Beiträge von Maron

    Zitat

    Original von Appius Aurelius Cotta
    Unerbittlich fordert das RL seinen Tribut. In der Hoffnung, das RL möge einem dafür auch ordentlich was wiedergeben (:D), muss ich die beiden IDs "Cotta" und seinen Sklaven Maron leider wieder ins Exil nach Sardinien schicken.


    Von meinem dominus schon mal einen herzlichen Dank für die Verfrachtung nach Sard - äh, Exilium! Aber ich lass den doch nicht allein!


    --> Mich bitte auch ins Exil, danke! :)

    Oho! Das Kätzchen war zweifellos gereizt, das stand mal fest. Glühend rollten die Augen in ihrem hübschen Köpfchen, und mir entging natürlich nicht, mit welcher Lust sie dabei auf meine Füße schaute, die in den einfachen Sandalen ganz sicher ein reizvolles Ziel eines Fuß-Aufstampfens gewesen wären. Gnädigerweise ließ Siv von diesem Vorhaben, dem ich natürlich zu begegnen gewusst hätte, ab, und so kam es, dass meine Füße am Ankunftstag von Aurelius Cotta in der villa Aurelia in Roma zwar von der Reise schwarze Fußnägel zierten, aber eben keine blauen Flecke.


    Verbal aber tat sich Siv jetzt keinen Zwang mehr an; so ein bisschen Einhalt geboten ihr da nur ihre noch mangelhaften Sprachkenntnisse. Aber klar: Was sie mir eigentlich sagen wollte, verstand ich durchaus, da half auch kein keltisch oder ugrisch oder was das da war, was sie da wieder sagte, mehr beim Verbergen. "Toll?" Na ja, ich wusste schon um meinen Wert, und besonders freute es mich natürlich, dass noch viele andere so dachten. (:D) "Weißt du, was ich wirklich denke?" Ich musterte die Kleine noch einmal von oben bis unten, das aber durchaus nicht spöttisch, sondern diesmal nur, um meine Ansicht zu prüfen; ich fand sie bestätigt: "Ich denke, dass du hier sehr unglücklich bist. Du bist wahrscheinlich in Freiheit aufgewachsen; gut, das kenne ich nicht. Ich bin auch nur einer dieser vielen Sklaven, die hier sind und leben und derer sich niemand erinnern wird, wenn sie gegangen sind." Oder wenn dann irgendwann auch die gegangen wären, denen man vielleicht doch ein bisschen am Herzen lag; ich blickte kurz hinüber zu meinem schlafenden dominus. "Aber solange du hier bist, drückst du in allem, was du machst, egal, was das ist, dich selber aus. Und das, was sich da ausdrückt - du selbst -, das kann dir keiner nehmen. Und das werden sogar deine Herren an dir schätzen." Bei den Göttern, das Mädchen war doch in Freiheit aufgewachsen, so schwer würde das doch für sie nicht sein! Ich musste ein bisschen schmunzeln bei dem Gedanken, dass sie doch in der Hinsicht wirklich aus ihrer Not eine Tugend würde machen können: "Erkenne dich selbst!", das kannte man ja auf griechisch, aber ich hatte es auf "thrakisch" zu ihr gesagt, denn es war eben nicht nur auf meinen dominus etwas von der Liebe zur Weisheit übergeschwappt.


    Apropos dominus, der machte gerade wieder auf sich aufmerksam, schaufte erst, wahrscheinlich noch im Halbschlaf, verlangte dann aber artikuliert nach Wasser. Ich sah sofort zu ihm hinüber und nickte ihm beruhigend zu; Wassermangel war es wahrscheinlich auch gewesen, der ihn umgehauen hatte, er hatte wohl schlicht zuwenig getrunken auf seinem Weg durch Rom. Ich wandte mich zur Tür, um Aurelius Cotta sein Wasser zu holen; dabei sah ich Siv grinsend an und deutete mit meiner Hand ebenfalls zur Tür, denn jetzt konnte sie hier wirklich vorläufig nichts mehr tun und ich für sie auch nicht.


    Und Aurelius Cotta schon gar nicht. (:D)

    Marcus Aurelius Corvinus


    Mehr als die Erwähnung des Namens des Schuldigen braucht es in diesem Thread ja wohl nicht, oder? :D

    Zitat

    Original von Siv
    "Sag mal, machst du dich lustig über mich? Du hast Spaß, über mir? Ist das lustig? Zu reden, dass ich nicht verstehe?"


    Öhm, eigentlich hatte ich die kleine Klette nur loswerden wollen. Die Tragik dabei war aber, dass der Thraker in mir dazu auch noch einen Satz auf "thrakisch" gesprochen hatte, und als hätte sie ihn verstanden, zeigte das Kätzchen vor mir - weit davon entfernt, sich, wie gewünscht, auf leisen Pfoten davon zu machen - nun seine Krallen. Denn das sollte doch wohl das Gebaren bedeuten, dass Siv jetzt annahm, als sie sich vor mir aufbaute.


    Ich warf einen kurzen Blick auf meinen dominus. Der lag jetzt ganz entspannt auf seiner kline und schlummerte ruhig - für mich jetzt der letzte und endgültige Beweis dafür, dass ihn nicht wieder das Fieber gepackt hatte, denn dann war sein Schlaf voller Unruhe und Umherwälzen. Natürlich brauchte er Ruhe und viel Wasser, das ich ihm gleich holen würde, aber angesichts seines doch ganz und gar stabilen Zustandes blieb offenbar noch Zeit für einen kleinen Gedankenaustausch mit Siv - falls diese dem würde folgen können, denn ihr Latein war wirklich noch nicht so. Ich aber war durchaus dazu bereit, mich ihrem Niveau ein bisschen anzupassen - natürlich nicht, ohne es dabei merklich zu heben - und begann daher mit Gestik und Mienenspiel, indem ich langsam an ihr heruntersah und meinen Blick dann wieder hochsteigen ließ: "Ui, ui, ui! Wenn du jetzt noch mit dem Fuß aufstampfst, hätte ich noch viel mehr Angst vor dir!"

