Beiträge von Aurelia Prisca

    Angenehme Ruhe und Dunkelheit umgaben Prisca an dem Ort, an dem sie sich augenblicklich wähnte. Und dieser Ort war weit entfernt von dem Durcheinander, das die aurelischen Sklaven gerade im Garten veranstalteten. Eigentlich wäre dies doch die ideale Gelegenheit zu träumen ... ja! ein schöner Traum, das wäre jetzt genau das Richtige ... und schon begann sich Prisca ihren Traum zu recht zu legen. Und eben als sie sich im Geiste den passenden Mann für ihren Traum ausmalte, hörte sie auch schon seine Stimme! ... wie konnte das sein? Die Stimme klang sehr angenehm, auch wenn sie gerade nach jemand anderem zu rufen schien? ...Brix? ... und was sollte das mit dem Wasser? "...wasser? ... wieso?..." murmelte Prisca ganz leise, während sie immer noch mit geschlossenen Augen da lag und bereits langsam wieder von sich aus ins Bewusstsein zurück kehren wollte ...doch diese Absicht wurde auf eine andere Art und Weise deutlich beschleunigt und in der nächsten Sekunde fand Prisca sich in der Realität zurück...


    Prustend verschluckte sie etwas von dem starken Wein und musste augenblicklich husten. Im Gesicht und auf ihrer Haut ... ja, überall spürte sie diesen ekligen Wein an sich kleben. „Was soll das? ... was ist hier los? .... " langsam erhob sich ihre Stimme zu einem deutlichen Grollen, während Prisca selbst noch auf dem Boden lag und sich mühsam mit den Händen über das Gesicht wischte. Sie musste nicht nur wieder klar denken, sondern zuerst einmal wieder klar sehen können. Sie brauchte Hilfe, sie brauchte eine Erklärung und sie brauchte irgendeinen Schuldigen ...“ ... CAMRYN! ... sofort her zu mir! Hilf mir hoch! ich will augenblicklich eine Erklärung für das hier ... “ obwohl es eigentlich keiner Erklärung bedurfte. Zumindest müsste diese schon seeeehr plausibel klingen, denn für Prisca stand fest: Die Sklaven rebellierten! Das war eindeutig ein Attentat auf sie gewesen und das würde für alle Konsequenzen haben ...

    Gerade eben hatte Prisca die Anmeldung unterzeichnet und nun lehnte sie sich entspannt in ihrem Korbsessel zurück und überdachte noch einmal in Ruhe ihre Entscheidung. Nein, eigentlich gab es nichts zu überdenken. Bildung war wichtig und vor allem hier in Rom war sie fast schon ziwngend erforderlich. Außerdem wäre es eine willkommene Abwechslungund vielleicht würde sie auch die eine oder andere interessante Bekanntschaft machen können. Zufrieden nickend legte sie das Dokument zurück auf den tisch und in eben diesem Moment vernahm Prisca ein leises tapsen und rascheln ganz in ihrer Nähe. Etwas erschrocken drehte sie sich um und erblickte eine junge Sklavin, die wie aus dem Nichts aufgetaucht gerade dabei war, in aller Seelenruhe die Kerzen aus zu tauschen.


    "Du da!" rief Prisca etwas verärgert nach dem Mädchen das sie vielleicht schon einmal in der villa gesehen haben mochte, aber nicht mit Namen kannte. "Wie kommst du dazu, ohne anzuklopfen einfach einzutreten?" Prisca rang innerlich damit, sich ihre gute Laune von eben nicht verderben zu lassen, daher war ihre Stimme noch ruhig und lies lediglich eine leichte Verärgerung erkennen. "Her zu mir! Wie ist dein Name und was machst du da überhaupt?" fragte Prisca ungeduldig und musterte das Mädchen von oben bis unten. Hübsch war sie ja an zu sehen, aber hatte man dieser Sklavin noch keine Manieren beigebracht oder warum antwortete sie nicht augenblicklich, wenn sie etwas gefragt wurde."Na was ist mit dir? ... sprich endlich!" Mit einem strengem Blick bedachte Prisca das Mädchen und wartete ungeduldig, das die Sklavin endlich antwortete.

    ... wie lange hatte sie so da gelegen und für sich geträumt? .... war sie etwa gar eingeschlafen? ...


    nein natürlich hatte sie nicht geschlafen ...Wenngleich sich Prisca so gut erholt fühlte, als hätte sie viele Stunden lang geschlafen. Mit einem letzten wohligen Seufzer streckte sich Prisca genüsslich auf ihrer Liege aus und öffnete langsam die Augen. Eine zeitlang lag sie einfach nur da und lies ihren Blick ins Leere gleiten. Sie genoss die Ruhe die sie umgab und ein leichtes Schmunzeln umspielte ihre Lippen als sie daran dachte, welcher spontanen Eingebung ihrer Gedanken sie soeben gefolgt war und wie schön sie es empfunden hatte. Wie schön würde es erst sein, diese Phantasien gemeinsam aus zu leben ...


    ... seufzend richtete Prisca sich auf, um sich kurz zu strecken bevor sie endlich auf stehen wollte. Gewissenhaft zupfte sie ihr Gewand zurecht und überlegte gut gelaunt, was sie heute noch alles unternehmen sollte. Ein Besuch in den Thermen, ein Spaziergang am Tiber, oder ein Bummel über die Märkte? ... alles bot sich an und vielleicht würde sich dort ja auch die eine oder andere Bekanntschaft ergeben ...


    Während Prisca so darüber nach dachte wozu sie alles Lust hätte, griff sie nach der Schale mit dem Obst um sich einen Apfel heraus zu nehmen. Dabei fiel ihr Blick erneut auf Senecas Skript mit den epistulae morales... achja, das hätte sie beinahe vergessen. Eine Entscheidung wollte sie heute ja auch treffen ... wie an der unmäßigen Sucht nach allem anderen, so leiden wir an einer unmäßigen Sucht auch nach Gelehrsamkeit. Darüber, ob sie sich weiterbilden und für den cursus res vulgares anmelden sollte, oder nicht... Ja, warum eigentlich nicht! dachte sich Prisca und biss herzhaft in den süssen Apfel. ... Bildung konnte schließlich nie schaden, weder in der Liebe noch in allen anderen Dingen ...


    ... kurzerhand entschlossen setzte Prisca sich auch schon an den Tisch, füllte die Anmeldung aus und rief nach einem Sklaven der das Dokument umgehend bei der Schola Atheniensis abgeben sollte. ...

    ...Es darf in keiner Katastrophe enden ... es darf in keiner Katastrophe enden ... immer wieder sagte sich Prisca diese Worte selbst vor und ignorierte einfach alles und jeden um sich herum. Ob und was Camryn im Augenblick tat oder sagte, war ihr zunächst einmal völlig egal. ...Es darf in keiner Katastrophe enden ... es darf in keiner Katastrophe enden ... aber es wird wohl soweit kommen ...


    ...Herrin?... schwach nur nahm Prisca eine weitere Stimme war, die sich ihren Weg durch das Stimmengewirr an ihr Ohr bahnte. Blinzelnd öffnete Prisca die Augen und wie aus dem Nichts stand da plötzlich Dina vor ihr. Die hilfsbereite Ägypterin, die zumindest mitdachte wenn es erforderlich war. "Ja, was ist?" fragte Prisca deshalb auch in einem moderaten, wenngleich in einem noch immer leicht verärgerten Ton.


    "Herrin, darf ich dich etwas fragen?" leise und zögerlichch stellte Dina als nächstes eine Frage und Prisca hob erstaunt eine Augenbraue. Natürlich durfte ein Sklave keine Fragen stellen, aber wenn es der Sache irgendwie dienlich wäre, wollte Prisca heute eine Ausnahme machen ..."Was ist denn, was willst du fragen?" ungeduldig sah Prisca nun die Ägypterin an "Herrin, es muss nicht zur Katastrophe kommen und keiner von uns muss gekreuzigt werden ... weil ...ich kenne jemanden, der uns helfen kann!"


    Mit diesen Worten hatte Dina nun vollends die Aufmerksamkeit von Prisca auf sich gezogen. "Du kennst jemanden? ... wer soll das sein? ... nun sprich schon endlich, wir haben nicht ewig Zeit" an jeden Strohhalm der sich ihr bot, wollte sich Prisca momentan klammen und so starrte sie Dina ungeduldig und erwartungsvoll mit großen Augen an.


    Dina begann zu lächlen, glaubte sie doch ihre Herrin für ihren Plan bereits gewonnen zu haben. Bedächtig und langsam streckte sie ihren rechten Arm zur Seite und machte eine ausholende Bewegung mit der Hand nach vorne. Gehörte das nun zum Stück, wollte ihr Dina irgend etwas vorführen? so verwirrt sah man Prisca nur selten. "Herrin, darf ich dir Rollo vorstellen. ... Rollo ist mein Freund und er lässt fragen, ob er dir irgendwie behilflich sein darf...."


