Beiträge von Appius Aurelius Cotta

    Das unerwartete Gespräch mit meinem Onkel, das dieser gleich zu den höchsten Fragen römischer Staatskunst geführt hatte, und die intelligenten Repliken von Ursus, den ich dabei von einer neuen, sehr sympathischen Seite kennengelernt hatte - all dies hatte mich in eine Stimmung der Nachdenklichkeit und auch der Dankbarkeit versetzt, an welche die neuerliche Frage von Sophus nur wie von Ferne drang. Zwar hörte ich sie durchaus, doch gelangte sie nicht wirklich in mein Bewusstsein, in dem sich Erinnerungen und Überlegungen, Bilder und Wortfetzen aus meiner Vergangenheit und meiner Zukunft mischten; ein Wirrwarr, und noch sah ich den roten Faden nicht.


    Auch Leone würde mir diesen jetzt nicht bringen, was von einem Sklaven natürlich auch gar nicht zu erwarten war. Seine Schritte aber waren es schließlich, die mich aus meinen Gedanken rissen, vor allem als er sich direkt an mich wandte. Darüber war ich nun ziemlich überrascht, denn was sollte ausgerechnet ich diesen Herren von der cura aquarum sagen? Inzwischen aber kannte ich Leone schon gut genug, um zu wissen, dass er nicht ohne Grund gerade zu mir gekommen war. Und außerdem freute ich mich, Marcus auf diese Weise vielleicht ein wenig Arbeit abnehmen zu können. Ich stand daher unverzüglich auf, straffte meine Haltung, nickte meinen beiden Gesprächspartnern noch einmal zu und verließ sie dann mit einigen Worten des Dankes und der Anerkennung für unseren tiefschürfenden Dialog, den ich so schnell nicht vergessen würde.

    Meine eigene Anspannung wegen der neuen Pflicht und Herausforderung, die nun hier Ursus' und meiner harrte, wurde dadurch nicht gerade besänftigt, dass es noch eine gewisse Zeit dauerte, bis weitere sodales eintrafen und Marcus als magister der Collini von Neuem das Wort ergriff. Einer der nach uns Eintretenden konnte nach der Beschreibung, die ich von ihm gehört hatte, Flavius Lucullus sein; da ich auch ihn leider noch nicht persönlich kannte, war ich meiner Sache allerdings nicht sicher.


    Marcus hatte sich auch auf diese seine Pflicht wie immer hervorragend vorbereitet und führte in knappen und prägnanten Worten in die Sitzung ein. Ich musste ihn in diesem Augenblick, da ich ihm zuhörte, einmal mehr bewundern: Woher nur hatte er bei all seinen Pflichten die Zeit genommen, auch noch diese Sitzung vorzubereiten? Viel Zeit zur Bewunderung aber blieb mir nicht, denn schon forderte Corvinus Ursus und mich auf, uns den sodales vorzustellen. Ich blickte kurz zu Ursus hinüber, dann trat ich einen Schritt vor und begann zu reden:


    "Verehrte sodales, noch einmal begrüße ich euch herzlich! Mein Name ist Appius Aurelius Cotta, Sohn des Aurelius Galerianus und der Aquilia Sabina. Ich wurde in Mantua geboren und bin dort auch aufgewachsen, bis ich vor ungefähr dreieinhalb Jahren nach Athen zu meinen Studien aufbrach. Vor etwa einem halben Jahr kehrte ich zurück und lebe seitdem hier in Roma. Hier hatte ich schon die Gelegenheit, in einigen der Tempel zu opfern. Heute habe ich die Ehre, Euch um die Aufnahme in dieses gremium zu bitten."


    Mit einem Blick in die Runde der Versammelten und einem Nicken trat ich wieder einen Schritt zurück.


    Sim-Off:

    /edit: Die NPC-Mutter "Aquilia Sabina" ist Vergangenheit; meine Mutter ist "Aurelia Camilla".

    Das Wachstäfelchen in meinen Händen erwies sich als überaus nützlich, als mein Vetter nun betreffs des geplanten Festes lossprudelte wie ein Brünnlein. Nur mit Mühe folgte der stilus in meiner Linken seinen raschen Worten und kreativen Gedanken; in weiser Voraussicht hatte ich ihn gar nicht erst in meine rechte Hand genommen, mit der man mich zwar auch Schreiben gelehrt hatte, die diese Kunst aber bei weitem nicht so gut beherrschte wie ihre linke Kollegin.


    Je mehr ich jedoch schrieb, desto unruhiger wurde ich; fast wäre ich wie ein Schuljunge auf meinem Gesäß hin und her gerutscht. Denn so sehr ich mich auch nach Aufgaben sehnte, die ich für die gens würde übernehmen können, so fragte ich mich doch jetzt und hier, ob ich mich mit der Vorbereitung dieses Festes nicht - übernehmen würde. Ich sah von dem Täfelchen auf; gerade kam mir der Gedanke, dass doch hier auch noch andere Familienmitglieder waren, sehr fähige, deren Talente ja verschenkt waren, wenn sie sich hier nicht beteiligten - da sprach mein Vetter diesen Gedanken auch schon aus. Lächelnd hörte ich ihn an, und aufschreiben musste ich ihn natürlich nicht, denn er traf sich ja ganz mit meinen Wünschen. Ob es diese Schreibpause war, die Corvinus nun dazu brachte, sich wieder auf seine Arbeit als decemvir zu besinnen? Vielleicht war sie ein letzter Anstoß; die Stapel von Akten, die sich auf seinem Schreibtisch türmten, schafften allerdings auch von sich aus eine Atmosphäre des Drucks, dem ich nun weichen musste. Ich erhob mich von meinem Platz.


