Beiträge von Appius Aurelius Cotta

    Zitat

    Original von Flavius Aurelius Sophus
    "Man steht doch immer in bester Kraft, wenn man jungen Römern mit angemessenen Sitten begegnet, nicht wahr?", meinte dieser, bevor er nicht ganz unbeschwert atmend eine Sitzgelegenheit in Anspruch nahm, welche sein Sklave Tacitus bereits zurechtgerückt hatte.


    "Was den Zusammenhang zwischen der Angemessenheit Deiner Sitten und der Kraft angeht, Onkel, so dürftest Du, Deinem respektvollen Verhalten uns gegenüber nach zu urteilen, nicht nur vollständig genesen sein, sondern gleichst einem Jungbrunnen und einer stetigen Quelle des Ansporns für uns."


    In der Tat nahm mich Flavius' respektvolles Benehmen Ursus und mir gegenüber durchaus für ihn ein, zumal er mir sonst durch seine Strenge bekannt war; dies allerdings auch wieder fast ausschließlich vom Hörensagen her. Ich war daher mittlerweile ganz froh darüber, dass Sophus bei uns Platz genommen hatte, ergab sich doch so die Gelegenheit, einander vielleicht ein wenig besser kennen zu lernen. Außerdem schien es um seine Gesundheit nun wirklich auch besser bestellt zu sein, wenn ihm das Hinsetzen auch eine gewisse Mühe zu bereiten schien. Ich beobachtete dies mit Sorge, bemühte mich aber, mir davon möglichst wenig anmerken zu lassen, da mir auch mein Onkel bestrebt schien, solches vor uns zu verbergen. Im Übrigen schien er uns beide in unserem Gespräch auch nicht unterbrechen zu wollen; ich überlegte mir daher, auf welches der von Titus angerissenen Themen ich jetzt am besten würde eingehen können, so dass sie uns beiden einerseits in den Augen des Sophus nicht kompromittieren würden und für ihn andererseits vielleicht sogar auch von Interesse sein könnten.


    "Du hattest mich nach den Octaviern gefragt, Titus. Ich muss dir gleich sagen, dass ich sie natürlich auch nicht besonders kenne; ich kann dir nur ganz subjektive Eindrücke schildern. Mittelpunkt dieses Festes seinerzeit war natürlich Octavius Avitus, anlässlich dessen Kandidatur zur quaestur es ja auch stattfand; dass er dieses Amt dann doch nicht erlangt hat, hast du sicher mitbekommen. Er ist ja jetzt stattdessen Militärtribun bei den cohortes urbanae."


    Ich freute mich dagegen von Herzen für Corvinus, dass dieser auf überzeugende Weise zu dem von ihm gewünschten Amt gekommen war.


    "Octavius Victor als praefectus urbi hat natürlich gerade jetzt während der Abwesenheit des imperators eine Schlüsselstellung inne, da er diesen ja vertritt. Und Octavius Detritus ist ja nun in den senatus aufgenommen worden nach all den vielen Ämtern, die er schon innehatte - aber das ist dir sicher auch bekannt. Persönliche Freundschaften konnte ich mit ihnen bislang nicht schließen, da hast du mir etwas voraus."

    Mittlerweile dankte ich den Göttern wirklich nicht nur für das gute Wetter und das Privileg, bei eben diesem hier einfach draußen im hortus sitzen zu können, sondern auch dafür, dass sie mir gerade Ursus als Gesellschaft geschickt hatten. Denn ich lernte ihn heute von einer für mich völlig neuen Seite kennen. Die Größe unserer gens hatte es mit sich gebracht, dass wir nicht miteinander aufgewachsen waren und uns im Knabenalter nur sporadisch gesehen hatten; Zufälle, vielleicht aber auch gar die Weisheit der athenischen Lehrer hatte während unseres Studiums dazu geführt, dass wir ebenfalls getrennt gewesen waren. Nun empfand ich die Anwesenheit Titus' hier in der villa Aurelia in Roma mehr und mehr als Bereicherung.


    Ich lächelte ihm aufrichtig zu, während ich verblüfft seinen wahrhaft diplomatischen Worten zuhörte, mit denen er die Zeit in Athen aus seiner Sicht zusammenfasste. Das Talent zu einer solchen Art der Rede hatte ich an ihm bislang noch gar nicht wahrgenommen; hier nun bekam ich es in einer verheißungsvollen Blüte vorgeführt. Die Anwendung dieser seiner Begabung mochte Ursus allerdings auch angebracht erscheinen; so jedenfalls deutete ich seinen Blick, den er vielsagend zwischen mir und Flavius hin- und herwandern ließ. Auch ich bemerkte das Lächeln auf den Zügen meines Onkels, das ich nicht recht zu deuten vermochte; trotz unserer nahen Verwandtschaft kannte ich ihn so gut wie gar nicht, war er, den viele so bewunderten, doch stets mit Ämtern und Arbeit überhäuft gewesen. Sein Lächeln jetzt verunsicherte auch mich, und so versuchte ich, mich umso mehr Titus zu widmen.


    "Was Roma angeht, musst du mir unbedingt mal alles zeigen oder mir wenigstens sagen, was man unbedingt gesehen haben muss! Ich vertraue da ganz auf dich als Einheimischen, du hast doch sicher, wie sagt man, Geheimtipps!"


    Dabei grinste ich ihn an und freute mich schon im Voraus auf ein entsprechendes Gespräch zwischen mir und meinem Vetter, das wir dann aber sicherlich alleine führen würden. Oder wir würden einfach einmal gemeinsam losziehen.


    "Was Mantua betrifft - nun, bei den res gestae von Claudius Menecrates bin ich nachher auf dem Forum Romanum noch mit Annaeus Modestus ins Gespräch gekommen, dem duumvirn von Mantua. Dabei entstand die Idee, bald einmal in meine Heimatstadt zu reisen. Ich war ja ewig nicht mehr dort."


    Unwillkürlich blickte ich bei der Erwähnung Mantuas wieder in die Richtung, in der mein Onkel stand, oder besser: gestanden hatte. Denn nun sah ich, dass er ganz nahe an den Tisch zu uns herangetreten war. Ein leichter Schreck durchfuhr mich; wie ein Schuljunge fühlte ich mich ertappt - ich wusste selbst nicht, warum - und erwartete einen Tadel. Zu meiner großen Überraschung fragte Flavius uns jedoch, ob er sich zu uns setzen dürfe. Verdutzt sah ich Ursus an. Dann wandte ich mich schnell dem Fragenden zu:


    "Es steht uns Jungspunden wohl nicht an, Onkel, Dir auf Deine wohl rhetorische Frage hin Erlaubnisse zu erteilen oder gar zu verweigern. Darf ich aus Deinem Erscheinen hier im hortus aber schließen, dass es Dir wieder besser geht? Das wäre eine wirklich freudige Nachricht."


    Ein Blick auf die Sklavin, die sich im Hintergrund der kleinen Sitzgruppe hielt, bestätigte mir, dass sie sich bereits anheischig machte, Sophus zu bedienen.

    Immer noch ein wenig verlegen wegen des vielen Süßholzes, das ich eben, ohne es recht zu bemerken, geraspelt hatte, stand ich da, und traute nun allerdings meinen Ohren kaum. Hatte die Decima von meinen Komplimenten noch nicht genug? Hatten meine Komplimente in ihr gar den Appetit auf noch mehr Komplimente geweckt? Oder machte sie sich jetzt doch noch über mich lustig? Jedenfalls kokettierte sie damit, dass sie bei den dunklen Stellen unserer großen Philosophen immer gedacht habe, sie selber sei nicht helle genug - was mit Sicherheit nicht stimmte. Wenn ich nur daran dachte, wieviele dunkle Stellen doch das von ihr geleitete Presseorgan in seinen Artikeln Ausgabe für Ausgabe bot, mit denen die jeweiligen Autoren ihre eigene Meinung oft nur notdürftig zu kaschieren suchten.


