Beiträge von Cadhla

    Langsam beruhigte sich ihr Atem, und es tat gut, stehen zu können, wenngleich sie sich noch immer unbehaglich fühlte. Ohne Waffe einem Mann in solcher Nähe gegenüber zu stehen war seltsam, und früher hatten die meisten Männer ihrer Sippe einen respektvollen Abstand zu ihr und den anderen Schildmaiden gehalten, nicht zuletzt, weil sie den Zorn der Götter gefürchtet hatten. Diese Befürchtungen schienen die Römer nicht zu teilen, ihr Herr nicht und auch dieser Römer nicht, nicht einmal Cedric, den sie schon in einer recht prekären Situation gesehen hatte ... fürchteten diese Römer denn nichts und niemanden? Aber vielleicht war es auch das, was sie so stark machte, dass sie sich mit der ganzen Welt anlegen konnten, und dabei überlebten.


    "Ich gewesen Schildmaid, kämpfen für Dorf als Dienst für Götter. Es Ehre ist zu sein Schildmaid, denn andere Frauen nicht kämpfen, sie sein Mütter oder kümmern um Haus und Hof und Besitz. Es nicht geben viele wie mich, aber kein Mann kämpfen wie wir."
    Auch darin klang Stolz mit, sie wusste, was sie konnte, und irgend etwas machte sie sicher, dass sie bislang mehr Männer getötet hatte als er. Und jetzt nahm er auch endlich wieder Abstand ein, was sie insgeheim begrüßte. Nicht, weil sie Angst gehabt hätte, aber es war einfach unangenehm, sie war männliche Nähe nicht gewöhnt und hatte sie bisher auch nicht gesucht - alles Traumgeschehen schob sie einfach beiseite.

    Das sah nach richtig viel Ärger aus. Und genau den durfte es nicht geben. wie hatten sie denn früher die Männer besänftigt, die bei Festen immer den meisten Ärger machten? In einem sehr kurz gefassten Gedanken drückte sie dem Aurelier schlichtweg den Becher Met in die Hand, den sie noch gehalten hatte, und sagte ganz schlicht: "Du mit uns feiern. Jeder Mensch verlieren andere an Tod, die er lieben, und dies Fest für jeden, der sich wollen erinnern an Menschen, der sein gewesen nahe und wichtig für selbst." Wenn man einen Feind nicht besiegen konnte - und gegenüber einem Röme war man als Sklave grundsätzlich immer im Nachteil - musste man ihn eben zu einem Freund machen. Jetzt versuchte sie es mit einem Lächeln, einem vorsichtigen, zaghaften Lächeln, aber unzweifelhaft, es war ein Lächeln.

    Aus der Nähe mochte dem Aurelier nun auch ein Detail auffallen, das er zuvor vielleicht auch wegen des Lichteinfalls nicht bemerkt hatte - sie trug Narben. Feine Narben auf dem linken Unterarm, eine etwas größere am rechten Oberarm, dass sie zweifelsohne irgendwann einmal gekämpft hatte, war nun kaum zu übersehen. Ihr Blick begegnete dem seinen, und auch wenn sie in größeren Menschenmengen eher stiller war, wenn sie nur einem einzelnen Menschen gegenüberstand, war ihr eine gewisse Ruhe anzumerken. Mit einem Gegner würde sie fertigwerden, das wusste Cadhla - und dies verlieh ihr auch die Ruhe, einem ihrer Herren gegenüberzustehen und den Blick nicht zu senken dabei. "Ich geboren bin als freie Frau," sagte sie dann auch mit einem gewissen, vagen Rest Stolz auf diese Tatsache - auch wenn sie ihr als Sklavin eher weniger nützte.
    "Herr wissen, dass ich bin Kriegerin, und dass ich kämpfen. Ich nur nicht haben Zeit an Tag zu kämpfen. Viel zu tun, wenn Sonne am Himmel."


    Es klang nicht überdrüssig, sie stellte eher eine Tatsache fest, ohne sie wirklich zu bewerten. Ihr Blick jedoch lag auf ihrem Gegenüber, und sie schien ihn einzuschätzen, genau zu mustern - er war kräftig, und wahrscheinlich kein langsamer Gegner. Trainiert? Wahrscheinlich. Und er hatte ein energisches Kinn, was auf Durchsetzungsvermögen hinwies. Unter anderen Umständen hätte sie vielleicht auch darüber nachgedacht, ob sie ihn attraktiv fand. Aber im Augenblick war er einer jener Römer, die sie strafen konnten, und das ließ sie in einer sehr aufmerksamen, vorsichtigen Haltung verharren.

    Heftig fuhr Cadhla zusammen, als in einer der dunklen Ecken des Hofes plötzlich ein klatschendes Geräusch zu vernehmen war - und dann trat auch noch jemand hervor, sprach sie an: Sie kannte ihn zumindest vom Sehen her, Aurelius Ursus war sein Name, und er war mit ihrem Herrn verwandt. Einige Sklaven hatten sogar davon gemunkelt, die beiden würden sich nicht leiden können, weil sie vor einigen Tagen sehr gestritten hatten. Still stand sie nun da, die Brust hob und senkte sich in schnellem Atem, den sie zu bezähmen versuchte, ein Schweißtropfen rann ihr die Wange herab und tropfte schlussendlich von ihrem Kinn lautlos zu Boden, sich mit dem dunklen, gestampften Sand des Hinterhofs vermengend.
    Was sollte sie jetzt sagen? Er würde es sicher ihrem Herrn sagen. Und dann würde es Ärger geben, wenn man erfuhr, dass sie sich nachts hinausschlich. Ouh, wieso gab es in dieser Welt nur so vieles falsch zu machen? Ein Krieger musste eben trainieren, es ging nicht anders.
    "Ich danken dominus für freundliches Worte," stolperte ihre Zunge über das Latein und formte missgestaltete Satzkonstruktionen. "Um zu bleiben gut, man muss üben. Viel üben."

    Als ihr die Blicke von Severus in Richtung der kleinen Tilla aufgefallen waren, hatte Cadhla beschützend einen Arm um die Schultern ihrer jungen Mitsklavin gelegt, ihn ruhig anblickend - vor allem auch, um deutlich zu machen, dass Tilla nicht alleine war, und er, wenn er Ärger machen würde, gegen zwei würde sprechen müssen. Und sie war nicht gewillt, sich dem Willen eines fremden Kriegers zu ergeben, nicht an diesem Abend, an dieser Verbindung zu einer schon so fern wirkenden Vergangenheit. Lächelnd aß sie den Keks, den ihr Tilla gegeben hatte und knabberte genüsslich auf dem süßen Gebäckstück herum, das vertraut schmeckte, als könnte sie die Erinnerung an die Heimat in den Teig gebannt kosten. Für einen Moment lang blinzelte die rothaarige Keltin eilig, um niemanden merken zu lassen, dass ihr Tränen in den Augen standen, die Rührung zu verbergen suchend, griff auch sie nach einem Becher mit Met und nahm einen etwas zu großen Schluck, der sie prompt husten ließ. "Auf die Toten," brachte sie eher mühsam und hustend hervor, sich immernoch fragend, ob jene, die sie vermssite, wirklich tot waren oder ob sie umsonst trauerte.