    "Ich danke dir, Corvinus, dass du dir überhaupt die Zeit genommen hast! Wir - vielmehr: du - hast ja auch einiges auf den Weg gebracht in Sachen Fest, und ich habe so ganz nebenbei einiges gelernt. Überarbeite dich aber nicht; du weißt: Es gibt in der villa Aurelia in Roma seit neuestem ja auch noch andere Schultern, die Lasten tragen können."


    Bei diesen Worten lächelte ich ihn noch einmal an, schwenkte das Wachstäfelchen, das ich an mich nahm, in der Luft, und verließ dann das officium meines Vetters.

    Während mein Vetter Corvinus, der verhinderte Alexander, nicht ohne sympathische Selbstironie seine Heldentaten rühmte, zog ich es vor, mich, anders als Dareios nach dem Debakel von Gaugamela, nicht auf die aussichtslose Flucht zu begeben, sondern meinem Alexander brav zu folgen. Dies tat ich umso lieber, als der siegreiche Befehlshaber den Feldherrenstab gleich wieder an sich brachte und alle nötigen Anstalten traf, uns beide für das eigentliche Bad vorzubereiten. Unser gemeinsamer Weg führte zum perystilium, wo sich schon Sklaven bereit machten, uns durch Schaben von Schweiß, Öl und Schmutz zu befreien. Als Marcus und ich uns endlich, die Arme kreuzförmig ausgebreitet, gegenüberstanden und die servi ihre Arbeit aufnahmen, atmete ich sichtlich auf und grinste meinen Vetter an.


    "Jetzt habe ich zwar keinen Baum, aber ein Schabeisen in erfahrenen Sklavenhänden ist fast noch besser, zumal ich nun ja nicht einmal mehr Grunzen muss."


    Dass sich bei mir zudem nichts kringelte oder etwa derartig anschwoll wie das getroffene rechte Auge meines Verwandten, verschwieg ich lieber, auch wenn wir hier ja nur unter Männern waren. Stattdessen vollführte ich einige ungelenke Bewegungen, die andeuten sollten, wie ich es angestellt hätte, meinen Rücken an einem Baum zu scheuern. Dabei kam mir ein Gedanke.


    "Wie sieht es eigentlich mit dem Tanzen aus, Corvinus? Auch wenn wir hier beim laxamentum sind, ruft doch die Pflicht. Was kommt denn da eigentlich noch auf uns zu außer den einschlägigen religiösen Festen? Finden die Treffen im Plenum häufig statt?"


    Ich hätte am liebsten noch so einige ähnliche Fragen an den magister der Collini gerichtet, war aber sicher, dass er mir eine umfassende Antwort nicht schuldig bleiben würde.

    Tanzen also ... Obwohl ich mich selbst durchaus als "gottesfürchtig" bezeichnet hätte und selbstverständlich über einen gewissen Standesstolz verfügte, musste ich beim Gedanken an diese uns nun bevorstehende Pflicht schlucken. Sie sollte ja zu Ehren der Götter sein; ob sie aber bei meinem schlaksigen Leib auch zu meiner eigenen Freude gereichen würde, blieb abzuwarten.


    So betrat ich denn hinter Marcus zusammen mit Ursus und mit gemischten Gefühlen die curia Saliorum Collinorum. Wenigstens war Corvinus ja als magister dieser Sodalität mit sämtlichen Formalitäten vertraut und übernahm es auch, meinen Vetter und mich dem Plenum vorzustellen. Auf dem Weg zur curia war schon der ein oder andere Name unserer zukünftigen Mit-Sodales gefallen, doch hatte ich eigentlich nur diejenigen der beiden Flavier behalten. Ihre Gesichter konnte ich nun jedoch nicht auf Anhieb im Plenum entdecken, und auch die Gesichter der anderen waren mir fremd. Ich folgte daher Ursus und grüßte die Runde ebenfalls mit einem knappen


    "Salvete!"

    Ganz, ganz feste kniff ich meine Augen zusammen, und PLATSCH! ging der erste Wasserfall über mich hernieder. Zwar war es ja wirklich noch nicht so lange her gewesen, dass Cadhla mich mit ihrer Landung im Teich nass gemacht hatte, doch musste ich mich an diese neuerliche Begegnung mit dem feuchten Element erst einmal wieder gewöhnen, und so stand ich zunächst einfach regungslos da. Aber schon beim zweiten Eimer Wasser legte ich selbst mit Hand an und zerstrubbelte so richtig meine Haare, um den Schlamm aus ihnen größtenteils loszuwerden. Dabei bemerkte ich, wie sich der glitschige und nun auf einmal unheimlich kalt wirkende Schlamm durch das Wasser wie Schleim unter meiner Tunika meinen Rücken entlangzog und meine Brust und meinen Bauch hinunterfloss, so dass ich eine Gänsehaut bekam und die Härchen an meinem Leib zu Berge standen.


