diese Zeit noch vor der Türe stehen. Die Sklavin von vorhin ... Arsine, Arsane oder wie auch immer sie hieß, weil sie etwas vergessen hatte? ... Camryn? um ihr eine weitere Neuigkeit zu melden, so wie vorhin im Bad? ... am Ende gar ihr Onkel, der sich noch einmal nach dem Befinden seiner Nichte erkundigen wollte? Mit Helena oder gar Deandra rechnte sie in diesem Moment jedenfalls nicht und von den anderen wollte sie jetzt auch keinen mehr sehen. Schließlich lag sie hier mit völlig verweinten Augen, allein mit ihrer Trauer und Neuigkeiten hatte sie für heute auch mehr als genug erfahren.


    "I ... ch ... äähmm.. ich ..ähäm .brau e ... ni ch .. ts krr" (ich brauche nichts) wollte sie eigentlich rufen um den Besucher, wer auch immer es war, ab zu weisen. Zu hören war jedoch nur ein undefinierbares Krächzen und Keuchen. Die Tränen hatten sich überall in ihrer Nase, Mund und Rachen gesammelt und bei dem Versuch sich zu räuspern verschluckte sie sich so sehr, dass ein heftiger Hustenanfall folgte. Draußen vor der Türe mochte sich das wohl viel schlimmer anhören, wie es tatsächlich war, aber das konnte Prisca nicht mehr verhindern.

    Die erste Nacht


    „bonam noctem, domina!“ verabschiedete sich Arsinoe und ihr letzter Blick an der Türe fiel abwartend und mit ein bisschen Sorge auf die Herrin. Prisca stand noch immer an der selben Stelle, an der sie sich stumm und wie geistesabwesend entkleiden und in das Nachtgewand hatte helfen lassen. Einen Moment wartete die Sklavin, ob noch ein Wunsch oder eine Anweisung folgen würde, dann verließ sie das cubiculum und zog die Tür leise hinter sich zu. Prisca unterdessen hatte die Gegenwart der Sklavin gar nicht mehr wahr genommen. Ihr Kopf war leer und sie mochte auch an nichts mehr denken. Der Tod ihrer Mutter war tief in ihrem Inneren gegenwärtig doch die Trauer darüber war auf seltsame Art und Weise ebenso tief vergraben. Vielleicht war es die Tatsache, dass sie ihre Mutter bereits seit über einem Jahr nicht mehr gesehen hatte, was den Tod und die Gefühle der Trauer in ihr nun so fremd und so weit entfernt erschienen ließen. Vielleicht war es aber auch nur die Angst, sich an die vielen schönen Dinge und Erlebnisse aus ihrer Vergangenheit zu erinnern, die sie bisher nie so recht zu schätzen wusste.


    Prisca selbst konnte sich darauf keine Antworten geben. Sie fühlte sich allein gelassen und überfordert mit den Dingen, denen sie sich wohl künftig selbst zu stellen hatte. Wie einfach war das Leben doch bisher immer gewesen, da ihr die Mutter stets alle Sorgen und Probleme abgenommen hatte. Sollte sich das wirklich mit einem Mal ändern? Prisca ging ein paar Schritte zum Fenster und zog die die Decke, welche die Sklavin ihr vorsorglich um die Schultern gelegte hatte, augenblicklich etwas vor ihrer Brust zusammen. Der kühle Nachtwind blies ihr entgegen und von draußen drangen die Stimmen der Nacht an ihr Ohr. Stumm blickte eine Weile auf die Dunkelheit dieser fremdartigen Welt und sah dann empor zum mondlosen Himmel, an dem die Sterne klar und hell herab funkelten. Prisca mochte den Anblick der Sterne, denn sie erinnerten immer an Edelsteine, besonders wertvoll und begehrenswert weil sie eben unerreichbar waren.


    Heute Nacht war es jedoch nicht der verführerische Glanz der Sterne, der sie unablässig zu ihnen hinauf schauen ließ. Sie dachte an ihre verstorbene Mutter und auch an den Vater, den sie nie kennen lernen durfte. Seltsam das sie gerade jetzt daran denken musste, aber plötzlich fiel ihr wieder Etwas aus ihrer Kindheit ein. Als sie noch ein kleines Mädchen war, hatte sie sich immer sehr vor dem Gott Pluto und den Geschichten über sein Totenreich gefürchtet. Und manchmal plagte sie die schreckliche Vorstellung, dass ihr Vater vielleicht nicht ins Elysium, sondern in eben diese Unterwelt gegangen sein könnte. Warum sie das tat wusste sie selbst nicht, aber sie weinte dann immer lange und bitterlich. Also erfand ihre Mutter eine einfache Geschichte und mit dieser gelang es ihr meistens, die kleine Tochter zu trösten wenn sie dabei gemeinsam zum Himmel auf sahen so wie jetzt:


    Siehst du die vielen Sterne dort am Himmel leuchten Prisca? Immer wenn ein Mensch, den wir sehr lieben, von uns geht wandert ein Teil von ihm dort hinauf und er nimmt einen Platz zwischen ihnen ein. Und immer wenn sie sehen, das wir besonders traurig sind, dann nehmen sie einen von den Sternen und werfen ihn auf die Erde zurück damit wir wissen, dass es ihnen, dort wo sie sind, gut geht.


    Damals hatte sie diese Geschichte geglaubt und es half die Tränen zu trocknen. Nun suchte sie gebannt, wie damals als kleines Kind, den Himmel nach einem dieser fallenden Sterne ab. Doch heute Nacht wollte sich kein Einziger am Himmel zeigen. Nach einer Weile, die sie so da gestanden und die Tränen unbemerkt den Stoff der Decke und ihres Nachtgewandes durchdrungen hatten, gab sie die Suche schließlich auf. Prisca presste enttäuscht die Lippen zusammen und ging zu ihrem Bett. Dort angekommen warf sich einfach darauf und weinte sich, so wie sie lag, in den Schlaf.

    Die Zweifel darüber, dass sie sich jemals von den Anstrengungen der langen Reise erholen könnte, verflüchtigten sich allmählich. Camryns geschickte Hände waren angenehm warm und sanft und ihre Massage empfand Prisca insgesamt als sehr angenehm. Nur in dem Moment, als Camryn diese Muskelverspannung zu lösen begann hätte sie die Sklavin beinahe angefaucht, gefälligst etwas vorsichtiger zu sein. Doch die Erleichterung stellte sich fast augenblicklich ein und so entwich die merklich eingesogene Luft, in Form eines wohligen Seufzers, wieder aus Prisca´s Mund. Weiter sagte sie zunächst nichts und verfolgte nur aufmerksam die Bewegungen der Finger auf ihrer Haut und das, was die Sklavin ihr von der Anreise ihres Onkels erzählte. Nur wenig tröstend war dabei die Erkenntnis, dass es den anderen damals auf ihrer Reise genauso schlecht ergangen sein muss wie ihr selbst. Na ja, zumindest ein Achsbruch und andere größere Pannen waren ihr erspart geblieben, so dass die ohnehin lange Reisedauer wenigstens nicht zusätzlich in die Länge gezogen wurde.


    "Ich wohne normalerweise in Ostia, aber meine Reise hierher begann in Athen ... dort hat dich also mein Onkel damals gekauft. Interessant, wie eine Keltin wie du wohl dorthin gelangt sein mag. Aber wenn du nun schon seit sieben Jahren in seinen Diensten stehst, muss er wirklich von deinen Fähigkeiten überzeugt sein."


    Bemerkte Prisca auf die Antworten der Sklavin hin und war gedanklich wieder in ihrer eigenen Vergangenheit und dem angenehmen Teil ihrer Reise nach Athen angelangt. Eine Keltin war sie also ... zuerst ein wenig erstaunt wie gebildet die Kelten doch sein konnten, denn für Prisca waren es allesamt nordische Barbaren, bezog sie es eben dann auf die Erziehungsmaßnahmen ihres Onkels, dass Camryn nach sieben Jahren Dienst so viele angenehme und nützliche Eigenschaften besaß. Dann wurde ihr bewusst, dass sie selbst wohl nicht mehr nach Ostia zurückkehren, sondern mit allen anderen zusammen nach Rom ziehen würde sobald die Dienstzeit ihres Onkels hier beendet wäre. Aber ehe sie noch über ihre eigene Zukunft in Rom und der noch bevorstehenden Heimreise weiter nachdenken konnte, wurde sie durch die sanfte Massage ihrer Kopfhaut und den Worten Camryn´s über den Tagesablauf der Familie wieder abgelenkt.