    Gut, das war dann doch zuviel des Guten! ... einen Moment lang starrte Prisca auf die leere Stelle, welche Dina ihrem unsichtbaren Freund zugedacht hatte. Wie konnte sie IHN, den unsichtbaren Freund vergessen? ...am besten alles vergessen, ja! das wollte Prisca und endlich wollte sie das nachholen, was sie schon von Anfang an tun wollte. ...In Ohnmacht fallen! ... Es war ganz einfach und wirkte völlig echt, denn wie von selbst verdrehten sich ihre Augen und es fühlte sich an, als könnte sie schweben. Prisca breitete ihre Arme aus und fiel nach hinten in eine ungewisse Dunkelheit ... nun konnte - wer auch immer hinter ihr stand - ihr unter die Arme greifen, sofern er denn die Absicht hatte ihr zu helfen ...

    "Hee! ... jetzt seid mal wieder ein bischen ernster bei der Sache!...lest doch erstmal genau durch, was ihrmachen sollt ... " Matho hob beschwichtigend die Arme und versuchte es zumindest, wieder etwas Ordnung unter den Sklaven her zu stellen. Denn sein besorgter Blick zu Camryn hatte ihm gezeigt, dass die Herrin nicht gerade sehr gut gelaunt war. Warum musste die Herrin auch gerade jetzt auftauchen. Vorhin hatte es doch auch ganz gut funktioniert mit dem proben, oder? ... naja, eigentlich wenn Matho so recht überlegte ... "Hee! Brix, wenn du weiterhin die ganze Requisite auf isst, haben wir bald keinen puls mehr in der villa!"



    ... für den Moment blendete Prisca einfach alles Umgebende aus. Das war das Beste und nur so würde sie es schaffen, mit dieser unverschämten Antwort der Sklavin um gehen zu können. Immer noch hielt sie den Oberarm von Camryn fest und holte reflexartig mit der freien Hand zum Schlag aus. In letzter Sekunde hielt sie jedoch inne und zog es vor, die Sklavin vorerst mit Worten zurecht zu weisen. "Du impertinentes Ding! ... was fällt dir eigentlich ein, so mit mir zu reden?!" es mochte ja zutreffend sein, was Camryn sagte, aber so vorwurfsvoll und anschuldigend durfte sie es einer Herrin gegenüber niemals äußern. Prisca funkelte die Sklavin böse an und presste leise zwischen den zusammengepressten Zähnen hervor, was ihr gerade am Herzen lag.


    "Eine Katastrophe sagst du? ... Du wirst gleich eine Katastrophe erleben, wenn du nicht augenblicklich dafür sorgst, dass hier wieder Ordnung herrscht ...und wenn nicht, dann..." das es am Stück liegen könnte, wollte Prisca nicht gelten lassen. Erneut riss sie Camryn am Oberarrm zu sich und hob dabei ihre Stimme. Was auch immer passiern sollte, die Strafe dafür würde immer auf die Sklaven zurück fallen und das sollten auch alle wissen." ... dann lasse ich euch alle miteinander auspeitschen, bis ihr euch wünscht, dass ihr gekreuzigt werdet!" gut, ob dies die potenzielle Katastrophe verhindern konnte war fraglich, aber zumindest mussten die Sklaven wieder zur Ordnung gerufen werden. Aber auch Prisca versuchte sich wieder ein wenig zu beruhigen. Deshalb senkte sie auch wieder ihre Stimme, um weiter mit Camryn zu schimpfen. "Es kann doch nicht so schwierig sein, das bischen Text und ein paar einfache Gesten auswendig zu lernen...oder?!". mit diesen Worten lies sie endlich den Arm der Sklavin los und schloss für einen Moment völlig entnervt die Augen. ... im Moment konnte eigentlich alls möglich sein . .. und überhaupt, wo waren eigentlich die anderen, war sie hier die Einzige die das etwas anging und wer hatte überhaupt die Aufsicht über das Sklavenpack?

    ... ohne die Ankunft der Herrin bemerkt zu haben, stand Trautwini etwas abseits des Geschehens auf einem Stuhl, den Kopf gesenkt und das Gesicht tief in beide Hände vergraben."ich ..ich ... kann das nicht ... *schniefff* ... ich will das nicht *sfffffrrz* ... diese Schmach, ich bin ..ich bin doch Leibwächter und ... und hab vor niemandem Angst ... *buaaaahh* ... nein nein nein, ich will das nicht spielen müssen ..." Schluchzend und voller Verzweiflung klangen seine Worte und auch das gute Zureden der umstehenden Sklaven konnten Trautwini nicht dazu bewegen, wieder von seinem Stuhl herunter zu steigen.


    ... Sofia hingegen wirkte ganz gelassen, saß kichernd und kopfschüttelnd am Tisch und las von dem Wachtäfelchen ihre Rolle ab. Wobei sie eher laut darüber nach dachte, anstatt den Text an sich zu sprechen "Nein wirklich? ...so was tun die ...*hihihihi* ... und ich soll das sagen? ... dabei weiß ich gar nicht was man in einem Bett so alles machen kann ..."


    ... welch seltsames Szenario, gehörte das zum Stück oder herrschte hier....


    ...das Chaos?... Prisca brauchte in der Tat geraume Zeit, um sich wenigstens ansatzweise ein Bild von dem zu machen, was sich hier vor ihren Augen abspielte. Es gelang ihr nicht ...noch nicht. Ihre Hand fuhr augenblicklich hoch zur Schläfe, um sie zu reiben, während sie darüber nach dachte, was sie nun tun sollte ... einfach umdrehen, wieder gehen und vergessen, das sie hier war? ... oder ohnmächtig werden? ... letzteres musste Prisca für den Moment noch hinten anstellen, denn schon hörte sie eine nur allzu bekannte Stimme aus dem Gewirr heraus. "Camryn!...sofort zu mir!" mit schneidendem Tonfall rief Prisca die Sklavin zu sich, ohne sich zunächst um die vielen Fragen zu kümmern. Vielmehr ging sie der Sklavin sogar entgegen und packte sie am Oberarm, um sie etwas zur Seite zu nehmen. "... sag mir Camryn, ... hat das was ich hier sehe etwas mit dem Stück zu tun, oder macht ihr gerade eine Pause?" noch klang ihre Stimme beherrscht und Prisca zwang sich zu einem Lächeln, aber wie auch immer gleich die Antwort auf ihr Frage lauten mochte, es war definitiv inakzeptabel ....



    edit: Bilderlinks ergänzt

    Überall in der Villa waren die Vorbereitungen für die geplante Feier im vollen Gange und nicht nur die Sklaven, sondern auch die Familienangehörigen hatten Aufgaben erhalten die es zu erfüllen galt. Auch eine Theateraufführung sollte es geben und Prisca hatte den Auftrag bekommen ein geeignetes Stück dafür aus zu wählen. Ein Drama oder eine Kömodie und von welchem Philosophen? Die Wahl war Prisca ziemlich leicht gefallen und so hatte sie das Stück auch relativ schnell bei einem Händler auf den Märkten Roms erworben.


    Die Zeit und die Muse um sich in das Stück selbst einzulesen, hatte Prisca allerdings nicht gefunden. Warum auch? Schliesslich war sie von der Qualität ihrer Wahl überzeugt und der Händler hatte ihr immer wieder versichert, dass es sich bei der alten Schriftrolle, auf der nur die Buchstaben "S....A" zu erkennen waren, wirklich um ein Drama von Seneca handle. Also war alles in bester Ordnung, denn um die Rollenverteilung und das Erlernen des Textes mussten sich nur noch die Sklaven kümmern und so hatte Prisca das Schriftstück - ohne weitere Bedenken zu hegen - einfach an die Dienerschaft weiter gereicht.


    Nun rückte allerdings der Aufführungstermin unaufhaltsam näher und Prisca wollte sich dann doch einmal persönlich davon überzeugen, wie weit denn sie Sklaven mit ihren Vorbereitungen waren. Gerade betrat Prisca den Garten in dem - zu Probezwecken - die Kulisse und die Requisiten aufgebaut worden waren. Kurz sah sich um und musste sich erst einmal orientieren we,r in dem Durcheinander aus Stühlen und Tischen, von den Sklaven und den übrigen Familienangehörigen überhaupt hier war und wer die Verantwortung übernommen hatte. Also rief Prisca ganz geschäftig in die Runde. "Salvete! ... wie sieht es aus? Sind alle hier und haben alle ihre Rollen erhalten? ... kennt jeder seinen Text? ... passt alles soweit?" "... dann ist es ja gut und ich kann wieder gehen!..." eigentlich alles einfache Fragen, auf die es für Prisca auch nur ebenso einfache und bejahende Antworten gab. Also kein Grund besorgt zu sein, oder sich länger als unbedingt nötig mit den Sklaven ab zu geben.

    "Ratespielchen? ..." nun hatte es Marcus also geschafft, ihr den letzten Rest Freude an ihrer Überraschung zu nehmen. Priscas Miene verfinsterte sich stetig während ihr Onkel - anstatt zu raten - ihr nun auch noch unterstellte, dass sie sich so einfach den Kopf verdrehen lies. "Alexandros war´s " hätte sie vielleicht spontan darauf erwidern können, denn der Sklave hatte ihr heute mit seinen Worten im wahrsten Sinne des Wortes den Kopf verdreht. Doch so wie Marcus sich die Schläfe rieb war dies kein gutes Zeichen, um ihn weiter auf die Folter zu spannen.Schmollend erhob sich Prisca ebenfalls, denn sie war sich selbst natürlich keiner Schuld bewusst. Schnell zupfte sie ihr Gewand zurecht und sich ein wenig zur Seite drehend, begann Prisca den Sachverhalt auch schon mit einem tiefen einleitenden Seufzer auf zu klären.


