Beiträge von Cadhla

    Letztendlich glichen sich Kämpfe gegen Männer zumindest bei den ersten paar Malen ziemlich - man unterschätzte sie, man schonte sie, und dadurch hatte sie so ziemlich alle Vorteile auf der Hand, die sie brauchte, um den Kampf zu gewinnen. Während Ursus noch die Augen zusammenkniff, sich dann aber recht schnell wieder fing und sie zurückstieß, nutzte sie die Gelegenheit und bewegte sich mit seiner Hand, ließ sich durch seine Kraft wegschieben, und blieb in einiger Entfernung einen Moment lang stehen - aber eben nur einen Moment lang.
    Mochte er Skrupel haben, wirklich mit ihr zu kämpfen, sie hatte diese Skrupel nicht, und ließ sich davon auch nicht hindern, ihm die gewünschte Lektion aufzuzeigen. Diesmal war sie es, die auf ihn zusprang, mit der bloßen Wucht versuchend, gegen seinen Körper zu prallen, gegen die Schulter, auf dass es einen weiteren Bereich geben würde, der ihm wehtat - auch wenn ein dumpfer Schmerz durch ihren Arm zuckte, sie wusste, was sie tat, und auch, dass sie den Schmerz abschütteln würde, wie sie es oft getan hatte ...

    Cadhla nickte und angelte sich ihre tunica von dem Platz, auf dem sie diese deponiert hatte. "Ich holen, wen finden," antwortete sie in ihrem üblichen gebrochenen Latein und zog sich dann, Schritt für Schritt, aus dem (bösen) Baderaum zurück, um sich bloß nicht noch weiter zu exponieren. Warum er jetzt nach Saba und Dina geschickt hatte? Wollte er etwa ... nein, so weit dachte sie nicht und würde sie nicht denken. Im Vorraum des balneums schlüpfte sie wieder in ihr Kleidungsstück und nahm dann das Badetuch mit, um es zur Wäsche zu bringen - aber gleich darauf machte sie sich auch auf die Suche nach der gewünschten Sklavin - sie fand Saba zuerst, und setzte sie davon in Kenntnis, dass der dominus sie im balneum sehen wollte, um dann selbst eilends in Richtung ihrer Schlafkammer zu gehen und sich dort unter der Decke zusammenzurollen. Wenigstens für diese Nacht ließen sie ihre Gedanken in Ruhe, ließen sie schlafen und die große Verwirrung vergessen, die dies alles hervorgerufen hatte. Es hatte sich einiges verändert, aber noch war Cadhla unfähig, es zu bennennen und zu verstehen.


    ~~ * FINIS * ~~

    Zuviel. Es war einfach zuviel für Cadhla. Die Eigendynamik des Festes war derart ins Wanken geraten, als Aurelius Ursus aufgetaucht war, dass sie sich nicht länger wie auf einer eigentlich friedlichen Feier fühlte - hätte sie geahnt, dass man die Tatsache, dass gern mal alles schief ging, was schief gehen konnte, einige Jahrtausende später einmal als Murphy's Law bezeichnen würde, hätte sie sicherlich ihrem derzeitigen Gefühl einen eindeutigen Namen geben können, aber da ihr diese Kenntnis leider fehlte, blieb es bei einer gewissen Grund-Hilflosigkeit.


    Tillas Sturz auf Ursus herunter war eine Sache, glücklicherweise schien sie sich nicht verletzt zu haben, Bridhes tiefe Ohnmacht, die Cadhla mehr Sorgen machte, als sie zugeben wollte, denn mit den Dingen der Geisterwelt kannte sie sich nicht aus, der möglicherweise noch immer wütende Aurelius Ursus, der sie mit dem Wissen um das Fest nun in der Hand haben würde, weil es ganz sicher Ärger geben würde, käme es ihrem Herrn zu Ohren - war das überhaupt noch ein Samhainfest? Dass die Toten zornig sein mussten, stand fest, sie fröstelte, und wäre am liebsten vor diesem Kuddelmuddel an Ereignissen geflüchtet, um allein mit 'ihren' Toten zu sein - Severus' kalkweißes Gesicht jagte ihr Schauer über den Rücken, ließ sie ahnen, dass er etwas gesehen hatte, über das er nicht sprechen wollte.


    "Du passen auf, dass sie gesund," flüsterte sie Severus leise zu, auf den und Bridhe sie eilends zugetreten war, als sie mitbekam, dass beide gehen wollten, er freien Willens, sie eher getragen-werdend. "Und nicht sein böse, dass ich bitten dominus zu feiern mit. Ich wollen nicht haben mehr Zorn in Haus hier als geben wird, wenn merken Fest." Eine stumme Bitte lag in ihre blick, bevor sie sich abwandte, und gleichzeitig fühlte sie sich jämmerlich und schwach, dass es überhaupt soweit gekommen war, musste an ihrer mangelnden Vorbereitung gelegen haben. Wie hatte er nur erfahren, dass sie feierten? Aber Überlegungen dessen waren müßig, es war schon geschehen. Nun ging sie auch zu Tilla und Minna herüber, welche das junge Mädchen in den Armen hielt, und ging bei den beiden in die Hocke.


    "Du fühlen wieder gut, Tilla?" fragte sie in ihrem lateinischen Kauderwelsch, dem nun der keltische Akzent deutlicher denn je anzuhören war. Der dominus konnte ja wieder stehen, und wenigstens diese Sorge war vorüber - hätte er sich ernstlich verletzt, wäre das sicherlich das Ende der Feier gewesen. Wenngleich nun ohnehin durch Bridhes und Severus' Aufbruch ein gewisser Punkt gesetzt war. "Wir alle wieder gehen an Feuer und feiern weiter wenig?" machte sie den unsicheren Vorschlag und sah Fiona, Aintzane und Minna hilfesuchend an.