    Mich fröstelte, und so war ich froh, als Cadhla mir nun mit einer Bürste zu Hilfe kam, weiteren Schlamm von meiner Tunika und meinem Leib abschrubbte und mich dabei im Nebeneffekt angenehm erwärmte. Da die kampferprobte Keltin dabei allerdings fast ein wenig zu sachte vorging, begann auch ich, nach besten Kräften mit zu rubbeln, so dass sich nun auf einmal vier Hände an meinem Leib zu schaffen machten. Diese ganze Behandlung ging derartig schnell vonstatten, dass mir gar nicht die Gelegenheit gegeben wurde, daran zu denken, dass zwei dieser Hände nicht wie sonst von Maron, sondern von einer Frau stammten. Nur das Ergebnis, als diese Hände sich von mir lösten und ich an mir herabsah, stand mir trotz der immer stärker hereinbrechenden Dunkelheit deutlich vor Augen: ein nasser Patrizier, der aussah, als habe er sich statt in eine tunika in ein Betttuch gewandet.


    Ich lachte Cadhla an, und meine Freude vergrößerte sich noch, als sie nun meine Vermutung bestätigte, dass sie gerne bei Sisenna war. Dies beruhigte mich auch noch weiter, was die Sicherheit meiner jungen Verwandten anging. Dass Sisenna die keltische Sklavin dabei an eine eigene Schwester erinnerte, fügte dem Wein der Erleichterung allerdings sogleich wieder einen kleinen Tropfen Essig bei. Cadhla hatte sich unterdessen ein wenig von mir entfernt, um sich nun selbst mit Wasser zu übergießen und rubbelnd zu reinigen, womit sie nun fertig zu werden schien, denn nach dem erneuten Platschen von Wasser und Scheuer-Geräuschen hörte ich nun einen Augenblick lang nichts mehr; zu sehen war ohnehin nicht mehr viel, und dem, was sich da in Cadhlas Richtung als Kontur abzeichnete, wollte ich lieber nicht zuviel Aufmerksamkeit schenken. Dennoch gelang es mir nicht ganz, den Blick von ihr zu wenden; ich machte einen Schritt auf sie zu, um sie behutsam noch etwas über ihre Schwester zu fragen - als ich plötzlich mit meinem nackten rechten Fuß in etwas sehr Spitzes trat. Weniger vor Schmerz als vor Schreck wollte ich aufstöhnen, doch selbst dies war mir nicht mehr vergönnt, denn schon im nächsten Augenblick erwischte mich irgendetwas unglücklich genau an der Schläfe. Mir blieb nur noch, einen dumpfen Laut aus dem Mund entweichen zu lassen; dann sank der Patrizier im nassen Betttuch bewusstlos zusammen.


    Recherchen der Sklaven noch in der Nacht im Fackelschein ergaben später, dass ich in einen Rechen getreten war, den ein servus nicht ordnungsgemäß abgestellt hatte. Dieser Rechen nun musste irgendwann unbemerkt umgekippt sein; mit voller Wucht war ich in seine Zacken getreten, dabei war sein Stiel dann hochgeschnellt und hatte mich zielsicher getroffen.

    Meine Frage nach möglichen Ansprechpartnern schien Sophus nachdenklich zu stimmen. Gewiss mussten solche Menschen mit großer Bedachtsamkeit ausgewählt werden, doch das lange Überlegen meines Onkels und der erste Teil seiner darauf folgenden Antwort überraschten mich schon: Er, der doch lange Jahre Rom in so vielen unterschiedlichen Ämtern gedient hatte, konnte nun nicht einen einzigen Namen nennen? Und er nannte doch einen, nämlich seinen eigenen.


    "Ich danke Dir sehr für Dein großherziges Angebot, mit Dir trotz der künftigen bedeutenden Entfernung zwischen uns in einen Briefwechsel zu treten."


    Bei diesen Worten nickte ich ihm ehrerbietig zu. Zwar kannte ich ihn nach wie vor nur oberflächlich und war mir auch nicht ganz darüber im Klaren, ob wir in allen Dingen einer Meinung waren, doch konnte es sicher nicht schaden, von einer so erfahrenen und wir mir schien auch integren Persönlichkeit den ein oder anderen guten Rat zu bekommen.


    Angesichts dieses doch eigentlich so harmonischen Ausklangs, den unser Gespräch zu nehmen schien, stutzte ich nicht wenig über die letzte Bemerkung unseres Onkels. Sorgte er sich etwa doch mehr um seine Gesundheit, als er Ursus und mir gegenüber zugeben wollte? Forschend sah ich ihn an; sachlich war fiel meine Antwort aus:


    "Große Reichtümer anzuhäufen, ist nach den jüngsten Modifikationen im Militärwesen und im cursus honorum für unseren Stand durchaus nicht mehr so einfach, aber natürlich ist auch das Wirtschaften ein Feld, auf dem wir junge Aurelier unserer gens dienlich sein wollen."


    Dabei blickte ich hinüber zu Ursus.



    Sim-Off:

    Und, wie viele davon waren lesenswert? :D Im Ernst: Gratulation! :dafuer:

    Schon seit dem frühen Morgen dieses Tages hatte ich mich in einer Art weihevollen Stimmung befunden, die mich das obligatorische Bartscheren, Frisieren und Ankleiden fast wie religiöse Rituale hatte empfinden lassen. Nun stand ich, angetan mit einer ganz neuen toga, inmitten der vielen Menschen, die der pompa funebris des Gaius Prudentius Commodus beiwohnen wollten. Bei dem zu erwartenden prächtigen Spektakel hatten sich gewiss auch reine Schaulustige eingefunden; da der tote consul aber, soweit mir zu Ohren gekommen war, in einem tadellosen, ja, äußerst respektablen Ruf gestanden hatte, hatte die Mehrheit der Menschen wohl echte Trauer an diesen Ort geführt. Meine eigene Körpergröße ermöglichte mir einen Blick in die Gesichter vieler Menschen, der meine Vermutung zu bestätigen schien. Und auch meiner bemächtigte sich eine tiefe Ergriffenheit, als auf seinem Totenbett der tote consul sich der Stelle näherte, an der ich mich eingefunden hatte. In mir regte sich die Erinnerung an jenen Abend in der casa Octavia beim Fest des Octavius Avitus, als es mir, dem Neuankömmling in Roma, noch einmal vergönnt gewesen war, den großen Prudentius kennen zu lernen. Erschütternd der Gedanke, dass er nur kurze Zeit später so gewaltsam aus dem Leben schied.