    Ach, ich wusste einfach nichts über Frauen und in diesem Moment schon gar nicht, was ich erwidern sollte. Fast hätte ich Hilfe suchend zu Maron geblickt, ließ das aber, als Decima Lucilla dann auf ihren Sklaven zu sprechen kam; wie Marons Gesicht bei diesem neuen Thema wieder aussehen würde, wollte ich gar nicht wissen. Die auctrix der Acta Diurna nun schien an diesem besonderen Sklaven in der Tat sehr zu hängen; während von ihrer Freundin, die sie doch hierher begleitet hatte, gar nicht mehr die Rede war, machte sie sich um diesen Sklaven echte Sorgen. Aufmerksam sah ich Decima Lucilla an, als könnte ich ihrem Gesicht vielleicht irgendeinen Hinweis darauf entnehmen, wie ich ihr in dieser unangenehmen Situation beistehen könnte. Umso überraschter war ich, als dann wie aus dem Nichts plötzlich wieder dieser Sklave auftauchte, ganz leibhaftig, und seiner domina einen weiteren Becher Weines anbot. Zwischen der Herrin und ihrem Sklaven schien in diesem Fall wirklich ein überaus enges Band zu bestehen, wenn er sogar von Ferne in ihren Gedanken las. Immer noch ziemlich sprachlos, hob ich mechanisch meinen fast leeren Becher und brachte nur heraus:


    "Auf dein Wohl, Decima Lucilla!"


    Ich war gespannt, ob sie diese Weinration auch noch so gekonnt wegstecken würde wie die erste.

    Zum Glück war Ursus wirklich ein Mann der schnellen Entscheidungen, und so ließ er sich nicht lange bitten, griff sich einen der Stühle und begann gleich ein anregendes Gespräch. Da meine Tarnungen und Imponiergebärden im Augenblick offenbar nicht weiter aufrecht erhalten werden mussten, lehnte ich mich zurück und griff nach meinem eigenen Becher Wein. Im Moment des Zurücklehnens wurde ich Sophus' gewahr, der in Begleitung seines Sklaven ebenfalls den hortus aufgesucht hatte. Als er näher an uns herantrat, konnte ich zu meiner Freude erkennen, dass es ihm nun schon deutlich besser zu gehen schien. Ebenso wie Titus nickte ich ihm zu, überlegte allerdings auch einen Moment lang, ob ich nicht meine Tarnung wieder aufnehmen und mich über die Schriftrollen beugen sollte. Es war die Antwort meines Vetters auf meine Frage, die mich zum Lachen brachte und mich davon abhielt.


    "So, so, du bist also froh, wieder hier zu sein. Nun, wie ich hörte, hast du die Zeit in Athen doch auch sehr genossen."


    Dabei zwinkerte ich ihm zu. Wenn wir alleine gewesen wären, hätten wir dieses Thema ganz gewiss jetzt vertieft, ob Titus daran aber in Gegenwart von Flavius gelegen war, würde ich ja merken. Ich hatte jedenfalls nichts zu verbergen - so dachte ich bei mir und schmunzelte zugleich. Vielleicht hatte es Titus ja auch einfach richtig gemacht, nicht umsonst schickte man uns doch weit fort zum Studieren, so dass kleinere Abenteuer eben nicht sofort weite Kreise und den eigenen Ruf unrettbar in Mitleidenschaft zogen. Ansonsten war der lange Aufenthalt in der Fremde nämlich eben auch durchaus nachteilig, worauf Ursus ja zu Recht hinwies.


    "Ich selbst bin ja in Mantua aufgewachsen. Als die Modifikationen im cursus honorum bekannt gegeben wurden, war für mich ja klar, dass ich so bald nicht in meine Heimatstadt zurückkehren würde. Deshalb habe ich mir, was alte Bekanntschaften angeht, gar keine Hoffnungen gemacht; allerdings bin ich sehr froh, dass Lupus den Weg zurück in die gens gefunden hat! Aber in deinem Fall sieht das natürlich anders aus, du kommst aus Roma ..."


    Ich nickte einige Male und versuchte, mich in die Lage meines Vetters zu versetzen.


    "Bei deinem aufgeschlossenen und zupackenden Temperament mache ich mir allerdings gar keine Sorgen, dass du hier in Roma nicht bald wieder einen großen Bekanntenkreis hast! Titus Octavius Marsus, sagst du, hm..."


    Bedauerlicherweise hatte ich Maron in diesem Moment nicht bei mir; er sorgte gerade in meinem cubiculum für Ordnung und hätte mir sonst sicher auf die Sprünge helfen können.


    "Ich war ja mit Corvinus bei diesem Fest in der casa Octavia, das Octavius Avitus gegeben hatte; du warst zu dem Zeitpunkt leider noch nicht in Roma. Da waren natürlich viele Octavii - Avitus eben, Victor natürlich, Detritus - aber Marsus? Nein, ich weiß es jetzt nicht."


    Kopfschüttelnd sah ich Titus an und wartete gespannt auf seine kommenden Ausführungen, was die Octavier wohl wieder angestellt hatten.

    Sim-Off:

    Aha! Ich hatte ja schon so eine Vorahnung :D


    Und schon kam der erste Gast anmarschiert. Aufmerksam auf ihn wurde ich durch das appetitliche Krachen gesunder, weißer Zähne, die saftige Stücke aromatischen Apfelfleisches von der Frucht bissen. Einen Moment lang überlegte ich, wer wohl in unserer gens Wert legen würde auf gesunde, ausgewogene Ernährung. Ich vermutete eine Frau - stattdessen erschien mein lieber Ursus auf der Bildfläche, der gemütlich an seinem grünen Apfel kaute und zu mir herübergeschlendert kam. Ich blickte auf, versuchte mir, das breite Kreuz und den würdevollen Gesichtsausdruck eines Statthalters zu geben, und wappnete mich innerlich gegen neue Sticheleien.


    Ein Blick in sein Gesicht brachte meine stramme Haltung allerdings schon ein wenig zum Zerfallen, denn für seine Verhältnisse wirkte Titus ungewöhnlich nachdenklich. Auch seine Ansprache an mich war angenehm zurückhaltend. Dass er sich mit einem Becher Wein zurückziehen wollte, wie er ankündigte, wollte ich keinesfalls zulassen. Stattdessen beugte ich mich ein wenig vor und meinte in verschwörerischem Ton zu ihm:


    "Die Schriftrollen sind doch bloß zur Tarnung, Ursus. Ich wollte unbedingt den schönen Nachmittag genießen, geniere mich aber, um diese Tageszeit so nichtstuerisch im hortus zu sitzen, während Corvinus soviel um die Ohren hat."


    Mit meiner rechten Hand deutete ich auf einen leeren Stuhl und füllte Titus gleich selbst einen Becher, während ich zugleich einer Sklavin ein Zeichen gab, uns, da wir ja nun zu zweit waren, einige Knabbereien vorbeizubringen. Ich nahm selbst einen Schluck aus meinem eigenen Becher und wandte mich dann wieder voll meinem Vetter zu.


    "Wie geht es dir denn so in Roma? Für dich ist es ja deine Heimatstadt, während ich mich, ehrlich gesagt, hier manchmal noch ein wenig fremd fühle."

    Zwischen der keltischen Sklavin und mir trat ein langes Schweigen ein, das ich als drangvoll und beengend empfand. Irgendeine Scheu hielt mich davor zurück, sie die ganze Zeit unentwegt anzusehen; sie mochte vielleicht an ihre Familie denken und an ihre Heimat, und dabei sollte sie mein fragender Blick nicht stören. Als ich doch wieder zu ihr hinsah, während sie noch immer schwieg, wurde ich gewahr, dass sie keine Miene verzogen hatte; nichts, gar nichts verriet das Gesicht dieser Kriegerin über das, was sie in diesem Moment dachte.