    " *Sfz* ... Du brauchst nicht mehr zu raten Marcus, ...es war dieses Kleid hier das ich dir zeigen wollte ..." ihre Stimme klang beleidigt und mit einer müde wirkenden Geste deutete Prisca an sich herab, um es damit auf sich beruhen zu lassen. Deshalb kam sie als nächstes auch gleich auf den eigentlichen Grunde ihres Besuches zu sprechen. "... ich hab es mir gestern auf dem Markt gekauft und dabei rein zufällig Sergia Plotina kennen gelernt. Eine sehr nette Person ... Sagt dir der Name zufällig etwas?" zum Ende hin gesprochen war von ihrer Entäuschung über das Kleid nicht mehr viel zu spüren und Prisca stellte diese Frage nun rein interessehalber, um auf ihr Anliegen über zu leiten. Denn auch wenn es im Bereich des Möglichen lag, so erwartete sie nicht wirklich, dass Marcus diese Frau bereits persönlich kannte.


    Indem sie diese Frage stellte, drehte sich Prisca auch wieder ganz zu ihrem Onkel um. Sein Blick schien langsam wieder in die Realität zurück zu finden und während er noch immer über diesen Namen nach zu grübeln schien, interessierte Prisca gerade noch etwas ganz anderes. "Wie kommst du eigentlich darauf, dass mir jemand den Kopf verdreht haben könnte ..?" Nun wich zu guter Letzt auch ihr schmollender Blick aus dem Gesicht und Neugier machte sich stattdessen darauf bemerkbar . Nicht das sie sich ihrer Wirkung nicht bewusst wäre, oder es darauf angelegt hätte, sich demnächst einem Mann um den Hals zu werfen. Aber hatte da nicht gerade große Sorge darüber, aus der Stimme und den Worten ihres Onkels heraus geklungen?

    „Kinderspiele sind es, die wir da spielen. An überflüssigen Problemen stumpft sich die Schärfe und Feinheit des Denkens ab; derlei Erörterungen helfen uns ja nicht, richtig zu leben, sondern allenfalls, gelehrt zu reden. Lebensweisheit liegt offener zu Tage als Schulweisheit; ja sagen wir’s doch gerade heraus: Es wäre besser, wir könnten unserer gelehrten Schulbildung einen gesunden Menschenverstand abgewinnen. Aber wir verschwenden ja, wie alle unsere übrigen Güter an überflüssigen Luxus, so unser höchstes Gut, die Philosophie, an überflüssige Fragen. Wie an der unmäßigen Sucht nach allem anderen, so leiden wir an einer unmäßigen Sucht auch nach Gelehrsamkeit: Nicht für das Leben, sondern für die Schule lernen wir.“


    "Non vitae, sed scholae discimus..." murmelte Prisca gedankenverloren und lies ihren Blick auf dem letzten Satz aus Senecas epistulae morales ad Lucilium ruhen, mit dem Seneca ganz offen Kritik an den Philosophenschulen seiner Zeit geübt hatte. Auch wenn Seneca zu Lebzeiten mit seiner Meinung von Frauen eher abwertend gewesen war, mochte sie diesen Philosophen doch sehr. Vor allem wegen seinen ambivalenten Züge, seiner Dramen und kritischen Denkweisen schätzte sie ihn und zog seine Schriften gerne zu Rat, wenn sie über eine Entscheidung nach zu denken hatte. Heute war so ein Tag, und Prisca hatte sich deshalb schon früh in ihr cubiculum zurück gezogen, um es sich mit etwas Obst und einer Erfrischung auf einer Liege bequem zu machen. "...so so, für die Schule lernen wir also und nicht für das Leben ..." resümierte sie laut für sich, legte die Schriftrolle zur Seite und griff stattdessen nach einer der Weintrauben, um diese genüsslich zwischen ihren Lippen verschwinden zu lassen. Seneca mochte damit die Schulen an sich kritisiert haben, doch auf das Wissen selbst konnte dies auf keinen zu treffen."Non scholae, sed vitae discimus..."* korrigierte Prisca diesbezüglich Senecas Ansicht, denn Wissen bedeutete Macht. Und Macht war etwas was Prisca ebenso gefiel ,wie der Luxus mit dem sie sich täglich so gerne umgab.


    Seltsamerweise musste Prisca bei dem Stichwort Macht aber noch an ein weiteres ihrer Lieblingsthemen denken und ungewollt schweifte Prisca zunächst einmal ganz von den ursprünglichen Gedanken über Seneca und seinen Ansichten zur Schule und Bildung ab. Langsam drehte Prisca sich auf den Rücken und ein wissendes Lächeln huschte dabei über ihre Lippen. Ja, genau das eine Thema beschäftigte sie von Tag zu Tag immer mehr. ... ob da ein direkter Zusammenhang bestand, oder war es eher Zufall, dass sie Macht und Liebe unbewusst so miteinander verband? Wer außer Prisca selbst hätte diese Frage beantworten können und wer wusste schon, welche Gedanken und Bilder in solchen Momenten in ihrem Kopf herum huschten, während sie alles um sich herum vergaß. Eine zeitlang blieb sie so auf dem Rücken liegen, hielt die Augen geschlossen und entspannte sich ganz. Nur ihre rechte Hand bewegte sich wie von alleine und umspielte sanft ihre Brüste, die nur durch eine dünne weisse Seidenstola verhüllt waren, während Prisca alleine für sich zu träumen begann ...



    *) [SIZE=6]und war mit diesem Ausspruch wohl allen Lehrern um Jahrhunderte voraus, die heutzutage diese Version des Satzes nicht nur im Lateinunterricht so gerne verwenden.[/SIZE]

    "Die Götter sollen mich geschickt haben?" als Deandra das zu ihr gesagt hatte, musste Prisca verlegen zum Himmel schauen. Sie betrachtete kurz die Sterne, die dort oben in unerreichbarer Ferne hingen und versuchte sich ein Bild von der unendlichen Weite zu machen, die dahinter stecken mochte. Es gelang ihr nicht, nur eines schien ihr bewusst zu werden. Das man im Leben manchmal auf andere vertrauen musste und wenn man es schaffte und niemand dieses Vertrauen missbrauchte, schuf dies ein unsichtbares Band das länger halten mochte, als die Ewigkeit der Sterne dort am Himmel. Prisca war bereit dieses Band zu halten, auch wenn sie an sich selbst zu zweifeln begann. Konnte sie mit ihrer eigenen Unerfahrenheit in vielen Dingen und allen voran die Liebe selbst, überhaupt eine Hilfe und die Beraterin sein, auf die andere vielleicht insgeheim sogar hofften? ... Prisca war sich nicht sicher, nur in einem Punkt war sie es und war es schon immer gewesen. Ehrlichkeit und Vertrauen wollte sie immer mit eben solchem vergelten. So war das Einzige was sie machen konnte und woillte, das zu sagen was sie dachte und von dem sie überzeugt war, es gleich zu tun. So überzeugt, wie sie eben war das Deandra richtig gehandelt hatte als sie die Sklavin geschlagen hatte. Niemand war ohne Fehler und vielleicht bestand der einzige Fehler den man man machen konnte auch nur darin, sich überhaupt von anderen soweit bringen zu lassen, um sich mit seinem Handeln selbst die Blöße der eigenen Verletzbarkeit zu geben. Doch wer war gänzlich ohne Fehler, das er über Andere und das was sie sagten oder taten, zu urteilen berechtigt wäre?


    Aufmerksam hörte sie sich an, was Deandra sagte und sie unterbrach Deandra zunächst auch nicht, um auf die an sie gerichteten Fagen zu antworten oder auf ihre verzweifelten Worte hin etwas tröstendes zu erwidern. NUr mit ihren Blicken und sanften Gesten, wie das Drücken ihrer Hand oder eine leichte Berührung am Arm wollte sie ihrer Freundin ziegen, das sie verstand wie es in ihr aussehen musste. Wie lange sie nun schon im Garten weilten oder ob sie von den übrigen Angehörigen vermisst wurden, spielte im Moment keine Rolle. Sie hatten alle Zeit der Welt und die brauchte Prisca für sich, um sich der Bedeutung von Deandras Worten bewusst zu werden, als sie auf ihren Onkel und sein Handeln zu sprechen kam. " ...sagt ihm sein Herz nicht, wie weh er mir damit tut ..." ... Noch einmal klangen Deandras letzte Worte in ihren Gedanken nach und Prisca lies eine geraume Zeit verstreichen, ohne etwas darauf zu erwidern. Sie standen einfach nur da, jede für sich in ihren Gedanken versunken. Aber doch auf eine Art und Weise verbunden und das nicht nur mit den Händen, an denen sie sich gegenseitig hielten.