    Als ihr Tilla den Beutel hinhielt, mit ihren wilden Gebärden hinzu, blickte sie natürlich neugierig in den Beutel und fand das Honigtöpfchen vor, ein süßer Duft, der so unverkennbar war, dass sie mit einem Mal über das ganze Gesicht strahlte. "Danke, Tilla," flüsterte sie der jungen Frau mit warmem Schimmern in den Augen zu. "Wir essen gemeinsam, wenn Zeit finden, ja? Nicht alles heute essen, an anderen Tagen auch schön sein, wenn gutes Ding haben." Doch dieser Augenblick einer gewissen Vorfreude zerbrach in viele kleine Stückchen, als sie diese Stimme vernahm, und auch noch der zur Stimme passende Körper erschien. Auch das noch, einer der Hausherren, waren sie wirklich so laut gewesen? Und das würde richtig Ärger geben, denn ausser ihr und Tilla waren keine Sklaven des aurelischen Haushalts beteiligt, und Corvinus wusste von all dem natürlich nichts - wahrscheinlich hätte er es auch nie erlaubt.
    Schnell löste sie sich von Tilla und erhob sich, vortretend, denn letztendlich war das ihre Verantwortung, und nicht die von Tilla. Wenn es hart auf hart käme, konnte die Kleine immernoch schnell verschwinden, Cadhla wusste, dass sie darin durchaus Übung hatte.


    "Dominus Aurelius Ursus," lenkte sie die Aufmerksamkeit vorsichtshalber erst einmal auf sich. "Es sein hier Gedenken an Tote, wichtig für unser Volk, wie Feste für Tote für Dein Volk wichtig. Wenn Du wollen bestrafen jemand für Fest, Du mich bestrafen, weil ich laden alle ein. Aber nicht können feiern alleine, es nicht gut wenn begegnen Geistern von Toten ohne Freunde."
    In der Eile, eine geeignete Erklärung zu finden, haspelte sie im Latein wieder gnadenlos über alle grammatikalischen Regeln hinweg und schätzungsweise hätte sich Cicero in seinem Grab die Hände über den Kopf geschlagen, wäre er nicht verbrannt worden - und hätte man ihm nicht die Hände abgeschlagen nach seinem Tod. Sie trat noch ein Stück weiter vor, um vor Severus zu stehen zu kommen, vor Fiona - diese beiden waren Gäste, und was wäre sie für eine Keltin, würde sie nicht das Gastrecht beachten und jene vor allem Schaden schützen, der ihnen drohen konnte?

    Die Keltin war konzentriert auf ihre Bewegungen, und so bemerkte sie nicht, dass sich in den Schatten des Hofes jemand bewegte - es war auch nicht wirklich wichtig für sie, ob jemand zusah oder nicht. Zumindest hätte sie es um diese Stunde auch nicht erwartet, und ihr stiller Beobachter war leise genug gewesen, sie nicht argwöhnisch zu machen. Keuchend hielt sie nach einer Serie Tritte und Schläge inne, um sich zu sammeln, schob die unvermeidliche Haarsträhne wieder hinter das Ohr und fühlte die Hitze der warm gewordenen Glieder ihres Körpers, hörte das Blut in den Ohren rauschen. Endlich fühlte sie sich wieder lebendig, erwacht aus einem langen Schlaf voller seltsamer und in ihren Augen auch oft unwichtigen Pflichten. So war es richtig, diese Wärme zu fühlen, die darin liegende Sicherheit und Zuversicht hatten ihr in den letzten Tagen gefehlt.


    Im Kampf, das wusste sie, lag ihre eigentliche Stärke, nicht in der lateinischen Sprache, nicht in irgend etwas sonst. Auch dieses verwirrende Gefühl aus dem Bad war letztendlich sicher nur eine Verirrung, weil sie sich hier nicht sicher fühlte. Ein Römer konnte sie nicht ernstlich haben wollen, sah sie doch wirklich ganz anders aus als die zarten und geschminkten Frauen der Römer. Und würde sie selbst einen Römer wollen? Mit einem unterdrückt-dumpfen Kampfeslaut begann sie eine weitere Serie an Hieben und Tritten, sich vorstellend, es wären die verdammten Legionäre, die ihr Dorf angegriffen hatten, die sie selbst gefangen genommen und verschleppt hatten, und die sicher auch für den Tod ihrer Familie verantwortlich waren. Wo immer die Legionäre waren, war auch der Tod. Es gab keine Hoffnung. Der nächste Hieb ging hart in die Luft, sicher hätte er einen Feind zu Boden gefällt.


    Wieder hielt sie inne. Ihr Atem ging nun regelmäßiger, sie fühlte die vage Kühle der Nacht nicht einmal. Jetzt hätte sie am liebsten einen wirklichen Gegner gehabt, jemanden, auf den sie reagieren musste, der ihr mehr abverlangte als nur das einfache Vollführen von bekannten Bewegungen. Zudem hätte es ihr sicher gut getan, auch selbst wieder Schmerz zu fühlen. So irreal der Kampf mit dem vermeintlichen Einbrecher Maron auch gewesen war, er hatte ihr bewusst gemacht, dass sie es noch immer konnte. Reagieren, ohne nachzudenken, etwas, das den wahren Kämpfer ausmachte. Mit einem zufriedenen Lächeln auf den Lippen schritt sie auf eine Seite des Hofs, die vom Mond beschienen wurde, nahm Anlauf und schlug mehrere Räder hintereinander, mit einem kleinen Salto endend, den sie auf beiden Füßen beendete. Sie kam sauber zum Stehen und entließ den Atem gemächlich aus dem Mund. Sie konnte es noch ...

    Die Geräusche in der villa waren still und stiller geworden, die Römer schienen sich dem Schlaf zuzuwenden, und Sisenna, die zu beaufsichtigen Cadhlas eigentliche Hauptaufgabe war, wenn es im Garten und sonstwo nichts zu tun gab, schlief schon seit Stunden - zumindest sollte sie das, auch wenn Cadhla bisweilen bezweifelte, dass das lebhafte Mädchen in diesem Punkt alle Weisungen ihrer Verwandten befolgte. Sie mochte das Mädchen, nicht zuletzt, weil sie so lebhaft war und zumeist tat, wonach ihr war. In einer Umgebung, in der die meisten anderen Menschen beherrscht, wenn nicht gar argwöhnisch waren, war Sisenna mit ihrer erfrischenden Art eine angenehme Abwechslung.