    Ich senkte meinen Blick wieder, beobachtete Cadhla aber weiterhin aus den Augenwinkeln und stellte mir dabei vor, wie es wohl wäre, wenn ich ihr in ebensolcher Dämmerung, wie sie jetzt hier herrschte, in einem der dichten Wälder Britanniens begegnen würde, ganz allein an einem Platz verschattet von Dickicht und Gehölz, ich dabei vielleicht als centurio, sie als keltische Amazone. Sie würde ebenso schauen wie jetzt, ohne Hass, ganz konzentriert auf ihr Kriegshandwerk, und ich fühlte, bei mir würde es ebenso sein. Dann würden wir uns ansehen, wohl wissend, dass nur einer von uns das Unterholz aufrecht wieder verlassen würde, würden den Kampf annehmen, voller Respekt voreinander, und wüssten noch nicht, wer ihn gewinnt.


    Mit Gewalt gegen mich selbst machte ich mich los von diesen Gedanken. Mochte so etwas Wirklichkeit gewesen sein für sie, für mich war es leider Traum, und wir standen hier nicht im britannischen Unterholz, sondern immer noch im hortus der villa Aurelia in Roma, und wir waren einander nicht gleichberechtigt, sondern ich war Aurelius Cotta und sie eine Sklavin. Seltsam jedoch, dass nur ein Tag, vielleicht nur wenige Stunden im Leben der Cadhla darüber entschieden hatten, dass es so gekommen war. Nein, nein, die Keltin würde das niemals vergessen, und ich hoffte, die Götter hatten sich bei dieser Entscheidung etwas gedacht.


    Cadhla führte mich jetzt zu dem Wasserloch, wo sie mich abzuspritzen gedachte. Ich nestelte an meinen Sandalen, die von der Nässe schon erste Zersetzungszeichen aufwiesen; da ich ungeübt darin war, dauerte es einen Moment, bis ich sie inklusive Halbmond endlich von meinen Füßen gestreift hatte; sie waren wohl nicht mehr zu retten. Barfuß stapfend folgte ich Cadhla an den mir unbekannten Ort und kam mir dabei ganz wie ein kleiner Junge in Begleitung einer Erzieherin vor.


    "Ich bin froh, dass du so gut mit domina Sisenna auskommst; du kannst gut mit Kindern umgehen!"


    Warum genau ich das nun sagte, wusste ich selbst nicht, es hatte sich einfach so auf meine Lippen gedrängt. Währenddessen beobachtete ich, wie Cadhla alle Vorbereitungen dafür traf, mich vom gröbsten Dreck zu reinigen. An ihrem Leib war der Schlamm schon getrocknet und dabei ganz hell geworden, und bei mir sah es wohl ähnlich aus. Während sie meinen Schlamm von Neuem wässern würde, würde ich selber ordentlich schrubben müssen. Seufzend trat ich an sie heran, nicht ohne ihr Schmunzeln zu erwidern.

    Eine der glücklichsten Neuerwerbungen der letzten Wochen im Hause Aurelia schien mir doch nun wirklich ein recht geräumiger Tisch aus Kiefernholz zu sein, der aber so leicht war, dass ihn zwei Sklaven mühelos in den hortus stellen konnten. Auf einem seiner Streifzüge durch Roma, die ihn einmal nicht in gewisse Viertel der urbs, sondern offenbar ganz schlicht auf die Märkte geführt hatten, war mein Sklave Maron auf einen Schreiner gestoßen, der solche Möbel feilbot. Darauf aufmerksam gemacht, gab ich ihm anderntags genügend Geld und Sklaven mit, um einen Tisch und entsprechende Stühle zu erwerben.


    Und nun saß ich also in wärmender Spätsommersonne im hortus der villa Aurelia in Roma und erfreute mich der frischen Luft und des hellen Holzes, das in mir fast so etwas wie Frühlingsgefühle zu wecken vermochte. Die Sklaven hatten den Tisch so gesetzt, dass die villa selbst Schatten spendete; mich direkt unter einen Baum zu begeben, hatte ich mir versagt, erhielt man doch von einem solchen meist nicht nur Schatten, sondern auch weißliche, tropfenartige Darreichungen von Vögeln aus den Zweigen, die auf den vor mir ausgebreiteten Schriftrollen genauso wenig verloren hatten wie in der Karaffe mit verdünntem Wein.


    Neben der Karaffe standen mehrere Becher, und bei dem Kieferntisch warteten mehrere Stühle, denn ehrlich gesagt, hatte ich mich nicht allein zum Arbeiten nach draußen gesetzt. Gäste waren hoch willkommen.



    Sim-Off:

    Und so ist es auch: Gäste sehr willkommen, gerne auch neue Familienmitglieder & Co. :)

    Bei der Nennung des Namens zuckte ich unwillkürlich ein wenig, und dies war sicherlich nicht meiner heraufziehenden Erkältung geschuldet, denn in diesem Raum der Thermen war es wirklich herrlich warm, und ich fühlte mich gleich besser. Mein Zucken war eindeutig eine Reaktion auf den Namen meines Sitznachbarn. Einerseits freute ich mich, dass mein Eindruck, einen Aristokraten neben mir zu haben, mich nicht getrogen hatte. Auf der anderen Seite fühlte ich mich aber auch auf dem falschen Fuß erwischt: Dass Claudius Marcellus mit seiner Tochter Dolabella in die gens Aelia aufgenommen worden war, war mir zwar zu Ohren gekommen, weiter aber nichts. Jedoch wusste ich natürlich, dass Aelius Claudianus Marcellus der praefectus annonae war.


    "Genau wie Gebäude ab und an einer Reparatur bedürfen, sollten sich Männer in verantwortungsvollen Positionen wie du bisweilen eine Entspannung wie hier in den Thermen gönnen. Ich irre mich doch nicht: Du bist der praefectus annonae?"


    Die starke Wärme tat mir wirklich gut, und nur mein Kopf schmerzte noch ein wenig; mit meinen Fingern massierte ich meine Schläfen. Dabei kam mir der Gedanke, dass sich Aelius Claudianus Marcellus vielleicht über meine Worte wundern könnte, denn woher sollte er wissen, dass ich noch nicht lange in Roma lebte?


    "Ich muss gleich sagen, dass ich mit den Gegebenheiten hier in der urbs noch nicht vollständig vertraut bin. Erst vor Kurzem bin ich von meinen Studien in Athen zurückgekehrt, und aufgewachsen bin ich auch nicht hier, sondern in Mantua. Ich wäre ganz verloren zwischen all den römischen Namen und Ämtern, wenn nicht mein Vetter Aurelius Corvinus mich in vieles einführen würde. Er ist ja im Augenblick vigintivir, aber das weißt du sicherlich."

    Zitat

    Original von Decima Lucilla


    Die kleine Decimerin vor mir erstaunte mich immer mehr, denn ihre bemerkenswerte Geistesschärfe hielt auch dem verschärften Weingenuss zu später Stunde stand: Sie hatte sich nicht verplappert und mir nicht den von mir doch so gesuchten Namen ihres Verlobten verraten. Ich forschte nach irgendeinem Vorwand, um mich flüsternd zu Maron zu beugen, der ein besseres Namensgedächtnis besaß als ich; allein mir fiel nichts ein, was nicht sofort den Verdacht der hellwachen Dame erregt hätte. So ließ ich das einfach beiseite und zeigte stattdessen meine Verblüffung über ihren Einfall, man könne den Dialog zwischen ihr und mir aufzeichnen und so für die Nachwelt bewahren. Ich stimmte in ihr Lachen ein und sagte dann:


    "Die Idee, das Gespräch zwischen dir und mir aufzuzeichnen, ist mir wirklich noch nicht gekommen! Aber es enthielte sicher weniger dunkle Stellen als die Dialoge der großen Philosophen, auf die du anspielst. Eher würde in solchen Zeilen dein helles Lachen widerhallen."