    "Ich bin nach wie vor überzeugt, dass du richtig gehandelt hast als du die Sklavin geschlagen hast... " durchbrach Prisca nach einiger Zeit die Stille und bestätigte noch einmal ihre persönliche Überzeugung." ... und auch wenn ich mich täuschen sollte, oder andere es eben anders betrachten mögen, so war deine Handlung eben nur eine rein menschliche Reaktion. Ist es nicht so, das wir uns unser ganzes Leben über so vielen Provokationen zu stellen haben? ... nicht immer mag dies mit Absicht geschehen aber manchmal reicht schon eine einfache Wespe oder Fliege aus, die uns unablässig umkreist, um zu erreichen, das wir entnervt nach ihr schlagen." Prisca wollte mit diesem Vergleich, der ihr spontan in den Sinn kam, nicht von der Ernsthaftigkeit des eigentlichen Themas abweichen und so war das Lächeln, das sie Deandra zeigte auch sehr zurückhaltend.


    "Sicher wäre es schön, sich immer und überall beherrschen zu können und über allen Dingen zu stehen. Aber wer kann schon von sich selbst behaupten, das er dazu fähig ist? Ich bin es sicher nicht ... und ich war es auch damals nicht, als ich meine ehemalige Leibsklavin persönlich bestraft und verstossen habe ..." vielleicht war das damals auch falsch von ihr gewesen und kurz geriet Prisca ins stocken als sie überlegte, ob sie davon erzählen sollte. Sie würde es Deandra sicher anvertrauen, doch im Augenlick waren Deandras Fragen wichtiger, auch wenn sie darauf selbst nicht so recht eine eine eindeutige Erklärung wusste.


    "...Niemand von uns scheint ganz ohne Fehler zu sein, so wohl auch mein Onkel nicht. Ich wünschte ich hätte eine Erklärung dafür, warum ihm sein Herz nicht sagt, wie weh er dir damit tut. Vielleicht ist gerade das sein Fehler, das er es nicht sieht....vielleicht ist es auch ein Fehler, der allen Männern eigen ist. Das sie ihr Handeln und ihr Herz von einander trennen können, es nicht einmal bemerken und sogar der Überzeugung sind, wir könnten dafür Verständnis haben ...?...konnte es dafür überhaupt eine plausible Erklärung geben? ... Priscas Erklärungsversuche klangen vielmehr wie Fragen, auf die sie selbst noch keine Antworten kannte und ebenso hilflos wirkte daher auch ihr Blick, der immer wieder zu Deandra schweifte. Prisca traute sich nicht zu fragen, was Deandra wohl letztendlich für sich entscheiden mochte. Aber was auch immer Geschehen würde, Prisca wollte für sie da sein.

    Zugegeben, heute war wohl wieder einer dieser Tage, an denen Prisca aus anfänglicher Langeweile heraus tausend Dinge gleichzeitig in Angriff nehmen wollte. Die Änderung des Kleides hatte ihr schon viel zu lange gedauert, dann das Umziehen und erst recht das Zurechtmachen ihrer Haare. Alexandros war zwar ein Meister seines Faches, jedoch war er sich wohl seines Standes als Sklave nicht recht bewusst. Sein Plappermaul stellte das jeder Frau in den Schatten und das Schlimme daran war das er sich nicht einmal durch die Androhung der Peitsche davon abbringen lies, unablässig seine Gedanken laut zu äußern. Sein Thema heute war die noch immer ausstehende "Umgestaltung" seines Lieblingsherrns namens Lupus gewesen und das hatte demnach besonders viel Zeit und Nerven gekostet.


    Zeit, die Prisca nun versuchte wieder auf zu holen und Nerven die sie nicht mehr hatte und das zusammen beeinträchtigte wohl heute arg ihren Blick für die Details. Während sie nun so da saß und Marcus stumm anblickte, versuchte Prisca an seinen Augen ab zu lesen, wie weit er mit der Lösung ihres Rätsels war. Oder dachte er gar nicht daran? Zumindest glaubte Prisca zu erkennen, dass sie ihren Onkel wohl etwas zu sehr mit ihren Worten überrumpelt hatte. "Das wollte ich nicht!" Nein, das wollte Prisca normalerweise wirklich nicht, denn sie genoß jede Minute, die sie mit ihm verbringen durfte.


    Und jetzt schien Marcus nicht mehr so recht in Stimmung zu sein, um nach ihrem schönen neuen Kleid zur raten "Das wollte ich nicht!" Nein das wollte sie nun schonmal gar nicht erreichen! ... und ihr eigentliches Anliegen stand ja auch immer noch aus. "Was mach ich jetzt am besten? soll ich nochmal fragen, ihm einen Hinweis geben? ... soll ich aufstehen, mich vor ihm drehen damit er sieht was ich mir gekauft habe? oder soll ich ihn zuerst noch einmal loben für die Entlassung dieses Gal ... Galv ..Galvus ... wie hies der noch gleich? ... ich frag einfach noch mal..." Prisca stetzte schon zum sprechen an "Du, Onkel ... dieser..." abrupt brach Prisca mitten im Satz wieder ab und ihre Augen weiteten sich erschrocken.


    Ihr Onkel starrte sie plötzlich völiig entgeistert an und richtete sich gerade kerzengerade auf seinem Stuhl auf. "Was denn? ... habe ich was falsches gesagt ... etwas angestellt? ..., oder warum sieht er mich so an?" Prisca wich unbewusst ein Stück zurück und ihr Blick fiel dabei auf die Tintenspuren auf seinem Tisch. "Ist es deswegen? "Upps! ... " "Das wollte ich nicht! Prisca griff eilig nach dem Töpfchen mit dem Löschpulver und streute es sogleich auf die Tinte, damit nichts auf seine Unterlagen traf.


    "Heute klappt aber auch wirklich nichts!", dachte sich Prisca und hörte schon wieder nur mit halben Ohr hin, was ihr Onkel sagte. Marcus fragte offensichtlich gerade nach, was sie von ihm wissen wollte und just in diesem Augenblick fiel ihr selbst der Name wieder ein. "Ach, Galvinius hieß der Mann. Nicht so wichtig, mir war nur der Name entfallen. ... Jedenfalls war es sehr gut, dass du ihn entlassen hast!" murmelte Prisca geistesabwesend in die Frage ihres Onkels hinein und wollte dafür ihr Lob noch einmal zum Ausdruck bringen. Der Blick und ihre Konzentration galt immer noch ganz den Tintenflecken auf der Tischplatte, die sie aber erfolgreich "bekämpfen" konnte. "So! ... entschuldige bitte ...das wollte ich nicht!" Prisca tupfte den letzten Rest ab, prüfte gewissenhaft ob ihre Finger auch ja nicht blau geworden waren und sah wieder blinzelnd zu Marcus auf. Nun wollte sie sich endlich ganz auf ihen Onkel konzentrieren. "Nun rate doch endlich einmal, was es ist!" bettelte sie dann doch wieder voller Ungeduld und sah Marcus dabei ganz unschuldig an.


    Tja, heute war anscheindend so ein Tag, an dem doch alles und nichts ohne Grund geschah ... und man sich vielleicht wünschte, dieser Tag gehe so schnell wie möglich vorüber. 8)



    [SIZE=7]edits/ sorry ein paar kleine Fromulierungen passten nicht so ganz zusammen. Jetzt aber![/SIZE]

    Sim-Off:

    danke =) und das Kompliment seeeehr gerne zurück gebe!!


    Die Wiederholung des gemeinsamen Freundschafts-Schwures tat beiden gleichsam gut. Prisca erkannte es an Deandras Lächeln und erwiderte es eben so offen und ehrlich, wie sie sich selten jemandem gegenüber zeigte. Seltsam nur, das Prisca gerade in diesem Augenblick an die beiden Menschen denken musste, die ihr Vertrauen am aller meisten enttäuscht und hintergangen hatten. Prisca sah das Gesicht ihrer ehemaligen Freundin Serena und das ihrer Leibsklavin Leonita vor sich. Aber nur für den Bruchteil einer Sekunde huschten diese Schatten der Vergangenheit vorüber, welche Prisca schon so tief in ihrem Inneren vergraben geglaubt hatte. Das beirrte Prisca jedoch keineswegs - im Gegenteil - Deandras Nähe, ihre Ausstrahlung und vor allem ihre Offenheit und Ehrlichkeit taten Prisca unendlich gut und das alleine zählte für sie.


    So klangen Deandras Worte auch aufmunternd und wie eine Aufforderung ihre Gedanken mit zu teilen. Prisca redete frei heraus und im Endeffekt nahm sie mit dem was sie sagte, ihren Onkel vielleicht sogar etwas in Schutz. Für Deandra schien diese Sichtweise jedoch völlig neu zu sein, denn sie hörte lange und aufmerksam zu und wirkte dabei sehr nachdenklich. Ihre Antwort letztendlich glich einem Eingeständnis und einer Erkenntnis zugleich, mit der sie die Verantwortung allein auf sich laden wollte. Doch das war in Priscas Augen weder richtig noch nötig. So schüttelte Prisca auch ebenso ehrlich den Kopf und vielleicht gab es ja den richtigen Anstoss für beide. „Nein Deandra, du bist keinesfalls eine Närrin für mich! ... ich kann dich sogar sehr gut verstehen! Ich weiß das ich mich damals, nachdem ich vom Tod meiner Mutter erfahren habe, ebenso zurück gezogen hätte wenn du und Marcus nicht gewesen wärt. Ihr habt mich getröstet und mir das Gefühl gegeben nicht alleine zu sein. ... Aber wie du selbst gesagt hast sehen wir selbst diese Dinge nicht, oder vielleicht erst hinterher klarer ... also wären wir wohl alle gleichsam Narren ... aber das sind wir nicht!