    Tillas Gesten über das Aufschreiben und ein zu volles Herz hatten mich kurz zum Nachdenken gebracht. Das waren irgendwie so typische Gedanken eines Kindes, die sie da äußerte, aber das alles so ernst und auch so weise, dass ich schon selber mit der erstbesten Antwort, die mir rasch schon fast auf die Zunge gekommen wäre, nicht zufrieden war. Also strengte ich mich ein bisschen mehr an und überlegte einen Moment länger, als ich es normalerweise getan hätte; dann nahm ich Tillas Kopf vorsichtig in meine Hände und sagte zu ihr: "Aus meinem eigenen Leben habe ich noch nie etwas aufgeschrieben. Aber Leute, die so etwas machen" - dass auch Aurelius Cotta "so etwas" ab und zu mal machte, konnte sich Tilla vielleicht denken, ich wollte meinen dominus aber auch nicht verraten - "also, Leute, die Dinge aus ihrem Leben aufschreiben, finden wohl oft, dass das Aufschreiben sogar noch mehr Schmerzen bereitet als das einfache Bewahren im Herzen. Aber nachher fühlt man sich dann angeblich besser - habe ich gehört. Also hast du vielleicht schon Recht mit deinem Aufschreiben." Immer noch nachdenklich schaute ich in Tillas so warme braune Augen: "Aber dass dein Herz mal zu voll werden könnte, glaube ich überhaupt nicht. Dein Herz ist nämlich groß."


    Umso schlimmer, dass sich die Augen eines so lieben, großherzigen Menschen jetzt mit ganz viel Tränen füllten. Mir selbst ging es auch richtig ans Herz, als Tilla sich jetzt einmal so richtig bei mir ausweinte; offenbar hatte sie schon viel zu lange niemanden mehr dazu gehabt, dafür aber umso mehr Dinge, die sie zum Weinen brachten. Ich drückte das Mädchen behutsam an mich und streichelte sie über ihren Rücken. Nach einiger Zeit kehrte dann wieder ihre herzliche Fröhlichkeit in Tilla zurück - zusammen mit einem gewissen Appetit auf süßes Brot. Aber immer der Reihe nach: "Na, ich finde, zuerst sollten wir Einohr zu seiner Familie zurückbringen. Und dann schaue ich mal bei Niki vorbei." Nach allem, was Tilla so angedeutet hatte, musste man vielleicht wirklich befürchten, dass die aurelische Küche nicht mehr ganz so gut ausgestattet war, wie es eigentlich von einem patrizischen Haushalt zu erwarten gewesen wäre.

    Während ich natürlich sofort die Ärmel hochkrempelte, um die Lage meines dominus zu verbessern, zog Siv es vor, wichtigtuerische Mienen und Gesten zu machen, die an dem jungen Ding für meinen Geschmack einfach nur komisch aussahen; helfen taten sie Aurelius Cotta erwartungsgemäß auch nicht. Als sie sich dann endlich bequemte, mit anzupacken, ging auch das nicht ohne einen zickigen Kommentar ab, auf den ich natürlich gar nichts sagte; das wäre weit unter meiner Würde gewesen.


    Na, wenigstens langten wir zwei Gänge und einen in ihrer eigenen Eingeborenen-Sprache abgefassten weiteren Kommentar Sivs später im cubiculum Cottae an und legten unsere teure Last ins gemachte Bett. Siv schien nun wieder zu einer konstruktiven Arbeitshaltung zurückkehren zu wollen; jedenfalls deutete ich mal ihre Frage großzügigerweise so.


    Was Aurelius Cotta eigentlich hatte, war nämlich in der Tat die große Frage. Ich fand ja nach wie vor, dass er eigentlich gar nicht so schlecht aussah, jedenfalls nicht gerötet von Fieber, wie ich ihn in den vergangenen Monaten so oft gesehen hatte; erst jetzt fielen mir allerdings die dunklen Ringe unter seinen Augen auf, auf die ich bei seiner Ankunft in der villa Aurelia in Roma gar nicht so geachtet hatte: "Ich denke, er ist wirklich total übermüdet und braucht Schlaf. Ruhe und Schlaf."


    Durchaus weniger vorsichtig als Siv - schließlich war ich darin ja auch in Übung - legte ich meinem dominus die Hand auf die Stirn und stellte fest, dass diese zwar warm war, aber doch noch lange nicht so heiß, als dass es bei den hohen Außentemperaturen ungewöhnlich gewesen wäre. Ich war mir jetzt sicher: Ein Fieberanfall war das hier nicht. "Ich stelle ihm gleich noch eine Karaffe Wasser bereit und setze mich dann neben ihn" - Baden konnte ich später, viele Frauen mochten ja auch meinen Schweißgeruch - "dann wird er schon wieder." Tja, Siv wurde hier jetzt eigentlich nicht mehr gebraucht; um sie hinauszukomplimentieren, sagte ich ihr ein kurzes Dankeswort - und fügte dann unvorsichtigerweise hinzu: "XXXX - - myyyyvn ., zzzzz." Das war "thrakisch" und ganz gegen meine Absicht der Auftakt für ein weiteres Wortgeplänkel.



