Zitat
Original von Flavius Aurelius Sophus
Niemand kann die Augen vor Tatsachen verschließen: Er hat doch bereits begonnen, unser Niedergang. Je mehr er voranschreitet, desto dringender brauchen wir Menschen wie euch, Männer aufrechter Haltung, die nicht davor zurückschrecken, forsch das Volk mit harter Führung umso mehr an seinen eigentlichen Platz zurückzuweisen, je eher es eigennützige Träumereien entwirft."
Der weitere Verlauf unseres Gesprächs nahm mich völlig in Anspruch, denn was Flavius und Titus jetzt an Gedanken austauschten, hatte auch mich schon während meines Aufenthaltes in Athen zuinnerst beschäftigt, doch hatte ich bisher nie die Gelegenheit gefunden, mich auszusprechen, jedenfalls nicht mit solchen Gesprächspartnern wie meinen beiden Verwandten hier. Ein derartiges Defizit pflegt sich stets auf die Qualität der eigenen Gedanken auszuwirken, und dass dies bei mir der Fall war, hatten mir die Fragen meines Onkels und die Überlegungen meines Vetters deutlich vor Augen geführt. So saß ich eine Weile einfach da und lauschte den beiden fast atemlos.
Von der Vielzahl der nun von beiden quasi pausenlos geäußerten Reflexionen fast erdrückt, drohten sich in meinem Kopf meine eigenen Gedanken fast zu überschlagen. Ich musste meine ganze Aufmerksamkeit sammeln, um dem Gespräch folgen zu können. So vieles gab es, zu dem ich am liebsten spontan etwas gesagt oder eher noch eine Frage gestellt hätte; die Fülle der Anregungen aber nötigte mich zur Auswahl.
"Es scheint mir, dass wir alle drei hinsichtlich des Zieles, des telos der politischen Betätigung und des Gemeinwesens einig sind: Ich hätte die Gerechtigkeit genannt, die ja immer auf die Mäßigung der Leidenschaften zielt, die Du, Onkel, in den Vordergrund gestellt hat. Und auch du, Ursus, scheinst mir Ähnliches im Sinn zu haben, wenn du betonst, dass der Politiker dem Volk diene, indem er es führe. Nur erscheint mir deine Sicht auf die Dinge, Ursus, zuversichtlicher als die Deine, Onkel, der Du sie schwach nennst und der Unerfahrenheit zurechnest."
Mit großem Verlangen hätte ich an dieser Stelle Flavius gerne danach gefragt, welche Erfahrungen es gewesen waren, durch die die harte Schule des Lebens ihn in ihre Zucht genommen hatte, wie er es selbst erwähnt hatte. Doch verbaten Anstand und Ehrerbietung mir, ihm eine solch persönliche Frage zu stellen. Mich selbst aber forschte ich durchaus danach aus, ob nicht auch auf mich seine Worte von Verweichlichung und Suche nach Anerkennung und Sympathie zutrafen. Ein gewisser Stich in meinem Inneren, den ich verspürt hatte, als er dieses Urteil äußerte, sagte mir, dass dem so sei. Aber auch eine andere Stimme meldete sich in meinem Inneren, immer lauter, je länger Sophus zu uns sprach. Ihr wollte ich nun auch nach außen Gehör verschaffen.
"Den Leidenschaften entgegenzutreten, haben sich auch die Philosophen zur Aufgabe gestellt. Sie wenden dazu die Mittel der paideia und verschiedenster geistiger Übungen an. Für den Politiker aber ziemt sich - da gebe ich Dir, Onkel, Recht - der Kampf in seinen verschiedensten Facetten. Dennoch scheint es auch mir um den Zustand Roms nicht zum Besten bestellt; die äußeren Bedrohungen, wie wir sie zurzeit in Gestalt der Parther durchleben, spiegeln nur innere Fäulnis."
Auch darin stimmte ich Sophus zu, dass die Idee, die Rom beseelte, nicht davon abhing, wie groß das Reich nun war, in dem Roms Gesetz in Geltung stand. Ich war auch zutiefst davon überzeugt, dass diese Idee sich nicht mehr vergessen würde. Dennoch suchte ich nach einem noch konkreteren Rat.
"Ich fühle mich sehr geehrt, dass Du mich und Ursus für geeignet hältst, dem Verfall zu wehren. Was aber muss dazu konkret geschehen? Brauchen wir mehr Soldaten? Andere Gesetze? Neue Kulte gar, wie manche sie fordern? Und - wäre dies nicht auch wieder eine Aufgabe für einen Mann wie Dich?"