    Prisca bedachte ihre Freundin mit einem dankbaren Blick und noch ehe Deandra darauf etwas hätte erwidern können zeigte Prisca auf, worin sie sich selbst als Närrin sah. Ihr kurzes Auflachen war nicht gewollt, um einen belanglosen Scherz zu unterstreichen. Es war vielmehr die Erkenntnis ihrer eigenen Naivität die ihr augenblicklich in den Sinn kam noch während sie von Deandra, mit einem sanften Zug am Arm, zum weitergehen animiert wurde. Deandra schaffte es mit ihrer herzlichen Art und wie sie es beschrieb, dass nun auch Prisca mit ihr gemeinsam lachen konnte und das, obwohl sie sich selbst eingestehen musste wie wenig sie tatsächlich über die Liebe und die Beziehung zu Männern wusste. "Siehst du, was Männer betrifft, bin wohl ich eine ahnungslose Närrin!" gab sie lachend zu und unterbrach ihre Freundin ansonsten nicht. Aufmerksam verschlang sie jedes Wort von Deandra und verinnerlichte es sogleich für sich. Wie genau sie alles in der Wirklichkeit umsetzen sollte war ihr noch nicht völlig klar. Aber zumindest wusste Prisca, auf wessen Rat sie sich verlassen wollte.


    Mit ihrer Mutter hatte sie früher nie über offen über die Liebe und die Beziehung zu Männern sprechen können, denn für ihre Mutter blieb sie bis zuletzt das kleine Mädchen, das es zu beschützen galt. Prisca und ihre Freundinnen waren allesamt jung und unwissend, um einander wirklich gute Ratgeberinnen in diesen Dingen zu sein. Und was war mit ihrer ehemals besten Freundin Serena? ... wieder flackerte schemenhaft ihr Antlitz vor Prisca´s innerem Auge auf. Mit Serena hatte sie weit mehr verbunden als reine Freundschaft. Doch konnte man das als wahre und echte Liebe bezeichnen, was sie damals für einander empfunden hatten ...? Prisca seuftzte innerlich tief auf. Es half nicht sich mit der Vergangenheit zu beschäftigen. Die Zukunft zählte und Deandras verschwörerischer Blick, der sie nun traf, machte Prisca Mut. Mit Deandra würde sie über alles reden können in dem Wissen, das sie von ihr verstanden würde. "Ja! ... das möchte ich sehr ... sehr gern! Für jetzt und für die Zukunft! Ich komme dich besuchen, oder du mich und wir unternehmen beide etwas zusammen. Rom hat doch so viel zu bieten!" erwiderte Prisca ohne Zögern und die Betonung wie sie es sagte verdeutlichte, dass sie immer sehr viel Wert auf Deandras Ratschläge legen würde, bei welcher Gelegenheit auch immer sie sich treffen wollten.


    Und so wertvoll wie jeder Ratschlag und jedes weitere Treffen waren die Erinnerungen, die Deandra bereit war mit ihr zu teilen. Das sie dabei schneller voran schritten und wohin sie gerade gingen, bemerkte Prisca ohnehin nicht mehr, denn sie hörte nur gebannt zu. Hinter einem leichten Kopfschütteln verbarg sich das Unverständnis dafür, dass der leibliche Vater seine Tochter einfach abgelehnt hatte. Prisca verstand das überhaupt nicht und erst, als Deandra von ihrer Beziehung zu Marcus sprach, kehrte ein entspanntes Lächeln zurück auf ihr Gesicht. Doch nur solange bis die Erzählung den Punkt erreichte in dem es um Camryn ging. Mit einem Schlag wurde Priscas Miene ernst und nachdenklich.


    Sie rief sich ins Gedächtnis wie diese Sklavin versuchte hatte, gleich am ersten Tag Einfluss auf sie zu nehmen. "Hatte Camryn nicht gesagt, ich würde schnell am eigenen Lieb erfahren wie einnehmend Deandra ist und wie sehr sie jedem und auch mir den Umgang mit Marcus neidet?" Prisca stellte sich die Frage im Rückblick und fand nichts davon bestätigt. Auch wenn sie gerne weiter auf Deandras Vergangenheit eingegangen wäre, hatte das Gespräch im Augenblick ein ernstes Thema erreicht. Doch das störte Prisca nicht weiter denn dafür waren Freundinnen da, um sich gegenseitig bei zu stehen. Mit einem besorgten Blick zog sie Deandra sachte näher zu sich. "Wer möchte schon in einer feindlichen Atmosphäre leben?! Noch dazu wenn sie durch eine Sklavin verursacht wird! Du hast völlig richtig gehandelt, dass du sie geschlagen hast!" bestätigte Prisca zuerst Deandras Reaktion und ihre Stimme klang hart, was aber nicht gegen Deandra gerichtet war. Nur musste sie gleichzeitig an ihre Sklavin Leonita denken und das machte sie wütend. " Und wie hat Marcus reagiert, hat er sofort gehandelt und Camryn ein für alle mal zurecht gewiesen? ... ist diesbezüglich wieder alles in Ordnung für dich?" erkundigte sich Prisca dann und ihr Tonfall wurde zusehends wieder weicher. Eigentlich hatte Prisca keinen Zweifel, dass ihr Onkel Bosheiten von Sklaven unter keinen Umständen dulden würde.

    Sehr aufmerksam und kritisch verfolgte Prisca, was Marcus über seine Eltern und anschließend über die Ehe sagte, auch wenn sie nur unmerklich dazu nickte während sie noch die Figuren in den Händen hielt. Insgeheim verspürte Prisca ein wenig Angst, als sie kurz über ihre eigene Zukunft nachdenken musste. "Ob Marcus mir das auch an tun könnte? ... mich zum Zweck eines Bündnisses oder wegen eines politischen Zieles zu verheiraten? ... Nein, sicher würde er es niemals absichtlich tun, aber würde er es überhaupt bemerken, wenn ich dadurch unglücklich wäre ... oder würde er etwas dagegen tun können?" So, wie ihr Onkel zumindest jetzt - nüchtern und sachlich - über seine künftige Ehe mit Deandra sprach, kamen ihr ganz leise Zweifel was das betraf. Ihr Blick strich nur kurz über sein Gesicht während sie sich dem Altar zuwandte und sie versuchte erfolglos davon ab zu lesen, wie viel von seinen wahren Gefühlen und Sorgen in seinem leisen Seufzer unausgesprochen blieben. Sie wusste ja bereits, wie er und Deandra zu einander gefunden hatten. Deandra hatte es ihr anvertraut und gleichwohl glaubte Prisca in dieser Erzählung viel mehr Romantik und Liebe herausgehört zu haben, als sie es nun den Worten ihres Onkels entnahm. Aber hier war weder der Ort und die Zeit dafür, noch hätte es ihr zugestanden dieses Thema von sich aus an zu sprechen. Letztendlich mochten all diese Zweifel auch unbegründet und unbedeutend sein angesichts des großen Vertrauens, das Prisca zu ihrem Onkel hatte.


    So empfand Prisca die Stille die eintrat, während sie die Figuren auf dem Altar ausrichtete, auch nicht unangenehm. Es gab ihr Zeit um diese Gedanken nicht zu sehr in eine Richtung abschweifen zu lassen. Marcus gab ihr recht, was sie über die Ahnen gesagt hatte und im Stillen verband sie noch einen Wunsch damit "... Mutter ... du hattest immer recht, was du über die Liebe ... und auch über Familie und ihre Bedeutung gesagt hattest. ... Das erkenne ich jetzt ... und ich verspreche dir, das ich mich immer daran erinnern will und versuche werde, danach zu handeln ..."


    Ihr Onkel war die ganze Zeit über still gewesen, während sie sprach und sich bei ihm einhakte. Woran er gerade dachte wusste Prisca nicht. Sein Schmunzeln und wie er ihr so zu zwinkerte sah aber ganz danach aus, als hätte er ihre Gedanken erraten und das Lob, das er ihr nun aussprach bewegte Prisca tief. Vergessen waren plötzlich alle anderen Gedanken und verlegen lächelnd sah Prisca kurz zur Seite. Sie spürte wie sie rot wurde und anstatt etwas darauf zu erwidern, nickte sie nur leicht und drückte sich ein wenig mehr an Marcus, um so ihren Dank zu zeigen.


    Doch schon in der nächsten Sekunde entstand durch seine fürsorgliche Bemerkung und der folgenden Zeremonie eine sehr seltsame Stimmung zwischen Gelöstheit und Bedrücktheit. Marcus schenkte ihr einen so großen Teil seiner Aufmerksamkeit und Fürsorge, obwohl ihn selbst so viele Sorgen zu belasten schienen. Prisca bekam direkt ein schlechtes Gewissen und wusste gar nicht mehr, wie sie sich augenblicklich verhalten sollte. Sollte sie nach seinen Sorgen fragen? ... wollte er das überhaupt ... und vor allem jetzt? Es erschien ihr allein von dem ab zu hängen, was sie als nächstes sagen würde. Ob nun die Stimmung in die eine, oder andere Richtung umschlagen würde.


