Beiträge von Appius Aurelius Cotta

    Ganz so, wie ich es erwartet hatte - und hatte erwarten müssen -, war ich durch meine Erkrankung und meine lange Abwesenheit aus Rom eine Art Fremder in der Villa meiner Gens geworden. Dies traf natürlich nicht auf meine eigenen Angehörigen zu, die mich wieder sehr herzlich in ihren Kreis aufgenommen hatten; ich hatte mich allerdings des Eindrucks nicht erwehren können, dass Laevina mich bei meinem Gruß gar nicht wirklich wahrgenommen hatte, was ich ihr aber natürlich in keinster Weise anlastete: Schließlich war sie an diesem ihrem Ehrentag sicher auch ziemlich aufgewühlt und zu sehr mit den anderen Gästen beschäftigt, um einem ihr doch leider recht fremden Verwandten größere Beachtung zu schenken. Oder war ich ihr etwa peinlich?


    Dass ich mich nun also, wie erwartet, eher am Rande des Geschehens wiederfand, hatte aber auch sein Gutes, erlaubte es mir doch, einen Blick auf ein solches Fest und das Verhalten seiner Gäste zu werfen, der mir immer verborgen gewesen war, solange ich selber ein gefragter Gesprächspartner gewesen war aufgrund der Erwartungen, die man in mich gesetzt hatte und die ich nicht zu erfüllen imstande gewesen war. Und so verfolgte ich nun, wie sich allmählich kleine Ansammlungen von zwei oder mehr Gästen zu Gesprächen fanden, teils über andere Gäste tuschelten, teil über Hochpolitisches; ich sah mit an, wie Sklaven sich, unbemerkt von ihren Herrschaften, miteinander bekannt machten, und nicht zuletzt, dass Marei irgendeinen Coup mit dem Sohn von Flavius Gracchus plante.


    Eine Beruhigung des Stimmengewirrs trat allerdings ein, als Braut und Bräutigam daran gingen, den Ehevertrag zu unterzeichnen. Der Consul hatte zu diesem Zweck seinen vorigen Gesprächspartner, einen jungen, gut trainierten Mann (Aulus Tiberius Celsus), stehen lassen. Ich entschloss mich, nun meine Beobachterrolle zu verlassen und begab mich zu dem jungen Mann, um mich ihm vorzustellen: "Salve! Mein Name ist Appius Aurelius Cotta. Ich fürchte, wir kennen uns noch nicht. Und ich glaube, Dich hier in der Villa Aurelia auch noch nicht gesehen zu haben. Was aber auch nicht verwunderlich ist, weil ich selbst erst seit Kurzem wieder hier in Rom bin." Auf diese Weise versuchte ich, meinem Gesprächspartner in spe schon einmal einige Anknüpfungspunkte für eine Unterhaltung zu liefern. Ich war wirklich gespannt, wer da vor mir stand.

    Zitat

    Original von Tiberius Duccius Lando
    Der Göttergatte meiner Vorposterin, namentlich genannt MARCUS AURELIUS CORVINUS, ist hiermit angehalten seinen Posteingang zu komprimieren!!!


    Schöner hätt' ich es auch nicht formulieren können. :D

    Ich hatte mich erst ein wenig in Rom akklimatisiert, das mulmige Gefühl der Schiffsüberfahrt von Sardinien her aus meinen Beinen geschüttelt und noch kaum genügend den Göttern dafür gedankt, wie herzlich ich hier wieder im Schoße meiner Gens aufgenommen worden war, als für mich auch schon die nächste Freude vor der Tür stand, und das in ganz wörtlichem Sinne und in Gestalt meines Bruders Publius. Was mir zuallererst Leone schon bei meiner eigenen Ankunft direkt an der Porta mitgeteilt hatte, war nun also wahr geworden.


    Falls ich nun allerdings gedacht hatte, dass die aurelischen Sklaven mir auch fürderhin eine solch exklusive Bedienung angedeihen lassen würden, so sollte ich mich bitter enttäuscht sehen. Als es nämlich endlich soweit war und mein Bruder tatsächlich, und sogar schon eine ganze Weile, im Atrium der Villa Aurelia gesessen und mit Marcus gesprochen hatte, wusste ich als einziger aller im Hause anwesenden Mitglieder der Gens immer noch nichts von seinem Erscheinen. Erst lange danach und auch dann eher zufällig brachte ich heraus, dass sich Publius inzwischen bereits in seinem Cubiculum einrichten würde, das in den Tagen zuvor auf seinen Brief hin für ihn vorbereitet worden war.


    Sofort machte ich mich auf den Weg zu seinem Cubiculum, denn ich konnte meine Freude kaum noch bezwingen, genausowenig wie meine Neugierde, denn viel zu hatte lange ich Publius nicht mehr gesehen. Getrieben von meinen Gefühlen, wollte ich schon fast zur Tür seines Zimmers hereinplatzen, besann mich dann aber doch noch eines besseren - oder mindestens: eines Patriziers würdigeren - Verhaltens. Und das mochte in diesem Fall, auch wenn es sich um meinen leiblichen Bruder handelte, vielleicht ganz besonders angebracht sein, denn - ich konnte mich natürlich täuschen, aber Publius hatte auf mich oft sehr distinguiert und distanziert gewirkt, wie ich selbst wohl auf andere in früheren Jahren. Entschlossen nahm ich also wieder Haltung an und klopfte an die Türe, hinter der mein Bruder sein musste. Mit einem "Ich bin es, dein Bruder Appius!" klärte ich Publius zugleich über den Besuch vor seinem Zimmer auf.

