Beiträge von Cadhla

    Die Frage nach ihrer Familie ließ einen vagen Schatten über ihr Gesicht huschen, und Cadhla wandte den Blick für einige Momente lang ab, weil sie nicht wollte, dass jemand sah, wie sehr sie allein der Gedanke schmerzte. Die Ungewissheit. Und natürlich auch ihre eigene Unfähigkeit, irgend etwas zu ändern, überhaupt in Erfahrung zu bringen, ob sie hoffen konnte. Ob es noch Hoffnung gab. "Ich hatte Familie, aber ich nicht leben mit ihnen. Mutter und Vater und Schwester und zwei Brüder," zählte sie langsam auf. Alles war noch einfacher gewesen, als sie das Leben ihrer Familie geteilt hatte, aber eine Schildmaid lebte nicht mehr unter den normalen Menschen - es war ein Abstand, der nicht nur durch ihre Schwüre bewahrt wurde, sondern auch weithin sichtbar war. Man musste als Krieger imstande sein, Einsamkeit zu ertragen, Verlust und Schmerz. "Ich nicht wissen, ob noch leben, aber ich hoffen, dass ist so." Dass es eine schmale Hoffnung war, sagte sie nicht dazu, aber das konnte man sich auch denken.


    Ihr Werk an Tillas Haar behutsam fortsetzend, arbeitete sich die Keltin sorgsam um den Kopf des Mädchens herum und schließlich konnte sie mit dem grobzinkigen Kamm langsam, aber doch stetig durch die gesamte Länge des Haars fahren, ohne dass der Kamm hängen blieb oder etwas zupfte. So sah Tilla gleich viel hübscher aus, und nachdem sie das Haar glatt gekämmt hatte, begann sie, es in drei Teile zu legen und einen lockeren Zopf zu flechten - wenn die Haare erst trocken wären, würde Tilla leichte Wellen darin haben. "Du nicht musst fürchten die Nacht, Tilla. Wenn ich bein Dir, dann Du schläfst ruhig und tief," sagte Cadhla schließlich sehr bestimmt, wie sie es bei ihrer kleinen Schwester auch getan hätte.

    Es war ihre letzte, ihre einzige Waffe, und dass sie nun darauf zurückgriff, erklärte vielleicht die Verzweiflung, die sie seit Tagen, seit ihrer Gefangennahme immer wieder bewegt hatte, niemals wirklich aus dem Griff gelassen hatte - sie schwieg. Cadhla sagte kein Wort, ließ seine Worte auf ihr Bewusstsein prallen, und sie reagierte nicht darauf. Zumindest nicht äußerlich, denn sie wollte ihn nicht sehen lassen, wie sehr seine Worte sie trafen. Wie viel Wahrheit doch darin lag, und wieviel unangenehme Warheit darunter war. Warum konnte er sie nicht einfach in Ruhe lassen, irgendeine andere Sklavin besteigen und sich ansonsten so verhalten wie alle anderen Römer auch - sich mit seinen eigenen Dingen beschäftigen und sie übersehen? Gleichzeitig wünschte sich ein irriger, abartiger Teil ihres Inneren, dass er sie bemerkten würde. Dass sein Blick ihr folgen würde, wenn sie vorüber ging - einfach um sich wie ein Mensch zu fühlen, wie jemand, der nicht vollkommen in der Masse unterging. Gleichzeitig wusste sie genau, wie wenig dieser Gedanke noch mit dem zu tun hatte, was sie gewesen war.


    Als er sich entschuldigte, blieb sie ebenso stumm, drehte sich von ihm weg und hob ihren improvisierten Speer auf, um ihn aufzuräumen - auch wenn ihr Geheimnis nun gelüftet war, musste man doch nicht auch noch zusätzliche Spuren hinterlassen. Sie drehte sich nicht nach ihm um, und wartete, bis er ins Haus gegangen war, bevor sie sich selbst auf den Weg in den Schlafraum machte - auf ihn treffen wollte sie nicht, nicht heute nacht mehr, denn wahrscheinlich hätte sie dieses Mal nicht einfach schweigend ausweichen können. Was bist Du? Die Frage echote in ihrem Kopf, als sie um die Korridorecken glitt, vorsichtig und leise, um niemanden zu wecken. Ich wollte Dich nicht verletzen. Am liebsten hätte sie geschrien Warum hast Du es dann getan? aber sie blieb stumm, die Worte im Gefängnis ihrer Zähne, und als sie unter ihre dünne Decke schlüpfte, spürte sie noch immer, wie schnell ihr Herz schlug, als die Erinnerung an den Kuss zurückkehrte. Liebe ist für alle, Cadhla. War das Liebe, wenn der Körper erbebte? Sie mochte ihn nicht einmal besonders. Das konnte keine Liebe sein, nicht so. Bei der Liebe blickte man sich anders an, soviel wusste sie. Aber was war es dann? Mit einem leisen, verächtlichen Schnaufen zog sie die Decke über den Kopf und drehte sich zur Wand um.