    Doch in dieser Nacht war Cadhla nicht danach, über ihren persönlichen Alltag nachzudenken. Dafür waren ihre Tage mit zuvielen Dingen angefüllt, die sie zu erledigen hatte, und seitdem der ein oder andere der älteren Sklaven gemerkt hatte, dass sie recht kräftig war, trotz der weiblichen Gestalt, bekam sie regelmäßig schwerere Arbeiten zugeteilt. Aber sie beklagte sich nicht, denn körperlich zu arbeiten bedeutete auch, den Körper wenigstens einigermaßen zu bewegen. Und das fehlte ihr wirklich, Bewegung, die Möglichkeit, sich zu messen, sich kämpferisch einem gleichwertigen oder besseren Gegner zu stellen.


    So hatte sie auch im Stillen einen Entschluss gefasst, den sie niemandem mitteilen konnte - sie würde einfach alleine trainieren. Sie musste trainieren, denn schon war zu spüren, dass ihr die Bewegung fehlte, und wenn es etwas gab, worauf sie an diesem fremden Ort nicht verzichten konnte, nicht verzichten wollte, dann war es der letzte Halt, der ihr blieb. Dass ihr Körper kampfbereit war, mit diesem Gefühl verband sich eine gewisse Sicherheit, die ihr half, alle anderen Unsicherheiten zu durchstehen. Dass ihr die Sprache fehlte, sich mit anderen richtig zu verständigen, war an vielen Momenten schwer zu ertragen, aber solange sie sich wenigstens darauf verlassen konnte, dass ihr Körper funktionierte, ließ sich alles schaffen. Und dann war da noch etwas, was ihr immer wieder Gedanken einbrachte, die sie nur schwer verstand.


    Seit jenem Abend, an dem sie ihren Besitzer hatte in dem großen Bad waschen müssen, an dem er unmissverständlich gezeigt hatte, dass sie für ihn nicht nur als Körperwäscherin interessant war, sondern sein Körper auf sie reagiert hatte, ließ sie die Erinnerung daran nicht mehr los. Er war ein Römer, einer der selbsternannten Herren dieser Welt, und doch hatte er sie begehrt, die nicht einmal seine Sprache richtig sprach. Und sie selbst ... viel zu lange hatte sie gezögert. Hatte sich nicht abgewandt, sondern ihn weiter gewaschen, innerlich errötet bis unter sämtliche Haarwurzeln. Schon der Gedanke daran ließ ihr eine Gänsehaut zurückkehren, die sich unangenehm intensiv kribbelnd über den ganzen Körper zog und doch, sie dachte immer wieder daran. In der letzten Nacht hatte sie sogar einen ausgesprochen seltsamen Traum gehabt, der Bilder enthalten hatte, die sie früher nicht einmal zu denken gewagt hatte.


    War sie überhaupt noch eine Schildmaid, eine der heiligen Jungfrauen, die den Stamm mit Schild und Speer schützten? Verdiente sie es noch, sich so nennen zu können, wenn sie doch solche Sachen träumte, die nichts mehr mit Jungfräulichkeit zu tun hatten, sondern mit den Dingen, die sie beim Beltainefeuer nur aus der Ferne hatte beobachten können, verstohlen im Gebäusch kauernd? Cadhla seufzte leise aus und packte den langgeschittenen Holzstab, den sie sich als Ersatz für einen Speer aus einem der Gartenschuppen geklaut hatte. Überhaupt schien den Römern nicht unbedingt viel aufzufallen, ausser, etwas an ihrer persönlichen Bequemlichkeit fehlte. Den anderen Sklaven fiel viel schneller auf, wenn irgend etwas fehlte oder nicht so gemacht worden war, wie es sein sollte - aber die wenigsten waren bösartig genug, einen anderen in den Dreck zu stoßen. Hier hinten auf dem Hof würde sie jedenfalls so schnell keiner vermuten, und nachts schon gar nicht.


    Als sie sich aus dem Schlafquartier geschlichen hatte, waren die anderen Frauen still liegengeblieben, und so hatte sie es gewagt. Geschmeidig ging sie in die Grundhaltung der Abwehr, und begann, den Speer mit beiden Händen windmühlenflügelartig zu drehen - es war keine Kampftaktik, aber es schulte die Koordination und Stärke, mit dem Schwung gleichzeitig wie mit Schnelligkeit arbeiten zu müssen. Schon nach kurzer Zeit fühlte Cadhla, wie ihr Körper reagierte, die Muskeln sich streckten und dehnten, und gleichsam gegen das Training rebellierten, das sie zu lange vernachlässigt hatte. Die ersten Schritte waren immer die schwersten, das wusste sie, und so fuhr sie fort - zuerst Speerstiche ins Leere, dann ausholende, zweihändige Hiebe, als müsse sie den Gegner auf diese uneffiziente Weise niederstrecken. Jetzt ging ihr Atem auch schwerer, die Brust hob und senkte sich unter der Anstrengung, der sie sich aussetzte.


    Den Aushilfsspeer beiseite werfend, begann sie mit den Hieben und Tritten, die im waffenlosen Kampf helfen würden, den Gegner zu traktieren - auch wenn es ohne einen Mitkämpfer schwieriger war, weil sie nicht zielen musste, nur ins Leere kämpfen konnte, vollführte sie jeden Hieb doch mit Ernst und der Kraft, die sie dafür auch im Ernstfall einsetzen würde. Bald klebten die Strähnen auf ihrer feucht glänzenden Stirn, und die bloßen Arme und Beine glitzerten vom frischen Schweiß, den die Bewegung auf ihre Haut getrieben hatte - und jetzt endlich verstummten die Schmerzen in ihren Gliedern, funktionierte ihr Körper, wie sie es gewöhnt war, und endlich verstummten auch die Vorwürfe, die Sorgen, die Gedanken, und die Erinnerung an eine prickelnde Berührung, und einen wirren Traum, der nicht das Gesicht Corvinus gezeigt hatte, sondern das eines anderen ...

    Die einzige, die nicht keuchte, als die kleine Meute der Sklaven mitsamt der edlen kleinen Patrizierin bei der villa Claudia eintraf, war Cadhla, aber sie hätte sich wohl auch ziemlich geärgert, wäre dies der Fall gewesen. Dass Sisenna ausgehen wollte, erstaunte sie nicht, denn diesem Kind schien niemand wirkliche Vorschriften zu machen - Cadhla begleitete sie auch, damit ihr nichts auf den Straßen dieser riesigen Stadt geschah. Dass sie dabei allerdings von der Umgebung nicht allzu viel mitbekam, weil Sisenna das Lauf-und-Hinterherlauf-Spiel mehrere Male spielte, war ein Umstand, den die Keltin fast etwas bedauerte. Es gab so viele erstaunliche Dinge in dieser großen Stadt, sie hätte sie gern gesehen. Aber auch das Ziel Sisennas machte sie neugierig, und so blieb sie an der Seite der Sklavenmeute stehen, abwartend, dass Saba, die sehr viel besser Latein sprach als es Cadhla wohl jemals können würde, klopfte.
    Hätte sie selbst Sisenna ankündigen müssen, wäre es wohl eine Ansammlung peinlich gestotterter Worte geworden, und dass das bei einem schon von außen teuer wirkenden Haus nicht die beste Idee war, verstand sich von selbst. Also wartete sie wie die anderen und wie ihre kleine domina, ob sich im Inneren etwas regen würde.