    Ich stutzte: So redete ich doch normalerweise nie? Etwas verlegen blickte ich in meinen fast leeren Becher hinab, dessen Inhalt ich dafür verantwortlich machte, dass ich auf einmal ein solches Süßholz raspelte. Um meine Verlegenheit nicht noch unübersehbarer zu machen, wollte ich nun nicht zu abrupt das Thema wechseln und fügte daher noch an:


    "Ich kann dich aber ganz beruhigen, mir wird es leider nicht möglich sein, unser Gespräch hernach aufzuzeichnen. Die Frische deiner Worte könnte ich niemals lebensecht wiedergeben, und mein Sklave Maron hat zwar ein brillantes Gedächtnis und beherrscht unsere Sprache auch in der Rede, weniger aber in der Schrift, so dass ich da ganz auf eigene nicht vorhandene Künste angewiesen wäre. - Wo ist eigentlich dein Sklave?"


    Mir fiel bei diesem Stichwort nämlich auf, dass der Sklave der Decima immer noch nicht zurückgekehrt war; auch als ich mich umsah, konnte ich ihn noch nirgends entdecken. Von Decima Lucillas Freundin fehlte auch jede Spur. An ihrem Sklaven schien die auctrix der Acta Diurna sehr zu hängen; war es etwa das, was sie gerade mit der "Zügellosigkeit der Decima" gemeint hatte? Solche Dinge waren doch eigentlich nicht der Rede wert ....

    Zitat

    Original von Decima Lucilla


    Erfreut sah ich, dass der spöttische Tonfall, in dem ich meine - inhaltlich durchaus ernst gemeinte - Antwort vorgetragen hatte, die Decimerin nicht vergrault hatte. Während ich nämlich auf ihre Erwiderung wartete, ging mir auf einmal der Gedanke durch den Kopf, dass ich eigentlich noch nie so lange mit einer Plebejerin und dazu noch mit einer weiblichen gesprochen hatte, schon gar nicht über Politik. Im Grunde hatte ich keine Ahnung, wie eine solche Person auf meinen Tonfall reagieren würde. Der Respekt, den ich mittlerweile vor Decima Lucilla hatte, wuchs allerdings in dem Maße, in dem sie zeigte, dass sie nicht nur geistreich austeilen, sondern auch großmütig einstecken konnte. Mit diesen Eigenschaften wäre sie ja eigentlich wie gemacht für die rostra.


    "Es ist wirklich sehr bedauerlich, dass du der etwas darniederliegenden Redekunst in Roma nicht aufhelfen willst; denn die rhetorischen Fähigkeiten im weitesten Sinne stehen dir dazu zweifellos zu Gebote."


    Dass ich dazu auch gewisse schauspielerische Qualitäten der auctrix der Acta Diurna zählte, sagte ich natürlich nicht laut. Es war jedoch hier der geeignete Moment, auf den Senator zu sprechen zu kommen, an dessen Namen ich mich partout nicht mehr erinnern konnte. Ich ging daher mit äußerster Vorsicht vor.


    "Ich kann mir vorstellen, dass von diesen Fähigkeiten sogar ab und an auch dein Mann noch profitieren kann, wenn er eine Rede vor dem Senat vorbereitet. Denn mit einer verunglückten Rede, du sagtest es wiederholt, kann man sich selbst sehr schaden, besonders wenn davon noch in der Acta zu lesen ist."


    Ich nahm noch einen Schluck Wein und machte eine kleine Kunstpause, um meinen folgenden Worten einen völlig übertriebenen Nachdruck zu verleihen; denn ganz ernst gemeint waren sie natürlich nicht, was wohl auch mein Grinsen dabei anzeigte:


    "Wie gut, dass solche Schnitzer uns Aureliern nach unserer hervorragenden Rhetorik-Schulung nicht unterlaufen können! Und mit den gehaltvollen Gesprächen, die wir den ganzen Tag lang führen, könnte man ganze Schriftrollen füllen."


    Ich wartete wieder einen Moment, diesmal eher nicht als Kunstpause, sondern einfach um diese ironische Bemerkung von der folgenden ernstgemeinten abzusetzen:


    "Ja, außer mir und Aurelius Corvinus gibt es noch andere männliche Aurelier bei uns im Hause. Was aus uns allen werden wird, wird die Zukunft zeigen - wo jeder seine Fähigkeiten am besten einsetzen kann. Ich bin jedenfalls glücklich und stolz, mit ihnen zusammenleben zu können."

    Langsam aber sicher begann mir das Gespräch nun doch zu gefallen, zumal es Corvinus auch gelungen war, meine Nachfrage wegen des leidigen Testaments befriedigend zu beantworten; ich nickte ihm erleichtert zu. An den nun auch allmählich immer sachlicher werdenden Äußerungen meiner beiden Verwandten fand ich vieles richtig. Um meinen Standpunkt zu den angesprochenen Punkten so deutlich wie möglich zu machen, versuchte ich mich, kurz zu fassen:


    "Was den Termin des Militärtribunats angeht, kann ich nur sagen, dass mir auch Senator Purgitius bei unserem Gespräch auf dem Forum Romanum bei deiner Ernennung, Corvinus, abgeraten hat. Der Artikel in der Acta drückt also eine Meinung aus, die sich zumindest nach deinem Vorgehen ausgebreitet zu haben scheint."


    Mit einem Lächeln wandte ich mich dann an Ursus:


    "Ich befürchte also, dass mir gar nichts anderes übrig bleibt, als für das Vigintivirat zu kandidieren, auch wenn mir dazu jegliche Verwaltungspraxis fehlt. Aber vielleicht können wir uns bei Marcus ja noch einiges abschauen. Zu überlegen wäre allerdings, welches Amt von den im vigintivirat vorgesehenen für jeden von uns in Frage käme."


    Ich nahm einen Schluck verdünnten Wein, denn der Frage, die Ursus mir zum Militär gestellt hatte, wollte ich auf keinen Fall ausweichen; sie war allerdings auch nicht so leicht zu beantworten.


    "Zu deiner Bemerkung, du übernähmest das Vigintivirat, während ich ein Militärtribunat ableiste, kann ich nur sagen: So falsch liegst du gar nicht. Neben der schon von mir erwähnten Möglichkeit, dort in überschaubarerem Rahmen etwas Verwaltungspraxis zu sammeln, stößt mich das Militär auch sonst nicht gerade ab. Ich kann gar nicht genau sagen, woran das liegt. Vielleicht, weil ja auch mein Vater in der legio I gedient hat. Vielleicht aber auch, weil ich mir denke, dass dort eine ganz spezielle Atmosphäre herrschen könnte, ganz anders als hier in unseren villae."


    Während ich dies formulierte, war ich selbst nachdenklich geworden, zumal mir nun auch wieder meine Überlegung einfiel, dass es mir in der dort von mir erwarteten Atmosphäre möglicherweise leichter fallen könnte, Kontakte zu knüpfen. Und dabei hatte Marcus mich doch gerade als aufgeschlossen bezeichnet.


    "Was die Frage nach den Kontakten angeht, stimme ich hier eher Titus zu: Ich denke, sie spielen eine große Rolle, vielleicht eine zu große. Aber die Idee, die avisierte Willkommensfeier auch dazu zu nutzen, Kandidaturen bekannt zu geben, finde ich sehr gut!"