    Sim-Off:

    :D :D

    Hm, ja nun, also, so ganz klar hatte ich mich wohl wirklich nicht fassen können mit meinem kleinen Ausflug in die Philosophie oder in das, was ich dafür hielt nach immerhin so einigen Jahren Sklavendienst bei einem ganz kleinen Römer in Athen und dann bei einem etwas größeren Römer aurelischer Herkunft in der gleichen schönen polis. Also, frisch ans Werk mit einem zweiten Erklärungsversuch, und sowieso waren ja aller guten Dinge drei: "Aufschreiben kannst du es natürlich auch, ja, wenn du so fleißig bist... Aber es ist natürlich ganz ausreichend, wenn du es in deinem Herzen bewahrst; das ist eigentlich die Hauptsache dabei. Das im Herzen bewahren also, ruhig auch schon über Jahre hinweg, und irgendwann, vielleicht wirklich erst Jahre später, geht dir der Sinn einer Geschichte, eines Erlebnisses, auf, der ist ja oft versteckt. Und dann erzählst du sie, oder schreibst sie dann auf." Ja, aufschreiben, denn was würde sonst bleiben von einem Sklavenleben, in dem man nicht einmal eigene Kinder hatte?


    In diesem Moment kletterte Tilla auf einmal auf meinen Schoß und umarmte mich stürmisch. Das hätte nicht kommen sollen, das heißt: natürlich doch, aber doch nicht in diesem Moment, in dem ich dann doch einmal wehmütig an das denken musste, was einem Sklaven so alles versagt war, auch wenn er einen noch so großzügigen dominus hatte!


    Natürlich hatte ich auch gleich meine Arme um Tilla gebreitet, ganz vorsichtig den Körper dieses Mädchens an mich gedrückt, das mein eigenes Mädchen, meine Tochter hätte sein können. Aber was war das jetzt, Tränen? Die Kleine musste ja so viel mitgemacht haben, ich mochte gar nicht daran denken... Meine Hand, die mir für sowas auf einmal viel zu groß und unpassend vorkam, streichelte zart über ihr dunkelbraunes Haar, dessen Farbe meiner so ähnlich war und das so schimmerte wie der Mond, wenn er ganz rund war. Behutsam drückte ich mein Kinn auf Tillas Kopf und fuhr damit ein bisschen zwischen ihren Haaren herum; dann öffnete sich der Mund über diesem Kinn und sagte: "Na, sei dir da mal nicht so sicher, dass ich lieber keine Fliegen und Insekten verspeisen möchte. Und das Tümpelwasser, das werden wir noch zum Brotbacken nehmen. Gibt dem Brot so eine spezielle Süße," ... eine Süße, die meine süße Tilla natürlich nicht mehr brauchen würde, selbst wenn es gestimmt hätte, was ich da gerade gesagt hatte.

    Störte ich hier? Den Eindruck bekam ich jedenfalls, als sich nach meiner Meldung des bezugsfertigen cubiculums meines dominus erst einmal - gar nichts tat. Siv drehte sich nur kurz zu mir herum und wandte sich dann wieder Aurelius Cotta zu - gut, für ihn war sie ja auch im Moment abgestellt, und ihre Aufmerksamkeit auf mich zu lenken, war jetzt noch nicht der richtige Zeitpunkt. Aber auch mein dominus richtete seinen Blick zwar gleich auf mich, nachdem ich meine Meldung gemacht hatte, sah dabei aber irgendwie durch mich hindurch und schien nur mit halbem Ohr hin zu hören; irgendwie wirkte er nicht ganz beieinander, obwohl er auf mich jetzt wieder ganz fit wirkte und sein Gesicht zum Anbeißen aussah wie ein junger Apfel.


    Deshalb war ich auch erst mal ziemlich perplex, als Aurelius Cotta sich dann doch endlich erhob - und gleich wieder in sich zusammensackte. Mit seiner Krankheit schien mir das jetzt hier nicht so recht was zu tun zu haben, und so nickte ich mal einfach ab, als Siv bemerkte, er sei wohl müde von der Reise.


    Überhaupt, Siv. Während ich noch über den Ursprung der neuerlichen Schwäche meines dominus grübelte, war sie schon wie ein flinkes Kätzchen zu ihm herbei gesprungen, hatte seinen Körper aufgefangen und wieder auf die Kliene gehievt, und zwar sogar so, wie sich das gehörte, nämlich mit hochgelegten Füßen. Ich stand inzwischen neben ihr und warf ihr einen anerkennenden Blick zu, den sie aber gar nicht beachtete, weil sie auf einmal ein feuchtes Tuch hervorzauberte, mit dem sie meinem dominus die Stirn abtupfte. Also doch wieder Fieber? - Auch ich, der ich doch in Sachen "Tropenkrankheit des Aurelius Cotta" schon so einiges mitgemacht hatte, war mir in diesem Fall gar nicht sicher, womit wir es hier zu tun hatten; vielleicht würde mein dominus auch hier in Rom noch einen Arzt konsultieren müssen.


    Wieder hob ich meinen Blick zu Siv. "Gut gemacht! Aber ich denke, das triclinium ist jetzt nicht mehr der richtige Ort für ihn. Vielleicht nutzen wir die Gunst der Stunde und besetzen das fertige cubiculum?!" Diesen Worten ließ ich auch sofort Taten folgen. Ich trat an den Oberkörper meines dominus heran, griff ihm von hinten unter den Armen hindurch und wollte ihn so von der Kline ziehen. Vielleicht würde Siv Aurelius' Cottas Füße ergreifen, aber natürlich würde ich ihn auch alleine in sein cubiculum schaffen können, da war ich mir ganz sicher, denn schließlich war das hier ja nicht der erste Liegend-Transport meines dominus durch die villa Aurelia in Roma nach seinem Bade- und meinem Kampferlebnis mit der guten Cadhla. Mal sehen, wie sich Siv nun weiter schlagen würde; ihr Anfang war ja schon einmal ganz ansehnlich gewesen. (:P)

    Irgendwas stimmte doch hier nicht im Haus der Aurelier, das hatte ich aber gleich gemerkt! Nicht nur dieses "Holterdipolter" unter den anderen Sklaven bei der Ankunft meines dominus, nein, überhaupt machten hier alle so komische Gesichter. Was hier wohl passiert sein mochte? Aber was für komische Gesichter die hier alle machen würden, wenn sich erst einmal die Erkrankung von Aurelius Cotta herumgesprochen haben würde!