    Bei den Worten, die der frischgebackenste Senator Roms über unseren Pater familias verlor, konnte ich nur zustimmen: "Ja, es ist wirklich bewundernswert, wie Marcus allen Anforderungen gerecht wird: denen im Cultus Deorum, denen im CH und immer wieder auch denen in der Gens." Wenn ich daran dachte, wie es damals um die Gens Aurelia bestellt gewesen war, als ich nach Abschluss meiner Studien in Athen hierher gekommen war und teilweise am eigenen Leibe erleben musste, dass der Ruf der Familie nicht überall der beste war... Nein, das war kein Vergleich mehr zwischen damals und heute; Marcus, Titus, Manius, Tiberius, Prisca und auch Laevina hatten soviel zum Guten gewendet, was unser Ansehen und Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit anging!


    Ich dagegen hatte gar nichts dazu beigetragen. Mit seiner Frage nach einer Konkretisierung meiner Pläne im CD hatte mein Vetter mich daher auch ein wenig auf dem falschen Fuß erwischt. Nach unserer, am Ende ja wirklich versöhnlichen und herzlichen, Aussprache aber hatte ich meine Scheu vor ihm weitgehend abgelegt und antwortete deshalb frei heraus: "Ach, Titus! Du fragst mich so teilnahmsvoll, was mir im Cultus Deorum denn genauer vorschwebt, aber wir wissen doch beide: Ich war in den letzten Jahren ein Totalausfall für die Familie und bin darum nicht in der Position, großartige eigene Wünsche zu äußern. Als Patrizier habe ich natürlich die Pflicht, ein höheres Amt im CD anzustreben, wenn ich auch sehr gerne zunächst praktisch dienen würde. Doch wenn ich dort eines Tages ein Amt erhalten sollte, dann weiß ich auch genau, dass ich es nur der Fürsprache und dem Einfluss von Marcus und Manius zu verdanken haben werde." Und selbstverständlich dem mittlerweile ja wieder guten Namen der Aurelier.


    Ich seufzte noch einmal und nahm trotz Bedenken wieder einen tiefen Schluck von dem Gewürzwein; allmählich spürte ich, wie mir doch eine gewisse Hitze in den Kopf stieg, und ich hoffte sehr, dass ich es nicht etwa ihr zu verdanken hatte, dass auch ich in lautes Gelächter ausbrach, als Titus auf meinen Scherz einging und mir in leuchtenden Farben meine künftige Unschlagbarkeit als Fahrer der Factio Aurata vor Augen stellte. Nachdem wir beide wieder zu Atem gekommen waren und mein Cousin mich noch einmal ernsthaft zur Mitarbeit eingeladen hatte, sagte ich kurz und bündig: "Bezüglich der Factio: Betrachte mich als Mitglied! Und sag' mir einfach, was ich tun soll!"

    Nicht nur mir selbst, sondern auch meinem Vetter glaubte ich, Erleichterung darüber anmerken zu können, dass wir diese leidige - und leidvolle - Sache mit der Belastung unserer Beziehungen in der Vergangenheit nun bereinigt hatten, und das gleich nach meiner Ankunft in der Villa Aurelia in Rom. Allerdings war diese Erleichterung auf meiner Seite wohl stärker, denn ich hatte in den zurückliegenden Monaten meiner Krankheit Zeit genug gehabt, mir über diese Angelegenheit und mein eigenes Verhalten damals klar zu werden, während Titus natürlich in eine Vielzahl von Ämtern und Verpflichtungen eingesponnen gewesen war, die ihn ja nun auch schließlich und völlig verdientermaßen in die Curia Iulia getragen hatten. Und vielleicht war ja auch sein Naturell ein anderes, glücklicheres als meines; ja, ich war mir in diesem Punkt sogar ganz sicher, und dies war einer der Hauptgründe gewesen für meinen Neid.


    Doch das war jetzt vorbei, und ich richtete meinen Blick entschlossen nach vorne. "Ja, Marcus scheint im Cultus Deorum wirklich seine Berufung gefunden zu haben, obwohl er zwischenzeitlich immer auch wieder Ämter als Magistrat bekleidet hat - und das ja auch ziemlich erfolgreich. Ich bin auch ganz zuversichtlich, dass er meine Entscheidung für den CD unterstützen wird; immerhin habe ich sie ihm ja auch schon in meinen letzten Briefen angedeutet."


    Die Kunde der Ergebnisse von Pferderennen schwappte natürlich auch regelmäßig über das bisschen Wasser hinweg nach Sardinien, so dass ich schon das ein oder andere über die derzeitige Lage der Factio Aurata gehört hatte, was sich durch die Äußerungen meines Cousins jetzt bestätigte. "Was die Factio angeht, da sagst du was, Titus. Ich liebäugele nämlich tatsächlich damit, mich dort einzubringen. Nicht, dass ich bisher sonderlich viel vom Rennsport verstehen würde, aber erstens kann man das ja ändern, und zweitens hat mir meine Krankheit gezeigt, wie wichtig es für mich ist, regelmäßig mal raus zu kommen, z.B. zu Pferdeställen, mal mit praktischeren Dingen zu tun zu haben. Seit ich einem solchen Lebensrhythmus folge, hat sich mein Zustand ja auch entschieden verbessert. Ich würde mich daher tatsächlich sehr freuen, wenn ihr in der Factio Aurata noch eine Aufgabe für mich hättet."


    Dies ausgesprochen, legte ich eine künstliche Pause ein. Ich ließ es zu, dass meine Augenbrauen sich leicht zusammenzogen, meine Augen sich verschatteten und meine Gesichtszüge sich überhaupt verdüsterten. Dann sagte ich mit schneidender Stimme: "Als Fahrer stehe ich allerdings nicht zur Verfügung." Und schon begann es verräterisch um meine Mundwinkel zu zucken.