    Nun, nach den langen Reden, war es an mir, meinen beiden Verwandten zu zuprosten. Ich tat dies, ganz gegen meine übliche Art, fast mit einem Lachen: aufgeschlossen, hm, als aufgeschlossen hatte mich eigentlich noch niemand bezeichnet. Vielleicht steckten ja verborgene Talente in mir. :D

    Zitat

    Original von Decima Lucilla


    Oho! Nun höre sich mal einer diese kleine Decimerin an! Einen Augenblick lang verschlug es mir wirklich die Sprache und machte mich fassungslos, was ich da nun - völlig unmotiviert, wie mir schien - aus ihrem Munde vernehmen musste. Hinzu kam, dass sie auf Dinge Bezug nahm, die sich offenbar wenigstens teilweise während meiner Abwesenheit in Athen zugetragen hatten. Dies alles sollte mich aber nicht davon abhalten, ihr sauber zu kontern; Decima Lucilla würde jetzt - so nahm ich es mir vor - den militärischen Appius Aurelius Cotta kennenlernen. Mit einem kräftigen Schluck aus dem Becher lud ich nach und erwiderte lächelnd:


    "Wie mir scheint, Decima, hätte ich meine philosophischen Lehrjahre besser nicht in Athen, sondern vielleicht in einem Fass auf dem Forum Romanum verbracht, um nur ja keine politische Auseinandersetzung zu verpassen; in meiner Abwesenheit haben sich ja augenscheinlich so einige zukunftsweisende Dinge dort abgespielt."


    Ganz war ich mir über die Motive meiner Gesprächspartnerin für ihre Neckereien noch nicht im Klaren. Ja wirklich, es schien mir in diesem Moment leichter, die Motive von Kriminellen zu verstehen als diejenigen dieser Frau. Meiner Meinung nach kamen hauptsächlich zwei Motive in Frage: Vielleicht war ihr einfach nur der starke Wein zu Kopf gestiegen. - Dies hielt ich aber als alleinigen Grund für unwahrscheinlich, da die Decimerin dafür insgesamt zu intelligent wirkte und auch ihre Augen noch kein bisschen glasig waren, wie es sonst bei Angetrunkenen der Fall war. Das andere mögliche Motiv schien dagegen das gesuchte zu sein: Die auctrix der Acta Diurna wollte mich einfach ein bisschen aus der Reserve locken und besser kennenlernen; immerhin hatte ich gerade etwas von einer politischen Karriere erwähnt. Bei dieser Überlegung ging mir kurz die bange Frage durch den Kopf, ob ich vielleicht ein wenig langweilig wirke, vorgeworfen hatte man mir so etwas ja schon häufig. Diesen Gedanken aber verbannte ich schnell; diese Decima würde mich nun von einer anderen Seite kennenlernen. - Eine installierte Marionette aber schien diese temperamentvolle, intelligente Frau bei der Acta Diurna jedenfalls nicht zu sein, diese Überlegung konnte ich wohl verwerfen.


    "Die aurelischen Frauen, die ich kennenlernen durfte, wirken nicht so, als müsse man sie ,wegsperren', wie du dich auszudrücken beliebtest. Sie wissen selbst, wie sie sowohl den Traditionen Genüge tun als auch sich genügend Anregung verschaffen können. Von ihren Unternehmungen hält sie niemand ab, und dass sie sich auch in der heimischen villa Aurelia gerne aufhalten, ist kein Wunder: Schließlich gibt es da ja neben meinem Vetter und mir auch noch andere interessante Männer, mit denen sich schon das ein oder andere gehaltvolle Gespräch führen lässt."


    Auf die Invektiven der Decima gegen diejenigen meiner Verwandten einzugehen, die sich schon vor längerer Zeit aus dem öffentlichen Leben zurückgezogen hatten, verboten mir meine patrizische Loyalität und mein Taktgefühl. Noch war ich allerdings mit den Äußerungen meiner Gesprächspartnerin nicht fertig.


    "Während meiner Studien in Athen habe ich also offensichtlich einige interessante Duelle verpasst, so, so. Vielleicht werde ich das alles aber eines schönen Tages gar nicht mehr so bedauern, wenn es mich mal wieder auf das Forum Romanum verschlägt und ich dort dann Decima Lucilla auf der Rostra stehen sehe. Erkenne ich in deinen Worten nicht einen gewissen Ehrgeiz? Unterschätze niemals die Macht des öffentlich gesprochenen Wortes!"


    Bei diesen letzten Worten hatten allerdings meine Mundwinkel schon verräterisch gezuckt, und ganz am Ende musste ich selber laut lachen. Ich sah Decima Lucilla dabei an; dann fügte ich, nun nicht mehr in spöttischem Tonfall, hinzu:


    "Ach was, du solltest uns einfach besser kennenlernen. Wer weiß, vielleicht ergibt sich ja mal eine Gelegenheit dazu."

    Mein Besuch in den Thermae Agrippae erklärte sich ganz gewiss nicht aus einer plötzlichen Abneigung gegen das balneum in der heimischen villa Aurelia in Roma; dieses war so großzügig angelegt, dass auch der plötzliche Zuzug aller möglichen Aurelii in das Hauptstadt-Domizil nicht zu Engpässen bei der häuslichen Badekultur führte. Nein, wenn ich am heutigen Tag außerhäusig badete und dazu noch, ganz gegen meine Gewohnheit, am Vormittag, hatte dies den Grund, nicht nur die vielbesungenen Thermen des Agrippa kennenzulernen, sondern womöglich auch noch den ein oder anderen Mann. Denn die villa Aurelia füllte sich zwar zusehends mit Verwandten; in der Stadt Roma jedoch, die eben nicht meine Heimatstadt war, fühlte ich mich nach wie vor ein wenig fremd.


    Schon als meine Sänfte gemächlich in Richtung Thermen schaukelte, merkte ich jedoch, dass ich mich in den vergangenen Tagen wohl ein wenig verkühlt hatte. Ein verdächtiges Kratzen zog meine Kehle unmerklich zusammen, und es fröstelte mich im Ganzen. Ich beschloss daher, mich bei diesem Badebesuch sofort zum Warmwasserbecken zu begeben; ein Vorhaben, das ich nach dem Auskleiden in die Tat umsetzte. Dort angekommen, stieg ich vorsichtig ins Wasser, denn so ganz traute ich dem nassen Element bei der heraufziehenden Erkältung nicht; schließlich aber war dies wohl der beste Ort, um warm zu werden. Dies geschah auch, allerdings dauerte es auch nicht lange, bis ich Niesen musste, natürlich verhalten und unauffällig, wie man es mich von Kindheit an gelehrt hatte. Dennoch hielt ich es für wünschenswert, mich bei dem Mann, der sich neben mir am Rand des Warmwasserbeckens aufhielt, zu entschuldigen. Da man Nackten zwar ansehen kann, ob sie schwere Arbeit, Landarbeit gar, verrichten, ihr Körper über ihren Namen aber nur selten Auskunft gibt, stellte ich mich ihm vor:


    "Salve! Mein Name ist Appius Aurelius Cotta. Ich muss mich wohl verkühlt haben, die Wärme hier wird mich aber sicherlich schnell kurieren, so dass dir wohl nicht die Gefahr einer Ansteckung von mir droht. Ich bewundere es sehr, wie es gelingen kann, solch riesige Räumlichkeiten derart zu beheizen. Und dabei ist dieses Gebäude ja gar nicht einmal so neu. Ob es wohl schon einmal renoviert worden ist?"


    Nebenbei bewunderte ich nun auch die auffallenden aristokratischen Gesichtszüge des von mir angesprochenen Mannes. Ob ich in ihm wohl gar auf einen Standesgenossen traf?

    Noch immer beobachtete ich Deandra aufmerksam, versuchte dies allerdings zu verbergen, indem ich meinen Blick durch den Raum schweifen ließ. Ich sah dabei auch Cadhla, die sich irgendwie an den schweren Weinkrügen zu schaffen machte; gedankenverloren fragte ich mich, warum man ausgerechnet eine weibliche Sklavin für diese körperlich anspruchsvolle Arbeit eingeteilt hatte, zumal sie sich doch hauptsächlich um Sisenna kümmern sollte. Plötzlich aber erwachte ich wie aus einem Traum: Cadhla! Die hatte ich ja bei all dem Trubel ganz vergessen! Unwillkürlich griff ich mir an den Kopf und winkte die Sklavin dann zu mir; Corvinus Anrede an mich kam da wie gerufen.