    Wenigstens war sein cubiculum jetzt endlich fertig geworden! Mein Eindruck war ja, dass die kleine Sklavin, die sich darum gekümmert hatte, sich extra Zeit damit gelassen hatte, einfach nur, um mir nahe zu sein. Aus ihrer Sicht nur zu verständlich, aber ich hatte natürlich überhaupt keine Zeit, mich näher mit ihr zu befassen, denn Aurelius Cotta brauchte jetzt Ruhe.


    Ich marschierte daher sofort nach der Fertigstellung des cubiculums zum triclinium zurück, um dort meinen dominus einzusammeln, ohne mich weiter um die Sklavin zu kümmern. Und im triclinium wartete ja auch immer noch eine andere Sklavin auf mich: diese Siv, die offenbar in ein ziemlich ernstes Gespräch mit meinem dominus vertieft war; jedenfalls klangen so die letzten Worte von ihr, die ich noch mitbekam, bevor ich selbst wieder das triclinium betrat.


    Einen Mann hatte die also schon gehabt? Dann war sie also schon - nun ja, "erfahren". - Das waren so die ersten Gedanken, die mir dazu durch den Kopf gingen. Ansonsten erinnerten mich ihre Worte ganz fatal an die Erzählungen von Cadhla, allerdings schien mir Siv noch ein ganzes Stück mehr durcheinander zu sein als Cadhla es gewesen war - oder gezeigt hatte; ich würde sie mir mal beizeiten zur Brust nehmen. Beizeiten; jetzt aber war es Zeit für meine Meldung: "Domine, das cubiculum ist bereit."

    Auf mein zweites Frosch-Quaken reagierte Tilla wieder ungemein vergnügt, aber es gelang mir doch tatsächlich, die Lautstärke ihres Lachens noch um einiges zu übertreffen, und als ich wieder einigermaßen zu Atem gekommen war, verriet ich Tilla auch, warum: "Also, dass ich ihr in einem froschgrünen Gewand und einem braunen Sack gefallen würde, hat tatsächlich noch nie eine Frau zu mir gesagt!" Aber einmal war ja immer das erste Mal, und wie ich jetzt erfuhr - und dabei wurde ich dann aber ganz schnell wieder ernst, zumal Tilla mir jetzt auch noch einfach so Einohr wegnahm - wie ich also jetzt erfuhr, wollte Tilla auf gar keinen Fall erwachsen werden.


    Das, was das Mädchen da sagte, klang für mich gar nicht einmal dumm, auch wenn ich natürlich zugeben musste, dass ich mir darüber noch keine so tiefen Gedanken gemacht hatte wie Tilla. Ich war schon immer Sklave gewesen, hatte zunächst in Athen in einer römischen Familie bei einem kleinen Jungen gedient, der dann, wie nicht anders zu erwarten, genau wie ich selber zum Mann herangewachsen war - ja, und dann war ich an Aurelius Cotta verkauft worden, den ich ehrlich gern hatte, auch wenn er oft so sauertöpfisch guckte.


    Ich überlegte: In so einem richtigen Sinne erwachsen wurde man als Sklave oder Sklavin vielleicht gar nicht, weil man sich gerade um seinen Lebensunterhalt, sein Essen, nicht zu kümmern brauchte. Und diese Sorge war es doch wohl, die die erwachsenen Freien so bedrücken konnte, jedenfalls in der Hauptsache. "Tilla, du wirst nie so ganz erwachsen werden. Ich sage dir, wie du werden wirst: so wie die Geschichtenerzähler, die sagen nämlich immer die Wahrheit, auch wenn die nicht immer den Tatsachen entspricht. Wenn du mit einem Schiff auf dem Meer fährst, berührst du nicht wirklich die Sonne und verbrennst dich auch nicht, glaub' mir, ich habe es erlebt - aber das wollten die Geschichtenerzähler auch gar nicht sagen. Sondern dass man sich schwer weh tun kann, wenn man Sachen ausprobiert, für die man aber auch so gar nicht die richtigen Voraussetzungen hat und deren Folgen man nicht abschätzen kann, so wie Ikarus mit seinen Flügeln - das wollten sie sagen, und das ist auch wahr." Ich warf kurz einen Blick auf das mir entrissene Hasenkind und hoffte, dass es das Menschenkind neben mir ein wenig tröstete: "Mach es doch wie die Geschichtenerzähler, Tilla, wenn du erwachsen wirst: Erleb' alles, was du zu erleben hast, ganz bewusst, wie die Erwachsenen, und wenn es dir zu bunt wird, dann verwandelst du das Erlebte in eine Geschichte. Die Geschichte muss dann vielleicht nicht mehr so ganz den Tatsachen entsprechen, behält aber die Wahrheit des Erlebten in sich, also, den tieferen Sinn, meine ich."


    Ich war mir nicht klar darüber, ob ich mich deutlich ausgedrückt hatte, aber ich hatte irgendwie das Gefühl, ich sollte mal selbst meinem gerade geäußerten Ratschlag folgen.

    Vor ein erneutes Quaken setzte ich erst einmal ein ziemlich fatalistisches Seufzen: So hatte ich mich also hier mit meinem Quaken zum Affen gemacht, und wenn es irgend jemand anders als Tilla, meine kleine Tilla, gewesen wäre, der hier über mich Tränen gelacht hätte und vor Lachen auf seinen Hintern geplumpst wäre, dann hätte ich demjenigen aber ganz schön was erzählt. So aber öffneten sich doch schon bald wieder meine Lippen, und von meinem Zwerchfell her erklang es dumpf und grollend "Quoooarck, quooorck", alles nur Tilla zuliebe.