    Nach meinen beiden Bekenntnissen, nämlich jenes über meine früheren Gefühle gegenüber Titus sowie dasjenige über meine Zukunftspläne, war ich ein wenig in die Polsterung meines Sessels zurückgesackt, denn eine gewisse Anspannung, die mit solchen Geständnissen wohl immer verbunden ist, war von mir abgefallen. Im Gegenzug spürte ich in mir nun eine große Erleichterung - und natürlich eine gleichsam freudige Neugierde darauf, was mein Vetter mir entgegnen würde.


    In dieser meiner freudigen Erwartung sollte ich mich auch nicht getäuscht haben, denn Titus reagierte genau so verständnisvoll und hochherzig, wie ich es mir erhofft hatte. Mehr noch: Er entschuldigte sich sogar bei mir und ließ mich an seinen Gefühlen und Kämpfen teilhaben! Bewegt sagte ich zu ihm: "Nein, Titus, aller Neid und aller Hass, die ich früher einmal frevelhafterweise dir gegenüber empfunden habe, sind längst Vergangenheit. Ich habe nur noch die beste Meinung von dir. Und für meine früheren, vollkommen ungerechten Ressentiments dir gegenüber entschuldige ich mich bei dir in aller Form!" Wenn die Götter es zuließen, dass ich ihnen als Priester diente, so würde ich mich immer wieder einer ganz speziellen rituellen Reinheit befleißigen müssen. So wichtig diese auch war, so unverzichtbar war es für mich auf der anderen Seite, mit meinem Cousin ins Reine zu kommen. Ich war deshalb sehr glücklich darüber, dass Titus mir so entgegengekommen war, und streckte ihm nun von mir aus meine Hand entgegen. Dabei ahmte ich grinsend kleine Kinder nach, die sich gezankt hatten und sich wieder vertragen wollten: "Jetzt sind wir wieder gut, stimmt's?"


    Nach all dem Redeschwall dürstete meine Kehle geradezu nach einem weiteren Schluck des Gewürzweins. Einen solchen nahm ich schnell, um gleich wieder das Wort ergreifen zu können. Denn das Wieder-gut-Sein wollte ich gleich einmal verbal einläuten durch ein wenig "leichtere" Gesprächsthemen. "Ich danke dir auch sehr für die Bestätigung und Ermutigung, die du mir für meinen Berufswunsch mit auf den Weg gegeben hast. Jetzt steht erst einmal nur noch die Einwilligung von Marcus aus, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass er etwas gegen meine Pläne einzuwenden hat, da er doch selbst seit Jahr und Tag den Göttern dient." Trotzdem würde ich mich natürlich mit dem Pater Familias abstimmen und seinen Rat erbitten; vor allem aber freute es mich einfach, dass ich auch ihn so bald von Angesicht zu Angesicht wiedersehen würde. Und noch ein weiteres Gesprächsthema wollte ich anschneiden, eines, mit dem mein Cousin Titus aus meinem Munde vielleicht am wenigsten rechnete: "Übrigens, sag' mal, was macht eigentlich die Factio Aurata? Du bist doch noch Princeps, oder?" Bei den vielen Verpflichtungen meines Vetters konnte man sich da nie so sicher sein (^^).

    Meine allmähliche Erwärmung durch die Heizung im Tablinum, durch den heißen Gewürzwein und vor allem durch das immer interessanter verlaufende Gespräch führten dazu, dass ich meinen Becher, den ich zuvor mit kalten Fingern umklammert hatte, schließlich auf einen kleinen Beistelltisch neben meinem Sessel abstellte. Dabei konnte ich mich eines auffälligen Schmunzelns nicht erwehren, und bevor mein immer hellwacher Cousin mich nach dem Grund dafür befragen konnte, ergriff ich selber das Wort: "So, so: Senator Titus Aurelius Ursus... Weißt du, ich musste gerade an jene Cena denken hier im Hause, du und ich, wir waren beide erst kurz zuvor von unseren Studien in Athen hierher nach Rom gekommen." Das Lächeln war inzwischen aus meinem Gesicht geschwunden; mein Blick richtete sich von meinem Vetter weg in die Ferne. "In Griechenland sind wir uns - nein, bin ich dir immer aus dem Wege gegangen, das ist wahr. Diese Cena war die erste Gelegenheit, bei der ich dir nicht einfach ausweichen konnte. O ja, ich kann mich gut an diesen Abend erinnern! Wie sehr habe ich mich dabei über dich geärgert! Als du angefangen hast, Andeutungen zu machen über Dinge, die mir in Athen widerfahren sind, zum Amüsement der anderen Aurelier. Als du deinen ganzen Ehrgeiz so unverfroren gezeigt hast, wie ich mich das nie getraut hätte, selbst zu den Zeiten, als ich ihn noch hatte." Unwillkürlich machte ich eine kleine Pause, zögerte nun doch, die folgenden Worte zu sprechen, aber nur kurz. "Ich habe dich damals beneidet, bewundert, gehasst. Ich wäre so gerne gewesen wie du, ohne die ganzen Skrupel, Zweifel und Fragen. Und jetzt, jetzt sitze ich hier mit dem Senator Titus Aurelius Ursus, trinke heißen Gewürzwein und freue mich einfach für dich, dass deine Wünsche bis zum heutigen Tag soweit schon einmal in Erfüllung gegangen sind."