    Als Cadhla zurückkehrte, trug sie vier Krüge Wein in den Armen, welche noch in der culina gelagert gewesen waren - erstaunlich eigentlich, dass so viele Sachen von den vermeintlich schwachen Sklaven zusammengehamstert worden waren, noch erstaunlicher, dass sie es bisher geschafft hatten, unentdeckt zu bleiben. Aber es passte zur Theorie der Keltin, dass die Römer sich vornehmlich mit sich selbst befassten, und alles, was am Rand ihrer Aufmerksamkeitsspanne geschah, zumeist ignorierten. Warum sollten sie sich auch mit dem beschäftigen, was einen Sklaven anging, solange alles so funktionierte, wie sich die Römer dies vorstellten? Im Grunde erlaubte diese vorherrschende Art, mit Sklaven umzugehen, eine sehr freie Wahl der Möglichkeiten.
    Inzwischen waren sie sogar noch mehr Leute geworden, und Cadhla erkannte eine Sklavin, die sie bisher nur gesehen hatte, eine Gelegenheit für ein Gespräch war nicht gewesen, da sie sehr unterschiedliche Aufgaben hatten - genauer gesagt war Cadhla selbst immer durch die villa gehetzt und hatte wenig Zeit gehabt, überhaupt mit jemandem viel zu sprechen.


    So stellte sie die Krüge zu den ganzen anderen Sachen ab und setzte sich wieder auf den Boden, in die Flammen blickend, als könnten diese ihr verraten, ob ihre Familie tot war oder nicht. Sie mussten wohl tot sein, so einen Kampf überlebte man nicht einfach so. Aber doch ... was, wenn sie jetzt versuchte, ihre Mutter, ihren Vater und die Geschwister zu rufen, wenn sie noch lebten, und die Geister des Todes aufmerksam auf sie wurden? Es war ein schmerzhafter Zwiespalt, und sie blickte in die Flammen, als könnten diese antworten, und nicht nur stets knackend und zischend mehr des Holzes verzehren, das dafür aufgeschichtet worden war. So hob sie den Blick und klopfte einladend neben sich auf den Boden, Tilla hatte schließlich noch keinen Platz. "Du können Dich sitzen hier zu mir," sagte sie freundlich und versuchte es mit einem Lächeln. Zumindest war sie nicht die einzige hier, die unsicher wirkte.

    Warum grinste er so? Dieses süffisante Lächeln machte den Augenblick für Cadhla nicht gerade leichter, denn es half ihr nicht im Geringsten, den Mann einzuschätzen, mit dem sie hier in angenehm warmem Wasser saß und dem sie den Arm wusch. Hätte man ihr vor einigen Monaten gesagt, dass sie einmal so etwas tun würde, sie hätte gelacht und dann den Lügner links liegen gelassen - und doch war sie nun hier, gehörte diesem Römer mit diesem spöttisch-amüsierten Lächeln und saß nackt in einem Baderaum, den sich niemand aus ihrem Stamm jemals hätte leisten können. Sie blieb wachsam, den Blick immer wieder kurz zu ihm hasten lassend, um dann wieder zu seinem Arm zurückzukehren, an dem sie noch immer, viel zu langsam, herumrieb, begleitet von einer guten Menge des duftenden Schaums. Natürlich versuchte sie, ihre Reaktionen so gut es ging im Griff zu behalten, aber ohne Zweifel war es eben nicht immer vollständig möglich. Die Stelle unter Wasser, wo sein Bein das ihre berührte, brannte eigenartig, prickelte so unaufhörlich, dass sie eigentlich ihr Bein wegbewegen wollte, aber sie konnte nicht. Es würde enden, das Prickeln, ausserdem würde er vielleicht wütend werden ...


    "Ich .. haben gesehen zwanzig Sommer," quälte sie die Worte hervor und blickte ihn dabei nicht an. Innerlich schalt sie sich selbst dafür, dass sie überhaupt noch hier war. Dass sie es zuließ, dass er sie einfach berührte. Dass es gleichzeitig so .. so ... es gab kein Wort dafür. Das alles war neu, und es war verwirrend, und sie wusste nicht, ob sie es gut finden sollte, oder schlecht. Denn immerhin war sie eine Schildmaid, eine Jungfrau, die ihre Jungfräulichkeit den Göttern geweiht hatte, um ihnen zu dienen, um zu sein, was sie war, um zu bleiben, was sie war. Er würde sie wollen. Alles verriet ihn, der Blick, der Tonus seiner Haut, gesehen hatte sie das schon bei Männern, wenn das Fest Beltaine bevorstand und man sich darauf freute, mit anderen zu feiern, vielleicht mehr als nur scheue Blicke zu tauschen. Aber für Cadhla hatte es dieses Fest nie bis zum Ende gegeben. Eine Schildmaid lag nicht bei den Feuern. Ihre Lippen teilten sich kaum merklich, einen zittrigen Atemzug entlassend, als seine Finger über ihre Schulter strichen. Die Berührung der Finger konnte sie so deutlich nachfühlen, wie eine helle Farbspur auf ihrer Haut, folgend der Kontur ihrer Schulter bis hin zum Schlüsselbein.


    Aber was meinte er damit? Sie musste ihm gehorchen, sonst würde sie bestraft werden, wie konnte er da nur wagen, davon zu sprechen, dass er sie zu nichts zwingen würde? Für einen Moment war der Funke des Zorns in ihren Augen überdeutlich zu sehen, aber sie sagte nichts, er würde es wohl ohnehin nicht verstehen, so vollständig vom Willen eines Fremden abhängig zu sein. "Ich ... " hob sie langsam an, um dann hilflos mit den Schultern zu zucken. "Als Schildmaid keinen Mann haben," fügte sie dann leiser werdend an. "Niemals mit Mann sein, weil sonst ... Zorn! Donner! von Göttern!" Mit einer hastigen Geste, die einen großen Schaumfleck über das Becken schleuderte, untermalte sie die Vorstellung. Dass sie dabei auch ungewollt den Blick für sich frei gemacht hatte, fiel ihr erst nach einigen Augenblicken auf - der Schaum vor seiner Körpermitte driftete jetzt in einiger Entfernung weiter und sie sah dort etwas, was ihre Augen groß werden ließ. Seit sie Aurelius Cotta nackt gesehen hatte, war ab und an ein Gedanke an diesen Anblick zurückgekehrt, aber das .. das war dann doch ... eigenartig. Und faszinierend. Vor allem hatte sie dieses spezielle Körperteil irgendwie kleiner in Erinnerung, und auch in anderem Winkel.