    Die war nun ihrerseits selber schon wieder ernster geworden, und das, was sie mir nun erklärte, nämlich, warum sie niemals Froschschenkel essen würde, machte auch mich wieder nachdenklich - und lenkte mich von meiner persönlichen Frosch-Quak-Pleite ab. Ich fragte mich nämlich natürlich gleich, inwieweit Tilla - vielleicht sogar, ohne dass ihr das selber bewusst war - dabei von sich selber sprach: Sie konnte es nicht leiden, wenn etwas vor der rechten Zeit beendet wurde... Gern hätte ich sie irgendwie darauf angesprochen, aber ich wusste nicht so recht, wie, weil ihr doch bestimmte Sachen hier und auch in ihrer Vergangenheit echt nahe zu gehen schienen. Stattdessen kraulte ich jetzt die kleine Einohrin mit meinen Daumen hinter ihren Ohren, während meine übrigen Finger durch ihr flauschiges Bauchfell fuhren. Dabei sah ich Tilla zu, wie sich jetzt wieder mit der Schiffsreise auseinandersetzte - und konnte mir jetzt meinerseits ein Lächeln nicht ganz verkneifen: "Aber Tilla, wer hat dir denn erzählt, dass ein Schiff so richtig durch die Sonne hindurch fährt? Das ist doch Blödsinn, die Sonne ist total weit entfernt; wie weit, das wissen nur sehr schlaue griechische Mathematiker." Ich zweifelte sogar ein wenig daran, dass mein dominus das auf Anhieb, also ohne irgendwo nachzuschlagen, gewusst hätte. ;) "Manchmal sieht es allerdings tatsächlich so aus, als würde man mit seinem Schiffchen gleich durch die Sonne hindurch fahren. Wenn sie nämlich aufgeht oder abends im Meer versinkt, dann wirkt sie oft ganz riesig und nah, die ganze Wasseroberfläche scheint zu brennen, und das Innere der Sonne scheint zu flirren wie das Innere eines Feuerofens." Einen Moment lang hatte ich meinen Blick in die Ferne gerichtet und drohte, romantisch zu werden; ich hatte sogar unbewusst aufgehört, Einohr zu streicheln, dann aber fing ich mich wieder. "Aber in Wirklichkeit, wie gesagt, ist die Sonne noch ganz schön weit weg. Das ist alles ein Naturschauspiel, ein schönes und noch dazu ein ungefährliches."


    Als Tilla danach kurz auf das Klettern einging, erkannte ich darin den gesuchten Anknüpfungspunkt für meine Frage nach der rechten Zeit und der Zeit zum Wachsen: "Das Klettern brauchst du also zum Fliehen? Tilla, mal ehrlich: Auch wenn du hier in letzter Zeit einiges an Ärger hattest - ich finde, die villa Aurelia ist für dich eigentlich wirklich der richtige Ort, um selbst zu wachsen und erwachsen zu werden. Was meinst du?"

    "Quoooaaark", kam ich Tilla schnell zuvor. Einladungen zu einem Froschkonzert um die Mittagsstunde von Seiten meiner kleinen Freundin konnte ich natürlich nicht widerstehen, auch wenn ich ansonsten derlei Albernheiten selbstverständlich - wie es sich für einen männlichen Sklaven, der was auf sich hielt, gehörte - ganz reserviert gegenüberstand. :D


    Ich hatte mich mittlerweile neben sie ins Gras gehockt, was mir doch etwas schwerer gefallen war als ihr. Das allerdings nicht etwa, weil meine alten Knochen nicht mehr so gewollt hätten, sondern weil ich in meinen Händen ja noch immer Einohr hielt und die Häsin auch weiterhin mit meinen beiden Händen festhalten wollte und nicht nur mit einer. Jetzt saß ich aber richtig schön gemütlich neben Tilla und ließ mir von ihr erklären, was Quappen waren. Das wusste ich zwar natürlich auch so, aber sie machte das so schön, dass ich es mir gerne anhörte. Leider aber gab sie erst mal nicht das Geheimnis preis, ob sie denn gerne die Schenkel von Quappen verzehrte, die zu Fröschen herangewachsen waren: "Hast du schon einmal die Schenkel von erwachsenen Fröschen gegessen? Ich glaube, ich habe so was noch nicht gehabt." Höchstens damals, als ich in Athen meine erste "Stelle" als Sklave gehabt hatte - aber das war natürlich schon so irre lange her, dass ich mich nicht mehr an Froschschenkel erinnerte; die hatten dann jedenfalls keinen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen, so dass ich Fröschen wegen ihrer Schenkel auch ganz bestimmt nicht nachstellen würde. Mich interessierten eher andere Schenkel - aber das gehörte wirklich nicht hierher!


    Was ganz anderes hatte mich nämlich auch noch viel neugieriger gemacht, und zwar bestimmte Sachen, die Tilla erwähnt hatte, als sie gesagt hatte, warum sie die villa Aurelia nicht verlassen würde. "Ich wusste übrigens gar nicht, dass du reiten und so gut klettern kannst. Ich meine, du hast von der Stute Luna gesprochen, und von einem Kletterbaum." Interessiert sah ich meine kleine Freundin neben mir an: Nicht dass ich ihr das alles nicht zugetraut hätte, das Reiten und das Klettern, eher im Gegenteil. Aber so richtig gewusst hatte ich von ihren ganzen Talenten natürlich auch nicht. Tja, da konnte ich selbst natürlich kaum mithalten mit meinen Schiffsreisen, obwohl es ja jetzt im Laufe meines Lebens immerhin schon mal drei waren. "Ich kann dir da nur von den beiden Schiffsreisen erzählen, die mit Aurelius Cotta nach Aegyptus und wieder zurück. Das Meer war wirklich die meiste Zeit ganz ruhig und daher ganz glatt, nur hier und da kleine Wirbel im Wasser und natürlich die sanften Wellen, die sich am Rumpf des Schiffes brachen. Wir sind auch jeweils nicht gut vorangekommen mit dem Schiff, weil eigentlich zuwenig Wind da war. Aber dafür hatten wir dann jeweils ein paar Tage länger die Gelegenheit, solche Sonnenuntergänge mitanzusehen, wie du sie eben beschrieben hast." Ich selbst hatte die Reise gar nicht als so romantisch empfunden, schon gar nicht die Rückfahrt aus Alexandria, aber Tillas Worte öffneten mir die Augen für die emotionalen Aspekte meiner Erinnerungen. ^^