    "Hmm ... ist es doch abwechslungsreich hier ... und das geht schon seit anderthalb Jahren so? ... unglaublich wie man es hier solange aushalten kann."


    Verwundert hatte es Prisca nicht, dass das Leben hier etwas anders verlief wie in Rom. Viel Abwechslung schien es zumindest nicht zu bieten. Aber sie bewunderte die anderen Familienmitglieder dafür, dass sie es hier wirklich schon so lange ausgehalten hatten. Wobei sie insgesamt jedoch erleichtert war, dass sie selbst nur noch auf eine bereits absehbare Zeit hin in dieses exilium verbannt sein würde. Wie dem auch sei, jetzt begann es endlich interessant zu werden und Prisca spitzte sprichwörtlich die Ohren. Ein schweres Los ? ....etwas Schlechtes ? ... und genau jetzt machte die Sklavin erschrocken eine Pause. Prisca verzog leicht das Gesicht. Auch solch ein Verhalten kannte sie von sich nur allzu gut. Aber machte Camryn das nun bewusst oder unbewusst ? Vielleicht war es ja, nach anderthalb Jahren in Germanien, so üblich und die einzige Freude die man hatte, auf diese Weise Neuigkeiten etwas interessanter zu „verpacken“. Prisca hatte die Augen nun wieder geöffnet und betrachtete aufmerksam das bunte Mosaik mit den springenden Delfinen, das sie an der gegenüberliegenden Wand entdeckt hatte, während sie über die entstandene „Zwangspause“ nachdachte. Ihre Neugierde war selbstverständlich geweckt und eine Information war eben eine immer willkommene Bereicherung des eigenen Wissens.


    "Ich verzeih dir natürlich wenn du es nicht sagen willst und versteh dich sehr gut! Sicher willst du nichts Schlechtes verraten, was dir am Ende selbst schlecht bekommen könnte. Aber das muss es ja nicht! ... oder?"


    Sie sprach ganz ruhig und ungezwungen nur die Worte und der Tonfall sollte mehrere Dinge verraten. Zum einen vielleicht ein eher gespieltes Verständnis, dann eine leichte Drohung, das man sie besser nicht für dumm verkaufen sollte und letztendlich der deutliche Hinweis, dass sie für vertraulichen Klatsch immer empfänglich war. Als sich bei dem Wort „oder“ ihre Stimme deutlich hob war es jedenfalls die Aufforderung an Camryn, endlich mit den Neuigkeiten heraus zu rücken.

    Einen kurzen Moment nur hob Prisca eine Augenbraue während sie auf das Entkleiden wartete, denn irgendetwas an der Beileidsbekundung der Sklavin irritierte sie. Auch wenn sie ehrlich geklungen hatte und vielleicht auch wirklich so gemeint war, die Art und Weise wie sie vorgetragen wurde erinnerte sie doch sehr stark an ihre eigenen gespielten Emotionen. Zumindest konnte sie sich so verhalten, wenn sie ihren Kopf durchsetzen wollte. Und das eben sah Prisca zum verwechseln ähnlich. Aber was sollte ein Sklave schon erreichen wollen, außer seiner Herrschaft zu gefallen um nicht bestraft zu werden. Prisca dachte nicht weiter darüber nach musste aber zugeben, dass sich diese Sklavin bei der Vorbereitung des Bades sehr geschickt anstellte und sich bisher absolut tadellos benahm. Genau so war sie es von ihrer eigenen Leibsklavin Leonita her gewohnt gewesen. Ja, Leonita hatte sich lange Zeit als sehr nützlich erwiesen und das nicht nur bei den alltäglichen Diensten. Oft konnte Prisca so, z.B. auf Treffen, Feiern und Empfängen, interessante Gespräche verfolgen, die in ihrer Gegenwart vielleicht verstummt wären. Denn bei einer einfachen Sklavin achtete man(n) meist weniger auf das Gesprochene, wie wenn eine Patrizierin zugegen gewesen wäre. Und nichts interessierte Prisca mehr zu erfahren, was man(n) vielleicht gerade über sie sprach, oder welcher von den anwesenden Männern reich und damit – zumindest theoretisch – als Heiratskandidat in Frage gekommen wäre. Oder einfach nur der übliche Klatsch zur Befriedigung der eigenen Neugier, der sich wunderbar mit den Freundinnen teilen ließ. Selbstverständlich hätte Prisca in ihrer Sklavin niemals so etwas wie eine Freundin gesehen, doch für gute Dienste hatte Leonita zumindest bestimmte Freiheiten und eine besondere Behandlung genossen. Diese konnten ihr natürlich jederzeit wieder genommen werden und so ist es letztendlich dann auch gekommen.


    Prisca seufzte und verwarf jeden weiteren Gedanken an ihre ehemalige Leibsklavin während sie nun endlich aus ihrer Kleidung „befreit“ wurde. Es war in der Tat ein befreiendes Gefühl und Dank der angenehm warmen Temperatur und der duftenden Badezusätze fühlte Prisca sich sofort etwas besser. Sie atmete tief durch während noch das Haar zurecht gemacht wurde und hörte nun doch mit einigem Interesse den Ausführungen der Sklavin zu. Wie es schien hatte ihr Onkel einen guten Geschmack, was die Auswahlkriterien seiner Bediensteten betraf und er legte anscheinend Wert auf vielseitige Einsatzmöglichkeiten. "Vielleicht sollte ich ihn fragen, ob er mir bei der Suche nach einer neuen Sklavin behilflich ist. Doch hier in Germanien werden wir wohl kaum etwas Geeignetes für mich finden." Dachte sich Prisca nur und erwiderte erst einmal nichts auf das Gesagte hin. Vielmehr drängte es sie nun, endlich in das verlockende Wasser ein zu tauchen.


    "Aah, was für herrliches Gefühl ! Jetzt geht es mir schon ein wenig besser nach all den Strapazen, die hinter mir liegen."


    Seufzte Prisca zufrieden zu sich selbst gesprochen und ließ sich einen Moment lang im Wasser treiben. Sie schloss die Augen und machte ein paar Schwimmbewegungen, um das Wasser ihren Körper umspielen zu lassen. Ihre Stimmung hob sich langsam wieder und sogar die Trauer trat ein wenig in den Hintergrund. Auch wenn sie noch keine konkreten Pläne hatte, galt es doch die Trauer bald zu überwinden und sich dem neuen Leben zu stellen. Selbstverständlich hegte Prisca dabei keinerlei Pläne oder Vorurteile gegen ihre Verwandten. Schließlich kannte sie diese noch gar nicht und kam ja ohne ihr eigenes Zutun hierher. Im Gegenteil, Prisca war sogar froh den Schutz der Familie, durch den Tod ihrer Mutter, nicht verloren zu haben. Es ging eben lediglich darum, sich erst einmal besser kennen zu lernen und sich miteinander zu arrangieren. Lediglich was ihren Onkel betraf, sahen die Pläne etwas anders aus. Wobei Prisca nichts Schlimmes daran fand ! Sie wollte ja lediglich herausfinden, wie sie es anstellen musste, dass er ihr, auch wenn er ihr tutor war, die selben Freiheiten ließ, wie es von ihrer Mutter her kannte.


    Für all das musste sie allerdings erst einmal Informationen sammeln und beobachten. Camryn wäre also eine mögliche Informationsquelle, auch wenn es Prisca völlig egal war, was und wie diese Sklavin über sie denken mochte. Natürlich behandelte sie jede Information zuerst mit Vorsicht, denn blind vertraute sie grundsätzlich Niemandem. Aber Informationen zu haben war eben immer ein Vorteil und je häufiger sie sich irgendwann bewahrheiteten und somit nutzen ließen, umso vertrauenswürdiger wurde damit auch die Quelle. Tja, so dachte und war Prisca eben und darüber wunderte sie sich manchmal sogar selbst. Von ihrer Mutter hatte sie das jedenfalls nicht gelernt, eher schon von ihren damaligen Freundinnen in deren Gesellschaft es eben üblich war, sich auf diese Weise zu behaupten. Zeit also dieser Sklavin ein wenig Zucker zu geben, dachte sich Prisca und ihr Tonfall wurde nun weich und passte sich ihrer entspannten Stimmung an. Sie ließ sich auf einer der Sitzbänke nieder und lehnte ihren Kopf auf ein, am Beckenrand, bereitliegendes Kissen.