    Dass er nichts mehr gesagt hatte, war letztendlich nichts als ein stummes Einverständnis dessen, dass er ihr Angebot annahm - und Cadhla hatte gelernt, die Körpersprache und den Blick eines potentiellen Gegners nicht zu unterschätzen. Ursus mochte trainiert sein, aber doch, er machte denselben Fehler wie viele - sein Körper verriet ihn. Das kurze Aufblitzen der Augen kurz vor dem Angriff, dann die angespannten Muskeln, die seinen Körper in Bewegung brachten - es war ein Schema, das immer gleich blieb, sich immer würde lesen lassen. Nicht zuletzt deswegen war der Gegner, den man ablenken konnte, dessen Aufmerksamkeit auf anderes gelenkt war, der wehrlosere Gegner.
    Dabei war sein Angriff nicht schlecht - er hatte sie kräftig gepackt, Kraft schien er zu haben, und sogleich versucht, sie zu Boden zu bringen - aber auch wenn es zuerst schmerzhaft abwärts ging, hatte sie sich mit einem Arm abgefangen, ihm die Seite zugewandt, und in der Drehung den Ellenbogen heftig vorgestoßen - in Richtung seines Brustbeins zu einer Stelle, welche die Gelehrten für gewöhnlich als Solarplexus bezeichneten. Cadhla wusste nicht, wie diese Stelle hieß, aber sie musste das auch nicht wissen, denn ihr eigenes Wissen war viel entschiedender: Kräftig geschlagen, am besten mit Knie oder Ellenbogen, konnte es einen Mann zusammenklappen lassen - und dann verging die Sekunde, die darüber entschied, ob es ihr gelungen war.

    "Es nicht hilfreich, wenn ich Dich nur verprügeln," meinte Cadhla mit der sachlichen Logik einer Frau, die selbst schon lange genug gekämpft hatte, um zu wissen, was die Fähigkeiten eines Kriegers stärkte. "Du mir wirst müssen zeigen, was Du können, und ich Dir dann sagen, wo Du noch üben." Auch wenn der Gedanke Cadhla sonst wohl nicht gekommen wäre - wenn es um den Kampf selbst ging, war ihr Geschlecht für sie kein Hindernis mehr. Auch nicht die Erinnerung an einen Abend in einem sehr warmen Wasserbecken. Geschmeidig glitt sie von ihm weg und nahm einen gewissen Abstand zu Ursus ein, noch immer das Lächeln auf den Lippen. "Du mich greifen an, und ich sehen, was Du können." Dann blickte sie ihn abwartend an, die Augen glitzernd.

    Immernoch war sich die Keltin nicht sicher, was sie vom Verhalten ihres dominus halten sollte. Letztendlich war sie sein Besitz, und auch wenn er ihr großzügigerweise gestattete, diese eine Entscheidung selbst zu treffen, konnte ihr doch niemand sagen, wann er auf eine andere Idee kommen und seine Worte widerrufen würde. Letztlich war sie von seinen Entscheidungen abhängig, egal, wieviel Freiheit ihr seine Worte jetzt zugestehen würden. Was würde er tun, würde sie sich gegen seine Bitte entscheiden? Würde er sie irgendwohin verkaufen? Seine Worte über die Römer, die keine Tyrannen waren, klangen wie bitterer Hohn. Hatte man nicht ihrem Stamm, ihrer Sippe, alles genommen, ohne zu fragen? Wenn das nicht Tyrannei war, was war es dann noch? Einen Moment lang blitzte die Wut in ihren Augen auf, aber sie senkte den Blick schnell wieder, denn sie wollte nicht, dass er es sah. Er sollte nicht ahnen, wie es ihr wirklich erging, und was sie dachte. Nicht, bevor sie sich nicht sicher war, was ihn anbelangte. Nicht, bevor sie nicht sicher war, was für einen Menschen sie in ihm vor sich hatte.


    "Ich denken nach darüber," sagte sie schließlich schlicht, und damit war die Sache einstweilen für sie erledigt. Es würde noch viele Gedanken brauchen, bis sie sich für etwas entschieden haben würde, die meisten Entscheidungen fielen ihr nicht leicht. Nicht aufgrund mangelnder Entschlossenheit, sondern weil sie so vieles lieber gründlich bedachte. Nur im Kampf, da kamen die Entscheidungen schnell, da entschied der Instinkt schneller als ihr Kopf. So führte sie ihr Werk fort, ihn zu waschen, so gründlich es geben ging, ohne ihm zu nahe zu kommen, schon allein wegen ihrem noch immer viel zu schnell schlagenden Herzen. Es war ihr unangenehm, dass sie auf ihn so reagierte, ohne es bewusst zu wollen, immerhin war er ein Römer, ein Feind, ihr Besitzer. Sie durfte so nicht an einen Mann denken, der aus seinem Volk stammte, gegen das sie erst jüngst noch Krieg geführt hatte. Aber doch, sein Duft, die Hitze seines Körpers in ihrer Nähe, es verwirrte sie, und neben der ausstehenden Antwort auf seine Bitte war dieses Wissen um ihre zwiegespaltene Aufmerksamkeit die reinste Qual. Als das Wasser kühler wurde und sie ihr Werk einigermaßen vollendet hatte - sein rechter Arm war nach wie vor sehr viel sauberer als sein restlicher Körper, aber im rechten Arm hätte man sich wohl auch spiegeln können - atmete sie leise innerlich auf, als er sich aus dem Bad bewegte.