    "Du hast es also bemerkt:",


    leitete ich schmunzelnd ein,


    "Ja, Brix ist natürlich wohlbehalten bei uns angekommen. Und seitdem hat Lupus kaum noch geruht, euch mit der Begrüßung und diesem Festmahl eine Freude zu machen; ihm gebührt der Dank."


    Meinem Gerechtigkeitssinn war es sehr zuwider, fremde Ehre einzuheimsen, und so konnte ich es nicht unterlassen, noch einmal laut meinen Bruder zu loben. Auf der anderen Seite wollte ich auf diesem Thema aber auch nicht insistieren, war mir doch ein neuerlicher arwöhnischer Blick Corvinus' auf Lupus und Deandra nicht entgangen. Ein weiteres Lob würde ich nun an Leone und Alexandros verteilen wegen Cadhla.


    "Du sprachst, Corvinus, gerade von vielen neuen Gesichtern unter den Sklaven. Ich möchte dir Cadhla vorstellen, die Alexandros und Leone in deinem Auftrag hier in Roma erstanden haben. Sie ist Keltin und hat sich in den letzten Wochen vor allem sehr um Sisenna gekümmert, besitzt aber noch viele andere Fähigkeiten."


    Es bedurfte keiner weiteren Worte von meiner Seite an meinen Vetter; von diesem wusste ich - und sein Umgang mit Sisenna bisher hatte es nur bestätigt -, wie einfühlsam er auf die sensible Keltin eingehen würde. Dieser wandte ich mich nun zu:


    "Cadhla, das ist nun dein dominus: Marcus Aurelius Corvinus."


    Ich lächelte ihr aufmunternd zu und hoffte, dass sie sich all der Worte erinnerte, mit der ich ihr in den vergangenen Wochen ihren dominus bereits als guten und edlen Menschen vorgestellt hatte. Wegen Sisenna fügte ich an Corvinus gerichtet noch an:


    "Ich bin wirklich froh, dass du jetzt hier bist. Cadhla wird sich sicher freuen; und wegen Sisenna freut es mich am meisten."


    Dabei lächelte ich ihn dankbar an. Die ganze Runde schien sich jetzt ein wenig in Auflösung zu befinden; Deandra hatte Prisca schon direkt nach einem Spaziergang gefragt. Ihre Antwort zu meiner Frage nach den Claudiern war zu meinem Leidwesen sehr diplomatisch ausgefallen, und es würde ja wahrscheinlich so bald keine Gelegenheit mehr für mich geben, mit ihr zu sprechen. Oder doch?


    "Deandra, es freut mich für dich, dass du bei den Claudiern so warm aufgenommen worden bist. Über Menecrates und über Epicharis habe ich auch nur Gutes gehört. Für mich bleibst du aber immer auch ein Mitglied der Aurelier. Vielleicht kann ich dich bei den Claudiern einmal besuchen?"

    Trotz des Juckens des Schlamms, das immer unerträglicher wurde, war ich hoch konzentriert, als Cadhla dazu ansetzte, auf meine Frage nach ihrem möglichen Hass zu antworten. Diese Entgegnung fiel ihr sichtlich schwer, und ich glaubte, richtig zu liegen, wenn ich annahm, dass ihr hier nicht nur die lateinische Sprache zu schaffen machte. Allerdings hoffte ich auch, dass sie nun nicht eine möglichst diplomatische Antwort geben würde, sondern eine einfache und wahre. Obwohl es immer dunkler wurde, schaute ich angestrengt auf ihre Lippen und ihre gesamte Mimik, damit mir nur nichts entgehen würde von ihrer wahren Meinung; noch angespannter lauschte ich.


    Ihre Antwort bestätigte in meinen Augen meine Annahme, dass ihr das Nachdenken über meine Frage einiges abverlangte. Traurige, ja furchtbare Erinnerungen mussten in ihr hochsteigen an jenen schrecklichen Tag, von denen ihre Worte bruchstückhaft erzählten. Und auch mich ließ diese Schilderung nicht kalt. Denn die unangenehme Frage stieg in mir hoch, ob auch mein Interesse am Militärischen etwas mit der Mordlust und der Blutgier zu tun hatte, von der Cadhla gerade gesprochen hatte. Außerdem fragte ich mich, ob es richtig gewesen war, das Mädchen, nachdem es erst so kurz hier in einer völlig fremden Welt war, mit dieser Frage zu konfrontieren. Ich war so, versuchte immer, solche traurigen Dinge sofort anzugehen; mit Sisenna hatte ich es auch so gemacht, aber mittlerweile hatte ich meine Zweifel, ob dies richtig gewesen war, das würde die Zeit zeigen. Im Falle Cadhlas kam natürlich hinzu, dass ich ja um Sisennas Sicherheit besorgt sein musste, das war schließlich meine Pflicht, also hatte ich mit der Frage nach dem Hass nicht warten können. Aber war diese Pflicht wirklich die Antwort darauf, dass ich Cadhla jetzt schon danach gefragt hatte? Ich wusste es nicht.


    Ich wusste auch nicht, was ich inhaltlich von ihrer Antwort halten sollte. Sicher machten es ihr ihre sprachlichen Schwierigkeiten nicht eben leichter, sich adäquat auszudrücken. Doch kam mir ihre Entgegnung trotzdem reichlich diplomatisch vor. Und ich konnte es mir ja irgendwie auch denken: So eine Art keltische Amazone wie sie konnte die Sklaverei nur als eine Schmach empfinden. Das Dumme dabei war: Je besser ich sie verstehen zu können glaubte, desto ratloser war ich, was ich nun tun sollte. Ich brachte nur ein Gestammel zustande:


    "Es tut mir Leid, was mit deiner Familie geschehen ist. Ich kann es leider nicht ändern, es ist Vergangenheit. Jetzt bist du hier, und ich hoffe, du wirst sehen, dass nicht alle Römer so sind. Dein dominus Aurelius Corvinus, mein Vetter, ist ein sehr guter Mensch."


    Jedenfalls schien mir von Cadhla keine unmittelbare Gefahr auszugehen, im Gegenteil, ich war schon drauf und dran, ihr quasi väterlich eine Hand auf ihre Schulter zu legen, obwohl ich wohl kaum älter war als sie. In diesem Moment erinnerte mich die Sklavin jedoch daran, dass ich bald zum Stein zu erstarren drohte, wenn ich mich nicht endlich waschen würde. Ihre messerscharfen Kommentare zur gorgo und zum Stein machten mich lachen - wobei das Messerscharfe mich auch schon wieder nachdenklich stimmte. Ich kam aber gar nicht mehr dazu, darüber erneut ins Grübeln zu verfallen, weil gorgo - äh, Cadhla - mich jetzt mit einem bestechenden Gedanken verblüffte. Wieder musste ich lachen:


    "Ja, putzen, das ist gut. Wir sind so schmutzig, wir müssen uns unbedingt putzen!"


    Ihr Einfall war einleuchtend, passend, frappierend gut. Daran gab es nichts auszusetzen. Allerdings fühlte ich mich doch noch ein wenig anders als ein Marmorfußboden, auch wenn ich jetzt nach den Worten Cadhlas vielleicht gleich zu Stein erstarren würde:


    "Danach muss ich aber noch ins balneum. Und du auch."


    Schließlich war sie auch kein Marmorfußboden, nicht einmal eine richtige gorgo.

    Die Abwesenheit von Frauen wirkte sich auf Männergespräche häufig nicht konstruktiv aus; diese Erkenntnis hatte ich schon in meinen Jahren in Athen gewonnen und musste sie hier und heute aufs Neue bestätigt finden. Seitdem Prisca die cenatiuncula verlassen hatte, kreiste unser Gespräch nicht mehr um Politik, sondern verbiss sich darin. Eine Ausnahme bildeten die Ausführungen von Corvinus zum Testament Ciceros; einiges davon war mir auch neu, und ein bestimmter Sachverhalt reizte mich auch zu einer Nachfrage.