    "Es ist nicht Entscheidung, ich geschworen zu sein Schildmaid und Kriegerin, und nicht führen Kämpfe von Frau. Entweder tragen Speer in Hand oder Kind, es nicht geben beide Wege für Frau," sagte Cadhla, und sie spürte selbst, wie kalt und abweisend die Worte klingen mussten. Er versuchte wohl freundlich zu sein, aber dieses Thema war nichts, was sie irgendwie weiter ausführen wollte, nicht mit ihm, nicht mit Cedric, nicht einmal mit ihrem Herrn. Noch nicht, lachte die innere Stimme hähmisch. Irgendwann wirfst Du Dich auch einem Mann an den Hals, wie alle anderen Frauen. War der Gedanke nur deswegen so verlockend, weil es alles so neu war? Weil dieses prickelnde Gefühl so angenehm war, weil sie sich in Rom allein fühlte, in dieser Welt der Römer, die so wenig mit dem zu tun hatte, was sie bisher kennengelernt hatte? Die grünen Augen funkelten unterdrückt, und als er scherzte, reagierte sie nur mit einem ganz schwachen Heben ihrer Mundwinkel. Ihr war einfach nicht nach Lachen zumute, dafür war sie gerade zu verwirrt, und es gab niemanden, dem sie diesen Zwiespalt hätte mitteilen können - ihre Götter hatten sie ganz augenscheinlich verlassen.


    Zu seinen Worten Corvinus betreffend nickte sie sachte, aber sie sagte nichts weiter dazu, sondern blickte in den Himmel. Der Mond schien tiefer zu stehen als zuvor, deutlich tiefer, und auch wenn sie nicht wusste, wie spät es wirklich war, schien es ihr doch, als würde es allmählich Zeit, noch etwas Ruhe und Schlaf zu finden.
    "Ich denken, Du könnten sein sehr guter Kämpfer, vor allem, wenn niemand ahnen, dass Du kämpfen mit allem, nicht nur mit kurzes Schwert wie Legionär. Überraschung bester Weg ist zu siegen, Du heute auch gewonnen, weil mich überrascht." Dann neigte sie den Kopf vor ihm, und im Grunde wollte sie nur noch weg. Zurück zu ihren Gedanken, den leise atmenden anderen Frauen, die schliefen, und zurück zu diesem schützenden Kokoon aus Tradition und Schwüren, die vielleicht überdecken würden, dass etwas erwacht war, mit dem sie nichts anfangen konnte.
    "Dominus, es spät ist, und ich müssen schlafen, weil morgen viel arbeiten. Du besser auch schlafen jetzt."

    Vorsichtig zupfte sie Tillas wilde Zotteln nach und nach auseinander - was für ein verwahrlostes Mädchen musste sie gewesen sein, dass ihr Haar so aussah. Für einen Moment lang empfand Cadhla Mitgefühl mit dem Mädchen, denn auch wenn ihre kleine Schwester früher recht wild gewesen war, ihre Mutter hatte immer auf gut geschnittenes Haar geachtet und die wilde Mähne der Kleinen gebändigt. Erst nachdem die schlimmste Unordnung beseitigt war, nahm sie die einzelnen Strähnen in die Hand und zog den Kamm durch das feuchte Haar, sodass es nicht an der Kopfhaut zupfen konnte, die Keltin arbeitete sich so langsam und geduldig durch Tillas Haar und lächelte dabei sogar etwas. Es weckte Erinnerungen, und es waren gute Erinnerungen. "Wenn Du brauchen Hilfe hier in villa, Du mich fragen, Caelyn. Ältere Sklaven gern geben Arbeit an neue Sklaven, die ist unangenehm, und Du Dir nicht alles müssen sagen lassen."