    Cadhla gab sich Mühe, ihn nicht anzustarren, weder von hinten noch von der Seite, und erst, als er sie wieder ansprach und sich in sein Tuch gehüllt hatte, wagte sie es überhaupt, ihn anzublicken. "Mir gegeben Kleidung, ja," sagte sie eilig und glitt geschmeidig durch das Wasser zu der eingelassenen Treppe, um das Becken ebenso zu verlassen - natürlich in einer Haltung, bei der sie ihren Körper nicht so sehr würde zeigen müssen, ihm halb abgewandt, und noch schneller bückte sie sich nach dem Tuch, das wohl für sie bestimmt war, und hüllte sich ein. Langsam röteten sich ihre Wangen wieder, enthüllend, dass ihr das Ganze jetzt doch unangenehm war, das Wasser hatte wenigstens Schaum gehabt, um sie zu verbergen, hier waren es nur sehr dünne Tücher, die, wie sie fand, nicht wirklich viel verhüllten. "Du brauchen mich noch, dominus?" fragte sie in einem hastigen, fast etwas atemlosen Ton, den sein Blick ließ ihr auch jetzt noch nicht wirklich Ruhe.

    Cadhla legte den Kopf schief und unterzog Aurelius Ursus einer weiteren, eingehenden Musterung. Ihr Gesicht wirkte dabei ernst und aufmerksam, und man konnte sich in diesem Moment gut vorstellen, dass sie ihn sehr sorgsam abwägte und einzuschätzen versuchte. "Wenn Du nur haben ein Jahr, dann Du musst tun Bestes in ein Jahr, und Du wirst sein Kämpfer, der weiss was tun, um töten schnell. Für langen Kampf Du müssen lernen mehr, und länger, aber wenn Du hast Vorteil von schnell sein, dann Du können tun viel. Du werden haben Schmerz, und Du fluchen wirst über mich, wenn ich Dich lehren, aber Du wirst kämpfen schnell, wenn wir fertig. Und wenn dominus nicht sagt nein zu Vorschlag," erklärte Cadhla schließlich nach einigem Nachdenken. Leicht würde es nicht werden, und sicher würde es ihm auch nicht leicht fallen, gegen eine Frau zu kämpfen - aber seine Statur verriet, dass er sicher Talent haben musste und untrainiert war er auch nicht. Man konnte etwas daraus machen, wenn er nur den Willen dazu behalten würde.
    Und mit einem Mal glitt ein Lächeln auf ihre Lippen, welches das ernste Gesicht auf eine Weise zu erhellen wusste, als sei inmitten der Nacht eine kleine Sonne aufgegangen.
    "Bei Kampf nicht wichtig, zu kämpfen schön. Das nur sagen Männer wenn kämpfen. Wenn du töten Gegner, und überleben ohne Wunde, dann Du alles richtig hast gemacht."

    Eigentlich fand es Cadhla ganz lustig, aus der villa Aurelia auch einmal herausgekommen zu sein. Sie fand Rom an sich, als Stadt, als Produkt vieler einzelner Leben, geschmückt mit herausragenden Bauten, strotzend vor unterschiedlichen Eindrücken und Gerüchen, einen sehr spannenden Ort. Dass sie hier nur durch Zwang hergeraten war, war eine ganz andere Sache, und daran versuchte sie nicht dauernd zu denken. Sich aus dieser ganzen Angelegenheit herauszuwinden würde ohnehin schwer sein, und sie hatte recht wenig Aussicht darauf, dass sich daran in absehbarer Zeit etwas ändern würde. Also verlegte sie sich darauf, mit der neuen Umgebung irgendwie klar zu kommen, und dazu gehörte auch, sich das Leben der Römer aus vielen Blickwinkeln zu betrachten lernen.
    Nun in einem anderen, riesigen Haus zu sein, dessen Bewohner anscheinend genauso im Luxus schwelgten wie die Mitglieder der gens Aurelia, war für Cadhla nicht minder spannend wie die Tatsache, in der Einrichtung doch vorhandene Unterschiede zu erkennen. Hier wirkte die ordnende Hand einer Frau wohl schon etwas länger und deutlicher mit, zumindest schien es ihr so, und der zur Schau gestellte Luxus war an einigen Stellen ausgesprochen üppig, an anderen geradezu verschwindend gering. Dies war ein Haus der Gegensätze, soweit sie es gesehen hatte, und das fand sie interessant.


    Die Küche der Sklaven war recht sauber und aufgeräumt, und mit den anderen aurelischen Sklaven hatte sie hier zu warten, bis Sisennas Besuch vorüber gegangen war. Unfroh war sie auch darüber nicht, hätte sie wohl zu einem Gespräch unter Römerinnen ohnehin nicht viel beisteuern können. Und sie bekamen hier unten auch etwas zu essen, einen recht wohlschmeckenden Brei, den die Römer puls nannten, wieso auch immer. Zumindest schmeckte er gut, und mehr erwartete sie von Brei auch nicht. Allerdings rächte sich nach recht kurzer Zeit, dass sie an diesem Morgen viel Wasser getrunken hatte - nach einigen Stunden körperlicher Arbeit im Garten war sie durstig gewesen und nun meldete sich ein dringendes körperliches Bedürfnis. Eine der Sklavinnen aus dem claudischen Haushalt erklärte ihr mit gebrochenem Latein und Gesten, wohin sie gehen sollte, um sich zu erleichtern, denn begleiten konnte sie gerade niemand, für den Nachmittag und Abend wurden bereits Speisen vorbereitet und es herrschte eine gute Betriebsamkeit in der Küche selbst. Also machte sich Cadhla selbst auf den Weg und hatte auch nach einigem Suchen (und einem dreimaligen falschen Abbiegen) den richtigen Ort gefunden, um ihr Bedürfnis wieder loszuwerden - nie wieder würde sie so viel Wasser trinken, bevor sie nicht sicher wusste, dass sie am Mittag nicht wieder ausgehen müsste!