    Hatte ich es doch gewusst! Das Thema Fieber wühlte Tilla ganz schön auf, das war ihr anzusehen. Aber die Hauptsache war natürlich, dass nicht wieder echtes Fieber die Kleine durchschüttelte, auch wenn sie während ihrer Krankheit offenbar gut betreut worden war, wie sie mir jetzt erzählte. Dann war dieses germanische Kätzchen Siv ja also doch zu etwas zu gebrauchen; na ja, eigentlich war sie nicht die Schlechteste, wenn auch ziemlich kratzbürstig, aber wenn sie einen ins Herz geschlossen hatte, zeigte sich ihr eigenes Herz wahrscheinlich auch voll Gold.


    Was die Mücken der südlichen Regionen anging, so konnte ich selbst Tilla erst einmal beruhigen: "Also, um dich diesen Mücken hinzugeben, musst du schon ein bisschen weiter fahren, über das Meer, so wie Aurelius Cotta. Aber dich lässt hier bestimmt keiner weg" - so sympathisch, wie Tilla war. Und deshalb konnte ich mir auch überhaupt keinen Reim darauf machen, wie es dazu gekommen war, dass Tilla jetzt so allein da stand und mit Einohr durch den hortus streifte.


    Bei diesen meinen Gedanken hatte es mich dann schon ziemlich getroffen, dass Tilla mir sagte, sie hätte nicht gewusst, dass sie immer zu mir kommen konnte. Gut, ich hatte hier in der villa Aurelia in Rom, besonders auch unter den Sklavinnen, einen gewissen Ruf - aber das galt doch nicht für Tilla! "Ich freue mich erst mal, dass es dir jetzt schon wieder besser geht! Und vielleicht streifen wir ja mal gemeinsam durch die Gegend. - Du gehst dabei also auf Quappenjagd?" Mit dieser Frage wollte ich Tilla ein bisschen von ihrer eigenen Frage an mich ablenken. Wenn ich auch eigentlich vor ihr keine Geheimnisse hatte, so war es mir doch ein bisschen peinlich, ihr ehrlich zu sagen, warum ich in den hortus gegangen war. Vielleicht würde ich es ihr später gestehen, aber jetzt spielte ich erst mal auf Zeit. Und die Quappen waren da ein ganz guter Anknüpfungspunkt: Von den Schenkeln hatte Tilla gesprochen? War sie etwa eine verkappte Feinschmeckerin? Und was war mit Einohr? Ob das Hasenkind nicht langsam Hunger bekam? Ich blickte besorgt zu dem freundlichen Lebewesen in meinen Händen hinunter.

    Fieber? Fieber? Ich hatte das zwar nicht - obwohl es mir natürlich schon ganz schön nahe gegangen war, als bei meinem dominus diese Krankheit ausbrach und man sie dann auch noch so von professioneller Seite feststellte -, ich hatte das also selber zwar nicht, aber jetzt wurde mir doch allmählich richtig heiß, und der Schweiß brach mir aus. Und das lag aber mal ganz sicher nicht an der Mittags-Hochsommer-Sonne hier im Garten der villa Aurelia, sondern an all dem, was Tilla mir da gerade signalisierte. Denn das war echt der Hammer - aber wohl auch, trotz Fieber, nur die Spitze eines Eisberges.


    Mir war natürlich klar, dass ich jetzt auch aus einer Mücke keinen Elefanten machen durfte; deshalb beantwortete ich erst einmal Tillas Frage nach der Mücke des Aurelius Cotta: "Doch, doch, je weiter man nach Süden reist, desto mehr schwirrt die ganze Luft von possierlichen, fast unsichtbaren Tierchen, deren Stich du gar nicht merkst - aber deren Wirkung hinterher: Fieber, Durchfälle... Manche sterben auch an sowas, aber Aurelius Cotta wird ja gut gepflegt." Dass solche Mücken auch in Rom vorkamen und auch hier so manchen mit auszehrenden Krankheiten versehen hatte, verschwieg ich mal lieber, um Tilla nicht ganz und gar kirre zu machen. Immerhin erzählte sie ja nun auch von einem Fieber, das sie befallen hatte und ziemlich ernst gewesen sein musste. "Aber was ist denn mit dir? Du warst auch so krank, sagst du? Ich hoffe, es geht dir jetzt besser, ansonsten sorge ich dafür, dass man sich auch gut um dich kümmert." Notfalls würde ich selbst Hand anlegen, das hatte ich bei Aurelius Cotta in Aegyptus ja auch getan, denn dort hatte man nie wissen können, wen man vertrauen sollte; das jedenfalls war meine Einstellung gewesen.


    Richtig schlimm aber war, dass Tilla ganz offensichtlich hier in der villa Aurelia in Rom dasselbe von den anderen, zumindest den erwachsenen, Bewohnern dachte: dass man zu ihnen vielleicht kein richtiges Vertrauen haben konnte. Das jedenfalls sagte sie mir mit ihren Gesten, nachdem sie mir Einohr schließlich doch in die Hände gedrückt hatte. Vorsichtig, aber doch so entschlossen, dass das Tierchen nicht etwa auf den Gedanken kommen konnte, wieder auszubüchsen, nahm ich es an mich. Ich spürte seine Wärme und wie seine Rippen sich weiteten und wieder zusammenzogen bei jedem Atemzug; und ich streichelte Einohr ganz automatisch, als Tilla mir von ihren Sorgen erzählte und dass sie oft nur Einohr überhaupt zum Erzählen und Zuhören hatte. "Du kannst jetzt auch zu mir kommen, Tilla. Das weißt du hoffentlich?" Obwohl ich natürlich selbst vieles von dem noch nicht durchschaut hatte, was sich hier alles zugetragen haben musste während der Abwesenheit von Aurelius Cotta und seinem Leibsklaven.