    Mein Gesicht hatte nun wieder einen anderen, womöglich sogar strahlenden Ausdruck angenommen; bezeichnender aber war, dass ich Titus jetzt direkt in die Augen sah. Erneut nahm ich einen Schluck aus meinem Becher, einen tiefen dieses Mal, denn der Wein war schon etwas kälter geworden, und außerdem war mir ganz einfach danach zumute. Einen Augenblick lang noch kostete ich die Schwingungen aus, die das Aussprechen meiner Worte in mir bewirkt hatte. Doch ich wusste, dass meine Worte in eine stille, tiefe Nacht gehörten und nicht an einen regnerischen, sturmumtosten Novembertag. So ließ ich die Lyrik beiseite und wandte mich wieder dem Praktischen und Zukünftigen zu: "Ehrlich gesagt, kann ich mir dich beim Militär auch sehr gut vorstellen. Und wie du sagst, bin ich da ja wohl auch nicht der Einzige." Was ja auch nicht so hilfreich gewesen wäre, denn schließlich war meine Stimme in Rom vollkommen unmaßgeblich. "Die Legio Traiana also... Ich wusste gar nicht, dass Tiberius Vitamalacus sie nicht mehr führt." Dies hatte ich ganz unbedarft dahingesagt, wurde mir aber gleich bewusst, dass meine Äußerung eine Rechtfertigung verlangte: "Du musst verzeihen, auf Sardinien haben mich Angelegenheiten im fernen Mantua nicht wirklich beschäftigt, obwohl das ja immerhin meine Heimatstadt ist. Aber wir können den Göttern ja auch nur dafür danken, dass Roms Senatoren - und alle anderen auch ^^ - sich momentan kaum anderen Feinden gegenübersehen als Regen und Wind." Zu schnell konnte sich diese Situation ja auch wieder ändern, wie der Krieg gegen die Parther deutlich gezeigt hatte. "Apropos Götter... Titus, ich möchte in Zukunft hier in Rom gerne im Cultus Deorum dienen. Ich werde alles dafür tun, so bald wie möglich die erforderlichen Prüfungen abzulegen, und sicher kann ich mir bei Marcus und Manius auch immer Rat holen. - Was hältst du davon?"

    Es war mir natürlich nicht entgangen, dass der amtierende Consul und Bräutigam Laevinas Manius Tiberius Durus meinen Gruß zwar routiniert-freundlich entgegengenommen hatte, wie es bei einem erfahrenden Politiker wie ihm ja auch nicht anders vorstellbar war, dass er mir als Person aber zugleich eine gewisse Teilnahmslosigkeit bezeigte, was mich natürlich auch nicht weiter wunderte, kannte mich doch der Tiberier vermutlich nicht einmal vom Hörensagen. Eigentlich hatte ich mit nichts anderem gerechnet, und wenn ich ehrlich war, hatte ich auch nichts anderes verdient.


    Aus diesem Grunde verspürte ich in mir auch nicht das geringste Unbehagen gegenüber dem Consul, als ich aufmerksam der Rede lauschte, mit denen Tiberius Durus sich jetzt an die Gäste wandte. Und ich musste ihm sogleich Recht geben: Wie sehr hatten sich die Verhältnisse zwischen unseren beiden Gentes doch entspannt, zum Wohle aller! Unwillkürlich fiel mein Blick auf Tiberia Arvinia, die in absehbarer Zeit wohl auch ihren Einzug in die Villa Aurelia halten würde, wenn es zwischen unseren beiden Familien zum zweiten Ehebündnis in verhältnismäßig kurzem Abstand kam. Ich kannte sie leider noch gar nicht persönlich; seit meiner Rückkehr nach Rom war sie mir nur einmal kurz von einer Sklavin von weitem gezeigt worden, doch einen näheren Kontakt hatte ich immer gerade irgendwie verpasst, und vor meiner Abreise nach Sardinien hatte ich noch überhaupt nichts von einer Tiberia Arvinia gewusst. Deshalb hoffte ich umso mehr, mich ihr im Laufe dieses Festtages endlich einmal wenigstens vorstellen zu können.


    Für den Augenblick jedoch verbot sich so ein Unterfangen von selbst, weil der Haruspex begann, seines Amtes zu walten. Aufmerksam beobachtete ich jede seiner Bewegungen, die er, wie mir schien, nicht nur mit großer Fertigkeit, sondern auch echter Ehrfurcht ausführte. Erst nachdem er uns zunächst alle in Schrecken versetzt, dann aber umso mehr durch die Verkündigung eines sehr guten Omens für das künftige Ehepaar erleichtert hatte, wandte ich mich wieder anderen Dingen zu und erblickte jetzt auch Prisca. Wie mochte es ihr an einem Tag wie diesem mit einer Hochzeits- und einer Verlobungsfeier in der eigenen Familie gehen, da doch ihre eigenen Ehepläne vorerst gescheitert waren? Seit meiner Rückkehr aus Sardinien hatte ich noch nicht wirklich viel mir ihr gesprochen, aber ich hätte natürlich auch nicht im Traum daran gedacht, ihr diese Frage, die mir da in den Sinn kam, wirklich zu stellen.

    So weich die luxuriösen Sänften auch gepolstert waren, welche mein Stand und meine Herkunft mir erlaubten zu benutzen, so waren sie doch nichts im Vergleich zu den Sesseln im heimischen Tablinum. Dennoch versuchte ich, mir mein Wohlgefühl nicht allzu sehr anmerken zu lassen, als ich mich wie Titus auf einem von ihnen niederließ, hatte ich mich doch wenige Augenblicke zuvor noch über weichliche Senatoren mokiert.