    "Stimmt ... Volcanus! ... den ... dürfen wir nicht vergessen!!" entgegnete Prisca zögerlich, denn viel zu früh hatte Marcus sie aus ihren Gedanken gerissen. Und zu unsicher klang ihre Stimme, als das es ihm nicht auffallen würde. Also rettete sie sich schnell in die Beantwortung seiner fürsorglichen Bemerkung die ihre Unsicherheit überhaupt ausgelöst hatte. "... du wolltest wissen, was mich heute schon den ganzen Tag über bedrückt? ... es ist wirklich nichts Ernstes, Marcus ... Frauen haben eben ab und zu ihre Tage. ... es gibt sicher schlimmeres ... habt ihr Männer da nicht ganz andere Sorgen?" peinlich war es ihr schon, es zu erwähnen... gerade jetzt und hier! Verlegen lächelnd zuckte Prisca kurz mit den Schultern. Aber es riss sie auch wieder aus ihrer Starre. Und wer weiß, vielleicht zeigte dieses offene Geständnis Marcus ja auch, dass er seine Sorgen ebenso mit ihr teilen könnte, wann immer er wollte.

    "... Familie ist etwas Wunderbares ...", wiederholte Prisca im Stillen die aufbauenden Worte und erwiderte mit einem Seitenblick zu Deandra ebenso herzlich das Lächeln. Den Tod ihrer Mutter hatte sie immer noch nicht ganz überwunden, aber sie konnte mittlerweile gut damit umgehen. Hatte sie doch auch viele liebe Menschen neu dazu gewonnen. Besonders Deandra und ihr Onkel waren ihr dabei ans Herz gewachsen. Nicht als Eratz für ihre Eltern ... nein, Prisca betrachtete Marcus eher als den großen Bruder und Deandra war für sie zu einer Freundin geworden, der sie sich ganz anvertrauen wollte. "Ja, was die Familie betrifft, geht es mir gut!" bestätigte sie daher noch einmal leise für sich die Worte von Deandra und lies den Blick für einen Moment umher schweifen.


    Als sie wieder zu Deandra sah, nahm Prisca ihren hilflosen Gesichtsausdruck sehr wohl wahr. Aber weder der Scherz noch die Erklärung Deandras halfen Prisca wirklich, alle Ängste bezüglich der Zukunft zu zerstreuen. Mehr noch kamen sie zurück, da auch Deandra solche Gedanken zu plagen schienen obwohl sie doch schon so viel länger ein Teil der Aurelier war und durch ihre Heirat auch immer mit ihr verbunden wäre. Prisca versuchte sich vergeblich ins Gedächtnis zu rufen, wer denn überhaupt Deandras leibliche Eltern waren, denn einfach nach zu fragen traute sie sich augenblicklich nicht. Deandra sprach davon morgen die Villa zu verlassen, der Tod der Eltern und die Beziehung zu Marcus, das alles fügte sich zu einem Bild zusammen, welches die Verzweiflung von Deandra wieder spiegelte. Prisca erschien eine Lösung mit einem Mal so einfach und doch war es ihr nicht möglich einen passenden Rat zu erteilen. ... konnte und durfte sie das überhaupt? Zu wenig wusste sie eigentlich über die Beziehung von Deandra und Marcus.


    Die Erinnerung an die die Nacht in Mogontiacum sollte zunächst helfen. Damit wollte Prisca sich und Deandra noch einmal verdeutlichen, das sie aufeinander vertrauen konnten, egal was geschah. Als Deandra ihr schließlich antwortete und sie hoffnungsvoll dabei ansah war Prisca froh, diese Frage gestellt zu haben. Augenblicklich ergriff und hielt sie die Hand ihrer Freundin fest, um sie zu drücken. "Wo auch immer wir beide wohnen werden ..." bekräftigte Prisca die Worte lächelnd und gab ein Versprechen, welches zugleich ihr Wunsch für die Zukunft sein sollte."... wir wollen stets für einander da sein!" Nur wie konnte sie ihrer Freundin jetzt am besten beistehen? Deandra hatte ihre Lage gerade selbst geschildert. Sollte sie noch einmal darauf eingehen oder das Thema lieber wechseln. Prisca versuchte in Deandras Augen zu lesen was sie sich wünschte, während sie sich einen Moment lang stumm gegenüber standen.


    „Deandra?! ... was du vorhin gesagt hast ... über deinen Umzug in die Villa Claudia, über Marcus und worüber ihr in den letzten Wochen nicht reden konntet ...musst du wirklich schon morgen umziehen?“ begann Prisca ganz leise, ihrer spontanen Eingebung folgend, das Thema noch einmal aufgreifend „ ... ich fürchte ich bin eine schlechte Ratgeberin, was solche Dinge betrifft denn ich war noch nie verlobt gewesen, noch habe ich in einer festen Beziehung zu einem Mann gestanden ...“ entschuldigend schickte Prisca voraus, wie wenig sie eventuell die Situation richtig einschätzen konnte und ein wenig verlegen blickte sie kurz zu Boden. „... aber ich will ganz offen sein. ... Ich glaube nicht, dass Marcus dich absichtlich verletzten will. Es erscheint mir fast so, dass ihn die Sorge um die gesamte Familie viel mehr belastet, als er selbst bereit wäre zu zu geben. Der Tod eurer Eltern ... der Eltern von Helena und Sisenna und auch der meiner Mutter. Durch all diese Schicksalsschläge lastet nun die gesamte Verantwortung auf seinen Schultern.“ Prisca machte ein kurze Pause, denn sie beneidete ihren Onkel nicht um dieses schwere Amt und es war die einzige plausible Erklärung für sie, dass Marcus sich so verhielt. "Ich bewundere Marcus dafür, wie er sich dieser Verantwortung stellt und wie er sich um jeden Einzelnen in der Familie kümmert. Aber er scheint gar nicht mehr zu bemerken, wie sehr er dich dabei vernachlässigt.“


    Wieder verstummte Prisca und dachte darüber nach wie sie selbst darauf reagieren würde und mit einem kurzen Auflachen kam Prisca zu der Erkenntnis, wie sich wohl verhalten würde. „Ich glaube allerdings auch, dass ich mich selbst ganz anders verhalten würde. Ich würde ihn wahrscheinlich drängeln, ihn zur Rede stellen und mir damit die Blöße meiner eigenen Eifersucht geben. Vielleicht würde ich dadurch mehr zerstören als retten zu können und sicherlich würde ich mich selbst meiner Würde berauben. ... aber was ist nun besser? “ Prisca seufzte merklich ... wie sollte man darauf nur eine Ideallösung finden. Dementsprechend hilflos wirkte nun auch Prisca kurzzeitig, obwohl sie eigentlich zuversichtlich sein wollte. Ob sie einmal mit ihrem Onkel darüber reden sollte? Andererseits wusste sie nicht, ob das Deandra recht wäre. "Ungewiss mag vielleicht unsere Zukunft sein, aber gemeinsam bauchen wir uns davor nicht zu fürchten! Erzählst du mir etwas von dir und Marcus? Ich weiss nicht einmal wie ihr zueinander gefunden habt. fragte Prisca dann ganz spontan und wollte damit neuen Mut für alle fassen.

    Während Prisca ihren Onkel unvermittelt ansah stellte sie erleichtert fest, für ihren "Überfall" keinen allzu schlechten Zeitpunkt gewählt zu haben. Zumindest hatte ihr Onkel wohl nichts davon mit bekommen, dass die Villa vorrübergehend fast sklavenlos war. Dennoch legte sie nun überrascht die Stirn in Falten und begann zu grübeln, als Marcus die Schreibfeder zur Seite legte und ihr als erstes von einem Mann erzählte. "Galvinius Brisco? soll mir der Name etwas sagen und warum erzählt er mir, dass er ihn entlassen will? ... wer soll das denn überhaupt sein? ... das ist doch nicht etwa, nein ... das wird doch nicht etwa gar der paedagogus von Sisenna sein? ... aber andererseits ist das ja auch völlig egal ob er es ist oder nicht. Wenn dieser Brisco entlassen wird, ist die Stelle jedenfalls frei. ... Und was ist jetzt mit meiner stola, fällt dir denn gar nichts auf? ... na los, sag schon!" diese Entlassung schien ihren Onkel anscheindend zu beschäftigen, aber Prisca wollte eigentlich nicht näher darauf eingehen. Sie hatte ja selbst einige wichtige Anliegen die sie vorbringen wollte. Daher waren auch ihre Gedanken wohl etwas aus der Luft gegriffen.


    "Du entlässt Galvinius Brisco? ... sehr schön ... du hast ganz Recht, er gehört entlassen! ... aber deswegen bin ich gar nicht hier ..."