    Allerdings eröffnete sich nun ein weiteres Problem. Ein fremder Haushalt war immer verwirrend, und auch wenn die villen von Roms Oberschicht einen ähnlichen Grundriß besaßen, sie waren sich nicht vollkommen in allem gleich. Cadhla hatte sich den Rückweg nicht gut genug gemerkt und war so gelaufen, wie sie in der aurelischen villa gelaufen wäre, um wieder die Küche zu finden - und hatte sich prompt verirrt. Jetzt stand sie auf einem Korridor, den sie nicht kannte, in einem Haus, in dem sie fremd war, und die Türen sahen deutlich edler aus als jene im Bereich der Sklaven - schätzungsweise hatte sie sich hier in den Bereich der Herren verirrt, und gerade, als sie umdrehen und wieder zurückgehen wollte, bevor sie noch jemandem begegnete, hörte sie Schritte und blieb wie erstarrt stehen, in den Korridor blickend, in dem sich jemand näherte - das Gesicht kannte sie, einmal hatte sie es schon an einem Festabend gesehen, und einmal im Traum. Ausgerechnet hier ... und ausgerechnet jetzt ...sie schluckte, blickte sich eilig um und überschlug die Möglichkeiten, die sie noch hatte, um sich davon zu stehlen, aber es waren schnelle Schritte, die auf sie zugekommen waren, und ihre Zeit war abgelaufen. Jetzt half es nur noch, sich der Lage zu stellen ... irgendwie ...


    Sim-Off:

    Reserviert :]

    Ein Krieger zeigt keine Angst. Dies war die erste Lektion, die Cadhla hatte bitter und lange lernen müssen, und es war die Lektion, die sie von allen am tiefsten verinnerlicht hatte. Ein Krieger war das Rückgrat einer Sippe, der starke Schild, der die Schwachen schützte, der lange Speer, der den Feind fernhielt, und zu den Kriegern blickten die Kinder auf, die Mütter waren stolz auf sie, und die Frauen umsorgten sie, damit ihre Stärke der Sippe zum Vorteil gereichte. Auch Cadhla hatte so gelebt, als Kriegerin, und sie hatte sich immer auf ihr Können als Kämpferin verlassen. Der eisige Windzug allerdings erschütterte sie bis ins Mark. Konnte es wirklich sein, dass die Totengeister zu ihnen gekommen waren, rachsüchtig und voller Wut über die Störung? Samhain sollte doch die Welt der Lebenden mit der der Toten versöhnen, und anscheinend war es gründlich schief gegangen, was sie eigentlich erhofft hatten. Stattdessen drehte Bridhe durch, Aurelius Ursus mimte den wütenden Römer, Severus war in seinem Hass auf die Römer kaum wirklich zu bändigen, die anderen Sklaven waren dabei sich zu betrinken, und jetzt zürnten ihnen auch noch die Toten. Es gab wirklich glücklichere Momente in Cadhlas Leben, sehr viele glücklichere sogar.


    Und doch: Sie hatte Angst. Sie durfte sie nur nicht zeigen. Wenigstens lenkte Bridhe den wütenden Severus ab, sodass er sich um sie kümmerte, und sie war nicht undankbar darüber. Im Kampf gegen ihn hätte sie wahrscheinlich nicht gewonnen, und sie wollte ihn auch nicht mit Gewalt an etwas hindern müssen, das sie nur zu gut verstehen konnte - auch sie war mit den Römern nicht im Reinen. Tillas ängstlichen Blick konnte sie nur unsicher erwiedern, und prompt riss sich das Mädchen auch noch los. Sie musste sich entscheiden - Problembeseitigung bei Aurelius Ursus, oder Tilla nacheilen und sie von irgendeiner Dummheit abhalten? Und wieder war das Glück mit ihr - Minna kümmerte sich um sie, zumindest schien an dieser Front erst einmal Hilfe vorhanden zu sein, was sie sehr beruhigte. Minna war ihr bisher als sehr ruhig und überlegt erschienen, vielleicht würde es ihr gelingen, Tilla zu beruhigen.
    "Dominus, bitte. Setzen zu uns, Du sehen, dass Tote zürnen schon genug. Sie nicht sollen mehr zürnen, weil Du gehen und nicht wollen feiern." Grüne Augen richteten mit aller Kraft den Blick auf den unwilligen Aurelier, und vielleicht lag auch ein Hauch von langsam aufkeimender Verzweiflung über dieses verkorkste Fest darin, zumindest, wenn man genug Phantasie besaß.

    Anscheinend verstand er sich doch besser mit Corvinus, als sie gedacht hatte - sie hätte wissen müssen, dass der Großteil der Unterhaltungen in der Sklavenküche nichts als gelangweiltes Getratsche ohne viel Sinn dahinter war. Aber es war auch gut, das zu wissen, denn sie wäre ungern der Grund für einen Streit zwischen den beiden Männern gewesen, kein Sklave wollte zuviel Aufmerksamkeit auf sich lenken, und Cadhla schon gar nicht. Solange sie diese seltsamen Römer nicht wirklich verstand, konnte sie auch nicht wirklich damit rechnen, was als nächstes passieren würde - und deswegen war sie vorsichtig.
    "Ich kämpfen mit Speer, Schild, und Schwert - und ohne Waffen, wenn keine mehr da. Und Dolch, und ... eigentlich Du können kämpfen mit alles, wenn nur wollen," sagte sie nach einigem Überlegen und gestattete sich ein kleines Grinsen. "Kampf nicht ist allein üben und üben und nur üben, Du müssen auch sein offen für Verwendung von Dingen, die nicht benutzt jeder. Nur wer überrascht Gegner, der gewinnt." Ob es ein interessanter Kampf mit ihm sein würde? Wenigstens hatte sich ihre Befangenheit ihm gegenüber gelegt, wie sie es immer tat, wenn sie über das sprechen konnte, von dem sie etwas verstand - der Kampf war ihre bisher einzige Leidenschaft und würde es wohl bleiben. "Womit Du können kämpfen, dominus?"