    Im Tablinum angekommen, ließ auch der avisierte heiße Gewürzwein nicht lange auf sich warten, und ich sah mit einigem Behagen dem Moment entgegen, in dem ich meinen Mund würde öffnen können, um den warmen Trunk in mich aufzunehmen. Sofort aber öffnete sich mein Mund aus ganz einem anderen Grund, als mein lieber Vetter mir nämlich mitteilte, dass jenes Gerücht von seiner Erhebung in den Senat nicht nur der Wahrheit entsprach, sondern von der Realität bereits eingeholt worden war. Staunend und mit dem gerade erwähnten offenen Mund sah ich ihn an, dann aber besann ich mich: "Gerne, Titus, trinke ich mit dir auf meine Heimkehr, noch lieber aber auf deine Ernennung zum Senator Roms!" Gleich meinem Cousin erhob auch ich meinen Becher. Nachdem wir beide einen Schluck getrunken hatten, fuhr ich fort: "Als du mir gerade die Neuigkeit mitgeteilt hast, war ich im ersten Moment überrascht, das muss ich schon sagen; wahrscheinlich hast du es mir auch angesehen. Aber eigentlich besteht zur Überraschung gar kein Grund, denn nach all deinem Engagement, das du in den vergangenen Jahren auf verschiedenen Posten im Reich gezeigt hast - und nicht zuletzt angesichts der Integrität deines Charakters, ich als dein Verwandter kann das sagen - bist du genau wie Marcus der richtige Mann für die Curia Iulia."


    Diese Worte hatte ich aus voller Überzeugung heraus gesprochen. Wie um sie noch zu bekräftigen, nahm ich einen weiteren Schluck aus dem Becher mit Wein, dies allerdings auch, weil das aromatische Getränk mich wirklich erwärmte. Darum konnte ich auch Titus' Sorgen zerstreuen: "Durchnäßt bin ich übrigens wirklich nicht. Nur meine Haare und mein Gesicht sind beim Aussteigen aus der Sänfte ein wenig feucht geworden, aber ich habe mich schon, so gut es ging, abgetrocknet." Dass ich das kurzerhand mit einem Zipfel meiner Toga getan hatte, verschwieg ich lieber. "Meine Tunika werde ich hinterher wechseln, wenn ich, deinem Rat folgend, ein Bad nehme. Jetzt aber wärmen mich der Wein und deine Anwesenheit. Und außerdem...", setzte ich hinzu und lächelte mit Verschwörerblick, "gehöre ich ja nicht zu jenen weichlichen Senatoren Roms." Zum Glück konnte ich mir bei meinem Vetter sicher sein, dass er derlei Späße richtig verstand. Trotzdem fuhr ich gleich fort: "Für dich ist diese Eigenschaft allerdings natürlich nicht zutreffend, das hast du ja nicht zuletzt durch deine wiederholten militärischen Einsätze bewiesen. Apropos, jetzt als Senator - zieht es dich zurück ins Lager, vielleicht gar als Legat?"

    Fasziniert hörte ich die vielen guten, ja geradezu verlockenden Vorschläge an, die Titus mir für die Gestaltung der kommenden Stunden machte. Ich erklärte mich nur zu gerne mit allem einverstanden, und letzten Endes bekam mein Vetter mich tatsächlich auch soweit, dass ich das Risiko einging und eine herbeieilende Sklavin anwies, ihm und auch mir heißen Gewürzwein zu bringen, obwohl mein Magen sich noch immer nicht ganz beruhigt hatte. Ein gewisses mulmiges Gefühl, welches meine Ankunft in Rom begleitet hatte, aber vielleicht doch weniger der rauen See geschuldet war als meinen Befürchtungen bezüglich meiner Aufnahme hier in der Villa Aurelia, hatte mittlerweile allerdings auch deutlich nachgelassen, nachdem Leone und vor allem Titus mich so herzlich begrüßt hatten.


    Auf dem Weg ins Tablinum kam mein Vetter dann auf den Tod seiner Schwester zu sprechen. Ich entnahm seinen Worten die - für mich noch neue - Information, dass ihr Leichnam noch nicht in Rom angekommen war. Weitere Fragen aber unterließ ich, meinte ich doch, seiner Antwort darüber hinaus den Wunsch entnehmen zu können, nicht weiter über dieses Thema zu sprechen.


    Ganz besonders erwidern konnte ich die warmen Gefühle, die mir Titus bei meiner Begrüßung entgegengebracht hatte, als ich bei einer seiner Bemerkungen in herzliches Lachen ausbrach: "So, so, bei Regen und Wind ist also niemand von Bedeutung auf dem Forum! DAS hört sich in der Tat nach unserem guten alten Rom und seinen kraftvollen Senatoren an!" Dies war natürlich nur im Spaß von mir gesagt, und sicherlich wusste Titus auch, wie loyal ich zum römischen Senat stand, vom Kaiser ganz zu schweigen. Plötzlich aber besann ich mich auf ein Gerücht, welches mir noch kurz vor meinem Aufbruch aus Sardinien zu Ohren gekommen war. "Aber Moment! Titus, ist es wahr, was ich unterwegs aufgeschnappt habe? Du selbst sollst in den Senat erhoben werden?"

    Wie befürchtet, stieß ich reichlich verspätet zu der Hochzeitsgesellschaft, die sich bereits zahlreich im Atrium unserer aurelischen Villa versammelt hatte. Mit dieser meiner Verspätung war ich allerdings noch in dem Rahmen geblieben, den ich mir selbst gesteckt und schon Tage vor der Feier einkalkuliert hatte. Schließlich war es ja doch erwartbar gewesen, dass sich am Morgen dieses Tages eine ansehnliche, wenn auch nicht sichtbare Warteschlange vor unserem Balneum bilden würde. Und für mich persönlich hatte ich mir im Morgengrauen noch eine zusätzliche Aufgabe gestellt, die auf der einen Seite eine gründliche Reinigung vor den Feierlichkeiten noch dringlicher machte, welche aber auf der anderen Seite vollkommen unerlässlich für mich war, hatte doch auch ich wie so viele andere Mitglieder der Gentes Aurelia und Tiberia die Farben Blau, Rot und einen Hauch von Gold für Toga und Tunika gewählt, nur dass ich wegen meiner Erkrankung allen Grund zu der Befürchtung hatte, dass mein bleiches Gesicht an einem Freudentag wie diesem gar zu wächsern neben den kräftigen Farbtönen wirken würde. Noch vor Tagesanbruch hatte ich mich daher wecken lassen und mit einem ehrgeizigen Übungsprogramm begonnen, das es mir ermöglichen sollte, die Feierlichkeiten nicht nur zu überstehen, sondern ihnen mit Vitalität beizuwohnen. Nach Abschluss meiner Übungen hatte ich eine geraume Zeit darauf warten müssen, mich endlich im Balneum reinigen und für den Anlass herrichten lassen zu können, doch diese Verspätung war es mir allemal wert gewesen, da ich nun tatsächlich in der von mir erhofften Frische das Atrium betrat.