    "Camryn ist also dein Name ? Gut Camryn ! ... dann beginne bitte mit der Massage meines Nackens und des Kopfes. ... Wie mir scheint hat dir mein Onkel sehr viele und verantwortungsvolle Aufgaben übertragen und er möchte wohl, dass du mich ebenso gut behandelst wie ihn. Nun, dann wird es ihn sicher freuen zu hören, dass du deine Aufgabe bisher sehr gewissenhaft ausführst ! ... Woher stammst du eigentlich und wie lange bist du schon hier in Diensten ? ... und ... ach ja .... da ich gerade erst angekommen bin wäre es gut, wenn du mich über die Gepflogenheiten und Sitten hier und in der Villa ein wenig aufklärst. "


    während sie sprach schloss sie wieder die Augen und erwartete die Massage. Der Name erschien ihr fremd und sicher hatte ihr Onkel sie nicht erst hier in Germanien gekauft. Prisca machte sich jedenfalls die Mühe nett zu wirken, wenngleich sie es eigentlich nicht für erforderlich hielt. Zumindest erwartete sie dadurch keine Änderung im Verhalten und bei der Verrichtung der Aufgaben und was die Informationen dieser Sklavin tatsächlich wert wären, das würde sie schon auf ihre Art und Weise herausfinden.

    Prisca´s Laune hob sich nur wenig, während sie gezwungener Maßen den Erklärungsversuchen der Sklavin zu hörte. Eine Entschuldigung würde sie wohl nicht wirklich erwarten und das ihre Stimmung so schlecht war, hatte ja auch seine Gründe. Obwohl, manchmal reichte für ein Stimmungstief auch schon ein abgebrochener Fingernagel. Doch jetzt ? Wie es schien, hatte ihr Onkel wirklich nichts von ihrer Ankunft und den Grund dafür erwähnt. Zumindest nicht gegenüber den Sklaven, wenngleich sie, als seine Leibsklavin, eigentlich den Sonderstatus hätte haben können, um darüber informiert gewesen zu sein. Für Prisca konnte eine Leibsklavin nämlich sehr wohl so etwas wie eine enge Vertraute sein, wenn diese sich dafür erst einmal als würdig erwiesen hatte. Für Prisca brachte das sogar viele Vorteile mit sich, angefangen mit einfachen Dingen wie: „nicht ständig nach den Gepflogenheiten und Grundbedürfnissen gefragt zu werden“ und eine solche Sklavin konnte sich auch schon mal als „circumspectatrix“ als nützlich erweisen, um an interessante, weil meist intime Informationen zu gelangen. Ihre damalige Leibsklavin Leonita, welche sie in Ostia zurück ließ, hatte dieses Vertrauen am Ende, kurz vor ihrer Abreise nach Athen, doch noch missbraucht, indem sie sich von einem anderen Sklaven hatte schwängern lassen. Und seitdem ? hatte sich einfach keine Gelegenheit mehr geboten, einen passenden Ersatz für sie zu finden. Am wenigstens machte sich Prisca nun die Hoffnung, hier in Germanien einen passablen Ersatz zu erstehen, daher musste sie wohl mit dem Vorlieb nehmen, was sich ihr an bot.


    Na ja, darüber weiter nachzudenken brachte im Moment ohnehin nicht viel, denn vielleicht dachten Männer bei der Auswahl ihrer Leibsklavinnen ohnehin an ganz andere Kriterien. Diese Sklavin jedoch schien sich wenigstens die Mühe zu geben, sich den Gewohnheiten und Vorlieben schnell anzupassen. Daher sollte sie auch eine Chance bekommen.


    "Hör zu ! ... Schön, das mein Onkel dir so vertraut, aber .... bevor du mich gleich auch noch fragst, ob meine Reise hierher angenehm war und wie es meinen Eltern geht..."


    Prisca machte eine kurze Pause und sah die Sklavin eindringlich an, um alle Missverständnisse vorweg zu nehmen.


    "Die Reise hierher war einfach nur schrecklich, denn sie wurde von meiner Mutter veranlasst und gerade eben habe ich erfahren müssen, das sie auch noch gestorben ist ... Wenn ich dir also vertrauen soll - so wie es mein Onkel offensichtlich tut - und du mir dabei nicht auf die Nerven gehst, dann ..."


    Wieder hielt Prisca inne und versuchte ruhig zu bleiben, indem sie ein paar mal durchatmete. Ihr Selbstbewusstsein war groß genug, um zu wissen wie sie aussah und damit auf Männer wirken konnte ... wenn sie denn wollte. Doch im Moment sah sie in ihrer verwaschenen Schminke, dem beschmutzten Kleid und ihrer Verfassung einfach nur schrecklich aus.


    "... spar dir momentan deine Schmeicheleien über mein Aussehen, denn ich fühle mich gerade schrecklich ! Also ..."


    nun hob sie ein wenig die Arme und wartete ungeduldig.


    "... entkleide mich endlich ... hol irgendeinen Badezusatz der angenehm duftet, meinetwegen Lavendel wenn es hier so etwas gibt und dann, wenn ich endlich das Bad genießen kann ... dann sagst du mir noch einmal, wie du überhaupt heißt und was du alles kannst."

    "Ich bin wirklich nicht in bester Verfassung, was habe ich nur gesagt, das mein Onkel gerade jetzt das Thema 'Heirat' wieder aufgreifen muss ?!" fragte sich Prisca insgeheim immer wieder und fasste sie sich im Geiste an die Stirn, als ihr einfiel worauf er es bezogen haben musste. "Na sicher ! ich hatte ja gesagt, es soll „alles“ so geschehen wie er will. Und jetzt will er „meine Meinung erforschen“ und mir am Ende sogar noch einen Mann aussuchen, oder mich gar zu den Vestalinnen schicken. Meine Meinung ? die kann ich dir sagen ...NEIN, NEIN und nochmals NEIN !" versuchte Prisca ihren Ausrutscher gedanklich zu verarbeiten und vielleicht wirkte sie etwas angespannt, während sie ihrem Onkel mit einem gezwungenen Lächeln eher zögerlich zu nickte. Glücklicherweis brachte ihr Onkel dann den Faktor Zeit zu ihren Gunsten ins Spiel. "Gratias ago ! lieber Onkel und ich dachte schon ich sehe so aus, als hätte ich einen Ehemann so dringend nötig, aber wenn du selbst meinst, das ich noch Zeit hätte..." Prisca´s Lächeln wirkte nun wieder etwas entspannter, ohne das sie auch nur ein einziges gesprochenes Wort dazu verloren hätte. tempus ipsum affert consilium; so hoffte sie zumindest für sich, mit der Zeit auf dieses Thema auch einen Rat zu wissen. Doch vorerst schwieg sie besser dazu und griff lieber noch einmal das Angebot mit dem Einkauf auf, als ihr Onkel gerade erwähnte die Sklaven mit zu nehmen, sobald sie das Haus verlassen wolle.


    "Die Sklaven werde ich am Besten gleich mitnehmen, wenn ich in die Stadt zum Einkauf gehe ! Wenn es dort wirklich so exquisite Mode und Schmuck gibt, wie Du sagst dann hoffe ich nur, dass die Händler auch genügend Waren auf Lager haben. Meine Reisegarderobe ist nämlich alles andere als üppig und angemessen ausgefallen und nach der langen Reise und all den schrecklichen Neuigkeiten brauche ich einfach etwas Zerstreuung. Und wenn mich Deandra und Helena begleiten wollen, werden wir sicher unseren Spaß haben."


    Entgegnete sie auf seinen gutgemeinten Rat hin, wobei die Sklaven weniger zum Schutz, als vielmehr zum tragen der Einkäufe Verwendung finden würden. Aber bei dem Gedanken an eine ihrer Lieblingsbeschäftigungen - dem Einkaufen - hob sich tatsächlich ihre Laune wieder merklich und ihre Augen bekamen einen ganz eigentümlichen Glanz. Fast konnte sie es nun nicht mehr erwarten endlich Deandra und Helena zu begegnen. Die Beiden würden von einem Einkaufsbummel sicher genauso begeistert sein wie sie selbst, davon war Prisca überzeugt. Weniger überzeugt, noch weniger erfreut im Gegenteil sogar etwas entsetzt war sie allerdings über den Vorschlag im Garten mit zu helfen.