    Prisca winkte kurz ab und mit einer sehr geschäftigen aber wohl auch etwas seltsam klingenden Belobigung, wollte sie das Thema damit auf sich beruhen lassen. Seine Aufmerksamkeit für den eigentlichen Grund ihres Besuches hatte sie wohl ohnehin schon für sich gewonnen. Das entnahm Prisca seiner scherzenden Bemerkung und dem Augenzwinkern mit dem er sie nun ansah. Da ihr heute ohnehin langweilig war, beschloss Prisca kurzerhand die willkommene Gelegenheit zu nutzen, um noch ein wenig länger mit ihrem "großen Bruder" - wie sie ihren Onkel insgeheim auch bezeichnete - zu plaudern und auch gemeinsam ein bisschen herum zu albern.


    Prisca blickte auf die Schreibfeder, die zwischen ihnen auf dem Tisch lag und begann diese mit dem Zeigefinger etwas verlegen auf der Tischplatte hin und her zu drehen. Sie tat so als wäre sie plötzlich zu schüchtern, um ihr Anliegen direkt vor tragen zu können.


    " ... nein ich bin hier, weil .... aaaaber das errätst du nie! Ich habe nämlich neulich auf dem Markt jemanden kennen gelernt ..."


    Wieder blickte sie zu Marcus hinüber. Diesmal ein wenig herausfordernd aber auch mit einem herzlichen Lächeln, während sie in weiter so geheimnisvoll in Rätseln sprach. Ob ihm endlich auffiel was sie sich Schönes gekauft hatte. Oder befürchtete er jetzt gar, sie hätte irgendwelche Männerbekanntschaften geschlossen? Wen sie kennen gelernt hatte konnte Marcus ja nicht wissen, solange Trautwini nicht darüber geplaudert hätte. Aber das war wohl eher unwahrscheinlich.

    Nichts geschieht ohne Grund. Und Prisca hatte sogar einen sehr guten Grund, um einfach unangemeldet in das Büro ihres Onkel zu stürmen. Dass sie ihn bei seiner Arbeit stören könnte, kam Prisca dabei gar nicht in den Sinn. Schließlich hatte sie Plotina etwas versprochen und was sie versprach, das hielt Prisca auch. Und bei dieser Gelegenheit könnte sie ihm auch gleich die neu erworbene weisse stola zusammen mit der safrangelben palla vorführen. Die blaue Borte hatten die Sklavinnen bereits durch eine Borte mit goldenen Stickereien ersetzt und so gekleidet, erreichte Prisca endlich das Büro ihres Onkels.


    "Wahrscheinlich wird ihm gar nicht auffallen, dass ich mir eine neue stola gekauft habe ... na hoffentlich hat er dann ebenso wenig bemerkt, dass ich mir für den Einkaufsbummel, Trautwini und die halbe Sklavenschar ausgeliehen habe" dachte sich Prisca noch, als sich ihre Hand bereits auf die Klinke der Türe legte. Sie war so in Eile, dass sie gar nicht anklopfte, geschweige denn auf ein "Herein" oder auf die Hilfe eines Sklaven gewartet hätte. Sie öffnete einfach selbst die Türe und trat auch schon ein....


    "Salve Marcus! wie geht es dir? ... lass dich von mir nicht stören ... ich will dich auch gar nicht lange aufhalten ... aber, es ist sehr wichtig!" kündigte sie sich ihm freudig an und schritt ohne Umschweife auf den Schreibtisch zu, an dem ihr Onkel über seine Arbeit gebeugt saß. Prisca setze sich ihm gegenüber auf einen Stuhl, stütze die Ellbogen auf der Tischplatte ab und legte ihr Kinn in die gefalteten Hände. Erwartungsvoll starrte sie ihn so an und lies ihn erst einmal raten ...

    Den ersten Teil des Weges gingen sie nur stumm nebeneinander her. Doch auch diese Zeit der Stille empfand Prisca, in der Gesellschaft von Deandra, als sehr angenehm. Es war eben keine Stille die sich dadurch begründete, dass sie sich nichts zu sagen hätten, sondern sie war viel mehr wie der Anfang von dem, was sie sich noch alles anvertrauen könnten. Die Zeit der Reisen schien – zumindest was Prisca betraf – nun vorüber zu sein. Und tatsächlich stellte sich bei ihr, bereits so kurz nach ihrer Ankunft in Rom, gerade so etwas wie Fernweh ein. Vielleicht mochte eine solche Ruhelosigkeit normal sein, angesichts einer so langen Reise, die hinter ihr lag. Anderseits glaubte Prisca den Grund dafür darin zu erkennen, dass sie einfach nicht abschätzen konnte, was das Leben hier in Rom noch alles für sie bereit halten mochte. Die Familie in die sie nun gefunden hatte, bedeutete ihr so viel und die Vorstellung, sie eines Tages gegen ein anderes Zuhause tauschen zu müssen, ängstigte sie insgeheim.


    Aber was war mit Deandra los? War sie immer noch so in Trauer über den Tod ihrer Eltern, oder war es ihre Beziehung mit Marcus die sie beschäftigte, oder gar eine Mischung aus beidem? Genügend Anzeichen für diese Vermutungen gab es und nur wenn Prisca blind gewesen wäre, hätte sie diese übersehen können. Doch ehe Prisca von sich aus das Gespräch beginnen konnte, richtete nun zuerst Deandra die Frage nach dem Befinden an sie. Prisca erwiderte kurz den Blick von Deandra und sah dann nachdenklich wieder nach vorne auf den Weg, der sie durch den Garten führte.


    "ich glaube, mir geht es ähnlich wie dir. ... Auch ich bin froh darüber endlich wieder in Rom zu sein. Aber mehr noch freue ich mich darüber, eine so liebe und große Familie gefunden zu haben. Das macht mir den Verlust meiner Mutter, sofern man das so sagen kann, zumindest ein wenig erträglicher, weil ich weiß das ich nicht alleine bin." gestand Prisca und betrachtete ein wenig wehmütig die Blumenbeete an der Seite des Weges. Sie wollte ganz ehrlich sein, was ihre Gedanken und Ängste betraf und es fiel ihr eigentlich ganz leicht, denn stets hatte sich Deandra ihr gegenüber fürsorglich und freundschaftlich verhalten.


    "Allerdings plagt mich ein wenig die Ungewissheit über das, was mich hier in Rom erwarten wird. Für mich bedeutet es wohl auch, dass ich früher oder später dieses Haus und diese Familie wieder verlassen werde ... " Ihre Ängste vor einer Verbindung und einer Heirat waren es, die Prisca damit umschreiben wollte. Sie fürchtete etwas für immer aufgeben zu müssen, was sie in so kurzer Zeit so lieb gewonnen hatte. Sicher bliebe sie immer ein Teil dieser Familie, allerdings kämen irgendwann andere Pflichten und Aufgaben auf sie zu, die sie zu erfüllen hätte.


    "Aber was rede ich eigentlich ... eigentlich dumm von mir solche Gedanken ausgerechnet jetzt zu haben, findest du nicht? Vielmehr sollte ich froh darüber sein, auf absehbare Zeit nicht wieder in einen engen Reisewagen gepfercht zu werden ... aber im ernst, ich mache mir gerade Sorgen über etwas, das ich gar nicht einschätzen kann. " kopfschüttelnd und leise vor sich hin lachend kam Prisca zu ihrer eigenen Erkenntnis und schnell versuchte sie dieses Thema mit einem Scherz zu verdrängen. Dann blieb sie aber stehen und mit einem Seufzer und einer Verlegenheitsgeste zupfte sie kurz ihre palla zurecht, denn sie glaubte in Deandras Worten eben, eine sehr viel größere Verzweiflung heraus gehört zu haben.


    "... Aber was ist mit dir? ... wieso glaubst du, kannst du dich nicht auf die Zukunft hier freuen?" fragte Prisca teilnahmsvoll und wandte sich mit einem besorgten Gesichtsausdruck an Deandra. Ihre Vermutungen sprach sie dabei bewusst nicht aus. Vielleicht hatte Deandra augenblicklich ganz andere Sorgen und Pläne, über die sie gar nicht sprechen wollte.


    "... erinnerst du dich eigentlich noch an die Nacht in Mogontiacum, in der wir uns das erste Mal begegnet sind?" vielleicht klang es belanglos und wie ein zusammenhangloser Themenwechsel. Aber so andächtig wie Prisca es direkt im Anschluss anfügte, wollte sie Deandra damit zeigen wie sehr viel mehr sie damit verband. Indes blickte sie hoch zum Himmel und entdeckte dort die ersten Sterne die sich, im Licht des frühen Abends, dort zaghaft ab zu zeichnen begannen. Es versprach ein sehr schöner Sternenhimmel zu werden und vielleicht hätten sie auch das Glück, dort oben eine Sternschnuppe zu entdecken.

    Gebannt verfolgte Prisca mit den Augen die feinen Rauchfäden, die von den Schale mit der glimmenden Kohlen aufstieg. Der angenehme Geruch wurde noch intensiver und bei den Worten, sie sei zu Hause, trat sie unbewusst einen Schritt näher zum Altar und neben ihren Onkel. Sie tat es ihm nach und streute nun ihrerseits ein paar der Körner in die Schale. Prisca spürte nicht nur die Wärme, die von den glimmenden Kohlen aus ging, sondern auch die Wärme und Verbundenheit, die in den bestätigenden Worten von Marcus lagen und die ihr bewusst machten, wie wohl sie sich in seiner Nähe fühlte.