    Die Art und Weise, in der alle Besucher sich wie auf ein stummes Geheiß hin in dem Raume angeordnet hatten, hätte es auch für einen Fremden nicht schwer gemacht, unter den Gästen das Brautpaar auszumachen. Umso leichter fiel es natürlich mir, meinen Blick sofort auf den Consul Tiberius Durus und auf meine eigene Verwandte Laevina zu richten. Ich reihte mich in die Schar derer ein, die das Paar direkt nach ihrer Ankunft begrüßten, und sagte, als die Reihe an mich gekommen war, aus ganzem Herzen: "Salve, mein Consul, salve, Laevina! Ich bin glücklich darüber, dass die Götter meine Gesundheit insoweit wieder aufgerichtet haben, dass ich euren Ehrentag hier in Rom mit euch erleben kann!"


    Indem ich noch Marcus und Celerina mit einem warmen Nicken bedachte, trat ich auch schon wieder beiseite, um weiteren Gästen Platz zu machen, die sich zahlreich um einen der wichtigsten Männer des Reiches, nämlich Tiberius Durus, und seine Braut scharten. Obwohl selbst doch in dieser Villa Aurelia ansässig, war ich mir vollkommen im Klaren darüber, dass ich an diesem Tag nicht mehr sein konnte als ein Zaungast. Zu lange hatte mich meine Erkrankung daran gehindert, meinen Pflichten für das Gemeinwesen nachzukommen, und noch immer hatte ich nichts wirklich Zählbares vorzuweisen. Ich zog mich daher Schritt für Schritt an den Rand des Geschehens zurück, hier und da grüßend, wenn meine Blicke auf ein bekanntes Gesicht trafen. Doch dies war viel zu selten der Fall; außer meinen Verwandten, allen voran Titus und natürlich Orestes, dem ich dem Anlass entsprechend einen fröhlichen Blick zuwarf, kannte ich eigentlich nur noch den Konsular Aelius Quarto sowie Flavius Gracchus mitsamt seiner Familie vom Sehen. Schon sah ich mich nach einem der aurelischen Sklaven um, der vielleicht imstande gewesen wäre, mir wenigstens die Namen einiger der Anwesenden zuzuflüstern, aber die einzigen Servi, die mir wirklich bekannt waren, waren Cimon, und der war beschäftigt, und Marei, die war es ebenfalls, und zwar mit dem Sohn von Flavius Gracchus. Dieser Junge war auch mir schon aufgefallen, weil ihm der körperliche Kontakt, welchen Tiberius Durus ihm bei der Begrüßung hatte angedeihen lassen, so offensichtlich unangenehm war, was in mir eine große Sympathie hervorrief, hatte ich doch in seinem Alter und noch weit darüber hinaus eine ähnliche tiefe Abneigung gegenüber Berührungen gehabt. Wie seltsam, dass sich dies erst gebessert hatte, als ich durch meine Krankheit gezwungen war, mich immer wieder im wahrsten Sinne des Wortes in die Hände von Ärzten zu begeben...

    Noch immer unentschlossen, bewegte ich mich ein wenig im Vestibulum hin und her, was wegen meiner klammen Beine wohl die Anmutung einer watschelnden Ente haben mochte. Dabei fiel mein Blick auf den Saum meiner Toga, und zu meinem Leidwesen musste ich feststellen, dass er mit Schmutzspritzern übersät war. Es war mir peinlich, in so einem Aufzug nach meiner langen Abwesenheit hier in der Villa Aurelia in Rom aufzutauchen, und ich konnte mir auch gar nicht erklären, wie es zu diesen Spritzern gekommen war, da ich doch auf der ganzen Reise sehr auf meine äußere Erscheinung geachtet hatte. Jedenfalls stand für mich fest, dass mir so etwas mit Maron als Organisator der Reise nicht passiert wäre.


    Ändern ließ es sich nun aber nicht mehr, und so langte ich - frei nach dem Motto: "Ist der Rock erst ruiniert, so lebt es sich ganz ungeniert" - nach einem Zipfel meiner Toga und wischte mir in Ermangelung irgendeines anderen Tuches mit diesem meinen Kopf und mein Gesicht ab. Außerdem fühlte ich mich hier im Vestibulum auch unbeobachtet, was sich aber nur zu bald als Trugschluss eines Patriziers erweisen sollte, der zu lange auf dem Lande gelebt hatte. Unversehens hörte ich nämlich meinen Namen rufen, und schon erblickte ich Titus, der auf mich zueilte und mich bald auch umarmte. "Titus! Ich freue mich so, dich wiederzusehen!" Nur zu gerne erwiderte ich die Umarmung meines Vetters. "Und ja, ich bringe Regen und Wind mit, aber ich hoffe doch, dass ich ein bisschen was von der Frische der Brise, die meine Überfahrt nach Italia angetrieben hat, für mich selbst mitnehmen kann." Mehr Frische und Energie war in der Tat etwas, das ich gut gebrauchen konnte, nachdem es mir in den letzten Wochen, bevor ich nach Sardinien gefahren war, ja gerade daran in so eklatanter und unerklärlicher Weise gemangelt hatte.