    "Aber Onkel ! ... für solche Arbeiten gibt es doch Sklaven ? ... Na ja ... aber wenn das hier in Germanien so eine römische Sitte sein sollte, dann will ich mich gerne daran beteiligen."


    Den Witz mit dem grünen Daumen verstand sie nicht ganz und blickte im ersten Moment etwas irritiert auf ihre Hand. Er konnte doch nicht ernsthaft annehmen, dass sie in der Erde wühlen und sich dabei schmutzig machen würde. Und dass Deandra und Helena daran Gefallen dar hätten, wollte sie auch nicht ernsthaft glauben ... aber gut ... wenn dem doch so wäre, wollte sie sich auch nicht von vorne herein ausschließen. Vielleicht war es ja mehr eine symbolische Tätigkeit der Römer hier, um fremdes barbarisches Land zu kultivieren. Zumindest könnte sie dabei helfen und den Sklaven Anweisungen geben, wo und wie sie zu graben hätten ... ja das würde gehen ! Immer noch darüber nachgrübelnd auf welche seltsamen Sitten die Römer hier vielleicht noch kämen, lies sie sich von ihrem Onkel in den Arm nehmen und in das Atrium führen. Dort rief er eine Sklavin herbei und gab ihr weitere Anweisungen. Zwar fiel Prisca auf, wie die Sklavin sie zu musterten schien und sich auch sonst etwas seltsam verhielt, schenkte dem Ganzen aber vorerst keine weitere Beachtung.


    "Gut dann nenne ich Dich Onkel, .... Marcus ! ... wie es mir gerade gefällt. Vale bene ...... Onk…. Marc.... Onkel Marcus, bis heute Abend !"


    Meinte sie schließlich ebenso lachend wie er, da ihn ihre Frage wohl sehr amüsiert hatte. Mit diesen Worten und seinem, als sehr angenehm empfundenen, Kuss auf die Stirn verabschiedete sie ihn letztendlich auch.


    Nun war sie also hier angekommen, ohne dies alles noch so recht begreifen zu können. Seufzend blickte sie noch eine zeitlang in die Richtung, in die ihr Onkel verschwunden war, bis die seltsam anmutenden Worte der Sklavin an ihr Ohr drangen. "Vorschlag ? ... fragt mich, ob ich erst angereist bin .sieht man das nicht ... was erlaubt sich dieses Ding eigentlich ... ?" Prisca´s Kopf ruckte herum und ungläubig musterte sie die Sklavin. Ein solches Verhalten war Prisca absolut nicht gewohnt. Sehr ... sehr seltsame Sitten schienen hier zu herrschen ! Aber so langsam wunderte sie sich über gar nichts mehr und tat sich nur selbst ein wenig leid, dass sie nun auch noch mit Sklaven sprechen musste. So antwortete sie denn gereizt, aber noch gefasst auf die Frage und folgte kopfschüttelnd der Sklavin ins balneum.


    "Ich weiß ja nicht, wo man dich die letzten Tage über eingesperrt hatte ... sonst wäre es dir vielleicht aufgefallen, dass ich bis vor kurzem noch nicht hier war. Und als die Nichte deines Herrn habe ich sicher nicht erst einige Tage bei den Barbaren gehaust, bevor ich diese Villa hier aufsuchte. Und was deinen Vorschlag mit dem balneum betrifft ...sofern es hier bei den Germanen nicht Sitte ist draußen im Freien zu baden, würde ich MEIN Bad gerne hier einnehmen." ...und deutete dabei genervt auf das Becken, das sich eben noch mit Wasser füllte.

    Als ihr Onkel aufstand war das wohl das Zeichen, dass ihn nun die Geschäfte riefen. Prisca erhob sich daher ebenfalls, ohne jedoch auf den herbeigeeilten Sklaven und der Meldung über das Bad zu achten. Ihre Miene verriet nichts von dem, was sie gerade dachte. Nur die fast unmerklichen Bewegungen ihrer Wangenknochen und der Schläfen mochten andeuten, dass sie das Gesagte gedanklich erst noch verarbeiten musste. Ihre anfänglichen Vermutungen, die sie zugegebenermaßen in überzogener Art und Weise ihrem Onkel an den Kopf geworfen hatte, schienen sich auf andere Art und Weise nun doch zu bewahrheiten. Ihre Mutter hatte also sogar post mortem einen Weg gefunden, die Erziehung ihrer Tochter nicht aus der Hand zu geben. Die Tatsache, dass nun der Onkel ihr tutor und Vormund sein sollte und sie damit über ihr Vermögen nicht verfügen konnte wie sie wollte, stimmte Prisca seltsamerweise gar nicht so wütend wie sie es eigentlich von sich selbst erwartet hätte.


    Vielleicht war es ihre momentan sehr angeschlagene Verfassung die es ihr nicht erlaubte, sich gegen die Entscheidung ihrer Mutter und ihres Onkels aufzulehnen. Die Reise und die Nachricht von ihrem Tod waren schließlich nicht spurlos an ihr vorüber gegangen. Oder lag es eher daran, dass der neue Onkel und die Begrüßung ganz anders ausgefallen war, als sie erwartet hatte ? Älter ! ja auf jeden Fall, vielleicht mit grauen Schläfen oder weißem Haar. Ein Bart noch dazu ? griesgrämig und alt ! ... ja so in etwa hatte sie sich ihn oder ihren tutor immer vorgestellt. Aber das genaue Gegenteil traf zu. Ihr Onkel musste ja damals bei dem Treffen , als sie zwei Jahre alt war und von dem ihr ihre Mutter einmal erzählt hatte, selbst noch ein Kind oder zumindest ein Jungendlicher gewesen sein. Das fiel ihr erst jetzt so recht auf, wie sie ihn erneut betrachtete. Zudem war er auch noch so verständnisvoll und lieb. Zumindest bisher und was den Umstand ihrer Reise betraf. Er wollte sogar die Männer für ihr Verhalten bestrafen. Das gab ihr innerlich die Genugtuung die sie wollte und das hatte sie ihm bereits mit einem zufriedenen Lächeln gedankt.


    Es konnte aber auch das unschöne Wort gewesen sein, das er fast beiläufig erwähnt hatte. Und die kurze Pause die er folgen lies, schürten nur noch mehr ihre Befürchtungen, dass er sich darüber, früher oder später, Gedanken machen würde. „HEIRAT“ ! Ich und heiraten ? warum sollte ich mich freiwillig an die Seite eines einzigen Mannes begeben ? Nur um dann als die brave Ehefrau zu Hause zu sitzen, während er sich vielleicht jahrelang im Krieg befindet, ganz in seiner Arbeit aufgeht und mich vernachlässigt ... und am Ende sogar die Frechheit besitzt, sich mit Sklavinnen vergnügen zu wollen ? Nein, diese Rolle wollte Prisca auf keinen Fall, denn sie war eben kein Kind von Traurigkeit und genoss die Aufmerksamkeit der Männer. Vor allem dann, wenn sie sich in materiellen Geschenken äußerte. Natürlich wusste sie sich immer zu benehmen und wie weit sie dabei gehen durfte, um nicht Schande über sich und die Familie zu bringen. Sonst würde sie ja nur in Ungnade fallen und somit alles verlieren. Was also eine Heirat betraf so würde ihr Onkel, wenn es nach ihr ginge, das Vermögen bis an ihr Lebensende verwalten müssen.


    Es war letztendlich die Summe dieser Gedanken und dem, was ihr Onkel gesagt und getan hatte, die Prisca dazu bewog, ihre Entscheidung zu treffen den Anfang für ihr „neues Leben“ so unvoreingenommen und offen wie möglich zu gestalten. Dementsprechend ehrlich war der Seufzer, und das Lächeln mit dem sie sich wenige Sekunden später, nachdem sie aufgestanden war, den Worten ihres Onkels fügte.
    "Ja Onkel, ich weiß jetzt, dass es dumm von mir war. Aber ich verspreche dir gern, nicht mehr davon zu laufen." ...somit wäre zumindest nicht allzu viel versprochen. "Jetzt habe ich ja auch keinen Grund mehr dazu. Im Gegenteil, ich freue mich auf deine, Deandras und Helenas Gesellschaft. Und was den Besitz meiner Mutter betrifft. Wenn sie es so wollte und Du es für richtig hältst, dann soll Alles so geschehen wie du sagst." ... zumindest solange es nicht ums heiraten geht. "Und ..."jetzt muss ich es doch wissen. "... was ich dich noch fragen wollte. Ist es dir überhaupt recht, wenn ich Onkel zu dir sage ? Ich meine, für mich bist und bleibst du es ... aber ich hatte eben fälschlicher Weise immer angenommen, dass mein Onkel wesentlich älter wäre."