    Langsam würgte sie den dicken Kloß in ihrem Hals mit einer Schluckbewegung herunter und rieb weiter seinen Arm entlang, um an etwas anderes zu denken. Schätzungsweise war das nun der sauberste Arm in ganz Rom, aber nun war sie im Zwiespalt gefangen, dass sie einerseits neugierig war, andererseits aus dieser ganzen Sache, dem Berühren, nichts gutes erwachsen konnte. "Ich dich nicht wollen töten müssen für nehmen letztes Stück Heiligkeit," flüsterte sie leise und atmete abermals tief durch. Ablenken, irgendwie ablenken. Und warum konnte nicht jetzt einfach ein bisschen mehr Schaum wieder zurücktreiben und das da bedecken? War es überhaupt richtig, dass es so aussah? Immerhin hatte sie sich jetzt zu seiner Schulter vorgewaschen und musste jetzt mit dem zweiten, etwas unpraktischen Punkt dieser Tätigkeit klarkommen - um ihn dort richtig zu säubern, musste sie ihm näher kommen. Ihr Haar rutschte etwas nach vorn, und gnädigerweise wurde nun ihr Gesicht ein wenig von den roten Strähnen verdeckt. Einige Momente des Aufatmens.

    Wie immer, wenn sie mit vielen ihr doch eher fremden Menschen zusammen war, wurde Cadhla still und beschränkte sich darauf, zu beobachten und still teilzunehmen. Zudem war sie nun, als sie endlich ruhig sitzen konnte, müde, zumindest spürte sie die Anstrengung des Tages in ihren Gliedern stecken. So nahm sie sich ein Stück des Specks von Rutgers Brett und reichte ihrerseits einen schlichten Tonteller mit Kuchenstücken jenes saftigen, süßen Gemüsekuchens zu den anderen herum, den die italischen Frauen auf eine sehr köstliche Weise zuzubereiten wussten. Ob Maron wohl noch kommen würde? Sie hatte den Leibsklaven des Aurelius Cotta auch eingeladen, aber sie war sich nicht sicher, ob er sich ein Fest, das seiner Kultur nicht entsprach, überhaupt anschauen würde. Letztendlich hatte sie ihn aus einem Schuldgefühl heraus wegen der Prügelei eingeladen, um sich auf ihre Art zu entschuldigen. Aber wahrscheinlich würde er nicht kommen, da machte sie sich nichts vor.


    Dankbar war sie dafür, dass Bridhe Aintzane alles erklärte - sie selbst hätte wohl kaum die passenden Worte dafür gefunden, und so schreckte sie auch eher aus ihren Gedanken, aus der Beobachtung der anderen heraus, als Minna sie so plötzlich wegen des Weins ansprach. "Wir können eilig gehen in culina, um holen Wein," meinte sie dann und nickte, ein etwas zaghaftes Lächeln aufsetzend. An die möglichen Folgen einer Entdeckung ihres kleinen Festes dachte sie gar nicht, und es wahr wohl auch besser so, hätte es ihr die Feierstimmung doch ziemlich verdorben. "Wir gleich wieder da," sagte sie schnell in Richtung der anderen und erhob sich, um Minnas Wunsch zu erfüllen - wenn sie Wein opfern wollte, dann musste man wenigstens das gute Met nicht vergeuden. Aber als Fiona und Bridhe nach den Kerzen griffen, blieb sie unschlüssig stehen, immerhin wollte sie die anderen auch nicht unbedingt stören ... sie biss sich auf die Lippen.

    Also doch ein Auftrag - dann würden sie ohnehin warten müssen, ob es nun nötig war oder nicht. Sie zwinkerte Bridhe und Severus verschwörerisch zu, bedeutete ihnen, sie mögen sich nach der Erledigung ihrer Aufgabe einfach in der Küche einfinden, und machte dann in Richtung Fiona und Minna eine einladende Geste. "Kommt, es nicht weit sein und wenn ihr Hunger haben, dann ich können auch sagen, dass ihr etwas bekommen."
    So führte sie die beiden Besucherinnen durch die Korridore der aurelischen villa in Richtung culina, wo sie zu dritt darauf warteten, dass es dunkel genug werden würde, und auch, dass Bridhe und Severus zurückkehrten.

    Einen Vorteil hatte die dauernde Gartenarbeit gehabt, die Cadhla für die gens Aurelia bisher erfüllt hatte - während einiger vieler stunden voller Pflanzengießen, Beete ausmisten und ähnlicher anspruchsvoller Tätigkeiten war sie im weitläufigen Garten der villa Aurelia gut herumgekommen, und hatte den Platz entdeckt, an dem nun die Feier stattfinden würde - weit weg genug vom Anwesen selbst, dass spät in der Nacht nicht unbedingt Besuch zu erwarten war, und wenn, dann war es eher ein Sklave, der aufräumen musste oder andere Sachen zu tun hatte. Und Sklaven konnte man auf solch eine Feier einladen. Die Aurelier hatte sie bisher nicht als nachtwandernde Familie kennengelernt, und so hatte sie gute Hoffnung, unentdeckt zu bleiben.


    Von den letzten Festlichkeiten waren noch einige dauerhaft gebackene Süßigkeiten übrig geblieben, Kekse und etwas sehr klebriges, von dem sie den Namen nicht wusste, zudem hatte eine Sklavin aus der Küche heute extra für Cadhla (und das Versprechen für sie das Holz zu hacken die nächste Woche durch) einen Kuchen gebacken, den sie den Gästen anbieten wollte - nachdem sie die Besucher still durch die villa und in den hortus hinaus geführt hatte, war Cadhla endlich ein bisschen erleichtert. Zudem hatte ihr das Holzhacken ermöglicht, Restholz abzuzweigen, das für das Samhainfeuer gebraucht würde, was wollte man mehr? Diesen letzten, kleinen Rest Identität konnten die Römer ihnen nicht auch noch nehmen. Sie konnten ihnen die Freiheit nehmen, die Namen verdrehen, sie zwingen, ihre komplizierte Sprache zu lernen, aber im Herzen blieben sie das, als was sie geboren worden waren: Germanen, Kelten ...
    "Ich hoffen, Ort euch gefallen," sagte Cadhla und lächelte etwas, als sie sich im Schatten einer Hecke auf einen der bereitgestellten, niedrigen Schemel setzte.

    Pfichten, Pflichten und Pflichten - als hätten die Aurelier geahnt, dass an diesem Abend etwas besonderes für Cadhla und die anderen Sklaven anstand, hatte sie besonders viele Dinge zu erledigen gehabt. 'Trag dies dorthin', 'mach das' und 'räum das hier auf' waren die Anweisungen, die sie am Tag des Samhainfestes am meisten gehört hatte - und wenig Freude dabei empfunden, alles auszuführen, mussten doch noch so viele Dinge vorbereitet werden. Wahrscheinlich würden die anderen auch weit vor ihr frei sein, und so war es auch - als ihr ein anderer Sklave mitgeteilt hatte, dass Bridhe mit ihrem Begleiter schon eingetroffen war und auch Fiona ebenso anwesend, eilte sie sich sehr, ihren letzten Auftrag auszuführen und ins atrium zu gelangen. Besonders festlich war ihr noch nicht zumute, dafür hatte sie sich den ganzen Tag zu viel abhetzen müssen, aber sie versuchte, erfreut und fröhlich zu wirken. Sie mussten ja nicht wissen, dass sie ausgerechnet heute soviel Pech gehabt hatte.