    Die Keltin war heilfroh, dass sie nicht angesprochen worden war - und so zog sie mitsamt der kleinen Schar, die hinter der kleinen domina hertrippelte, in die herrschaftliche villa der Claudier ein und dort auch einem der Sklaven nach, denn die aurelischen Sklaven wurden während Sisennas Aufenthalt kurzerhand in der Sklavenküche geparkt, wie es üblich war ...

    "Auch wenn alle machen Sache, es nicht bedeuten, dass gut sein. Wenn alle springen von Brücke, Du springen mit hinunter?" Leicht hochgezogen hatte sie ihre geschwungenen, dünnen Brauen dabei, was unfreiwillig komisch wirkte, als wollte sie den kritischen Blick einer Eule imitieren und sei daran ziemlich gescheitert. Es war einer der liebsten Sprüche ihrer Mutter gewesen, und sie fand ihn absolu passend - gerade für einen Römer, der so tat, als funktioniere die Welt nach einem bestimmten, vorherbestimmten Muster, das er ganz allein durchblickte. Sein Vorschlag allerdings stimmte sie weitaus milder. Wenn ihr die dröge Gartenarbeit erspart bliebe, hätte sie wohl den ganzen Haushalt trainiert.
    "Ich lieber kämpfen lehren als putzen Boden und schleppen große Krüge ganzen Tag, aber ..." Da tauchte sie auch prompt auf, die kleine schwarze Wolke am Horizont. "... aber Du müssen fragen dominus vorher, ob er erlauben, dass ich kämpfen mit Dir. Wenn er nicht wollen, ich nicht tun. Du sicher verstehen, dass ich nicht tun können, wenn nicht dürfen. Es so vieles verboten ist." Die Kröte, die er zu schlucken haben würde, saß verbal gesehen direkt vor ihm und quakte herausfordernd.

    Was glaubte er eigentlich? Dass sein guter Glaube an seine Mitmenschen die Sklaven vor Willkür durch ihre Herren schützen würde? Aber wahrscheinlich ließen sich diese irrigen Gedanken nicht mehr aus seinem Kopf bannen, und so sagte Cadhla nichts dazu, sie glaubte ihm ohnehin nicht. Vielleicht würde er die Sklaven nicht strafen, aber bei anderen Aureliern war sie sich nicht so wirklich sicher. Diese Aurelia Prisca hatte sich sehr schnell auf den Gedanken versteift, Sklaven für etwas leiden zu lassen, das sie nicht getan hatten, und sie hatte nicht gefragt, ob sie es gewesen waren oder nicht. Sicher war man als Sklave nie. Und das war es, was Aurelius Ursus wohl nicht verstehen würde, ausser, er würde jemals ebenfalls zum Sklaven werden.


    "Ich vielleicht nicht wissen viel über Römer, aber ich wissen, dass ihr gekommen, auch wenn wir nie gemacht haben Krieg mit euch. Dass ihr genommen Dorfland und Leben von Familie und Freunden. Dass ihr zwingen Menschen zu sein Sklave, die wollen sein frei und leben, wie selbst gedacht. Ich gern würden leben wie bisher, aber ich nicht können, weil ich sein Sklave. Ihr mich nicht fragen, ob ich wollen leben, wie lebe, ihr nur nehmen Freiheit und sagen: Du gehören nun Aurelius Corvinus, und tun, was er sagt. Wir euch nicht erobern, weil wir nicht wollen nehmen mehr, als brauchen für Sippe selbst." Seine Argumente überzeugten sie nicht wirklich, und das konnte man ihr auch ansehen, sie blickte ihn ziemlich zweifelnd an. "Es sein einfach. Du schauen Deine Hände, dominus." Cadhla hob beide Handflächen an und zeigte ihm die tiefen Schwielen beider Hände, die wohl vom jahrelangen Gebrauch der Waffen stammten. "Ich geübt Kampf seit gewesen Mädchen, ich schlafen mit Speer neben Bett. Du haben weiches Hände, und Dein Körper nicht ist so stark wie meiner, weil Du viel weniger üben. Um sein Krieger, Du müssen üben, und haben Willen zu töten, wenn müssen. Wieviele Männer Du getötet hast in Leben? Ich viele, ich nicht zählen."


    Sie verschränkte die Arme vor der Brust, ihn weiter betrachtend. Letztendlich brachte er ihre Überlegungen der letzten Tage ziemlich genau auf den Punkt. Sie war keine Schildmaid mehr, und ein zurück würde es nicht geben, so sehr sie sich auch an all das klammerte, was gewesen war. Aber was war sie nun? "Ich kein Ziel mehr, denn Römer alles genommen, was gewesen, und was sein wollte. Nun nur noch Sklavin, die räumt auf nach Sisenna, und gießt Blumen und tut die schweren Dinge in villa. Aber ich denken, dass sein mehr als das. Ich noch immer Kämpferin, und noch immer fühlen Kraft und Stärke in mir."