    "Verzeih mir die Frage, Corvinus, aber meine juristische Bildung steckt ja, wie du weißt, noch ganz in den Anfängen: Ist die Rechtslage im Falle des Testaments Ciceros wirklich so eindeutig? Versteh mich nicht falsch, wenn es so wäre, wäre es natürlich für uns alle das Beste. Ich frage nur, weil es gerade in solchen Angelegenheiten immer wieder Leute gibt, die Verfahren anstrengen."


    Noch eine zweite Sache an den Ausführungen von Corvinus hatte mein Interesse geweckt; sie bezog sich auch genau auf eines der bevorzugten Gesprächsthemen von Ursus: das Militärtribunat. In diesem Zusammenhang wollte ich auch auf einige der Sticheleien Ursus' eingehen, ohne diese jedoch allzu ernst zu nehmen.


    "Ich bedaure es übrigens sehr, dass es mir und anderen nun nicht mehr möglich sein wird, ein Militärtribunat vor dem Vigintivirat abzuleisten. Ich für meine Person hätte mir dort nämlich gerne erste Sporen verdient, gerade auch, was das Verwaltungstechnische angeht, Ursus. Nun bin natürlich auch ich gezwungen, direkt das Vigintivirat anzustreben. Allerdings ergeht es mir natürlich ähnlich wie dir: Ich besitze bei weitem noch nicht die nötigen Kontakte."


    Seltsam, hatte ich mir doch gerade noch eher abwertende Gedanken über reine Männergespräche gemacht, so drängte sich mir nun eine andere Vorstellung auf: Beim Militär, in einer reinen Männerwelt, stellte ich es mir unendlich leichter vor, Kontakte und Freundschaften zu knüpfen als in diesem ziemlich komplizierten Roma. Seufzend griff ich wieder zu meinem Weinbecher.

    Zitat

    Original von Decima Lucilla


    Entweder war die auctrix der Acta Diurna eine begnadete Schauspielerin oder wirklich von ganz ungewöhnlicher menschlicher Reife und Wärme, da konnte ich mich nicht so recht entscheiden. Jedenfalls schien sie mir meine unbedachten Äußerungen über die Institution der Ehe nicht übel zu nehmen, sondern sie sprach im Gegenteil ganz ernsthaft darüber. Dies geschah im Zusammenhang mit weiteren Überlegungen von ihrer Seite über ihr bekannte Patrizierinnen. Ich musste lachen.


    "Hallo?! Du sagst, du kennest nur wenige Patrizierinnen. Ich aber kann dir sagen: Du kennst fast mehr als ich, abgesehen natürlich von den Patrizierinnen aus meiner eigenen gens. Und wenn du auch schon die Bekanntschaft meines Vetters Aurelius Corvinus machen durftest, wird es sicher nicht mehr lange dauern, bis du uns Aurelier in- und auswendig kennst."


    Kaum hatte ich diesen letzten Satz gesprochen, merkte ich, dass er durchaus erläuterungsbedürftig war:


    "Ich will damit natürlich nicht sagen, dass du in Zukunft viel mit Erbschaftsangelegenheiten und damit verbunden mit Sterbefällen zu tun haben wirst - und deshalb in Kontakt mit Aurelius Corvinus als decemvir litibus iudicandis treten musst. Ich meinte vielmehr, dass er genau wie ich gebildete Frauen in seiner Nähe zu schätzen weiß."


    Und diese Bildung war nicht der einzige ihrer Vorzüge, wie ich mir nach und nach einzugestehen wagte. Nicht, dass ich sie mir hätte "schöntrinken" müssen, wie man so sagt, ganz und gar nicht. Nur war ich eben nicht der Typ, der darauf sein Hauptaugenmerk legte, oder eben besser gesagt: zu legen wagte.


    "Und ja: Sieh dich vor auf den Märkten! Aurelierinnen kämpfen wie Löwinnen, wenn sie etwas haben wollen."


    Bei der Vorstellung, wie diese temperamentvolle Hispanierin sich mit einer Aurelierin auf dem mercatus um irgendetwas streiten würde, musste auch ich fast kichern, wie Decima Lucilla es so gerne tat. Doch davor bewahrte mich meine patrizische Selbstbeherrschung. :P
    Ein weiteres Lachen konnte ich dann aber doch nicht mehr zurückhalten, als meine Gesprächspartnerin endlich ihre Einlull-Taktik aufgab und ganz offen im Namen des von ihr geleiteten Presseorgans anfragte, was ich denn nun in Roma zu tun gedenke. Für diese journalistische Fragetechnik hatte ich während meiner Überfahrt aus Griechenland von einem Passagier aus Britannia auch so ein neumodisches Fachwort gehört, dieses aber schon wieder vergessen.


    "A, ich merke schon, für die Acta werde ich beizeiten einen Lebenslauf verfassen und ihn dir von meinem Sklaven Maron hier ins domus der Acta bringen lassen! - Nein, im Ernst. Ich bin erst vor einigen Monaten von meinem dreijährigen Studienaufenthalt in Athen nach Roma gekommen. Mich persönlich reizt eine politische Karriere am meisten."


    Mit einem gewissen Verschwörerblick fügte ich dann aber, leicht zu Decima Lucilla vorgebeugt, hinzu:


    "Aber wie du schon sagst: Bei Patriziern ist so manches anders, das heißt, dass die gens da auch noch ein Wörtchen mitzureden hat. Und überhaupt, vielleicht sollte ich auch erstmal schleunigst heiraten, ich bin schließlich keine 12 mehr, sondern werde bald 21."


    Dass über die Decima selbst etliche Gerüchte zu hören waren, was ihre eigenen Heiratspläne anging, erwähnte ich natürlich nicht; schließlich wusste ich, was sich gehörte.

    Zitat

    Original von Decima Lucilla


    Die klugen Worte, die jetzt aus dem Mund meiner Gesprächspartnerin zu vernehmen waren, ließen mich nun doch wieder vermuten, dass sie viel älter sein müsse, als sie aussah. Oder war ich vielleicht wirklich so ein unreifer Jüngling, der sich über viele wichtige Dinge im Leben noch keine Gedanken gemacht hatte? Über das Leben anständiger römischer Damen hatte ich mir bisher jedenfalls - das zeigten mir die Worte der Decima überdeutlich - noch keine Gedanken gemacht; über das Leben unanständiger "Damen" natürlich noch viel weniger. :D Daran - und nicht etwa am Wein! - lag es wohl, dass ich erst eine gewisse Zeit brauchte, bis ich auf ihre vielen Ausführungen über römisches Frauenleben etwas erwidern konnte. Ich begann mit dem mir Nächstliegenden.


    "Dass du bisher noch kein weibliches Mitglied der Aurelia kennengelernt hast, ist bedauerlich, aber auch verständlich. Sicher weißt du als auctrix der Acta Diurna, dass mein Vetter Aurelius Corvinus bis vor einigen Monaten ein Militärtribunat in Mogontiacum absolviert hat. Viele weibliche Mitglieder der gens haben ihn in den Norden des Imperiums begleitet. Allerdings sind sie mit ihm auch wieder zurückgekehrt und weilen jetzt auch in Roma."


    Auf gewisse Standesunterschiede legte natürlich auch ich Wert; bisher war mir aber nie aufgefallen, dass diese unter Frauen vielleicht noch ausgeprägter sein könnten. Nun aber, da Decima Lucilla so etwas angedeutet hatte, drängte sich auch mir dieser Gedanke auf: Wir patrizischen Männer arbeiteten oft mit einflussreichen und gebildeten Plebejern an Sachfragen, und während einer solchen Zusammenarbeit traten Standesunterschiede sicher manchmal in den Hintergrund. Wenn aber Frauen unterschiedlicher Stände einander begegneten, hatten sie meist wohl keine derartigen Sachfragen zwischen sich, die eine gemeinsame Ebene hätten darstellen können; ihnen blieb dann wohl nichts anderes, als sich auf die Standesunterschiede zu berufen. Allerdings ...