    "Willkommen Bridhe, Fiona .. und äh ... " wie hieß der Große nochmal? "..Bridhes Freund!" Improvisation war alles, und sie versuchte, mit ihrem Lächeln über den fehlenden Namen hinweg zu täuschen. Dann senkte sie die Stimme gleich etwas, damit möglichst wenig der gesprochenen Worte zu den falschen Ohren dringen mochte. "Wir noch warten müssen, bis es dunkel sein, davor wären sehr auffällig, wenn wir in Garten verschwinden, am besten, ihr kommen alle kurz mit in culina," sprach ich eilig und blickte mich etwas fragend um. Dass Sklaven anderer Haushalte gleich ins atrium geführt wurden, war schon etwas seltsam, ausser sie hatten Aufgaben zu erfüllen.

    Als es langsam vom Opfer auf das Theaterstück zuging, gab es doch einiges an Zulauf zu Cadhlas kleinem Weinstand als zuvor - die Gäste versorgten sich mit Getränken für die bevorstehende Aufführung, bei der Cadhla auch nachvollziehen konnte, warum man sich Wein dafür mitnahm. Das Stück an sich hatte seltsame Kostüme hervorgerufen, gerade Leones blonde Perücke hatte die Sklavinnen kichern lassen, sah es doch zu seltsam aus, und sie selbst verstand die Hälfte der gesprochenen Worte nicht einmal. In sofern, ohne den Wortwitz der einzelnen Sätze verstehen zu können, war es eine recht langweilige Angelegenheit, und sie war heilfroh, keine wirklich wichtige Rolle zu spielen. Ihr Text war die reinste Quälerei zu lernen gewesen und sie war sich immernoch sicher, dass es ziemlich seltsam klang, aber was wollte man machen? Latein war einfach eine gräßliche Sprache. Und so klang sie auch eher haspelig denn wirklich angenehm, als sie den anderen Sklaven ihre Herkunft zu erklären versuchte:


    "Ich sein vom Stamm der Belgae, und kommen aus Gegend von Quelle der Sulis. Römer nennen Quellenort Aquae Sulis, aber es nicht wirklich guter Name ist für Ort, der gehört Sulis. Sie nicht verstehen, ihre Worte machen Ort schmutzig." Es war schwer zu erklären, warum sie so empüfand, aber einem alten, heiligen Ort einen römischen Stempel aufzupressen schändete das Andenken und den Respekt vor der Göttin, und das war etwas, was die Römer nie verstehen würden. Sie kamen und nahmen einfach, was sie wollten. Der Gedanke daran, Samhain zu feiern, ließ ihre Stimmung jedoch innerhalb kürzester Zeit wieder emporschnellen, und sie nickte eifrig dazu.


    "Ich denken, dass Ort hier in Garten ist, wo können feiern. Ihr nur müssen kommen, und dann wir feiern zusammen, wie sein muss, um Tote zufrieden machen und zu denken an sie."Es war sicher nicht erlaubt. Wahrscheinlich würde es wieder eine Menge Ärger bedeuten, aber andererseits ... was hatte sie noch zu verlieren? Ihre Familie war höchstwahrscheinlich tot und hier waren zwei Frauen, die Samhain kannten. Die wussten, wie man es richtig feierte. Es war das Risiko wert.
    "Wir sprechen später fertig, ich muss spielen in Stück," erklärte sie hastig, als Leone das Theater ankündigte, sie würde sich jetzt auch noch umziehen müssen. Einen Blick zu den anderen Sklaven werfend, lächelte sie schief und eilte davon.

    Langsam lockerte sie ihren Griff, ihn noch immer im Blick haltend, denn um zu wissen, ob er sich nun rächen würde, kannte sie ihn nicht gut genug. Nicht wenige Männer griffen aus der Unterlegenheit heraus noch einmal an, weil ihr Stolz verletzt war und hofften, sie unvorbereitet zu treffen, die ein oder andere leidvolle Erfahrung im Training hatte sie schnell eines Besseren belehrt und zur Vorsicht gemahnt. Er mochte ihr Herr sein, ihr Besitzer, aber vor allem war er ein Mann, ein Römer, den sie nicht einzuschätzen wusste und bei dem allergrößte Vorsicht geboten war. Bei aller Liebe zu ihrer Familie, zu sen Göttern, zu dem, was sie bis vor kurzem noch ausgemacht hatte, war sie nicht töricht genug, ihr Glück zu sehr auf die Probe zu stellen - die Erfahrung, was die Sklavenhändler mit Sklaven machten, die nicht weiter gehen konnten, war zu einschneidend gewesen und hatte ihre Vorsicht noch etwas weiter geprägt. Noch wollte sie nicht sterben, und bei den Römern starb man schnell. Kein anderes Volk hatte diese Gleichgültigkeit dem Leben anderer gegenüber so gezeigt wie die Römer, selbst verfeindete Stämme hatten den Toten ihres Dorfes immer Ehre erwiesen.


    Als sie sich relativ sicher war, dass von ihm kein weiterer Angriff zu erwarten war - dafür war seine gesamte Körperhaltung zu locker, sicher, er war nicht mehr so entspannt wie zuvor, aber doch entspannter als ein zum Kampf bereiter Mann - glitt sie etwas von ihm fort, immernoch auf der Hut, aber nun auch innerlich wieder etwas weniger angespannt. Dass ihm diese Überraschung nicht unbedingt vollständig gefallen haben musste, war klar, aber sie hatte eigentlich mit mehr Gegenwind gerechnet. Wieso blickte er sie so an, was wollte er denn jetzt? Dass sie weiter wusch? Aber nein ... seine Hand berührte ihre Haut, ließ sie ein weiteres Mal zusammenzucken, unwillkürlich, denn gleichzeitig war sie überrascht wie erschrocken. Er wollte doch nicht etwa?! Sie wollte ihn nicht töten, denn das musste sie, wenn er ihr nehmen würde, was ihr einziges, letztes Gut auf dieser Welt war, diese einzige, letzte Verbindung zu dem, was sie zuvor gewesen war, wie sie sich immernoch fühlte ... würde sie ihn töten, wäre das auch ihr Todesurteil, sie würde sich aus Rom herauskämpfen müssen, und sie konnte kein gutes Latein!


    Die aufkommende Panik in ihrem Blick mochte kaum übersehbar sein, auch nicht, dass sich ihr Körper anspannte. Noch wischte sie seine Hand nicht weg, denn vielleicht war es nur Neugierde, kein wirklicher Vorsatz, der ihn agieren ließ - noch würde sie nicht ihren letzten Besitz verteidigen, der ihr geblieben war. Noch nicht. Aber sie musste. Einen dicken Kloß herunterschluckend, nahm sie die Waschbewegungen wieder auf, seinen Unterarm entlang, mit so viel Seife wie möglich, um sich nur darauf zu konzentrieren, die Hand auf ihrem Körper irgendwie zu vergessen. Auch dieses vage Prickeln, das die Berührung auslöste, die so neu, so außergewöhnlich war, denn es hatten nie viele Männer gewagt, Hand an sie zu legen, und er tat es so beiläufig, als sei sie ein Haustier, eine Katze, die man eben streichelte, weil sie da war.
    Die Lippen aufeinander pressend, rieb sie das schaumige, duftende warme Wasser langsam weiter über seinen ausgestreckten Arm hinauf und hinunter, und hoffte einfach, es würde sich nicht zu einer Katastrophe auswachsen.