    Die einstmals friedliche Feier begann, zu etwas zu werden, das sich Cadhla nicht in ihren kühnsten - und schrecklichsten - Träumen ausgemalt hätte. Bridhe, die wie eine Verrückte tanzte, Tilla, anschenend betrunken vom Met, Severus, bereit, den Römer zu töten, und sie mittendrin, die einzige, die hier die Verantwortung würde tragen müssen für das missglückte Fest, wenn Aurelius Ursus nicht irgendwie auf ihre Seite zu ziehen war. Im Grunde war es wie eine Schlacht, nur ohne Waffen, ohne spritzendes Blut, dennoch ging es genauso um ihre Existenz, um ihre Zukunft, wie in einem Kampf gegen Feinde. Und dieser Feind hatte sie alle in der Hand.
    "Bridhe, Du kommen sofort zu mir!" sagte Cadhla scharf und versuchte, die anscheinend von einem Traumbild geleitete Irin von Ursus wegzuziehen.
    "Du träumen, das nicht Dein léannan, das dominus aus villa ist!"


    Tilla hatte sie dabei in den Arm genommen und hielt sie, damit das Mädchen nicht umkippen würde - wer auch immer ihr so viel Met gegeben hatte, mit dem würde sie später sicher noch ein ernstes Wort sprechen müssen, falls es ein später gab. Severus galt ein beschwörender Blick. Keine Gewalt, bitte jetzt keine Gewalt - sie hoffte inständig, er würde sich zurückhalten, sie selbst hatte sehr bewusst ihre Haltung gewählt, keine Kampfhaltung, kein Angriff würde von ihr drohen, und als er sie mit der Geste fragte, ob er handeln sollte, schüttelte sie unmerklich den Kopf. Nicht. Noch nicht. Noch gab es vielleicht die Hoffnung, es ohne Blut zu lösen, das Fest nicht zu entweihen und zu beflecken, das so friedlich begonnen hatte.
    "Dominus, wir verloren haben alles in Heimat durch Hand von Römern, wir nicht geglaubt, wir dürften feiern so wichtiges Fest. Wer nicht ehrt die Toten, der verdammt ist, und wird leben schlechtes Jahr, es muss feiern werden, es wichtig ist für uns. Und es für jeden gedacht, der wollen denken an Tote, die wichtig waren. Du können feiern mit uns, wenn Du wünschen."

    "Es keiner gewesen von uns schreiben so viele gut klingende Worte," stellte Cadhla klar, und sie sah ernst aus bei dieser Aussage. Wahrscheinlich würde er ihr ohnehin nicht glauben, und die ausgesetzte Strafe war nur eine aufgeschobene, in keinem Fall aber eine aufgehobene Strafe. "Viele von uns sehen Gäste erstes Mal, und ich haben gehört, dass viele Worte gewesen Witz über Gäste auch, nicht nur über Familie. Es müssen gewesen Schreiber sein mit Wissen über alle." Sie hatte sich natürlich Gedanken über dieses Stück gemacht, spätestens ab der angedrohten Strafe durch Aurelia Prisca, und vieles war über den ominösen Schriftsteller gemutmaßt worden, denn niemand wollte für etwas bestraft werden, was er nicht getan hatte. Dann legte sie den Kopf schief und meinte nachdenklich: "Bis jetzt noch niemand bestraft für Stück, ja. Aber man nie wissen, ob nicht doch passieren, Strafe erhalten für Dinge, die man nicht getan hat. Und das ist schlimmes Ding an sein Sklave. Du hilflos, und Du Dich nicht wehren dürfen, weil dann noch schlimmere Strafe. Und wer glauben Sklave, wenn Römer sagen, dass gewesen Sklave?" Im Grunde erwartete sie nicht, dass er verstand, wie es war, mit diesem Gedanken leben zu müssen, denn es war ihm sicherlich noch nie geschehen.


    Seine Darstellung der Realität fand aber ebensowenig ihre Zustimmung. Während sie sich die Haarsträhne aus der Stirn strich, atmete sie leise ein, denn die Logik seiner Worte konnte sie kaum aushebeln, wenn sie ihren Gefühlen folge, die nur danach schrien, ihm für diese maßlose Verkennung der Realität mindestens einen Hieb zu verpassen.
    "Wir gelebt als einfaches Volk mit Natur und Welt, die um Dorf war, und wir gewesen glücklich mit Leben. Wir graben Loch für Abfall, und baden heiß in Quelle, die gegeben von Sulis für Menschen. Ihr großes Volk seid, weil gekommen über alle anderen mit Waffen und Gewalt, ihr nicht fragen, ob andere wollen leben wie ihr. Ihr kommen und nehmen, nicht respektieren was Wille anderer. Würden Du wollen leben, wie sagen Dein Vater, genau so, wie er sagen Du müssen? Du immer suchen eigenes Weg. Ich dich können töten, sehr einfach, denn ich leben seit vielen Sonnenumläufen mit Waffe in Hand, und ich stark bin. Ich hier Römer, weil ich stark bin, und stärker als Du. Es niemand wissen würde, warum Du tot. Wäre ich wirklich Römer, ich Dich können zwingen zu tun mein Wille, aber ich nicht tun. Ich nicht kämpfen um zu zwingen andere mein Wollen, ich verteidigen."

    "Bei uns es nicht gab nicht freie Menschen," stellte Cadhla ruhig klar. "Es geben Feinde, es geben Freunde, und es geben gefangene Feinde, die behandelt werden mit Ehre, nicht mit Peitsche und Ketten. Sie nie aufhören, frei sein, denn sie nicht tragen Zeichen von Herr oder Band um Hals, sie nur sind gefangen - sie zurückkehren zu ihre Sippe, wenn verhandelt ist. Jeder gleich in meiner Sippe, und jeder tun, was können, um machen Stamm stark und kräftig. Es nicht ist, dass einige arbeiten, und andere nicht, wie hier ist in Rom. So viele nicht arbeiten, nur reden, und Kleidung kaufen, und sonst nichts tun. Ich nicht verstehen kann, wie Volk wird stark, wenn so viele tun nichts," gab Cadhla ihre Überlegungen zu den generellen kulturellen Unterschieden zum Besten.