    "Aber was rede ich von mir und meinen Wehwehchen. Wie geht es dir, Titus? Jetzt, da wir uns gegenüberstehen, möchte ich dir noch einmal mein herzliches Beileid zum Tode von Minervina ausdrücken." Bisher hatte ich das natürlich nur auf postalischem Wege gekonnt, doch was war schon ein Brief gegenüber einer persönlichen Begegnung.

    Von der Porta aus folgte ich Leone ins Vestibulum, wo ich mich allerdings am liebsten gleich schon wieder niedergelassen hätte, und wäre es nur auf einen einfachen Schemel gewesen. Schon die wenigen Schritte von der Porta respective meiner Sänfte bis hierher waren mir nämlich schwergefallen, diesmal allerdings nicht aufgrund meiner Erkrankung, von der ich im Augenblick nur wenig spürte, sondern einfach weil meine Beine so steif geworden waren vom langen Sitzen und von der Kälte, die trotz aller Vorkehrungen und der warmen Kleidung im Laufe der Zeit, angetrieben von dem frischen Wind, eben doch durch den Vorhang der Sänfte gedrungen und von den Füßen aufwärts gekrochen war.


    Zu dem herbstlichen Wind war, wie ich nach dem Aussteigen aus der Sänfte festgestellt hatte, noch ein feiner Sprühregen getreten, dessen kleine Tropfen mir schon in den Haaren hingen und von der Stirn rannen. Kaum angekommen im Vestibül, hielt ich deshalb Ausschau nach einem Tuch, mit dem ich mir diese Feuchtigkeit hätte abwischen können. Oder sollte ich gleich ein Bad nehmen?


    Ich war in dieser Frage noch unentschieden, wusste aber eines ganz genau: Essen wollte ich noch immer auf gar keinen Fall irgendetwas. ^^

    Es machte mir besondere Freude, dass Leone meine Begrüßung mit Dankbarkeit und ebenfalls Freude aufzunehmen schien, zumal meine Abreise nach Sardinien seinerzeit so rasch - fast überstürzt - erfolgt war; dass ich hier in Rom wieder so herzlich aufgenommen werden würde, hatte ich nicht unbedingt für eine Selbstverständlichkeit gehalten und war daher umso erleichterter über die Aufnahme, die meine ersten Worte in der Villa Aurelia nun fanden.


    Die Seinigen, mit denen er nun auf meine Frage nach dem ominösen ,Bald sind alle wieder beisammen' einging, machten mich zunächst einmal neugierig: "Caelyn? Ja, von ihr habe ich natürlich einiges gehört, aber es hat sich nie ergeben, dass ich sie genauer hätte kennenlernen können." Leider galt das auch für einige Mitglieder der Gens, allen voran die jüngst verstorbene Minervina.


    In meinen früheren Jahren hätte ich die weiteren Auskünfte Leones über einen neuen Servus von Titus tatsächlich für nichts weiter gehalten als für belanglose Sklavenangelegenheiten. Heute aber ließ diese Information einen leichten Schleier der Schwermut über mich fallen, entbehrte ich doch meines getreuen Maron: "Mit Caelyn und dem neuen Sklaven Titus' erhalten wir hier in der Villa Aurelia ja wieder ordentlichen Zuwachs! Maron allerdings siehst du leider so schnell nicht wieder; er ist auf Sardinien geblieben und kümmert sich weiter um die Landgüter."


    Für Depression und Trauer blieb mir allerdings nicht sehr viel Zeit, denn die letzte Antwort Leones auf meine Frage nach der Bedeutung seines ,Bald sind alle wieder beisammen' überraschte mich völlig: "Publius kommt nach Rom? Ich kann es gar nicht glauben! Das ist wirklich eine gute Nachricht!" Meine energische und daher rasche, zu guter Letzt ja auch noch von einem frischen Herbstwind angefachte Rückkehr aus Sardinien hatte es möglicherweise mit sich gebracht, dass ich noch nichts von den neuesten Plänen meines Bruders erfahren hatte. Nun allerdings war ich froh darüber, gleich hier an der Porta von seiner bevorstehenden Ankunft zu hören, denn eine schönere Botschaft hätte man mir in jener Stunde kaum überbringen können, da ich doch selbst nach langer Abwesenheit gerade erst als nahezu Fremder nach Roma kam, hier aber gleich einen meiner Brüder wiedersehen würde. Noch einmal wandte ich mich daher an den aurelischen Ianitor: "Bitte, verständige mich sofort, wenn du Näheres über die Ankunft meines Bruders weißt!"


    Freudig erregt machte ich mich nun ins Vestibül auf, in das Leone mich wies, und übergab ihm meinen Umhang, ihn dem Zerren des herbstlichen Windes zu entreißen.

    Zitat

    Original von Leone
    Leone brauchte ein Weilchen länger zur Tür, doch als er sie dann öffnete, stockte er kurz - und grinste dann breit. Seinen üblichen Spruch unterschlug er einfach. Stattdessen hätte er Cotta beinahe mit einer warmen Umarmung begrüßt. "Cotta, Herr! Wie schön, dass du wieder da bist! Willkommen zu Hause", riss er sich am Riemen und lächelte den Heimkehrer an. "Bald sind alle wieder beisammen", freute er sich und dachte dabei an Caelyn, die noch fehlte, und an den Neuen, sowie an Cottas Bruder Imbrex, der gewiss auch bald nach Rom kommen würde.