    Zitat

    Original von Flavius Aurelius Sophus
    "Gute Freunde erkennen ein gutes Herz, bisweilen vermögen sie deinen Lebenswandel besser zu beurteilen als du selbst. Halte sie dir nahe und übe dich in Tapferkeit."


    Mit dem Hinweis auf die guten Freunde traf mein Onkel bei mir einen Nerv. Auch ich sehnte mich nach echter Freundschaft, doch konnte ich leider nur erahnen, wieviel gegenseitige Hilfe in einer solchen Beziehung gegeben werden konnte. Meine Schweigsamkeit, Ernsthaftigkeit und Nachdenklichkeit hatten mir oft dabei im Wege gestanden, Freunde zu gewinnen; zu abweisend wirkte mein Wesen auf sie. Während in meinen Jünglingsjahren in Mantua die Familien- und Lernpflichten mich immer wieder mit anderen in Kontakt gebracht hatten, hatte ich in Athen den Fehler gemacht, mich zu oft zurückzuziehen. In Roma hatte ich mir vorgenommen, dies gründlich zu ändern, doch einen wirklich engen Vertrauen hatte ich noch nicht finden können. Ich blickte auf Titus, der vorhin diesen Octavius Marsus erwähnt hatte; Titus hatte sich mir während unseres Gespräches im Schatten des Hauses von einer ganz anderen Seite gezeigt, als ich ihn bislang eingeschätzt hatte - konnte er mir vielleicht so ein Freund sein? Immerhin strebte er einen ähnlichen Werdegang an wie ich. Und dann waren da natürlich noch Corvinus und mein Bruder Lupus. Trotz all dieser Überlegungen äußerte ich zu diesem Thema noch etwas:


    "Ein Freund will gut gewählt sein, vor allem wenn er über all die charakterlichen Eigenschaften verfügen soll, die Du, Onkel, zurecht angedeutet hast. Sowohl Ursus als auch ich waren lange aus Rom fort; kennst Du vielleicht solche Männer, die uns hier mit ihrem Rat zur Seite stehen könnten?"


    Diese Frage drängte sich umso mehr auf, als Sophus, wie es sich nun aus seiner Antwort auf Titus hin ergab, eine wirklich lange Reise plante. Über diese Auskunft schien mein Vetter genauso überrascht wie ich und stellte auch sogleich eine präzisierende Frage. Die Erwiderung unseres Onkels, er werde sich dort in Geldgeschäften betätigen, trug nicht gerade zu meiner Beruhigung bei: Was mochten das für wichtige Geschäfte sein, dass Flavius selbst bei ihrer Abwicklung so weit entfernt von zu Hause nach eben überstandener schwerer Krankheit unabkömmlich war? Obwohl ich mir nicht sicher war, ob seine Gegenfrage nun nicht nur der Ablenkung dienen sollte, antwortete ich ernsthaft auf sie:


    "Was mich angeht, so arbeite ich mich gerade in die Kunst des Wirtschaftens ein. In meinen Augen ist dies leider ein vernachlässigtes Gebiet in der Erziehung eines Patriziers."


    Solche Dinge ließ man schließlich meist von Sklaven oder Angestellten erledigen. Mir schien es allerdings von großem Vorteil, wenn man auch höchstselbst in der Lage war, sich über die eigene wirtschaftliche Verfassung einen raschen Überblick zu verschaffen.

    Während ich einen Becher mit kühlem Wasser in Empfang nahm, von dem ich auch sogleich in großen, hastigen Schlucken trank, beobachtete ich voller Anspannung das Tun meines Vetters. Zu meiner Beruhigung stellte er sich zunächst nur in den Kreis der Schaulustigen, während sich, ganz meinen düsteren Erwartungen entsprechend, immer mehr Männer nicht entblödeten, sich ebenfalls in handgreiflicher Weise an der Prügelei zu beteiligen. Auch für Corvinus hätte ich in diesem Augenblick nicht meine Hand ins Feuer gelegt; freilich kannte ich ihn noch nicht gut, doch glaubte ich, an ihm ab und an einen fast jünglingshaften Leichtsinn ausmachen zu können. Noch immer blickte ich daher angespannt auf die Menschenansammlung, die ich normalerweise natürlich keines Blickes gewürdigt hätte, hätte nicht mein patrizischer Vetter sie mit seinem Interesse aufgewertet. Da sich aber aus seinem Interesse entgegen meinem Argwohn doch kein Inter-esse zu entwickeln schien, wandte ich mich für einen kurzen Moment ab, um meinen schweißnassen und nach Bodenkontakt leider auch nicht mehr ganz sauberen Leib mit einem bereit liegenden Tuch ab zu reiben.