    "Manche in Haus hier mich behandeln wie Ding. Du erinnern Ding mit spielen andere Menschen, mit verrückte Kleidung und Leone mit hellem Haar tragen? Wir nicht geschrieben Stück, wir nur gelernt haben zu sprechen richtige Worte - und dann domina Prisca sagen, wir schuld und wir müssen werden bestraft. Das ist nicht ehrenhaft, lügen, um selbst nicht erfahren Strafe. Es nur sein Sklaven, sie keinen Schmerz empfinden - so sie wohl denken."


    Eine ihrer Augenbrauen hatte sich kritisch erhoben, und man mochte sich durchaus vorstellen, dass sie genau so auch mit einem gleichrangigen Menschen ihres Stammes diskutiert hätte, von den sprachlichen Problemen einmal abgesehen. "Ich zuhause auch habe gegessen und gelebt gut, warum kommen Römer und mich zwingen kommen hierher? Warum töten meine Familie, nehmen Land von Dorf für sich? Ich immer genug gehabt um zu leben, und gearbeitet, um zu leben. Hier arbeiten, um behandelt zu werden wie Vieh mit Kleidung, und keine freie Entscheidung mehr, wohin gehen und was tun. Es geben hier vielleicht viele arme Menschen, aber das doch Schuld von Römer selbst, und nicht Grund, uns zwingen zu sein Sklave."


    Dann, als er wieder auf das Thema Freilassung zu sprechen kam, seufzte sie leise und wandte den Blick ab. "Ich dann vielleicht vor Gesetz für euch frei, aber doch .." Eine Hand legte sie auf ihr Herz. "Doch immer wissen, dass gewesen Sklave, und gehören andere Mensch als mir allein. Und wissen, dass leben in Schande, weil nicht gestorben in Schlacht. Was bin ich, wenn nicht Schildmaid? Würden Du wollen sein Sklave? Sein im Geist Besitz von anderem? Ich glaube, niemand das wollen."

    "Ich nicht wollen tun nochmal," sagte Cadhla mit der entwaffnenden Offenheit, zu der sie oft durch ihre mangelnde Sprachkenntnis gezwungen war. Und es war auch so kalt gewesen, dass sie nicht gerne an den großen Berg denken mochte. Im Grunde war sie einfach froh, dass sie es überlebt hatte - andererseits, wäre sie ehrenhaft im Kampf gefallen, dann wäre sie jetzt nicht hier. Dann wäre sie keine Sklavin und müsste nicht zwischen Mauern leben, deren Höhe und Länge sie nicht abschätzen konnte. Dann wäre sie nicht gefangen ... ein Schatten flog über ihr Antlitz, und das Schmunzeln von eben verschwand wieder. Eine ihrer roten Strähnen glitt ihr ins Gesicht zurück und ließ den Eindruck stärker werden, dass sich ihre Miene verschlossen hatte.
    "Ich nicht gekämpft habe bis zum Tod, das Schande genug. Eine Schildmaid darf nicht gefangen sein. Du vielleicht nicht tun, aber viele Sklavenfrauen verlieren Ehre durch Hand von Römer, weil tun müssen, was nicht wollen. Ich nicht wollen sein gezwungen zu tun, was nicht will und darf, aber ..."


    Sie hob kurz die Schultern und verdrängte den Gedanken an das Bad mit Corvinus ganz schnell wieder. "... als Sklave man keine Wahl. Man nicht ist frei, man nur ist Sache, nicht Mensch. Es vielleicht für Römer schwer zu verstehen, aber in Möbelstück Sklave steckt Herz, und stecken Gedanken, und es sehr verletzen, wenn behandelt werden wie Sache, oder Haustier, oder ... Ding, das man kann benutzen für Spaß und dann wegwerfen. Ich niemals wieder frei sein, denn Cadhla, die ich sein gewesen, ist tot. Was jetzt ist, ist nur .. Ding. Du doch nicht glauben, dass man wieder ist Mensch, wenn Römer sagen, ich sein frei? Das absurd ist. Und leichter Weg ist, um nicht müssen nachdenken."

    Er schmunzelte ebenso - vielleicht war dies ein gutes Zeichen und er gehörte zu denen unter den Römern, mit denen man es aushalten konnte. Wie zum Beispiel mit Cedric, den sie wirklich nett fand. Ein bisschen konfus, aber nett. Immernoch besser als präzise und boshaft ... solche Römer gab es auch, sie hatte einige Schreckensgeschichten davon gehört, wie manche Römer mit ihren Sklaven umgingen. Glücklicherweise schienen die Aurelier nicht zu dieser Sorte Menschen zu gehören - hoffte sie. "Es langer Weg war, und ich manchmal gedacht, er nicht enden, so viel laufen und so kalt es war auf großem Berg." Ob er es sich überhaupt vorstellen konnte, was es bedeutete, eine solche Strecke zu Fuß zurückzulegen, gebunden, in Eisen, voller Unsicherheit darüber, wie die Welt sich danach drehen würde? Garantiert nicht.
    "Das ist richtig. Ich bin Schildmaid, aber wenn nehmen Heiligkeit und Unberührtheit, ich nicht mehr sein. Eigentlich jetzt schon nicht mehr, weil ich nicht gestorben im Kampf für Sippe und Stamm. Es Schande, zu leben, zu sein gefangen."