    Zitat

    Original von Tilla Romania
    Hallo zusammen..


    wegen einem beidseitigem Hörsturz muss ich in die nächste Uniklinik und die liegt in Mainz. Meine Eltern fahren mich sogleich hin. Drückt mir die Daumen, dass ich nicht so lange in der Uni-Klink bleiben muss.


    Gruss Tilla


    Ach, Tilla...


    Ich wünsche dir von Herzen alles Gute! Komm bald wieder - aber: Kurier dich vor allem gründlich aus und schon' dich!

    Ganz bei der Sache sah ich Tilla weiterhin beim eingeschränkten Gebärden zu, da sie ja noch immer ihren kleinen Begleiter Einohr bei sich hielt. Meine Unruhe und Sorge wurden dabei allerdings immer größer, je mehr Tilla und ich uns jetzt über das Thema Krankheit ausließen. Dabei kam mir natürlich erst einmal die traurige, aber doch noch ziemlich einfache Pflicht zu, meine Gesprächspartnerin über den Zustand meines dominus zu informieren: "Aurelius Cotta hat sich bei seiner Reise nach Aegyptus, auf der ich ihn ja begleitet habe, durch so eine dumme Mücke eine dieser Fieberkrankheiten eingefangen. Er wird immer wieder Schübe bekommen, die ihn dann sehr schwächen. Ja, dann muss er auch im Bett bleiben. Aber wenn er keinen Schub hat, kann er schon noch was mit sich anfangen." Was auch immer das dann in Zukunft sein würde.


    Nach dieser Auskunft wurde es aber heikel für mich. Denn schließlich hatte Tilla ja mittlerweile bei ihrem schnellen Gebärden so einiges an Andeutungen gemacht von wegen eigener Krankheit und Ärger mit den anderen Sklaven. Natürlich wollte ich da jetzt allmählich Näheres wissen, schon um Tillas willen, der das Ganze deutlich an die Nieren zu gehen schien. Aber wie sollte ich das möglichst schonend machen? "Das mit Niki lass mal ganz meine Sorge sein. Wir werden schon eine Gelegenheit zum Backen finden, wenn wir das wollen." Denn niemand von den Herrschaften würde es dulden, dass eine liebestolle Küchensklavin unter dem Hauspersonal für Unruhe sorgte, da war ich mir aber mal ganz sicher. Hoffentlich würde ich diesen Sertorio auch bald mal zu Gesicht bekommen, der musste ja ein ganz toller Hecht sein, wenn er Niki so das Herz gebrochen und sich damit auf einem Gebiet betätigt hatte, auf dem ja auch ich einen gewissen Ruf zu verlieren hatte. "Ist Nikis schlechte Laune denn eigentlich der einzige Grund, warum du dich so von der Küche fernhältst und zurückgezogen bist?"

    Ich beneidete Einohr in Tillas Arm jetzt wirklich: wurde so schön gehalten und konnte ganz ruhig ein kleines Nickerchen machen. Ich selber wurde dagegen langsam ein bisschen nervös bei dem, was Tilla so alles zu erzählen hatte. Staunend, aber auch schon unruhig hörte ich ihr zu, als sie allmählich von der dezimierten Hasenfamilie zu der offenbar ebenso dezimierten und angeschlagenen aurelischen Sklavenschaft überging. Als Tilla sich dann selber ein kleines Päuschen genehmigte, konnte ich nicht mehr an mich halten: "Du, das ist mir auch schon aufgefallen, dass hier alle mit so komischen Gesichtern herumlaufen, ob es nun die Sklaven sind, aber auch die Herrschaften. - Dass Aurelius Cotta krank ist, hast du schon gehört, oder?" Oder funktionierte hier in der villa Aurelia in Rom nicht einmal mehr die Gerüchteküche - wenn schon die echte cucina von einer liebeskranken Küchensklavin lahmgelegt wurde?


    Eigentlich hätte ich Tilla ja gerne noch weiter nach dem ziemlich seltsamen Stand der Dinge in der villa Aurelia befragt, und das wäre natürlich auch meine Pflicht gewesen, um dann meinen dominus über diese ganzen Geschehnisse informieren zu können - selbstverständlich nur über die in seiner Familie; dafür, ob Niki ein Auge auf diesen Sertorio geworfen hatte, interessierte sich Aurelius Cotta weniger, so gut kannte ich ihn. Trotzdem ließ ich weitere Fragen dieser Art erst einmal bleiben; ich wollte Tilla nicht gleich hier bei unserem Wiedersehen nach so langer Zeit als Nachrichtenquelle benutzen, sondern am allerliebsten wissen: "Magst du vielleicht einmal mit mir backen? Ich kann aber nur Brot." Und alles andere wäre natürlich auch unter meiner männlichen Würde gewesen. :D

    Die quirrligen Hände des kleinen Irrwischs Tilla zauberten das Hasenmädchen Einohr fast so schnell wieder aus meiner Reichweite, wie die Häsin eben noch aus dem Gebüsch vor mir aufgetaucht war und mich bei meiner ganz privaten Gedenkveranstaltung ertappt hatte. Tilla hatte sich das Häschen schlicht und ergreifend unter den Arm geklemmt, wo es dem Kindchen auch ganz prächtig zu gefallen schien. "Ich hätte die Kleine aber auch so lange festgehalten." So lange, wie Tilla mir jetzt ihre Familiengeschichte erzählte, also, die Familiengeschichte der Häsin. Und da schienen sich in meiner Abwesenheit ja richtige Dramen abgespielt zu haben: Ich hörte von Kochtöpfen und Nahrungsverweigerungen, von Mord und von Möhren - und von mir unbekannten und teilweise auch kuriosen Namen. "Hat Keinohr wirklich gar keine Ohren mehr?" Wer konnte schließlich wissen, was dieser Sertorio noch so alles angestellt hatte. "Und wer ist überhaupt dieser Sertorio?" Die Frage drängte sich auf, denn zu dieser Hasenfamilie schien er ja nicht zu gehören, schließlich sagte sein Name rein gar nichts über die Beschaffenheit seiner Ohren aus, und im Kochtopf schien er selber auch nicht gelandet zu sein. "Ist das etwa der Vater von Einohr und Keinohr?" Ich hatte jedenfalls schon einmal davon gehört, dass bei manchen Tierarten die Eltern ihre Kinder umbrachten - aber für den Kochtopf??