    Als ich mich wieder zu der kämpfenden Meute umdrehte, traute ich meinen Augen kaum. Corvinus befand sich nämlich mittlerweile selbst auf dem Boden und wurde soeben von einem noch recht vernünftig aussehenden Mann empor gezogen. Nur am Rande bekam ich mit, dass nun auch milites eingetroffen waren, die der Schlägerei endlich einen Schlusspunkt bescherten. Dies aber ließ ich selbstverständlich ganz auf sich beruhen und machte mich stattdessen auf, Marcus entgegenzueilen; das Tuch ließ ich einfach auf die Erde fallen. Als hätte mein weiser Vetter geahnt, dass ich mich natürlich sofort mit Erkundigungen an ihn wenden wollte, schnitt er mir schon von weitem das Wort ab, indem er mich mahnte, bei eventuellen Nachfragen dritter eine ganz bestimmte Version des Geschehens zu verbreiten. Als ich das hörte, vor allem aber als ich ihn dann nah vor mir sah, verbreitete sich auf meinem Gesicht ein Grinsen, denn wie bald allerlei Nachfragen zu unseren laxamentum eintreffen würden, konnte ich mir vorstellen, als ich sein gut getroffenes rechtes Auge sah. Zum Glück schien sich Marcus ansonsten in keinster Weise verletzt zu haben.


    "Ah, das beste habe ich offenbar verpasst: den Moment, in dem du drei Männer gleichzeitig in die Flucht schlugst um der Ehre der Frauen willen. - Na, na, Vetter, so eine Keilerei, wir sind doch hier nicht in Issos! Statt decemvir litibus iudicandis hättest du lieber tresvir capitalis werden sollen!" :D


    Ich wollte Corvinus schon Wasser kommen lassen, als er den Vorschlag machte, nun hier auf dem Ringplatz unsere Zelte abzubrechen und ins Bad zu gehen. Davon war ich auch sehr angetan.


    "Ja, lass uns jetzt gleich ins Wasser gehen. Nachdem du mich flachgelegt hast, fühle ich mich wie ein Borstentier. Wenn ich mich nicht bald waschen kann, suche ich mir einen Baumstamm, an dem ich mich reiben kann."

    Zitat

    Original von Flavius Aurelius Sophus
    "Daher kann ich euch nur raten, so unbefriedigend meine Antwort auch sein mag: Tretet ein für die Sitten der Vorfahren, wo immer ihr könnt. Straft jene mit Verachtung, die sich in ihrer Verwirrung verloren haben, denen aber, welchen im tiefsten Herzensgrunde Sehnsucht nach dem rechten Gemeinwesen schlummert, nehmt euch an."


    Als Onkel Sophus das Prinzipat als die von ihm präferierte Regierungsform nannte, konnte ich ihm nur beifällig zunicken. Auch in mir hatte sich die Meinung gebildet, dass es dieser Form der Herrschaft gelang, nach allen Seiten hin ein Gleichgewicht zu halten. Mehr noch aber bewegten mich die Worte, die Flavius über die Soldaten und über das Militär fand. Natürlich war mir hinlänglich bekannt gewesen, wieviele hohe militärische Funktionen er im Laufe der Jahre bekleidet hatte; als er nun aber leibhaftig vor uns saß und über dieses Thema sprach, wurde mir erst so richtig bewusst, wie stark offenbar in unserem Zweig der gens der Hang zum Militär verbreitet war. Zum ersten Mal während unseres Gesprächs im Schatten des Hauses fühlte ich mich meinem Onkel so etwas wie persönlich nahe, und auch dem Inhalt seiner Worte konnte ich nur zustimmen, wobei leider mir noch die entsprechenden tiefen Kenntnisse der Kriegskunst fehlten; ich gedachte, sie mir anzueignen. Als Flavius nach seinen ersten Ausführungen zu diesem Thema einen Augenblick lang in Nachdenklichkeit zu versinken schien, hätte ich zu gerne gewusst, was in ihm vorging. Doch als wolle er sich selbst von diesem Moment frei machen, richtete er schon bald an Ursus und mich den dringenden Appell, die Sitten der Alten zu bewahren.


    "In unserem Stand als Patrizier haben wir ja das große Glück, mit den Sitten der Vorfahren von klein auf vertraut zu sein. Und ein Gefühl der pietas diesen Sitten, den Vorfahren und auch Rom gegenüber ist uns ebenfalls von Kindesbeinen an nahe gebracht worden. Möge uns dies alles die Weisheit geben, zu unterscheiden zwischen jenen Verwirrten und denjenigen, die nach dem guten Gemeinwesen streben."


    Als mein Onkel die Bemerkung über meine Forschheit anfügte, musste ich unwillkürlich lächeln und sagte meinerseits noch:


    "Forschheit ist das eine, doch wünsche mir, mein Onkel, auch die Weisheit, die mir selbst immer sagt, wann ich Rom wirklich diene und wann ich mich in Verwirrung befinde."


    Mein Blick glitt nun hinüber zu Titus, den ich doch für ein gutes Stück forscher hielt als mich selbst. Leider kannte ich ihn noch nicht lange genug, um einschätzen zu können, ob seine Miene die Wahrheit über ihn verriet oder ihn maskierte; mir schien er jedenfalls hochinteressiert und sehr aufmerksam. Diesen Eindruck bestätigten nun auch seine Worte; die mahnenden Äußerungen unseres Onkels hatten offenbar auch ihn nachdenklich gemacht. Und genauso wie ich hatte er aufgehorcht bei der Ankündigung des Sophus, eine längere Reise unternehmen zu wollen; und er stellte ihm nun eine entsprechende Frage. Gespannt schaute ich Flavius an.