    Mit dieser abschließenden Frage hob sie die Hand zum Zeichen für den Sklaven, dass sie nun bereit wäre ins Bad zu folgen, sobald ihr Onkel sich von ihr verabschiedet hätte.

    Hatten auch nicht viele Erziehungsversuche ihrer Mutter wirklich geholfen, so hatte Prisca zumindest gelernt sich wie eine Patrizierin zu verhalten und zu benehmen. Das gelang ihr auch meistens ... oft ... naja zumindest dann wenn es um den Ruf der Gens Aurelia ging (und wenn sie etwas für sich erreichen wollte). Heute war es jedoch vor allem die herzliche und fürsorgliche Art ihres Onkels, wie das Kompliment über ihr Aussehen, das sie daran erinnerte sich nicht allzu sehr gehen zu lassen. Eilig nahm sie ein Tuch zur Hand und beseitigte notdürftig die Spuren der Tränen und der verwaschenen Schminke. Zuerst konnte sie die Frage nach dem Reiseverlauf und dem unangenehmen Zwischenfall ja noch ignorieren, doch das Thema holte sie zumindest spätestens bei der Bemerkung ihres Onkels über die griechische Sklavin und dem übrigen Besitz in Ostia wieder ein. Das sollte nun alles ihr alleine gehören ? Es klang verlockend und doch wusste Prisca nicht so recht was sie nun damit anfangen sollte. Der Gedanke, alleine dorthin zurück zu kehren, mochte ihr so gar nicht behagen. Andererseits ließe sich vieles davon vielleicht zu Geld machen. Und dann ? Dann kann ich mich endlich amüsieren, soviel ich will und Niemand kann und wird mich belehren oder zurecht weisen können ... Niemand ! dachte sie und das Wort Niemand rief sogleich schmerzlich wieder den Tod ihrer Mutter ins Gedächtnis. Prisca spürte einen kurzen Stich in ihrem Herzen und als sie ihren Onkel wieder anblickte wurde ihr manches von dem bewusst, was ihre Mutter ihr so oft und vergeblich versucht hatte näher zu bringen.


    "Wusstest Du, dass meine Mutter sich viel mit unserer Familie und unseren Ahnen beschäftigt, hat ? Es hat ihr immer sehr viel bedeutet zu wissen, dass wir eine große und bedeutende Familie sind, auch wenn sich viele unserer Angehörigen kaum oder nie persönlich treffen. Auch über dich hat sie oft gesprochen und es hätte sie bestimmt gefreut zu hören, dass Du verlobt bist. Sie hat auch mir immer versucht dies näher zu bringen, doch leider habe ich ihr meistens nicht dabei zu gehört. Dass Deandra sich adoptieren lies wusste ich nicht, ebenso wenig, dass ihr verlobt seid oder das Helena hier ist und nicht in Spanien. Ich habe mich wohl in all den Jahren viel zu sehr auf andere Dinge konzentriert als mir Gedanken über unsere eigene Gens zu machen."


    Fast entschuldigend für ihre eigene Unwissenheit zuckte Prisca mit den Schultern und begann seufzend darüber zu sinnieren, was es wohl für ihre Mutter bedeutet haben könnte. Denn immer noch war sie davon überzeugt, das es einfach ein Familientreffen werden sollte und sie deswegen hier in Germanien war. Und weil es eben der letzte Wille ihrer Mutter war, wollte sie auch den Soldaten gar nicht mehr böse sein. Wenngleich ihr Onkel ruhig wissen sollte, was diese Männer ihr alles zugemutet hatten und es sogar gewagt hatten, sie tagelang in einem Wagen einzusperren. Der Grund dafür bliebe ja geheim und wenn ihr Onkel die Sklavin und die Männer endlich fortgeschickt hätte, könnte sie endlich ganz von vorne beginnen


    "Das war wohl ihr letzter Wille ... Ein Familientreffen ! ... Es war gut gemeint von ihr und ich respektiere ihren Wunsch jetzt. Auch wenn sie diese beschwerliche und eigentlich unzumutbare Reise für mich nicht sehr sorgfältig bedacht und geplant hat. Sonst hätte sie mir wohl nicht diese, zugegeben sehr zuverlässigen, aber eben völlig unkultivierten und für die Bedürfnisse einer Frau ungeeigneten Soldaten geschickt, die zu allem Überfluss auch noch der festen Überzeugung waren, dass EINE Sklavin genug für mich wäre ..."


    Prisca machte eine Pause und sog merklich die Luft ein. Ihr Onkel war ja auch beim Militär fiel ihr gerade eben auf....


    "Ich meinte natürlich Ex-Legionäre. Alte und einfache Veteranen, einfaches Fussvolk eben, natürlich nicht so wie Du lieber Onkel !" versuchte sie schnell das Gesagte zu retten und plapperte sofort weiter um es zu überspielen. "Du wolltest ohnehin wissen wie mir die Reise gefallen hat ?! Nun ich kann nicht behaupten DAS sie mir gefallen hat. Zuerst per Schiff auf dem Mare Adriaticum, seekrank und in dem Wissen, dass Rom zwischenzeitlich schon in greifbarer Nähe lag. Schließlich wieder römischen Boden unter den Füssen, als wir Aquileia erreichten nur um in einen unbequemen Reisewagen um zu steigen ... Die Alpen !! bei den Göttern ... ich dachte schon ich müsse jämmerlich erfrieren. Und Germanien selbst ? ich kann nicht sagen, dass mir das Land sonderlich gefällt. Zumindest bis wir Augusta Vendelicorum erreicht wo ich dann den Entschluss fasste ...."


    Da passierte es und während Prisca nach einer Umschreibung suchte zögerte sie ein wenig zu lange. Prompt biss sie sich auf die Unterlippe und blickte schnell zu Boden. Ein verhängnisvoller Fehler, denn das Zögern würde ihrem Onkel wohl nicht entgangen sein. Nun half wohl nur noch die volle Wahrheit


    "Ä hem , hm also ... als wir dort Rast machten, traf ich eine Patrizierin aus Rom Sie war sehr nett und befand sich mit ihrem Gefolge gerade auf dem Rückweg nach Rom. Sie bot mir an mit ihr zu reisen und da hab ich eben zugesagt. Nur kamen wir nicht sehr weit ... dennl meine zurückgelassene Sklavin hat wohl meiner Eskorte davon berichtet und letztendlich holten sie uns doch ein. Naja und den Rest der Reise bis nach Mogontiacum verbrachte ich dann eben eingesperrt in meinem Wagen. Jetzt weißt Du auch warum ich will, dass sie so schnell wie möglich verschwinden."


    So jetzt war es raus. Ein wenig beschönigt noch, aber so in etwa war es eben passiert. Prisca spürte direkt wie ihre Wangen glühten vor Wut über diese Unverfrorenheit der Soldaten aber wohl auch, weil sie sich ein wenig für ihre eigene Tat schämte. Und als letzten Versuch, das alles irgendwie so schnell wie möglich aus dem Gedächtnis zu streichen meinte sie zuletzt.


    "Schick sie einfach weg, Onkel. Mehr will ich ja nicht. Und was den Besitz und die Sklaven in Ostia betrifft .. das alles soll am Besten auch verschwinden. Ich verkaufe einfach alles. Dann habe ich genügend Geld und kann machen was ich will."


    Wieder einmal stellte Prsica unbewusst ihre eigene Unbedarftheit und Unüberlegtheit zur Schau, als sie ihren Onkel treuherzig dabei an sah.

    Prisca unterdessen barg ihren Kopf an der Brust ihres Onkels und gab sich stumm den Tränen und ihrer Trauer hin. Der Schmerz über den Tod ihrer Mutter überwog momentan alles und doch fühlte sie sich auch ein wenig geborgen. Das lag wahrscheinlich daran, dass ihr Onkel sich genauso verhielt wie sie es von ihrer Mutter her kannte. Im Arm gehalten werden und tröstende Worte zu hören das half ihr, sich langsam wieder zu beruhigen und einen Teil ihrer Fassung zurück zu erlangen. Alle ihre bisherigen Pläne hatten sich zwar aufgelöst, doch das liebevolle Verhalten ihres Onkels gaben ihr langsam neuen Mut. Zum Glück für Beide konnte Prisca nicht sehen, wie sie in diesem Moment mit ihrer verwaschenen Schminke und dem beschmutzen Kleid selbst aus sah. Hätte sie es, wäre sie am Ende doch ohnmächtig zusammen gebrochen.