    Ein gewisser Hang zur Faulheit war nichts, was Cadhla ärgerte, aber einige Sklaven drückten sich mehr als andere vor ihrem Anteil an der Arbeit, und diesen Umstand würde sie noch abstellen. Es war einfach unfair auf Dauer. Als Tillas Gesten wieder ihre Aufmerksamkeit einfingen, blickte sie das Mädchen etwas überrascht an, nicht sicher, ob sie sich nicht getäuscht hatte - dann aber nickte sie. "Wenn Du nicht treten in Schlaf, dann ich nichts gegen." Es würde seltsam sein, ihr Lager mit überhaupt jemandem zu teilen, aber schließlich hatte sie früher auch in einem Bett mit ihren Geschwistern geschlafen, und vielleicht vermisste Tilla einfach ihre Eltern oder Geschwister, falls sie welche gehabt hatte ... sie hätte es verstehen können.

    Mit einer ruckartigen Bewegung schüttelte sie das lose Haar zurück und schon wirkte ihr Gesicht wieder abweisender und strenger als zuvor - auch wenn eine in ihre Stirn zurückgleitende Haarsträhne die gewünschte Wirkung etwas minimierte. Die grünen Augen stachen nun direkt vor Abwehr, und der Rest der Erregung schwand in jenem Maße, in dem sie ihre Selbstbeherrschung zurückerlangte.
    "Liebe sein für Frauen zuhause, nicht für Kriegerin. Du vielleicht machen Liebe mit jeder Frau in Rom, dominus, aber nicht ich mit irgendeinem Mann auf Welt," stellte sie eindeutig klar, und wusste genau, wie zweischneidig diese Aussage war. Hatte er gemerkt ...?


    Dass er ihr sagte, was küssen war, rührte an einem vagen, bisher gut verborgenen Zorn, denn oft genug behandelten Römer ihre Sklaven sehr herablassend, Kindern gleich, ohne zu bedenken, dass ihnen diese durchaus auch in Erfahrung und Lebensdingen voraus sein konnten.
    "Du haben gute Ideen in Kampf, aber ich glauben nicht, dass Du können mit Kuss besiegen wilden Germanenkrieger oder schwarzen Mann, der sich werfen auf Dich. Du Talent hast, aber Du brauchen Übung, viel Übung." Wobei das Bild, wie Aurelius Ursus versuchte, einen Germanen in den Staub zu küssen, durchaus auch eine amüsante Komponente aufzuweisen hatte!

    Die Römer schienen bei Caelyn auch nicht auf der ersten Position ihrer Freundesliste zu stehen, aber bei welchem gefangenen Sklaven rangierten diese schon so weit oben? Sie schmunzelte bei Caelyns Spruch über die Fliegen, um dann anzufügen: "Sie sehr große und sehr lästige Fliegen sind, vor allem mit Kriegsgerät und Waffen. Nicht einmal einschmieren mit Schlamm helfen gegen Römer, die umsurren einen wie Fliegen im Sommer und dann sitzen überall dort, wo nicht sollen sein." Irgendwann würde sie den Soldaten wieder begegnen, die sie gefangen und verkauft hatten, diese Gesichter vergaß man nicht. Und dann würde sie sich rächen, wie es der Brauch verlangte, blutig rächen, soviel war sicher.


    Schnell blinzelte sie das blutige Bild von ihrem inneren Auge fort und zwang sich zu einem leichten Lächeln. Der alte Zorn war sinnlos, er würde ihr hier nicht helfen - und es gab wirklich schönere Dinge, über die man sprechen konnte.
    "Ich sein Sklavin von Aurelius Corvinus, und wenn er mich rufen, dann ich tun vieles - ihn waschen, ihm geben Kleidung, ihm tragen Sachen, gießen seine Pflanzen in hortus, und achten auf Gesundheit und Unversehrtheit von kleiner domina Sisenna. Du kennen Sisenna? Sie sein wirklich nettes Kind. Und was tun du in villa?" Als Tilla den Raum betrat, lächelte sie ihr schon offener zu, der Zorn war verraucht, auch wenn er wohl niemals ganz vergessen sein würde.