    Vorsichtig streckte ich meinen Hals nach vorne und drehte meinen Kopf behutsam nach rechts und nach links, um die entspannende Wirkung der Wärme auf meinen Nacken zu unterstützen. Dabei entging mir nicht eine gewisse Enttäuschung in den Gesichtszügen des Marcellus. Ich brachte sie damit in Verbindung, dass ich kaum in der Lage dazu gewesen war, sein Interesse an Neuigkeiten aus Athen zu befriedigen. Daher war ich durchaus dankbar für seine Neugierde in Bezug auf meine Person, denn hier musste ich naturgemäß die Antwort nicht aus Unkenntnis schuldig bleiben.


    "Du bist als Claudier aufgewachsen und hast nun als praefectus annonae eines der bedeutendsten Ämter inne, die Roma zu besetzen hat. Daher kann ich es mir natürlich ersparen, dir darzulegen, welche Folgen die jüngsten Modifikationen im cursus honorum für den Stand der Patrizier mit sich bringen. Wen es, wie mich, in die Politik zieht, für den bietet in meinem Stand eigentlich nur Roma eine Heimat."


    Gerne hätte ich an dieser Stelle danach gefragt, was denn nun eigentlich dazu geführt hatte, dass Marcellus gemeinsam mit seiner Tochter die Claudia verlassen hatte, doch dies verbot mir natürlich der Anstand. Stattdessen fügte ich noch hinzu:


    "Auch der weitaus überwiegende Teil unserer gens ist jetzt hier in Roma ansässig; von Aurelius Corvinus sprachen wir ja bereits. Es ist für mich eine Freude, im Rahmen einer großen Familie zu leben."

    Zitat

    Original von Flavius Aurelius Sophus
    Niemand kann die Augen vor Tatsachen verschließen: Er hat doch bereits begonnen, unser Niedergang. Je mehr er voranschreitet, desto dringender brauchen wir Menschen wie euch, Männer aufrechter Haltung, die nicht davor zurückschrecken, forsch das Volk mit harter Führung umso mehr an seinen eigentlichen Platz zurückzuweisen, je eher es eigennützige Träumereien entwirft."


    Der weitere Verlauf unseres Gesprächs nahm mich völlig in Anspruch, denn was Flavius und Titus jetzt an Gedanken austauschten, hatte auch mich schon während meines Aufenthaltes in Athen zuinnerst beschäftigt, doch hatte ich bisher nie die Gelegenheit gefunden, mich auszusprechen, jedenfalls nicht mit solchen Gesprächspartnern wie meinen beiden Verwandten hier. Ein derartiges Defizit pflegt sich stets auf die Qualität der eigenen Gedanken auszuwirken, und dass dies bei mir der Fall war, hatten mir die Fragen meines Onkels und die Überlegungen meines Vetters deutlich vor Augen geführt. So saß ich eine Weile einfach da und lauschte den beiden fast atemlos.


    Von der Vielzahl der nun von beiden quasi pausenlos geäußerten Reflexionen fast erdrückt, drohten sich in meinem Kopf meine eigenen Gedanken fast zu überschlagen. Ich musste meine ganze Aufmerksamkeit sammeln, um dem Gespräch folgen zu können. So vieles gab es, zu dem ich am liebsten spontan etwas gesagt oder eher noch eine Frage gestellt hätte; die Fülle der Anregungen aber nötigte mich zur Auswahl.


    "Es scheint mir, dass wir alle drei hinsichtlich des Zieles, des telos der politischen Betätigung und des Gemeinwesens einig sind: Ich hätte die Gerechtigkeit genannt, die ja immer auf die Mäßigung der Leidenschaften zielt, die Du, Onkel, in den Vordergrund gestellt hat. Und auch du, Ursus, scheinst mir Ähnliches im Sinn zu haben, wenn du betonst, dass der Politiker dem Volk diene, indem er es führe. Nur erscheint mir deine Sicht auf die Dinge, Ursus, zuversichtlicher als die Deine, Onkel, der Du sie schwach nennst und der Unerfahrenheit zurechnest."


    Mit großem Verlangen hätte ich an dieser Stelle Flavius gerne danach gefragt, welche Erfahrungen es gewesen waren, durch die die harte Schule des Lebens ihn in ihre Zucht genommen hatte, wie er es selbst erwähnt hatte. Doch verbaten Anstand und Ehrerbietung mir, ihm eine solch persönliche Frage zu stellen. Mich selbst aber forschte ich durchaus danach aus, ob nicht auch auf mich seine Worte von Verweichlichung und Suche nach Anerkennung und Sympathie zutrafen. Ein gewisser Stich in meinem Inneren, den ich verspürt hatte, als er dieses Urteil äußerte, sagte mir, dass dem so sei. Aber auch eine andere Stimme meldete sich in meinem Inneren, immer lauter, je länger Sophus zu uns sprach. Ihr wollte ich nun auch nach außen Gehör verschaffen.


    "Den Leidenschaften entgegenzutreten, haben sich auch die Philosophen zur Aufgabe gestellt. Sie wenden dazu die Mittel der paideia und verschiedenster geistiger Übungen an. Für den Politiker aber ziemt sich - da gebe ich Dir, Onkel, Recht - der Kampf in seinen verschiedensten Facetten. Dennoch scheint es auch mir um den Zustand Roms nicht zum Besten bestellt; die äußeren Bedrohungen, wie wir sie zurzeit in Gestalt der Parther durchleben, spiegeln nur innere Fäulnis."