    Und dieses wohlige Gefühl in ihr wechselte in eine tiefe und echte Ergriffenheit über das, was Marcus über seine Eltern erzählte. Ganz vorsichtig, nahm sie jede der beiden Figuren von ihm entgegen und hielt sie ihn ihrer Handfläche geborgen. Während sie zu hörte ruhte ihr Blick unablässig auf den Figuren in ihrer Hand und im flackernden Licht des Lalariums wirkte es fast so, als würden die beiden Figürchen, durch das Erzählte, selbst lebendig. Es war seltsam, aber so traurig die Geschichte auch war, berührte sie Prisca auch auf eine andere Art und Weise. Diese beiden Menschen waren auf ewig in ihrer Liebe zueinander, untrennbar miteinander verbunden und die Vorstellung und Hoffnung, einmal selbst einen solchen Menschen zu finden, gaben ihr Mut und Hoffnung für die Zukunft.


    "Deine Eltern müssen einander sehr ... sehr geliebt haben. So sehr, das nichts und niemand ihrer Liebe, jemals etwas anhaben kann. .... Ich bedauere es sehr, dass ich sie niemals persönlich kennen lernen durfte." begann sie leise und andächtig zu sprechen, nachdem Marcus verstummt war. Sicherlich war Prisca nicht besonders geübt, jemand anderem Mut oder Trost zu zu sprechen. Umso ehrlicher klangen ihre Worte nun, denn es berührte sie selbst tief., Waren sie doch beide, in der schwersten Stunde ihrer Eltern, weit weg von zu Hause gewesen.


    „Weißt du, was ich mich gerade frage? ... ob es überhaupt möglich ist, sich keine Vorwürfe zu machen wenn etwas geschieht, das wir nicht mehr ändern können ..." Die Figuren nun mit beiden Händen umschlossen trat Prisca an den Altar, während sie die Gedanken, die sie mit einem mal beschäftigten, laut äußerte.


    ".. ist es nicht vielmehr so, das wir jede unserer Entscheidungen, egal wie richtig oder falsch sie uns erscheinen mag, im nach hinein anzweifeln und mit dem vergleichen wollen, das wir nicht gewählt haben? ... Und doch führt es letztendlich zu nichts, weil wir es eben nicht mehr ändern können."


    Behutsam stellte sie die Figuren von Marcus Eltern auf den Altar zurück und richtete sie gewissenhaft darauf aus, bis sie leicht einander zugewandt wieder dort standen, von wo Marcus sie zuvor weg genommen hatte. Gerade musste Prisca daran denken, wie oft sie unbedacht die Gelegenheiten hatte verstreichen lassen, mit ihrer Mutter zusammen zu sein. Und nun war es ihr nicht möglich, diese Zeit zurück zu holen.


    "Nur einer Sache können wir uns ganz sicher sein und das ist die Liebe unserer Eltern zu uns, egal was wir getan haben." bei diesen Worten klang Prisca überzeugt, auch wenn ihre Augen voller Tränen glänzten, denn ihre Mutter hatte sich nie darüber beklagt, sondern ihr immer deutlich zu erkennen gegeben, wie sehr sie ihre Tochter liebte. Prisca trat vom Altar zurück und stellte sich neben ihren Onkel. Etwas zaghaft hakte sie sich bei ihm ein und sah zu ihm hoch.


    "Ich hoffe so sehr, dass wir es unseren Eltern vergelten können, indem wir sie ehren und uns an sie erinnern. ... und indem wir auf die, die wir lieben, acht geben!" auch wenn ihre Worte eher unsicher klangen, nickte Prisca ihrem Onkel mit einem zuversichtlichen Lächeln zu. Sie wollte ihm damit zeigen, dass auch sie auf ihn und die Familie acht geben wollte, so wie es sich ihre Mutter und auch seine Eltern vielleicht gewünscht hatten.

    Auf einem Markt wie diesem, mochte die Nachlässigkeit des Äußeren, für eine Patrizierin wie Prisca, eben zu sehr wie eine Gewohnheit der Masse aus sehen, als dass sie dahinter einen bestimmten Grund des Einzelnen vermutet hätte. Und Prisca kannte Plotina ja noch nicht lange genug, um einen Vergleich zu ziehen. Zwar hatte Plotinas Antwort nun gänzlich jeden ihrer Zweifel zerstreut, doch so richtig wohl fühlte sich Prisca wegen ihrer Bemerkung eben nicht. Vielleicht war es das Zwinkern der Sergiern gewesen, das Prisca darüber ins Grübeln brachte, doch fand sie im Moment keine plausible Erklärung und daher unterlies sie jede weitere indiskrete Äußerung.


    Eine ausgesprochene Entschuldigung wäre wohl ebenso unangebracht wie überflüssig gewesen und daher nickte Prisca nur zu Plotinas Worten. Ihr Blick wirkte sichtlich verlegen und schließlich sah sie sogar kurz zu Boden, bevor dieser Augenblick auch schon wieder vorrüber war. Denn nun stand also die Verabschiedung an und Trautwini kam sofort herbei geeilt, um sich zur Sicherheit die Adresse der Sergiern auf das Wachstäfelchen zu schreiben. "Sergia Plotina, in der Via Nomentana ... in Rom" fasste er andächtig und ganz langsam ablesend noch einmal wirklich alle für ihn relevanten Details zusammen und lächelte der Sergiern noch einmal herzlich zu.


    "Ich werde meinen Onkel fragen, sobald ich ihn sehe und dir dann umgehend eine Nachricht zukommen lassen, Plotina. ... ich danke dir für deine Gesellschaft, die ich sehr geschätzt habe und meine besten Wünsche und der Segen der Götter sollen dich auf deinen Wegen begleiten in der Hoffnung, dass sie uns ein baldiges Wiedersehen voraus bestimmt haben. ... Vale bene, Plotina!"


    Mit diesen Worten und mit einem freundlichen Lächeln zum Abschied, bedachte Prisca noch einmal die Segierin. dDnach nickte sie kurz der Händlerin zu und gab letztendlich das Zeichen für die Sklaven, um sich auf den Rückweg zur Sänfte zu machen.

    Das Euridyke kein solches Haarnetz mehr im Sortiment hatte, fand Prisca nicht weiter tragisch. Die Bemerkung, das sie den Stand leer gekauft hätte, amüsierte sie hingegen sehr und so nickte sie der Griechin lachend zu "Ich werde sicher wieder bei dir vorbei schauen, aber nicht heute ... versprochen!" Es wurde ohnehin langsam Zeit, sich auf den Rückweg zu machen. Den Rest der Einkäufe würden sie heute nicht mehr erledigen und morgen war auch noch ein Tag, um ein zu kaufen. Und mit diesen Worten überlies sie es Euridyke und Trautwini dann auch, das Geschäftliche zu regeln und wandte sich lieber wieder Plotina zu.


    "Was? ...nein! ich wollte damit nicht andeuten, dass ich an deinem Ruf zweifle, werte Plotina ... aber es freut mich natürlich zu hören, dass dein Ruf völlig untadelig ist."
    gab Prisca etwas überrascht zur Antwort. Leider hatte Plotina ihren dezenten Wink wohl nicht verstanden. Aber es war trotzdem gut zu wissen, denn schließlich wollte Prisca für Plotina ein gutes Wort bei ihrem Onkel einlegen. Und was Prisca einmal begonnen hatte, das führte sie auch zu Ende.


    "Nein, was ich sagen wollte ist ... mein Onkel, naja ... er ist eben ein Mann! ... und als solcher wird er sicherlich auch nach dem ... Äußeren urteilen ..."
    Prisca tat sich sichtlich schwer es durch die Blume zu sagen, denn eigentlich war sie sonst immer sehr direkt. Dieser Umstand konnte eigentlich nur bedeuten, dass sie die Sergiern wirklich mochte und daher sah sie Plotina nun auch erwartungsvoll an und hoffte, dass sie endlich verstanden hätte.


    "Ach was rede ich lange! ... also, was die Referenzen betrifft, ist das mit der Diploma doch schon mal sehr gut und was das Gespräch mit meinen Onkel betrifft ..."
    Prisca wiegelte schnell ab. Plotina würde wohl selbst am besten wissen, wie sie sich bei einem solchen Gespräch, das ihr ihren eigenen Worten nach wohl sehr am Herzen lag, zu kleiden und verhalten hätte. Viel wichtiger wäre es demnach, wie sie zu diesem Gespräch käme.


    " ... also ... ich schlage vor, ich frage ihn einfach, ob Bedarf besteht und gebe dir anschließend Bescheid. Am besten übernimmt das Trautwini, wenn du ihm sagst wo er eure Casa findet. Was meinst du, sollen wir es so machen?
    versprechen konnte Prisca ihrer neuen Bekannten letztendlich noch nichts, bevor sie nicht mit ihrem Onkel gesprochen hätte. Aber Prisca wollte gerne fragen und auch ein gutes Wort würde sie für Plotina einlegen, daher winkte sie Trautwini bereits herbei. Fragend blickte sie Plotina nun an, ob diese damit einverstanden wäre oder etwas anderes vorschlagen wollte.