    Als das Mädchen sich an ihre Seite setzte, legte sie fast automatisch den Arm um die schmale, von der Decke eingehüllte Gestalt Tillas und rubbelte sie ein bisschen ab, um ihr dann in das Gesicht zu blicken. "Du ganz verwirrte Haare, Tilla. Ich dir helfen machen wieder richtig?" Mit einer Hand deutete sie eine Kämmbewegung an - das richtige Wort war ihr schlichtweg nicht eingefallen - denn eines wusste sie sehr genau: Würden diese Haare nicht entwirrt, würde Tilla am nächsten Morgen aussehen wie eine Distel auf Urlaub.


    edit: Den Tilla-Teil angefügt - ihr seid einfach zu schnell für mich^^

    Noch immer waren ihre Augen geweitet, das Erschrecken nicht gewichen, doch was war daran eigentlich so erschreckend? Dass es einem kleinen Teil von ihr gefallen hatte? Dass er sie einfach geküsst hatte, weil er es wohl gewollt hatte? Dass sie nicht sofort reagiert und ihn getötet hatte, wie sie es bis vor wenigen Monaten noch getan hätte? Wohin gehe ich, fragte sich Cadhla. Bin ich noch die, die ich war? Die Antwort darauf musste immer nein lauten. Und doch, er schien wenigstens einen gewissen Anstand zu besitzen - wie Corvinus, flüsterte die Stimme gnadenlos in ihrem Inneren - und entfernte sich von ihr, nachdem er bekommen hatte, was er wollte.
    "Man nicht macht Liebe bei Kampf," sagte sie unerwartet harsch, und jetzt endlich konnte sie wieder ihre Beherrschung zurück in ihr Gesicht zwingen, das den weichen Ausdruck verlor, auch wenn ihre Wangen noch immer von der zurückgebliebenen Erregung gerötet waren, leicht zu entdecken auf der blassen Haut.


    "Entweder Du kämpfen, oder Du machen Liebe, aber nicht beides. Ich hier um Dich lehren kämpfen, nicht Liebe." Seine Worte über ihre angebliche Schönheit überhörte sie gekonnt, denn das konnte er angesichts der zarten, angemalten Wesen nicht ernst meinen, die tagaus, tagein in der villa herumschwebten und mehr Traum zu sein schienen als Frau. Seine Hand ergriff sie nicht, sondern rappelte sich selbst auf, den Staub aus ihrer tunica klopfend, um ihm ihr Gesicht nicht zeigen zu müssen. Besser, sie fasste ihn nicht mehr an, egal wie. Noch immer jagte ihr Herzschlag, und sie fühlte sich, als sei sie nackt. "Wenn Du nicht wollen, dass ich Dir tun wirklich weh, dann Du nicht mehr tun ... was gerade eben getan."

    Langsam hatte Cadhla den Kopf schief gelegt und dem Redeschwall der Neuen die relevanten Informationen entzogen - sicher, sie verstand jetzt fast alles, aber die meisten sprachen ihr dann doch noch ein bisschen zu schnell. Während sie das Stück Papyrus mit dem lateinischen Alphabet sorgsam zusammenrollte und mit einem Lederband verschnürte, betrachtete sie Caelyn. Sie schien recht redefreudig zu sein, aber diese Leidenschaft teilte sie mit so mancher Sklavin aus dem Haushalt, und Cadhla hatte sich auch daran inzwischen gewöhnt.


    "Ich nicht kennen, Bibracte, nein," bedauerte sie, es klang auch viel zu fremd, um aus ihrer Heimat zu sein. "Auch nicht Augustodunum." Hatte sie überhaupt schon einmal von Orten wie diesen gehört? Nein, musste sie zu ihrer eigenen Schande feststellen, allerdings, die Römer hatten ein so riesiges Reich und die Städte bekamen auch immer so änlich klingende Namen. Wie man das alles auseinanderhalten sollte, war ihr schleierhaft. "Ich stammen von Britannia, aus gegend von Aquae Sulis. Du kennen vielleicht Londinium? Größte Stadt, und voller Römer. Sie genommen meinem Stamm Dorf und Land, wie sie es immer tun."