    Auch darin stimmte ich Sophus zu, dass die Idee, die Rom beseelte, nicht davon abhing, wie groß das Reich nun war, in dem Roms Gesetz in Geltung stand. Ich war auch zutiefst davon überzeugt, dass diese Idee sich nicht mehr vergessen würde. Dennoch suchte ich nach einem noch konkreteren Rat.


    "Ich fühle mich sehr geehrt, dass Du mich und Ursus für geeignet hältst, dem Verfall zu wehren. Was aber muss dazu konkret geschehen? Brauchen wir mehr Soldaten? Andere Gesetze? Neue Kulte gar, wie manche sie fordern? Und - wäre dies nicht auch wieder eine Aufgabe für einen Mann wie Dich?"

    Zitat

    Original von Decima Lucilla


    Meine Frage nach den Wirkungen neuerlichen Weinkonsums auf die auctrix der Acta Diurna beantwortete sich schnell, als Decima Lucilla mit mir noch auf unser gegenseitiges Wohl anstieß, dabei höchstens einmal an ihrem Getränk nippte - und dann zum Aufbruch rüstete. Ich leerte schnell meinen Weinbecher und drückte ihn Maron in die Hand, um zu den verabschiedenden Worte die Hände frei zu haben für einnehmende Gesten.


    "Am Ende eines solchen, unverhofften Gespräches mit einer nicht ganz einflusslosen Persönlichkeit wie dir pflegt man oft zu sagen, dass einem die Zeit so unfassbar schnell vergangen sei. Du wirst diese Worte auch oft genug gehört haben, aber sicher nicht nur wegen deiner persönlichen Bedeutung, sondern schlicht, weil es wahr gewesen ist. So geht es auch mir. Decima Lucilla, ich bedanke mich bei dir für das angenehme Gespräch! Mögen die Götter, Vulcanus-Hephaistos, Bacchus und wie sie alle heißen, mit dir sein!"


    Mit einem Blick auf die bereitstehenden Sklaven der Decima fügte ich - eigentlich überflüssigerweise, aber doch anstandshalber - hinzu:


    "Ich nehme an, dass du auch ohne meine Hilfe sicher nach Hause gelangen wirst?"


    Ich selbst wollte nämlich noch nicht nach Hause; nachdem Maron nun die ganze Zeit stumm diesem Gespräch hatte lauschen müssen, an dessen Anfang ihm sogar sein Wein entwunden worden war, konnte ich es ihm ausgerechnet an den volcanalia nicht antun, dass wir nicht wenigstens noch ein bisschen blieben. Das Mischungsverhältnis für meinen Wein würde ich nun aber selbst festlegen. :)

    Zitat

    Original von Titus Aurelius Ursus
    "Für mich ist Sittlichkeit der ehrenhafte Umgang miteinander und damit unter anderem auch die Verläßlichkeit auf das Wort."


    Unser Gespräch hatte sich von einer angenehmen nachmittäglichen Plauderei über dieses und jenes und die Octavier immer mehr zu einem philosophischen Streitgespräch entwickelt, bei dem ich mich zunehmend über meinen Onkel wunderte, da er nun nach der "glänzendsten Tugend im Gemeinwesen" fragte. War diese Frage etwa wieder rhetorisch gemeint? Dann hatte doch Ursus darauf schon eine sehr passende Umschreibung gegeben; entgegen meinem Argwohn schien er seine Zeit in Athen ja offenbar doch ab und an mit ernsthaften Studien verbracht zu haben. - Ich konnte nämlich kaum glauben, dass Sophus diese Frage im Ernst an uns richtete; mir fiel ad hoc jedenfalls kein großer Denker ein, der auf diese Frage nicht mit der "Gerechtigkeit" geantwortet hätte. Bezweifelte mein Onkel etwa diese Antwort? War der noble Patrizier gar im Innern ein Freigeist?


    Diesen meinen gravierenden Verdacht zerstreuten allerdings seine folgenden Worte über das Verhältnis von Adel und Pöbel. Auch hier behielt Flavius seinen Verhör-Stil Titus und mir gegenüber bei. Da mich dieser, vor allem aber Sophus' abschließende Aufforderung zur Gegenrede reizten, schaltete ich mich nun ein:


    "Schon die ganze Zeit verfolge ich Deine messerscharfen Fragen mit großem Interesse; mit noch größerem Interesse sehe ich aber der Belehrung entgegen, die Du als erfahrener Aurelius uns Jungspunden sicher nicht vorenthalten wirst und durch Deine Fragen gewiss vorbereitest."


    Ich sah meinem Onkel nun direkt in die Augen; diese Form des Gespräches war auch eine Art und Weise, einander kennenzulernen.


    "Die verschiedenen Regierungsformen unterscheiden sich ja unter anderem darin, wie sie das von Dir angesprochene Verhältnis zwischen Adel und plebs regeln. Welche Regierungsform präferierst Du, und wie stehst Du zur bestehenden?"


    Wie beiläufig fügte ich an:


    "Das Verhältnis von Adel und plebs ist ja auch im Zusammenhang bestimmter Zahlenspiele von Interesse. Zwei und zwei ergeben vier; unter dem Mond aber ergeben nicht nur eins und eins manchmal drei, sondern auch eins und eins manchmal eins."