    "Ich glaube Dir auch so Onkel. Aber ich würde ihn gerne sehen, ihre Handschrift zumindest ... noch einmal... irgendwie ist es schon so lange her, dass ich etwas persönliches von ihr in meinen Händen gehalten habe ..."


    Als ihr Onkel anbot, den Brief zu lesen und sie dabei ein wenig von sich weg schob, blickte sie zu ihm auf und murmelnd gab sie zu verstehen, das es eigentlich keiner weiteren Beweise bedurfte. Doch sie wollte einfach ein letztes Mal etwas von ihrer Mutter in Händen halten. Zumindest der Brief, den sie selbst von ihrer Mutter erhalten hatte, lag zerissen irgendwo auf der Akropolis. Dass der Brief an ihren Onkel vielleicht etwas über sie enthalten könnte, was sie nicht wisse sollte, erwartete sie zumindest nicht. Aber ihr Onkel hörte es wohl ohnehin nicht, da er einfach weiter sprach. Die Tatsache bei ihrem Onkel und seiner Familie bleiben zu müssen, empfand sie gar nicht so schlimm. Sein tröstendes Verhalten eben, erinnerte sie doch sehr an ihre eigene Mutter. Prisca brauchte den Trost jetzt wirklich und hoffte, dass ein wenig von ihrem alten, unbeschwerten und liebgewonnenen, Leben später einmal zurückkehren könnte. Aber warum muss es ausgerechnet hier in Germanien beginnen, Onkel ?? erlaubte sie sich im Gedanken doch die Frage.

    "Deandra und Helena ? ... ja ich würde mich wirklich sehr freuen, die Beiden bald kennen zu lernen. Vielleicht ist es ja, wie Du sagst und man kann wirklich eine zeitlang hier leben."


    Als sie von Deandra und Helena hörte, erhellte sich ihre Miene wieder ein wenig und ihre Stimme klang überrascht und erfreut zugleich. Zwar kannte sie Deandra ebenso wenig wie Helena, aber es überraschte sie, dass die Beiden das gleiche Schicksal, hier in Germanien sein zu müssen, mit ihr teilten. Nun ... vielleicht würde dieser Umstand die Zeit, die sie hier gemeinsam verbringen mussten, tatsächlich ein wenig erträglicher gestalten. Sie selbst hatte sich schon, die nächsten fünf Monate lang, nur in ihrem Zimmer aufhaltend gesehen.


    "Aber im Moment können mir wirklich nur ein Bad und ein wenig Schlaf helfen, meine Trauer zu bewältigen und um zu vergessen, wie anstrengend die Reise doch für mich war ... Bei den Göttern, bestimmt sehe ich gerade schrecklich aus ! ... Das Beste wird ohnehin sein, wenn ich heute ganz auf meine Sklavin verzichte. Nein, besser noch ! Schick sie bitte ganz weg. Gib dieses blonde Dummchen aus Griechenland meinetwegen den Männern mit, die sie für mich ausgesucht hatten. Aber schick Alle bitte so schnell wie möglich weg von hier ... Ich kann sie einfach nicht mehr sehen !"


    Unter normalen Umständen wäre ja ihre persönliche Bedarfsliste noch um einiges länger gewesen. Aber was das Bad betraf: Sobald ihr Onkel es erwähnte, bezog sie es sofort nur auf ihr eigenes Aussehen. Und da wollte sie nichts weiter mehr, als sich so schnell wie möglich zurück zu ziehen. Ihre Trauer konnte sie ohnehin nur alleine bewältigen und anfangen würde sie mit dem Vergessen dieser Reise. Was den unmöglichen langen Namen der Sklavin betraf, diesen hatte sie zumindest schon zu Anfang der Reise aus ihrem Kopf gestrichen. Mehr wünsche ich mir doch nicht von dir, lieber Onkel ! entsprechend bittend und erwartungsvoll sah sie ihn aus ihren verweinten Augen an. Mehr wollte sie wirklich nicht.....zumindest für den Anfang.

    Wie erstarrt stand Prisca da nachdem sie aufgesprungen war, so als würde jede weitere Bewegung unweigerlich den Einsturz ihrer Welt bedeuten. Nur ihre Augen funkelten vor Wut und wanderten ziellos umher. ... warum tut ihr mir das an ... warum ausgerechnet Germanien ... warum .. was wird jetzt aus mir ? immer wieder gingen die Gedanken einer absurden Verschwörung durch ihren Kopf. Die ungerechte Wut wollte einfach keinen Platz machen für die Trauer, die sich nur mit einem Stechen im Herzen langsam anzukündigte. Selbst als ihr Onkel bereits direkt vor ihr stand, sah sie durch ihn hindurch und suchte irgendwo in weiter Ferne nach der Gestalt ihrer Mutter um endlich einen Antwort von ihr zu erhalten.


    "Es ist ungerecht von Euch ... mich so zu behandeln ... ungerecht und graus ..."


    Immer neue Anschuldigungen wollten weiter aus ihr heraussprudeln, bis der scharfe Tonfall ihres Onkels und seine Worte sie wie der Knall einer Peitsche trafen. Prisca zuckte merklich zusammen, verstummte sofort und erst jetzt richteten sich ihre funkelnden Augen auf ihn. Für einen Moment sah sie in ihm einen Fremden. Jemand der sie anlog und sich gegen sie verschworen hatte. Doch schon begannen die Tränen zu laufen und hinterließen, vermischt mit dem Ruß des Lidschattens, dunkle Strähnen auf ihren Wangen. Sie musste ihre Augen kurz schließen weil sie brannten und als sie ihre Augen erneut öffnete, sah sie wieder den Mann vor sich, der sich als ihr Onkel vorgestellt hatte ... Onkel ... ?! ... verwundert und ungläubig, so als wäre er zuvor nicht da gewesen, sah sie ihn an und schüttelte nur leicht den Kopf. Sie wollte nicht hören, was er ihr nochmals zu erklären versuchte. Seine Stimme war hart und seine Worte klangen schrecklich in ihren Ohren. Aber nur, weil es die Wahrheit. Alle ihre Anschuldigungen erwiesen sich als grund- und haltlos und so wie die Tränen langsam ihre Schminke fort wuschen, taten das seine Worte mit ihrer Wut. Das Funkeln in ihren Augen erlosch und machte der Verzweiflung und der Trauer endlich Platz.


    "Es ist also wahr ... sie ist tot ..."


    wie eine längst überfällige Erkenntnis stellte sie dies fest. Prisca war am Ende iher Kräfte angelangt und fuhr sich mit den zitternden Händen immer wieder über das verweinte Gesicht. Und doch blieb auch jetzt noch ein winziger Rest von der alten, berechnenden Prisca übrig. Was wird nun aus mir und mein Leben ? Bisher war alles so wunderbar einfach, soll das wirklich jetzt mit einem Mal vorüber sein ? Ihre Welt schrumpfte langsam zusammen auf die Größe des Reisewagens, mit dem sie angekommen war. Hätte Prisca sich in diesem Moment wie aus einer Beobachterrolle heraus selbst gesehen, hätte sie sich nur kopfschüttelnd über soviel Elend abgewandt. So blieb wohl auch ein kleiner Teil der Wut auf ihre eigene Mutter zurück und war dies nur, weil sie es durch die jahrelange Nachsichtigkeit einfach nicht anders kannte. Hilflos lies sie den Kopf hängen. Zwar konnte sie nicht einschätzen, was für ein Mann ihr Onkel in Wirklichkeit war, dazu kannte sie ihn schließlich viel zu wenig. Aber alles was er bisher gesagt, getan und wie er sich ihr gegenüber verhalten hatte wirkte freundlich und aufrichtig.