    Trotz der nächtlichen Kühle war Cadhla nicht mehr kalt, das Training hatte sie aufgewärmt, der Kampf hatte sein übriges getan, dass die Hitze nicht mehr aus ihrem Leib gewichen war - und auch wenn sie es sicherlich nicht bewusst wahrgenommen hätte, der Körperkontakt hatte dem Kampf noch einen zusätzlichen Hauch Hitze hinzugefügt, der bisher eher nur sehr unterschwellig beigefügt gewesen war. Als er den Kopf vorstreckte, zuckte sie im ersten Moment zurück, erwartend, er würde seine Stirn gegen ihre rammen, um sie durch die Überraschung zu einer Aufgabe ihrer Beinzwinge zu bringen - aber ein weiteres Mal an diesem Abend überraschte er sie maßlos, und im ersten Augenblick, als sich seine Zunge zielstrebig den Weg zwischen ihre Lippen gewunden hatte, nach ihrer tastete und sie ihn ungläubig anstarrte und erst gar nicht reagieren konnte, ließ sie auch locker, was die Folge hatte, dass der Aurelier auf ihre Körpermitte herabsackte.


    Diese Form der Nähe war noch sehr viel erschreckender als der Kuss selbst, und gleichzeitig fühlte sie eine intensive Hitze in ihrem Körper empor steigen, die sie ungleich mehr verwirrte, als die Tatsache, dass er sie ein zweites Mal hatte überraschen können. Und wie es im Kampf immer geschah, reagierte auch jetzt ihr Körper rein instinktiv auf etwas, was ihr Verstand noch nicht begreifen wollte und konnte - Cadhla schmiegte sich von unten an den Körper des Mannes, und ein vages, kehliges Seufzen glitt in die Stille der Nacht hinaus, der Atem ging schneller, hastiger schlug das Herz - bis die Information, dass sie gerade die Zunge eines Mannes im Mund hatte und ihre Zunge gegen diese gestupft war, ihren Kopf erreicht hatte, sie ihn mit beiden Händen an den Schultern packte und versuchte, von sich wegzuschieben, erschrocken und erregt zugleich. "Was ... ?!"

    "Cadhla," sagte die Keltin, und erwies sich mal wieder als Ausgeburt der Redegewandtheit. Inzwischen hatte sie sich daran gewöhnt, mit den anderen Sklaven und ihrem Herrn generell nicht so viel zu sprechen und mehr zuzuhören, was ihrem Latein bisher ganz gut getan hatte.
    "Du schon bekommen hast alle Sachen, die sein wichtig? Kleidung? Du wissen wo ist Abort und balneum?" Ein interessantes Gespräch war dies bei weitem noch nicht, aber dieses Wissen gehörte eindeutig in die Sparte 'wichtiges Wissen', wenn man schon irgendwo neu war, und zumindest für Cadhla war es wichtig gewesen zu wissen, wo man sich erleichtern und reinigen konnte. Still betrachtete sie die 'Neue', deren blondes Haar verriet, dass auch sie nicht aus diesem Land der Schwarzhaarigen stammen konnte. Einen Akzent hatte sie jedenfalls nicht erkannt, aber angesichts dessen, dass Cadhla immernoch mehr damit beschäftigt war, Latein zu verstehen, und nicht auf Details achtete, nicht weiter erstaunlich.

    Dass er sich wehren würde, damit hatte sie gerechnet - er wäre ziemlich dämlich gewesen, es nicht zu tun - aber nicht, dass er sie in eine Drehung reißen würde, in diesem Punkt hatte sie den geradezu klassischen Fehler gemacht zu glauben, ihr Gegner sei schon zu sehr vom Schmerz betäubt, um auf gute Ideen zu kommen. Weit gefehlt! In dem Moment, in dem ihr die Erde entgegen stürzte und sie den Griff seiner Arme fühlte, schalt sie sich selbst, ihn unterschätzt zu haben, aber es war jetzt nicht mehr zu ändern. Mit einem dumpfen Laut kamen die beiden Kämpfenden auf dem harten Boden auf, und da sie halb unter Ursus landete, fühlte Cadhla auch noch die Last seines Körpers auf sich lasten.


    Ein lautes Schnaufen kam ihr über die Lippen, ohne dass sie es gewollt hätte, und mit dem Schmerz über den unwürdigen Bodensturz kam auch ihr bester Helfer wirder zurück, der sie im Kampf stets hatte überleben lassen: Der Zorn. Die grünen Augen sprühten geradezu Funken, als sie sich unter Aurelius Ursus wand und ihn schließlich mit einem gekonnten Spreizen der Beine zwischen den muskulösen Oberschenkeln auf seiner Bauchhöhe einzuklemmen begann - mit mehr Druck würde es zweifelsohne wirklich schmerzhaft werden, aber noch deutete sie eher an, was ihm blühen konnte, während sie von unten in sein Gesicht blickte, ihr Haar inzwischen im staubigen Boden gebadet.