    Die positive Wirkung der Wärme auf mein Wahrnehmungsvermögen war nicht zu leugnen, denn auf einmal bemerkte ich auf dem Gesicht des praefectus annonae so etwas wie ein leichtes Lächeln, während er mir bis dato doch eher zurückhaltend vorgekommen war. Oder lag es etwa an dem Stichwort "Athen", dass sich seine Züge jetzt so aufhellten? Ich war geneigt zu vermuten, dass er dort vielleicht aufgewachsen sei; wissen tat ich es ja leider nicht. Daher erwiderte ich lachend:


    "Ich befürchte, du hast mir nicht nur die in Roma lebenden Patrizier betreffend, etwas voraus, sondern auch, was Athen angeht. Ich war dort zum Studium und muss gestehen, dass ich mich auf dessen Inhalte doch sehr konzentriert habe. Auch über den Kreis unserer Schule respective der Schüler bin ich nicht oft hinausgekommen; Reisen in die Umgebung habe ich nur selten unternommen."


    Bei diesen rein negativen Auskünften wollte ich es nun aber doch nicht belassen, und so fügte ich an:


    "Mir schien, dass der Unterricht in Athen immer noch auf einem hohen Niveau angesiedelt ist, besonders was die Rhetorik angeht. Viele behaupten dagegen ja, die philosophische Ausbildung sei mittlerweile in Alexandria besser. Mir persönlich fehlt da leider jeder Vergleich. Dich aber scheint viel mit Achaia zu verbinden?"

    Zitat

    Original von Flavius Aurelius Sophus
    Es verging kein Wimpernschlag, da hakte Sophus nach:
    "Wie definierst du Sittlichkeit, was ist das Volk und weshalb glaubst du, müsse ihm von der Politik gedient werden?"


    Anschließend beugte er sich vor und fixierte beide Aurelier streng.


    "Ihr redet über Politik. Ich stelle euch nun eine Frage, eine sehr einfache Frage, auf die ich kein vielleicht, kein irgendwann, kein ich weiß nicht hören, kein Zögern, kein Zaudern bemerken will. Ich stelle euch nun eine einfache Frage, auf die ich eine einfache Antwort haben möchte. Ja oder nein. Es kann und darf kein Ausweichen geben. Möchtest du in die Politik, Ursus? Möchtest du in die Politik, Cotta?"


    Zu den Worten meines Vetters Ursus über die Octavier nickte ich zustimmend.


    "Auf dem Fest der gens Octavia ist Corvinus ja mit Avitus ein Wahlbündnis eingegangen. Es ist sicher gut, den Kontakt zu dieser Familie auch nach der Wahl nicht abreißen zu lassen; und wenn dann noch persönliche Sympathie hinzukommt - umso besser. Ist dieser Marsus eigentlich in unserem Alter?"


    Während Titus und ich unser Gespräch über die Octavier fortsetzten, beobachtete ich aus den Augenwinkeln heraus angespannt, wie scharf Onkel Sophus uns beiden dabei musterte. Die ganze Zeit schon hatte ich auf ein Eingreifen seinerseits gewartet; die Frage, die dann tatsächlich kam, verwunderte mich allerdings schon ein wenig.


    "Das, was ich nun zu Deiner Frage an uns sage, Onkel, sage ich unter zwei Voraussetzungen: Erstens meinst du mit dem ,Begriff der Sittlichkeit' sicherlich die Idee des Guten respective die Tugend. Und da ich dies als gegeben annehme, mache ich die zweite Voraussetzung, die Epikureer außen vor zu lassen."


    Nachdem ich nun auf diese Weise versucht hatte, das Thema einzugrenzen, machte ich mich an die Kernfrage:


    "Nach allen übrigen philosophischen Schulen, die gelebt und gelehrt werden, gehen die Begriffe des Guten und der Politik nicht nur zusammen, sondern gehören unabdingbar zueinander. Am markantesten ausgeführt ist dies wohl in der ,Politeia' des Plato. Und auch die Stoa lehrt ja, die politische Betätigung zu suchen, und zwar als Betätigungsfeld für die Tugend."


    Ich machte eine absichtliche Pause, denn wenn das auch die Kernfrage war, so wie sie Flavius gestellt hatte, so war dies vielleicht doch noch nicht der Kern der Sache, wie auch er sie gemeint hatte.


    "Das Aufkommen der Schule des Epikur zeigt jedoch, dass so manchen Eiferer für das Gute irgendwann eine gewisse Resignation beim Verfolgen der Politik überkam. Woher mag diese gekommen sein? Meiner Meinung nach durch die zunehmende Korruption der Polis durch die menschlichen Leidenschaften und die Gier, durch den Übergang zu einer monarchischen Herrschaft sowie durch die Konfrontation mit dem großen Erfolg schierer militärischer Gewalt. Alle drei Punkte hängen miteinander zusammen."


    Einen Moment lang hielt ich inne und überlegte, in welchen Formulierungen ich nun den Schluss aus meinen Ausführungen ziehen würde. Die neue Frage meines Onkels kam mir dabei sehr zu Pass.


    "In meinen Augen heißt Politik also: die Tugend im Gemeinwesen zur Geltung kommen lassen. Dabei wird man es nicht nur mit Tugendhaften, sondern eben auch mit Korrupten, Gierigen und Gewalttätigen zu tun bekommen. Trotz und angesichts dessen sage ich ja. Du fragst mich, Onkel, ob ich in die Politik will: Ja."