    Jetzt war der Zeitpunkt erreicht, an dem Cadhla nicht mehr allzu viel von dem verstand, was vor sich ging - irgendwie hatte die Geschwindigkeit der Dinge, die sich nacheinander abspielten, sie überholt und nun hechelte ihr Verstand den unübersehbaren Tatsachen mühsam hinterher. Zuerst diese Sache am Teich, dann diese Säuberungsaktion, und zu guter Letzt auch noch das vollkommene Chaos mit dem unfreiwilligen Einbrecher - dass sie ausgerechnet Maron zusammengeschlagen hatte, war ihr dann doch mehr als peinlich, war er doch einer derjenigen gewesen, die sie hier bisher mit am Besten behandelt hatten. Nungut, er hatte ihr auch bisweilen auf Hintern und Brüste gestarrt, aber das taten hier in Rom eigentlich alle Männer mehr oder weniger. Kein großes Wunder bei den kurzen Hemdchen, die sie hier tragen musste und die man anscheinend als angemessene Kleidung anerkannte.


    "Es ... es tun leid mir, Maron, ich glauben Du wollen einbrechen, und nicht sehen Gesicht," stammelte sie hervor und machte einige fahrige Gesten - in Zukunft würde sie zuerst versuchen herauszufinden, ob einer der Einbrecher ein bekanntes Gesicht hatte oder nicht, bevor sie ihn verprügelte, soviel war sicher, er sah auch ziemlich lädiert aus. Ihre Schulter schmerzte noch immer, und jetzt hielt sie diese mit einer Hand, andeutend, dass auch an ihr der Kampf nicht vollkommen spurlos vorübergegangen war. "Soll ich Dir helfen tragen?" Aber da sie nun wusste, dass Aurelius Cotta kein Mordstrumm an Mann war, sondern eher schlank gebaut - ein Wissen, das sie sich zu Beginn des Tages in dieser Genauigkeit auch nicht hätte träumen lassen - glaubte sie nicht wirklich, dass Maron dringender Hilfe bedurfte. Als er sie dann bat, sich um die zerrissenen Kleidungsstücke zu kümmern, nickte sie eilig - irgendwie beseitigen würde sie diese auf jeden Fall können, da war sie recht zuversichtlich. Seine Entschuldigung nahm sie mit einem Nicken an, nun war die Sache zumindest vorerst geklärt und sie war sich ziemlich sicher, dass er bedeutend länger unter den Folgen ihres Zusammenstoßes leiden würde als sie, was per se schon irgendwie ein Zufriedenheitsgefühl erwachsen ließ.


    Während Maron den ausgeknockten Cotta über der Schulter Richtung Villa trug, sammelte Cadhla eilends die Beweisstücke ein - den tödlichen Rechen, die zerrissene Kleidung, ihren Eimer, den sie nun nochmal für sich gebrauchte, um den Dreck aus der Kleidung und von der Haut wegzureiben, es musste ja niemand im Haus ahnen, dass sie sich mit Maron geprügelt hatte. Es war dunkel geworden in der Zwischenzeit, der Mond schien nun durch Wolken verdeckt, und sie musste sich mehr als einmal durch verschiedene Ecken tasten, bis sie endlich den richtigen Raum erreicht hatte - den Heizraum, der dafür sorgte, dass heißer Dampf und heißes Wasser für das Haus zur Verfügung standen. Dort mussten die Sklaven das Feuer am Laufen halten, zu jeder Zeit, denn das Wasser des Baderaums hatte stets angenehm warm zu sein - eine Verschwendung, wie Cadhla fand, aber nach ihrer Meinung fragte schließlich keiner. Und die Aurelier schienen reich genug zu sein, dass dies nicht ins Gewicht fiel.
    Dort, in den Kessel, in dem sonst Holz und sonstig brennbares Material landete, ließ sie die zerrissene Kleidung fallen und stocherte sorgsam mit dem Schürhaken Holzstücke darüber, damit es nicht gesehen wurde und schnell verbrennen konnte.


    Erst danach gönnte sie sich eine Ruhepause, wrang ihre Kleidung und das Haar aus, räumte den Rechen und den Eimer auf, bevor sie sich leise, in der Hoffnung, von niemandem gesehen zu werden, in Richtung ihrer Unterkunft schlich, um sich dort eine neue tunica zu besorgen. Wenig später lief sie eilig, als hätte ihr jemand aus dem Haus eine Aufgabe übertragen, in Richtung von Cottas Räumlichkeiten, um dort an der Tür anzuklopfen - Maron hatte ja gesagt, dass er dort wachen würde, und vielleicht brauchte er dann doch noch Hilfe.

    Rein nach germanischem "Recht" - wenn man es so nimmt - wäre Cupidus ebenso unstandesgemäß wie es vor römischem Recht betrachtet würde - Witwen waren germanisch gesehen wenn ich mich nicht ganz irre, besonders dem Andenken ihres verstorbenen Gemahls verpflichtet, und so eine Affäre wäre allerhöchstens als geheime Liebelei, von der am besten niemand was mitbekommt, denkbar, ohne eine Entehrung der Frau zur Folge zu haben.

    Was es alles an Dreck zwischen Fingern wegzuwischen gab! Natürlich nicht, aber Cadhla beschäftigte sich so intensiv mit den Fingern ihres dominus, als hätte er dort eine halbe Schutthalde mit sich herum geschleppt, die es jetzt abzutragen galt. Denn den Rest seines Körpers anzufassen, hatte sie noch ziemliche Hemmungen, nicht zuletzt, weil der letzte Mann, den sie berührt hatte, ihr Vater gewesen war, von den anderen Sklaven ungewollt im Transportkäfig einmal abgesehen - und das ganz sicher nicht im nackten Zustand. Es klang ein wenig spöttisch, als er sagte, er könnte beruhigt sein, und Cadhla kam nicht umhin, sich ein bisschen veralbert zu fühlen. Was glaubte er denn, was sie sagte? Es mochte vielleicht bei den Römern Sitte sein, mit Dingen anzugeben, die man nicht konnte, aber in ihrer Heimat stand man zu seinem Wort. Noch immer war sie sich nicht im Klaren darüber, ob sie dieses Volk jemals verstehen - oder mögen - würde. Bisher waren die Römer vor allem eines: Sehr kompliziert.