    "Schildmaid ist Jungfrau, die kämpft wie Mann, nur gebunden ist an Gott. Wir stark durch sein Bräute von Taranis, der Donner bringt - und kämpfen mit ganzer Kraft, die er uns geben. Kommen wie Donner über Feinde und schlagen mit Kraft nieder, wer angreift Stamm und Sippe. Meistens kämpfen gegen Römer," erklärte Cadhla und ein kurzes Schmunzeln konnte sie nicht verhehlen. Was dachte er denn, dass sie sich in Zeiten der Not gegenseitig die Köpfe einschlugen, wenn es doch einen mächtigen, gemeinsamen Feind gab?
    "Ich kommen von Britannia, Du kennen Aquae Sulis? Ihr Römer nennen heiligen Ort von Sulis so, wo Quellen sind, und dort in der Nähe meine Sippe wohnt. Von dort ich wurden gebracht über Berg mit viel Schnee und Eis hier nach Rom." Dass die Alpen Alpen hießen, wusste sie ja nicht, und selbst wenn sie es gewusst hätte, es wäre ihr wohl auch nicht mehr eingefallen - zu viele fremde Worte, und die Schwieirigkeit, sich in einer Sprache zu verständigen, die nicht ihre war.

    Wieder berührten sich die Köper der beiden Menschen, als er ihr näher kam, und diesmal atmete Cadhla nicht mehr sichtbar, sondern sehr gedämpft aus, wollte sie doch nicht, dass er mitbekam, dass ihr Atem schneller geworden war, nicht vor Angst, sondern vor ... was auch immer es war, das ihr Blut schneller pulsieren ließ, das Herz schneller schlagen. Ob er wusste, was er bei ihr verursachte? Ob er dies alles bewusst tat, um sie zu verunsichern, weil er nun wusste, dass sie mit alledem keine Erfahrung hatte? Beobachtet hatte sie schon, aber eben nie wirklich selbst etwas getan, das sie nicht hätte tun dürfen. Und beobachten würde sie weiterhin müssen ... oder nicht? War sie denn überhaupt noch eine Schildmaid, sie war im Kampf nicht gefallen, wie es eigentlich hätte sein müssen, und nun war sie Sklavin der verhassten Römer, ließ sich von ihnen sogar anfassen, ohne die Hand abzuschlagen, die sie berührte. Durfte sie sich so überhaupt noch nennen, sie, die hier nackt in einem zugegeben warmen, duftenden Wasserbecken war und einen Römer wusch?


    Sie presste die Lippen aufeinander, bis das Blut aus jenen gewichen war und sie für den Moment des Loslassens fast weiss wirkten - und wieder glitt ihr Blick zu Corvinus, ihn beobachtend, einschätzend, und gleichzeitig konnte sie den Blick auch kaum von ihm lösen. Winzige Wassertröpfchen, wohl aus dem Hitzedampf des Wassers gewichen, glitzerten auf seiner Haut, die Wangen waren mit kaum sichtbaren Bartstoppeln bedeckt, die Kinnlinie wies auf einen energischen Charakter, die geschwungenen Lippen auf einen sinnlichen Menschen hin - was wollte er wirklich? Wollte er sie um ihretwillen besitzen oder einfach nur, um sich die Zeit zu vertreiben? Und doch, seine Haut war warm, sie konnte einen vagen Hauch seines Atems fühlen, und ein gewisser Teil in ihr hoffte, er würde einfach ... nein, das durfte nicht sein, sie durfte es nicht einmal denken.
    Und seine Bitte - eine dehnbarere Bitte hätte er wohl kaum äußern können. Das Versprechen, sie nicht anzurühren für etwas, dessen Ausmaße sie kaum erkennen konnte. Es stimmte, die Römer nutzten selbst einen Nachteil wohl noch zum Vorteil für sich selbst.


    "Was Du meinen mit 'da sein wenn Du mich brauchen'? Das können bedeuten alles, dominus, und zu jeder Zeit. Du mir einfach können geben Wort, dass ich sein muss da, Du mich nicht bitten musst. Warum Du mir lässt Wahl?" Sie legte den Kopf schief und betrachtete ihn so eingehend, als könnte sie seinem Gesicht alleine schon die Antwort ablesen, versuchte sich auf das Gespräch zu konzentrieren, nicht diesen Finger, der ihre Wange streichelte, als empfände er wirklich, was er tat. "Ich kennen nicht Rom, kennen nicht, wie richtig leben, und Du wollen mich versprechen, da sein immer für Dich? Ich nicht wissen, was Du Dir vorstellen für da sein." Wieder einmal schmerzte es sie, dass ihre Worte nicht ausreichten, um das zu sagen, was sie eigentlich sagen wollte - und es wahrscheinlich nie würden, diese Sprache war einfach zu kompliziert. Seine Hand sank herab, und die Berührung, diese nachlässige Zärtlichkeit, hatte geendet, und sie war sich nicht sicher, ob sie froh darüber war oder ob sie wollte dass er ... nein. Nein, sie würde nicht wollen, dass er es noch einmal tat, basta.


    Langsam sog sie den Atem ein und meinte dann leise: "Ich haben nicht wirklich Wahl, und Du das wissen, dominus. Also werden tun ich was Du wollen und sein da." Und damit rutschte der Schwamm über seine Schulter und sie blieb nahe bei ihm im Wasser, nun die Schulter säubernd, als müsste sie ebenso sauber und rein werden wie der Arm, an dem sie die ganze letzte Zeit geschrubbt hatte - innerlich im Zwiespalt gefangen, sich mehr Nähe nicht wünschen zu dürfen und doch zu wissen, dass sich etwas verändert hatte mit ihr, das sie nicht würde rückgängig machen können. War sie überhaupt noch Cadhla, die Schildmaid?