    Wie gefährlich es ist, sich bei Leiden und Unpässlichkeiten aller Art bloß auf sich selbst zurückzuziehen, dabei womöglich noch dumpf vor sich hin zu brüten und nichts an sich heranzulassen außer immer neue düstere Erwartungen von noch mehr Leiden und Unpässlichkeiten - wie gefährlich ein solches Verhalten ist, eröffnete sich mir schlagartig, als die Porta der Villa Aurelia auf das Klopfen eines meiner Begleitsklaven hin vom guten alten Leone aufgerissen wurde und sich auf seinen wohlbekannten Gesichtszügen alsbald ein strahlendes Lächeln ausbreitete, welches sich warm in seinen Augen wiederspiegelte und selbst seine Haltung in grüßende Gebärde einzustimmen schien. Augenblicklich lösten sich auch die Züge meines Gesichts in ein freudiges Lächeln und meine Zunge in einen heiteren Gruß: "Salve, Leone! Ich danke dir für deine Begrüßung! Es tut mir gut, dass ich nach so langer Zeit, in der ich nicht hier war, gleich einen alten Bekannten hier an der Porta sehe, nämlich dich!"


    In der Tat hatte der Druck, der seit Sardinien auf meinem Magen lastete, merklich abgenommen, seitdem mich der nubische Sklave so warm empfangen hatte. Freilich lag es auch nicht in der Macht von Leone, mich vollends von meiner Übelkeit zu befreien, und vielleicht war sie daran schuld, dass ich mich plötzlich mit vielleicht übertriebener Wachsamkeit auf eine Bemerkung besann, die der aurelische Ianitor ebenfalls gemacht hatte: "Aber sag: Was meintest du mit ,Bald sind alle wieder beisammen'? Sind denn noch nicht alle wieder zurück in Rom? Titus, Tiberius..." Ich ließ diese Aufzählung unvollendet, obwohl mir ansonsten niemand mehr aus der Familie einfiel, der noch in Rom zurückerwartet wurde.

    Schneller, viel schneller als ich mir es je hätte träumen lassen, stand ich nun wieder vor der Porta der Villa Aurelia in Rom. Der Grund für diese von mir vorgelegte Geschwindigkeit war allerdings ein rechter Alptraum gewesen: Frische Herbstwinde hatten mein Schiff von Sardinien aus nicht nur hurtig, sondern auch äußerst unruhig gen Ostia zu bewegt, so dass ich nun nicht nur sehr früh, sondern auch sehr bleich in Rom meinen Einzug hielt. Mir war immer noch so übel...


    Selbstverständlich versuchte ich mir als echter Spross einer Patriziergens davon nichts anmerken zu lassen, als ich einem der Begleitsklaven zusah, wie dieser an die Porta


    klopfte.


    Ad
    Marcus Aurelius Corvinus
    Villa Aurelia
    Roma



    Salve!


    Grüße von den Landgütern unserer Gens in Sardinien sendet dir dein Vetter Appius. Es werden dies meine vorerst letzten Grüße von hier sein. Denn wisse: Um mich herum ist alles in Bewegung, jeden Augenblick steckt eine Sklavin ihren Kopf durch die Türe und fragt mich, ob ich nicht wohl noch dieses oder jenes mit auf meine Reise nehmen wolle - meine Reise nach Rom.


    Ja, Marcus, ich bin mitten im Aufbruch begriffen, werde mich übermorgen schon nach Ostia einschiffen, um dann in wenigen Tagen wieder bei euch in Rom zu sein. Ich verlasse Sardinien mit einem weinenden Auge, denn das Klima dieser Insel und das regelmäßige, zurückgezogene Leben hier, verbunden mit körperlichem Training, haben meinen Leib wieder soweit gekräftigt, dass ich - mit dem Willen der Götter - voller Hoffnung bin, in Rom doch noch einiges zum Wohl unserer Familie wie auch des Gemeinwesens tun zu können. Im Grunde aber kann ich es kaum noch erwarten, wieder über die Schwelle der Villa Aurelia zu treten und dich und euch alle endlich wiederzusehen!


    Deine vielen Briefe in der langen Zeit meiner Abwesenheit haben mich immer wieder ermutigt, den Gebrechen meines eigentlich doch noch so jungen Körpers die Stirn zu bieten und nicht zu verzagen. Daher wage ich, daran zu glauben, immer noch in deinem Hause willkommen zu sein.


    Die anderen sind mittlerweile wohl auch wieder in Rom, vor allem Tiberius, der ja nun als Quaestor Consulum dient, wozu ich ihm herzlich gratuliere! Titus betrauert sicherlich den Verlust seiner Schwester, den auch ich, wie gewiss alle Mitglieder unserer Gens, mit Bestürzung zur Kenntnis genommen habe. Und wie geht es dir - und Celerina?


    Marcus, ich freue mich, auf diese Frage wie auf so manche andere in wenigen Tagen schon von Angesicht zu Angesicht Antwort zu erhalten! Allerdings wäre ich dir sehr verbunden, wenn meine Ankunft sich eher im Stillen vollziehen könnte. Denn ich sage es dir frei heraus: Im großen Gegensatz zu den anderen Mitgliedern unserer Familie, sowohl den männlichen als auch den weiblichen, die Rom zur Ehre und zum Schmuck gereichen, habe ich noch gar nichts erreicht; ich schäme mich. Natürlich freue ich mich, alle wiederzusehen; mach ihnen ruhig schon Mitteilung von diesem meinem Brief und meiner bevorstehenden Ankunft, grüße alle herzlich von mir! Aber auf einen eigenen Empfang für meine Person oder etwas in dieser Art bitte ich dich zu verzichten.


    In wenigen Tagen sehen wir uns wieder! Mögen die Götter über uns wachen.


    Vale,


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