    Dass er nach ihrer Familie fragte, ließ sie kurz zusammenzucken. Warum tat er das? Konnte er sich nicht denken, dass sie nicht freiwillig hier war, und was dann mit den anderen geschehen sein musste? Liebte er es vielleicht sogar, in offenen Wunden zu bohren, um zu sehen, was sie tat? Ihre Miene wurde verschlossener, und sie sagte, so neutral wie möglich: "Ich denken, alle tot, als kämpfen gegen Römer. Ich hoffen, sie leben, aber nicht glauben, dass sein so." Er sollte ruhig wissen, dass andere seines Volkes ihre Familie ausgelöscht haben mussten, Hoffnung gab es bei solchen Überfällen nicht. Wenn die Römer kamen, kamen sie in Überzahl und kämpften entschlossen und hart. Wer so etwas überlebte, musste viel Glück haben - oder außergewöhnlich genug aussehen, um die Gier nach einem reichen Einkommen zu wecken. Ruhig rieb sie das schaumige Wasser über seine Unterarme, der kräftige Griff ihrer Finger kam jedenfalls nicht von ungefähr und sollte massierend wie entspannend wirken. Gedanken darüber, dass er womöglich noch die Schenkel und andere Teile seines Körpers gewaschen haben wollte, schob sie schnell beiseite und beschloss, sich erst dann damit zu befassen, wenn es wirklich dringend nötig war. Vielleicht kam sie ja darum herum.


    Wiede überraschte er sie, als er ihre Handgelenke packte und unter Wasser drückte, sie gleichsam herausforderte, ihm ihre Kampfkunst zu zeigen. Sollte sie ihn jetzt wirklich fachgerecht verprügeln? Nein, lieber nicht, am Ende war er noch wütend und verkaufte sie gleich weiter. Vorerst lebte es sich nicht allzu schlecht in diesem reichen Haus, und wer wusste schon, was ihr danach passieren würde. Aber eine Lektion musste sie ihm schon erteilen, sonst würde er sie niemals als das ernstnehmen, was sie war. Dass er dann auch noch spottete, gab den Ausschlag. Sie biss die Zähne aufeinander, spannte die Beinmuskeln unter Wasser an, was er schlecht sehen konnte, und schnellte mit einem Ruck empor, ihre Schulter hart gegen seine rammend. Den Moment ausnutzend, in dem der Schmerz durch seinen Körper zuckte, befreite sie mit einem Ruck das rechte Handgelenk, wand sich mit dem linken in seinem Arm, eine Drehung vollführend, die sie an seine Seite gleiten ließ, mit der freien rechten Hand packte sie sofort seinen Hals und hielt inne - sie hätte den Kampf weiterführen können, aber sie tat es nicht. Es war nur eine Demonstration, nicht der Weg, einen Mann zu demütigen - was sicherlich in der Zukunft wirkliche Probleme bedeutet hätte.
    "Du machen Fehler von jedem Mann: Nicht glauben, dass Frau können kämpfen," sagte Cadhla schlicht und ohne jede Hähme.

    Mit einem Lächeln auf den Lippen beobachtete sie den stattlichen Mann dabei, wie er seinen Wein trank. Auch seine Sprache verstand sie nicht wirklich, aber langsam hatte sich Cadhla an diesen allgegenwärtigen Zustand gewöhnt - denn dass er noch etwas anderes verwendet hatte als dieses grässliche Latein, hatte schon die Klangfarbe der Worte verraten. "Ich hoffen, er Dir schmeckt gut," sagte sie in ihrem gebrochenen Latein, das mehr als deutlich verriet, wie sehr sie noch immer mit der Sprache zu kämpfen hatte. Dass sich ihr Herr nun näherte und Rutger Severus offensichtlich für einen Sklaven hielt, obwohl er so teuer gekleidet war, erstaunte sie dann doch - hatte er vielleicht nicht den Fremden, sondern sie selbst gemeint? Doch da war er schon wieder fort, auf Kampfkurs mit den anderen Gästen, und sie konnte ihre unbeholfene Frage nicht formulieren.


    "Wir genug Sklaven," meinte sie auf Severus' Frage hin und hob dann unsicher die Schultern, die trainierten Muskeln spannten sich für einen Moment an und offenbarten, dass sie nicht ohne Grund bei den schweren Krügen stand. Als er dann nochmals Wein wollte, schenkte sie welchen ein - überrascht feststellend, dass auch er ein Sklave war. Wobei er wirklich nicht danach aussah. "Flavier auch wichtige, große Familie, oder nicht richtig?" Ganz sicher war sie sich nicht, diese römischen Namen klangen so gleich. Vorsichtig reichte sie Severus die beiden Becher und sah schon den nächsten Gast nahen.


    Auch Minna hätte Cadhla sicher nicht als Sklavin erkannt - die Anwesenden waren fast alle unglaublich teuer und gut gekleidet, da fiel es ihr einfach schwer, zu unterscheiden. allenfalls das blonde Haar hätte ihr eine Hilfe sein können, wäre es nicht in Rom mal wieder in Mode gewesen, dass sich reiche Frauen ihre Haare bleichen ließen - zu viele Unsicherheiten für eine einzige Sklavin. Also war sie zu allen höflich, und alle bekamen Wein, wenn sie welchen wollten. Schließlich trug keiner der Sklaven ein Schild mit einer solchen Aufschrift auf dem Kopf, und selbst wenn, sie hätte sie nicht lesen können.
    "Mit Wasser oder ohne?" vergewisserte sie sich, die seltsame Angewohnheit der Römer, in den Wein Wasser zu schütten, hatte sie in der villa zur Genüge kennenlernen müssen. Sie lächelte Minna freundlich an und stellte für sich selbst fest, dass sie viel besser aussah als einige der römischen Damen, die viel zu viel von diese komischen Zeug ins Gesicht schmierten, um jünger zu wirken. "Du wollen auch Wein haben für Dich?"


    Als das Opfer so langsam losging, näherte sich noch eine dritte Frau ihrer kleinen Weinausgabe, und diese Frau wirkte mit ihren Gesichtszügen und ihrer Haarfarbe so seltsam vertraut auf Cadhla, dass ihr unwillkürlich das Herz schneller schlug. Eindeutig, diese Frau war keine Keltin, und hätte Cadhla ihren amen gewusst - Fiona - hätte sie wohl vor Freude gelacht. Und die zumindest vertrauten Klänge, die sie aussprach, es tat so gut, so unendlich gut! Endlich war ihre kleine, einsame Insel aus kultureller Verwurzelung kein ewig einsames Eiland mehr, es schien noch ein paar andere treibende Inseln im römischen Schlamm zu geben, die noch nicht untergegangen waren. Doch sie bezähmte sich, mühte sie sich doch immernoch mit dem Latein, und so antwortete sie auch, mühsam, aber auch gehorsam.
    "Ich freuen mich zu treffen Frau aus Heimat," sagte Cadhla und schenkte den Weinbecher fast zu voll, bevor sie ihn Fiona überreichte. Sicher, es war nicht der Dialekt von zuhause, aber sie verstand zumindest, was sie sagte. "Du auch sein Sklavin von wichtiger Familie?"