Der zweite Teil der vierten Szene rauschte nur so an mir vorüber; worum es darin inhaltlich ging, bekam ich gar nicht mehr mit, doch wurde diese Szene vermutlich in dem gleichen aufklärerischen Ton beschlossen, in dem sie auch begonnen hatte. Solcherlei Informationen besaßen für mich leider ohnehin nur einen sehr theoretischen Wert, und außerdem war ich, nachdem ich nach dem Motto "Prinzip erkannt - Gefahr gebannt" den Coup de theatre entlarvt hatte, ganz und gar damit beschäftigt, nun auch die anderen Bühnenfiguren den realen Personen zuzuordnen, die sie parodierten. In diesen Überlegungen erging ich mich auch noch zu Beginn der Schlusszene, bis die Reihe der Trinksprüche an Matho kam, der ja in der Rolle des "Costa" mich karikieren sollte. Ich spitzte die Ohren:
"... ein Hoch auf die Kühnheit,
auf milites, Waffen und unsere Schildmaid!"
O, wieder etwas Gereimtes ... Allmählich fühlte ich mich fast schon ein wenig geschmeichelt; sollte gerade ich hier derjenige sein, der in diesem Stück am besten davon kam, vielleicht um etwaige Wahlchancen meiner Person bei einer Kandidatur zu erhöhen? Ja, langsam glaubte ich, eine äußerst raffinierte Strategie hinter diesem ganzen Stück zu erkennen: Ursus und ich sollten in ein möglichst erfreuliches Licht gesetzt werden. Angesichts dieser neuen Spur, der ich hier folgte, stellte sich mir nur umso dringlicher die Frage, wer für das Theaterstück die Verantwortung trug. Diese Trinkspruch-Reime, gut, die konnten durchaus von Prisca stammen, aber konnte ich meiner jungen Verwandten ein derartig perfides politisches Kalkül als Hintergrund des Ganzen zutrauen? Oder wer war hier der spiritus rector, der die unsichtbaren Fäden zog? - Um eine Antwort auf diese bedrängenden Fragen zu finden, hörte ich mit höchster Aufmerksamkeit weiter zu, und dabei sollte ich mich in der Tat nicht langweilen. Denn nun wurde auf der Bühne ein Dialog zwischen "mir" und "Claudus Menetekel" - dies musste einfach Deandras Vater sein - dargeboten, der sich exakt um die Fragestellungen drehte, auf die ich ihn bei seinen res gestae auf dem Forum Romanum angesprochen hatte und auch zu gerne an diesem Abend noch angesprochen hätte. Vielleicht aber würde meine Neugierde ja schon allein durch den Bühnendialog hier gestillt werden.
"Dass Du ein Experte im Belagern und Erobern gut gebauter Festungen bist, Menetekel, drang auch schon an meine Ohren. Es wäre faszinierend, wenn Du mich in diese Kunst bei Gelegenheit einmal einweihen könntest."
Ja, dem konnte ich tatsächlich nur zustimmen! Wobei mir selbst bislang allerdings nicht bekannt gewesen war, dass der Claudier sich auch schon auf diesem Gebiet der Kriegsführung hervorgetan hatte; "Costa" schien in dieser Hinsicht deutlich besser unterrichtet zu sein als ich. Doch ich hoffte inständig, Claudius Menecrates noch an diesem Abend auf dieses brisante Thema ansprechen zu können. Gerne hätte ich dazu natürlich auch noch Details und Erfahrungsberichte von "Claudus Menetekel" von der Bühne her vernommen, und daher war ich ziemlich enttäuscht, als nun Cadhla sich in die Szene mischte. Gut, sie war immerhin Schildmaid, aber warum sie von "meinem Costa" nun auf linkische Art und Weise betatscht wurde, wollte mir nicht in den Sinn; nein, darin konnte ich keinerlei Ähnlichkeiten mit meiner Person erkennen! Außerdem war ja schließlich sie es an jenem verhängnisvollen Abend im hortus gewesen, die mich ... Aber was war das, was machte Maron jetzt? Deutlich war den anderen Sklaven und Sklavinnen auf der Bühne das Entsetzen anzusehen:
"Von wegen, zutreten kann die."
Er war aus der Rolle gefallen. Ach, ich ärgerte mich über ihn! Bisher hatte er zwar meiner Ansicht nach nichts Herausragendes auf der Bühne geleistet, sondern schlicht nur sich selbst dargestellt, dies aber wiederum so gut, dass er durchaus einen ganz passablen Ups - äh, Ursus geboten hatte. Und nun das hier. Doch schon merkte ich, wie sich zu meinem Ärger über Maron Sympathie mit ihm gesellte, denn die schlechten Erinnerungen an jene Nacht im hortus teilte ich ja mit ihm - wobei ich das Nachspiel freilich nicht mehr mitbekommen hatte. - Nun, bei Gelegenheit würde ich ihn danach fragen.
Diese Überlegungen und Erinnerungen beschäftigten mich noch, als sich das Stück auf der Bühne nun seinem Ende entgegenneigte. Dass "Corvus" und "Falivus Aquarus" zum Schluss noch ihren Willen bekamen, war wiederum sehr realitätsnah getroffen, schien doch beiden immer alles zu gelingen, was sie unternahmen, und man konnte es ihnen nicht einmal verübeln, denn sie hatten es verdient. Ich aber war innerlich schon einen Schritt weiter. Denn mich quälte die Frage, wie das Stück nun von seinem Publikum aufgenommen werden würde, nun, da es einmal zu Ende gespielt war. Ich selbst war mit "Costa" immer noch unter dem Strich zufrieden - und ehrlich gesagt, fand ich vieles auch wirklich lustig, doch das hätte ich natürlich niemals zugegeben. Darum stimmte ich herzlich in den Applaus mit ein!
Größten Respekt nötigte es mir nun ab, dass es wieder Prisca selbst war, die nun vor das auditorium trat und noch einmal das Wort ergriff; ja, sollte wirklich sie es gewesen sein, die diesen perfiden Plan ausgeheckt hatte? Doch im selben Moment schon distanzierte sie sich gerade vom coup de theatre dieses Stücks und schob dies den Sklaven zu. Ich war mir nicht sicher, ob dies nicht falsche Bescheidenheit meiner Verwandten war - oder gar ein weiterer Trick? Prisca erschien mir in diesen Augenblicken jedenfalls immer geheimnisvoller, und ich nahm mir fest vor, in den nächsten Tagen endlich einmal länger mit ihr zu sprechen. Als sie dann vorschlug, die Sklavinnen und Sklaven zu bestrafen, ging ich allerdings fest davon aus, dass dies alles nur ein Verdunkelungsmanöver war, um ihre eigene Urheberschaft an dem Stück zu verdecken. Ich hielt den Vorschlag für einen Scherz und stimmte daher spaßeshalber