    Ich war total verwirrt. Und auf eine ganz dumme Art und Weise erinnerten mich die Verhältnisse in der Familie von Einohr an diejenigen in der unmittelbaren Familie von Aurelius Cotta. Nur dass der nicht im Kochtopf mit Salz und Zwiebeln vor sich hin garte, sondern ab und zu im Bettchen im Fieber schmorte.

    Es gibt Momente im Leben auch der optimistischsten Menschen, in denen man einfach deprimiert ist. Ein solcher war bei mir gekommen, als ich mich langsam Tilla näherte, immer weiter näherte und immer weiter - und sie mich immer noch nicht erkannte! Dieser Depri-Moment schien mir eigentlich eine ganze Ewigkeit zu dauern, nämlich genau so lange, bis ich an ihren Gebärden - und, wie ich mir einbildete, an ihrer Freude - feststellen konnte, dass der Groschen bei ihr gefallen war. ^^


    Nun begann wieder das rasche Spiel ihrer Hände, an das ich mich erst nach der langen Abwesenheit noch wieder ein bisschen gewöhnen musste. Ich versuchte, ihren Händen zu folgen - aber was war das? Blitzte da bei ihr nicht auch ein Dolch auf, so wie ich eben einen in der Hand gehabt hatte? Ich war mir nicht sicher, nahm mir aber vor, das gleich noch zu fragen. Jetzt kam ich nämlich nicht dazu, weil ihre Hände mir schon etwas Neues präsentierten: "Einohr? Habe ich dich richtig verstanden? - Na, dann: Salve, Einohr!" Vorsichtig streckte ich meine ziemlich große Pranke dem Hasenkind entgegen und fuhr ihm dann mit meinem Zeigefinger vorsichtig durch das flauschige Fell. "Wie geht es dir, Tilla? Einen neuen Freund scheinst du ja schon gefunden zu haben." Ich lächelte das Mädchen an, war mir aber gar nicht so sicher, ob sie nicht ein bisschen blasser aussah als sonst. Musste ich mir Sorgen machen?

    Tatsächlich war das leichte Rascheln auch weder von einem Gladiator noch von einer Schildmaid verursacht worden, sondern von einem - Häschen. Hm, und ich hätte schwören können, dass ich auch einen Menschen gehört hatte. Aber das kleine Bündel vor mir war wohl so wild und lebenslustig durch das dichte Gebüsch gestürmt, das den Tümpel hier umgab, dass es diesen Lärm gemacht hatte - für so ein kleines Tierchen schon einen Mordslärm, dachte ich schmunzelnd.


    Aber Moment - Mordslärm? Vielleicht war das Häschen ja auf der Flucht gewesen, vielleicht sogar auf der Flucht vor einem Menschen. Dann hätte ich mich also doch nicht getäuscht gehabt, dass trotz der Hitze jetzt um diese Zeit auch noch ein anderer Mensch außer mir durch den Garten turnte. Das wäre mir natürlich alles andere als lieb gewesen. Ich wandte meinen Blick von dem hübschen kleinen Häschen weg und spähte um mich, lauschte noch mehr - da! Aus dem gleichen Gebüsch wie eben noch das winzige Tier stürmte tatsächlich ein Mensch ihm hinterher! Einen Moment, einen ganz kurzen Moment lang war ich unschlüssig, ob ich meinen Dolch - der ja, nun ja *hüstel* eigentlich gar nicht "mein" Dolch war - schnell verstecken sollte oder eben gerade nicht, denn wer konnte schon wissen, was eine menschliche Gestalt in dieser Juli-Mittagshitze hier im Garten der Aurelier vor hatte. Ich richtete mich allerdings natürlich sofort auf. Und da erkannte ich endlich den kleinen Irrwisch, der sich inzwischen fast schützend vor das Hasenkind gesetzt hatte und sich offenbar die Haare kämmte, so genau konnte ich das nicht sehen: Es war Tilla!


    Vor Freude hätte ich fast endgültig vergessen, den Dolch wegzustecken, tat es dann aber doch, langsam und bedächtig in den Lederbeutel, schließlich wollte ich das Mädchen ja nicht erschrecken. Und daran, dass sie schreckhaft war und sehr sensibel, daran konnte ich mich noch gut erinnern. Ich hatte mich oft gefragt, was wohl aus ihr geworden war - nun würde ich es hoffentlich von ihr erfahren.


    Natürlich wäre ich am liebsten auf sie losgestürzt, um sie zu begrüßen, aber ich riss mich zusammen und ging behutsam auf sie zu. Allerdings irritierte es mich schon ein bisschen, dass sie so gar nicht den Eindruck machte, mich zu erkennen. War ich also doch so gealtert? So sehr? "Tilla, meine süße Kleine, kennst du den alten Maron nicht mehr?" Auf meinem Gesicht zeigte sich bei diesem Satz ganz von selbst mein strahlendstes Lachen; jetzt spätestens musste sie mich doch erkennen, selbst wenn sie meine Worte vielleicht nicht richtig von meinen Lippen hatte lesen können! :D