    "Bitte verzeih mir meine Worte und mein Verhalten ... ich durfte dich nicht zu Unrecht beschuldigen ... du hast nur versucht, mir die Wahrheit zu sagen, ... auch wenn ich sie im Moment nicht so recht begreifen kann und will ... Es war dumm von mir und es tut mir wirklich leid ... Aber was wird jetzt aus mir, was soll ich jetzt nur tun ? "


    Zögerlich aber dankbar hatte Prisca zum Schluß die tröstend hingehaltene Hand ihres Onkel ergriffen, um sich aufrichtig und mit ehrlichen Worten bei ihm zu entschuldigen.

    Nachdem sie sich so schön in Rage geredet hatte, hoffte Prisca eigentlich nun auf die zustimmenden und damit für sie tröstenden Worte ihres Onkels. So war sie es zumindest von ihrer Mutter gewohnt, wenn sie sich wieder einmal sehr über etwas aufregen musste. Denn egal, was es auch war, meistens konnte Mutter ihrer kleinen Tochter nicht böse sein, geschweige denn lange widersprechen, wenngleich sie ihr auch oft mit Konsequenzen drohte, die Prisca jedoch nie wirklich ernst genommen hatte. Immer noch auf eine Antwort wartend sah ihrem Onkel dabei zu, wie dieser stumm die Decke ab zu suchen schien. Zu Hause hätte sie sich vielleicht noch einmal bemerkbar gemacht. Aber schließlich kannte sie diesen Mann gerade erst seit kurzem und da sein Gesichtsausdruck zumindest nachdenklich wirkte, wertete sie das für sich als Zustimmung. Ihre Wut ebbte ohnehin schon wieder ab, als ihr der Wein zum Trinkspruch gereicht wurde


    "Deine lieben Worte schmeicheln mir, werter Onkel. Auf Dich !"


    erwiderte sie mit einem Lächeln, das nach all den Strapazen, die hinter ich lagen, doch recht herzlich ausfiel. Ein kleiner Spritzer Wein als Opfergabe musste genügen. Weniger aus Sorge um den Boden als mehr um das eigene Kleid, obwohl dieses von der Reise her ohnehin sehr mitgenommen aussah. Zwar begrub Prisca die Hoffnung auf ein baldiges erholsames Bad und die Gelegenheit sich um zu ziehen , fand aber dennoch Gefallen an der Gesellschaft ihres Onkels und seinen Geschichten über Griechenland. Zufrieden hörte sie zu und nippte von dem Wein der, wider Erwarten, vorzüglich schmeckte bis zu dem Zeitpunkt als sie ihren Namen vernahm und damit unvermutet auf ein anderes Thema gewechselt wurde. Langsam richtete sie sich in dem Sessel auf "Was ?... Was sagst Du da Onkel ?" In Germanien bleiben ? wie kommt er auf so eine absurde Idee,niemals bleibe ich hier ... Ein Brief ? was für ein Brief denn ... meine Mutter eine Aussätzige und tot ? Prisca verstand plötzlich gar nichts mehr von dem, was dieser Mann, den sie gerade eben erst kennen gelernt hatte, damit sagen wollte. In ihrem Kopf begannen sich die Gedanken über das eben Gehörte zu überschlagen. Die Trauer um den Tod ihrer Mutter hatte dabei, mit dem Unglauben darüber, der Tatsache das dies eine Lüge sein könnte und der Erkenntnis, was das alles für sie und ihr Leben bedeuten könnte, zu kämpfen.


    "Nein ... nein ... das glaub ich nicht ... das ... das kann nicht sein ..."


    Kopfschüttelnd versuchte sie mit leisen Worten irgendetwas davon zu begreifen. So berechnend Prisca manchmal auch war, diesmal war es schlicht die körperliche Erschöpfung von der langen Reise und das ständige Grübeln darüber was sie hier sollte, das nun die eben gelegte Wut auf ihre eigene Mutter erneut schürte. War sie vielleicht nur hier, weil ihre Mutter endlich eine ihrer so oft dahergesagten Drohungen endlich wahr gemacht hatte ? "Nein !!" schrie sie und sprang im selben Augenblick auf. dabei verschüttete sie auch noch den Rest des Weines auf ihrem Kleid und damit waren ihre Nerven dahin. Prisca zog die völlig falschen Schlüsse daraus, was ihr Onkel ihr zu erklären versuchte und mit Tränen in den Augen begann sie zu schreien


    "Das hat sich meine Mutter ja schön ausgedacht ! Nach all den Jahren in denen sie mich nur verwöhnt hat, will sie mir jetzt auf diese Weise endlich Enthaltsamkeit und Demut lehren ? Mir ihre eigene Nachsichtigkeit heimzahlen, indem sie mich nach Germanien schickt ? Hat sie Dir das geschrieben, ist das der Plan meiner Mutter ? und Du hilfst ihr auch noch dabei ? ... Das habt ihr Beiden Euch das ja schön ausgedacht ! Aber dass Ihr auch noch die Unverfrorenheit besitzt mir ihren Tod einreden zu wollen ...."


    hätte ihr Onkel sie vielleicht länger gekannt, wären ihm solche spontanen Gefühlsausbrüche nicht neu gewesen. Aber das Prisca das, was sie eben sagte tief in ihrem Herzen bereits bereute, konnte nur sie wissen ... aber nicht in diesem Augenblick, als eine Welt um sie herum ein zu stürzen drohte.

    Es war, wie Prisca befürchtet hatte. Schon beim Betreten des Hauses fiel ihr die ungleich einfachere Ausstattung auf die sie von zu Hause her gewohnt war. Hier länger als ein paar Tage zu leben konnte sie sich wahrlich nicht vorstellen. Doch zeigen wollte sie es auch nicht, denn sie fand ihren Onkel sogar sehr nett. Nur warum sie ihn ausgerechnet jetzt und hier treffen sollte wollte Prisca immer noch nicht einleuchten. Eigentlich hätte sie sich lieber erst zurückgezogen, um sich frisch zu machen. Aber gut, das hätte vielleicht dann doch zu lange gedauert. So folgte sie ihrem Onkel brav und lauschte seinen Worten.


    "Ja in der Tat ! aber für mich ist dieses Land nicht nur fremd, es ist schrecklich. Und sich daran gewöhnen ? Bei den Göttern, das kann ich mir nicht vorstellen. In Athen konnte ich zumindest Gefallen an den kulturellen Stätten und der Landschaft finden. Doch hier ? "


    bekundete sie weiterhin ihren Unmut über ihre unfreiwillige Reise nach Germanien, während sie das triculum betraten und sie sich auf die Bitte ihres Onkels hin, wie es sich gehörte, in einem der Korbsessel nieder lies. Schon kam ein Sklave und sie überlegte kurz das nach dieser Reise nur etwas Wein ihr helfen würde.


    "Wein, verdünnt !"


    antwortete sie knapp dem Sklaven ohne ihn dabei an zu sehen. Ihr Blick schweifte stattdessen durch den Raum und blieb an ihrem Onkel hängen, als dieser in einem etwas seltsamen Tonfall ihren Namen nannte. Und als dann diese seltsame Frage folgte, legte sie ihren Kopf etwas zur Seite während sie darüber nachgrübelte was das zu bedeuten hatte und erwiderte.


    "Was mir meine Mutter erzählt hat ? Nun wie meinst Du das Onkel ? Sie hat mich - zugegeben - etwas überrascht, als sie mir vor einem Jahr den Vorschlag machte, ich solle auf eine Studienreise gehen. Das tat ich dann auch ihr zu Liebe. Und habe es nicht bereut, denn Griechenland ist in der Tat ein schönes Reiseziel. "


    Dass sie in dieser Zeit weniger studiert und sich dafür umso mehr amüsiert hatte, verschwieg sie besser. Prisca machte eine kurze Pause um von den dargereichten Speisen zu wählen. Sie deutete auf den Braten, das Obst und das Brot. Diese undefinierbare und unförmige Speise, die wie Brei aussah ignoriete sie.


    "Aber als sie mir dann vor einigen Wochen diesen Brief, zusammen mit einer Eskorte von alternden Soldaten schickte und sie mich dirket zwang, hierher nach Germanien zu einem geplanten Familientreffen zu reisen war ich doch etwas irritiert. Und jetzt wo mir scheint, dass Du und Deine Familie ohnehin in absehbarer Zeit zurück in die Heimat kehren werdet bin ich sogar sehr wütend auf sie ! Warum tut sie mir das an ? Schickt mich hierher, anstatt das Familientreffen zu Hause zu arrangieren. Ich habe doch Recht, oder kannst Du Dir ein solches Verhalten erklären, Onkel ?"