    "Was die von dir angesprochenen Standesunterschiede angeht: Arbeitet für die Acta nicht auch Claudia Epicharis? Die kenne übrigens wiederum ich noch nicht persönlich."


    Ich nahm wieder einen Schluck Wein und dachte während dessen über einen anderen Punkt nach, der mich mehr noch als die Frage nach den Standesunterschieden bei Frauen zum Überlegen gebracht hatte. So recht wollte mir aber immer noch nichts dazu einfallen; dennoch beschäftigte mich diese Sache so sehr, dass ich an gar nichts anderes denken konnte. Lag es nun etwa doch am Wein? Plötzlich bewegten sich nämlich meine Lippen, und ich hörte mich meine Gedanken - laut äußern.


    "Ich frage mich, ob es ein Vorrecht der Frauen ist, die Kunst der Selbstbeherrschung auszuüben und nie alles zu zeigen und nie alles zu sagen. Mir kommt es so vor, als hätte ich gerade dieses schon als Kind praktiziert, und viele Übungen in meiner philosophischen Ausbildung dienten doch auch gerade diesem Zweck ..."


    Einen Moment lang musste ich pausieren, denn schon drängte sich mir ein neuer Gedanke dazu auf:


    "Wie dem auch sei - muss nicht in einer Ehe jeder der beiden Partner vom anderen diese Selbstbeherrschung verlangen? Ich jedenfalls würde das von mir selbst meiner Frau gegenüber auch verlangen, genau wie umgekehrt - abgesehen natürlich von besonderen Situationen wie Todesfällen und dergleichen. Nur so kann doch der gegenseitige Respekt wachsen, der Grundlage einer Ehe ist, oder nicht?"


    Fragend sah ich meine Gesprächspartnerin an, die ich, warum auch immer, für viel erfahrener hielt als mich; unerfahrener als ich konnte man hinwiederum natürlich auch kaum sein, denn


    "Ich? Ich bin natürlich nicht verheiratet. Hast du das wirklich geglaubt?"


    Ungläubig lächelnd schüttelte ich den Kopf, bevor mir langsam dämmerte, was für einen Unfug ich hier gerade geredet hatte. Dieser Wein ... Verlegen und vermutlich auch ein wenig unglücklich sah ich Decima Lucilla an. Obwohl ich für einen Römer recht groß, sie aber ziemlich klein war, kam nun ich mir klein vor gegenüber ihr.


    "Entschuldige, ich rede wie ein Esel. Ich werde es dir jetzt lieber gleichtun und den Bacchus nicht vergessen. Also, auf Bacchus!"


    Und mit diesen Worten schüttete auch ich vorsichtig einen kleinen Schluck des Weines auf die Erde und führte dann leise seufzend den Becher an den Mund.

    Die abermals freundlichen Worte, die der Marspriester zu mir sprach, machten mich ganz verlegen, zumal ich nicht einen Augenblick an ihrer Aufrichtigkeit zweifelte.


    "Ich danke Dir sehr, Flavius Aquilius. Seit meiner Ankunft hier in Roma ist dies eines der ersten freundlichen Worte von meinesgleichen, die ich zu hören bekomme; das werde ich Dir nicht vergessen. In diesem Tempel wirst Du mich bestimmt wiedersehen, auch wenn wir nach der Rückkehr der anderen Mitglieder der gens sicher auch des öfteren Hausopfer darbringen werden."


    Ich aber würde in mir nach diesem Tempelbesuch eine besondere Neigung zu Mars kultivieren, die mich auch wieder an diesem Ort zurückführen würde. Von den Betern, die die Hilfe meines priesterlichen Standesgenossen "genauso gerne in Anspruch nehmen wollten, wie ich es gerade getan hatte", drängte ein Senator offenbar zu besonderer Eile. Ich merkte, dass Flavius Aquilius ihn aus den Augenwinkeln heraus beobachtete, und so wollte ich seine Zeit auch nicht länger in Beschlag nehmen. Seine liebevollen Abschiedsworte erwiderte ich darum auch für meinen eigenen Geschmack viel zu kurz:


    "Es freut mich zu sehen, dass die Ehrfurcht vor den Göttern auch heute wieder so viele Menschen in den Tempel führt. Ihrer Verehrung des Mars will ich jetzt auch nicht im Wege stehen. Vielmehr empfehle ich Dich und Deine gens seiner Fürsorge an! Mögen wir uns schon bald in Gesundheit und heiterem Gemüt wiedersehen! Vale bene, Flavius Aquilius!"


    Dankbar reichte ich dem Marspriester meine Hand, wobei mir, obwohl ich ihm in die Augen sah, auffiel, dass seine Hand viel kräftiger war als die meine. Dann drehte ich mich um und begab mich gemessenen Schrittes und gefolgt von den Sklaven zum Ausgang.

    Auf mein laut vorgetragenes Gebet folgte eine Zeit der Stille, von der ich nicht wusste, wie lang sie gewesen war. Mein Zeitgefühl war völlig erloschen in der dichten Atmosphäre von Sammlung und Andacht, die im templum Martis Ultoris herrschte. Sie wurde noch verstärkt durch den Weihrauch-Duft ganz in meiner Nähe und den Geruch, der von den übrigen Opfergaben ausging, die ich dargebracht hatte. Irgendwo im Hintergrund meinte ich auch, leise Gebetsworte zu vernehmen, doch achtete ich darauf nicht weiter. Stattdessen wanderten meine Gedanken zu den Erinnerungen, die ich noch an die verstorbenen Mitglieder meiner gens hatte und an diejenigen, die schon bald aus Germania zurückkehren würden.


    Irgendwann jedoch drang wieder die Stimme des Flavius Aquilius in mein Bewusstsein; er sprach ein abschließendes Gebet an Mars, dem ich mich aus vollem Herzen anschloss. Nach einiger Zeit gab er mir den Wink, vom Altar wegzutreten, denn mein Opfer war beendet. So streifte ich gleich ihm den Toga-Zipfel von meinem Kopf und versuchte, mich langsam wieder an den Alltag zu gewöhnen, in den zurückzukehren nun meine Pflicht war. Die freundlichen Worte, die der Marspriester jetzt abermals an mich richtete, erleichterten mir dies sehr.


    "Flavius Aquilius, ich danke Dir sehr für Deinen Beistand bei meinem Opfer! Ich war vorher sehr angespannt, aber Deine Hilfe hat es mir leicht gemacht, hoffentlich alle Riten richtig zu vollziehen und Mars gnädig zu stimmen. Auch die Gebetsworte, die Du gefunden hast, haben mir aus dem Herzen gesprochen."


    Ich sah den Patrizier dankbar lächelnd an. Dabei fiel mir ein, dass ich vor lauter Anspannung noch gar nicht nach den Angehörigen seiner gens gefragt hatte. Ich war mir jedoch auch nicht sicher, ob dies hier die richtige Gelegenheit dafür wäre.


    "Ich würde mich gerne noch länger mit Dir unterhalten, zumal die villa Aurelia hier in Roma im Augenblick noch ziemlich leer steht und mir die rechte Ansprache fehlt. Andererseits sehe ich schon wieder Beter kommen, die Deine Hilfe ebenso gern in Anspruch nehmen möchten, wie ich es gerade getan habe. Ich bin aber voller Hoffnung, dass wir uns schon bald in einem günstigeren Rahmen begegnen werden, denn wie gesagt: Corvinus wird bald aus Germania zurückkehren, und dann wird es wohl nicht lange dauern, bis wir uns auch wieder sehen! Jedenfalls hoffe ich das!"


    Ganz gegen meine Gewohnheit stand ein strahlendes Lachen auf meinem Gesicht. Flavius Aquilius hatte etwas an sich, dass mich dazu brachte, mich sehr wohl zu fühlen.