    Prisca geriet richtig in Rage als sie daran zurückdenken musste, wie sie unter diesem Geleitschutz reisen musste. Den Brief ihrer Mutter hatte sie ohnehin zerrissen, den Wortlaut kannte ihr Onkel nun. Nur die Drohung ihrer Mutter das Geld zu streichen, was letztendlich den Ausschlag gab hierher zu reisen, lies sie unerwähnt. Stattdessen schüttelte sie wütend über ihre eigene Mutter nur den Kopf und aß lustlos ein Stück von dem Braten. Dann blickte sie wieder erwartungsvoll zu ihrem Onkel. Wenigstens er musste doch etwas Verständnis für ihre Situation haben.

    Prisca selbst warf den Männern noch einmal vernichtende Blicke zu, denn wenn es nach ihr gegangen wäre, hätten sie nichts zu Essen bekommen. Dennoch gefiel ihr der bestimmende Ton ihres Onkels den Männern gegenüber und außerdem mussten sich die Männer ja stärken für die Rückreise. Da ihr Onkel von einigen Tagen sprach, keimte in ihr zumindest die Hoffnung, dass es auch für sie selbst doch recht bald zurück in die Heimat gehen würde. Und ein paar Tage würde sie es schon aus halten.


    "Ich danke Dir für Deine herzliche Begrüßung Onkel ! ... und nein, die Reise war alles andere als angenehm und hat mich doch sehr mitgenommen. Ein paar Speisen und Schlaf werden mir sicher darüber hinweg helfen. Vor allem aber ein Bad und etwas Körperpflege."


    erwiderte Prisca zuerst freundlich und lies dann etwas ihren Unmut über den Reiseverlauf mit einfliessen. Ihr Blick fiel unterdessen auf die Villa, der sie sich gemeinsam näherten. Sie war überrascht ein Haus dieser Größe hier vorzufinden. Zu Hause bei ihren Freundinnen hatten sie sich immer Geschichten darüber erzählt, wie ärmlich hier selbst die Römer hausen mußten. In Holzhütten und mit Waschzubern im Freien, wie sie sonst nur die Sklaven benutzten. Zugegeben da hatten sich alle geirrt. Prisca würde diesen Irrtum aber mit Sicherheit daheim nicht aufklären, denn dann müsste sie ja zugeben, selbst in Germanien gewesen zu sein.


    "Wirklich sehr schön hier Onkel ! und ich freue mich die paar Tage, die ich hier sein werde, in Deinem Haus verbringen zu dürfen."


    Ja da war sie wirklich etwas erleichtert, obwohl sie noch immer nicht wusste, ob das Bad nicht doch im Freien lag. Jedenfalls musste sie bei seiner Bemerkung über die Holzklötze ebenfalls ein wenig schmunzeln, wenngleich sie sich nicht vorstellen konnte, sich jemals mit so etwas einfachem wie Holzspielzeug abgegeben zu haben.


    "Ja, die Zeit vergeht so schnell. Ich finde es direkt schade, das wir uns erst nach solanger Zeit wiedersehen. Und dann auch noch so kurz. Willst Du und Deine Familie uns nicht einmal besuchen kommen, wenn ihr wieder in der Heimat seid ? Hier unter den Barbaren zu hausen muss doch auf Dauer schrecklich sein ?"


    redete sie unverdrossen weiter und Prisca klang direkt mitfühlend für die eigene Verwandtschaft. Jedenfalls war das, was sie über das Wiedersehen sagte ernst gemeint, auch wenn ihre Hauptsorge im Moment ganz der eigenen baldigen Rückkehr nach Rom galt.

    Die ganzen Tage über schon hatte sich Prisca ihren Racheplan sorgfältig zurecht gelegt. Diese Männer sollten ihre Strafe erhalten für ihre Untat, die einzig darin bestanden hatte sie einfach einzusperren. Ohne Grund selbstverständlich ! Jedenfalls wertete Prisca ihren Versuch davon zu laufen nicht als Grund für solch ein Benehmen. Erschwerend kam hinzu, das sie kaum Gepäck mitnehmen durfte, als die Männer sie ihn Athen mit dem Schreiben ihrer Mutter regelrecht überfallen hatten. Jedenfalls waren Mutters Worte unmissverständlich gewesen: Reise zu deinem Onkel oder es gibt kein geld mehr. Ja nun sollten diese Männer für all das ihre Strafe erhalten. Und das beharrliche Schweigen war ein Teil ihres Planes!


    Doch nun nachdem sie angekommen waren grübelte sie darüber nach, ob ihre Taktik noch die Richtige wäre. Ihr Blick traf die Sklavin, die ihr schon die ganze Zeit über auf die Nerven gegangen war. Sie war zwar ganz hilfreich gewesen, aber eben eine Sklavin die diese Männer ausgesucht hatten, nicht sie selbst.


    "Verschwinde !"


    rief sie und schickte sie mit einer Handbewegung aus dem Wagen. Dann dachte sie nach, während sie den Männerstimmen da draußen lauschte. Wie es schien war ihr Onkel persönlich anwesend und dieser Umstand bedurfte einer leichten Planänderung. Noch bevor der Legionär ihrem Onkel antworten konnte rief sie.


    "Nicht nötig, ich kann alleine gehen !"


    Sie wollte keine Hilfe und am wenigsten wollte sie von einem dieser verschwitzten stinkenden Ex-Legionäre berührt werden. Langsam und würdevoll schritt sie die Stufen des Wagens ab. Ein leichtes Zögern, denn nun musste sie ja doch diesen verhassten Boden betreten.Da sie die übrigen Gesichter bereits kannte und Sklaven von Freien unterscheiden konnte, blieb als einzig fremdes Gesicht das ihres Onkels übrig. Ihre Augen musterten ihn ein paar Sekunden und Prisca musste zugeben, dass dieser Mann einen recht stattlichen aber auch sympathischen Eindruck auf sie machte. Also ging sie zu ihm und setzte ihr Begrüßungslächeln auf.


    "Salve ! mi patrue ...ich freue mich Dich nach all den Jahren einmal persönlich zu treffen. Meine Mutter hat mir schon so Vieles von Dir erzählt "


    Das stimmte sogar, nur hatte sie meist nicht richtig zu gehört und dachte einen Moment darüber nach ob sie ihn überhaupt Onkel nennen sollte. Ja, doch das schien zu passen. Jedenfalls war ihr neuer Plan gefasst: Familientreffen über sich ergehen lassen - Heimreise antreten - Mutter zur Rede stellen - Erst dann diese Männer bestrafen lassen.

    Marcus hatte in der Zwischenzeit schonmal den Riegel an der Wagentür entsichert und war dabei so vorsichtig vorgegangen, als würde er einen Löwenkäfig öffnen. Doch nichts geschah. Weder die kleine Furie noch ihre Sklavin, die sie zwangsweise mit einsperren mußten, rühten sich. Er öffnete die Tür einen Spalt um ein wenig Luft hinein zu lassen. Wieder geschah nichts und Marcus bekam es langsam mit der Angst, aber in dem Moment hörte er auch schon Schritte und als er sich umdrehte, blickte er in die fragenden Augen eines Mannes.


    "oh..Salve ! Ihr müsst Aurelius Corvinus sein !"


    grüßte er überrascht und alle militärischen Grußformeln vergessend. Doch die Erscheinung und sein Gefühl sagten ihm das es der Tribun sein musste.


    "Entschuldigt bitte mein Benehmen ! ich und meine Kameraden sind schon seit 2 Jahren nicht mehr im Dienst. Aber wir fühlen uns irgendwie noch zu jung, um in den Ruhestand zu treten."


    versuchte er seine ungebührenden Umgangsformen zu entschuldigen und was den Ruhestand betraf. Den würden sie nach diesem Abenteuer sicher gerne wählen.


    "Aber wir sind zuverlässige Männer ! Und bringen Euch Eure Nichte .... unversehrt und heil, wie es uns ihre Mutter aufgetragen hatte."


    naja, da war er sich irgendwie in diesem Moment nicht mehr ganz so sicher und äugte noch einmal in Richtung der Wagentür. Doch aus dem Inneren war kein einziger Laut zu vernehmen. Fragend blickte er zurück zu dem Tribun und zuckte mit den Schultern. Vielleicht sollte dieser mal nach seiner Nichte rufen dachte er. Und für den Fall, dass sie nicht mehr ... na, er machte sich schon einmal bereit zu sterben.