    Der Tag war lang gewesen, und auch anstrengend, wie so oft, aber Cadhla hatte diese Entwicklung inzwischen schon fast als Tatsache akzeptiert. Wenn sie nicht in Sisennas Nähe war, um auf die quirlige Kleine zu achten, dann blieb immer genug Arbeit übrig, dass die Keltin ausgelastet war, und inzwischen vermutete sie auch, dass diese Aufgaben Methode hatten. Sie war die einzige Sklavin, deren körperliche Kraft für einen Fluchtversuch sicherlich ausreichend gewesen wäre, und wenn sie abends in den Schlafraum schlich, schliefen die anderen oft schon, und sie selbst war viel zu müde, um nachzudenken. Am heutigen Tag jedoch hatte sie Glück gehabt und hatte vor allem bei langwierigen, aber nicht anstrengenden Dingen helfen müssen - Dokumente im Hausarchiv sortieren und dergleichen mehr, dafür wurden zum Ordnen auch Sklaven gebraucht, die nicht lesen konnte, umso einfacher wurden Geheimnisse gewahrt.


    So kam sie kurz nach Caelyn in den Raum hinein und nickte ihr zu, während sie überlegte, ob sie diese schon kannte - irgendwie hatten die Aurelier zu viele Sklaven, und es wurden stetig mehr.
    "Salve," sagte Cadhla schlicht und ließ sich sogleich auf ihr eigenes Bett fallen, die Beine ausstreckend, um dann unter dem Kissen nach einer Besonderheit zu wühlen, ein Papyrus, so leicht wie eine Feder, dünn wie ein gepresstes Baumblatt - und mit den Buchstaben des lateinischen Alphabets bedeckt. "Du sein neu hier?" vergewisserte sie sich dann doch.

    Stumm setzte sich Cadhla zu Minna und Tilla ans Feuer, und die ausgestreckten Arme des Mädchens rührten sie auf seltsame Weise an. Ganz im Gegensatz zu ihr selbst schien es Tilla nicht schwer zu fallen, Vertrauen zu fassen und ihren Wunsch nach Nähe und Trost zu artikulieren - zwar nicht mit Worten, aber die Gesten waren doch recht eindeutig. So umarmte sie Tilla und drückte sie behutsam an sich, als sei die junge Frau besonders zerbrechlich, und ließ sich dann neben ihr nieder. Wenigstens das Feuer wärmte sie, wenngleich es die Gedanken an ihre Familie und ihre Ahnen nicht vermochten.


    "Ich .. nicht weiss ob gut ist, dass ich hier sein," sagte sie schließlich langsam und zögerlich. "Ich nicht weiss, ob feiern soll, denn nicht weiss, ob Familie wirklich ist tot." Jetzt war es heraus, und das Frösteln, das Cadhla seit einer Weile gespürt hatte, verstärkte sich merklich, ließ sie erzittern, auch wenn das Feuer doch eine gewisse Wärme abstrahlte. "Es alles ging so schnell. Der Kampf, und so viel Blut, Rauch, alles war dunkel, und ich kämpfen um Leben, um Dorf, um Sicherheit von Sippe ... ich kann nur hören Schreie von Mutter, und dann ..." Sie hob langsam die Schultern in einer Geste unendlicher Resignation. "Und dann wachen auf gefesselt. Ich nicht weiss, ob alle tot."

    Cadhla war voran und dann von ihm weg geschnellt, um in einigem Abstand von ihm zu verharren - dumpfer Schmerz pochte durch ihre Schulter, ein Schmerz, den sie erwartet hatte, aber deswegen tat es nicht weniger weh. Die Kunst daran war nur, es sich nicht anmerken zu lassen, denn ein Kämpfer, der dem anderen als übermächtig und schmerzlos erscheint, entmutigt den Gegner leichter, und lässt vielleicht auch jenen mehr Fehler begehen. Aus den klaren grünen Augen blickte sie den Aurelier an, versuchte einzuschätzen, ob und welche Schmerzen er jetzt hatte - hatte er nicht doch langsam genug davon, einzustecken?


    Ihre Lippen formten ein kurzes Schmunzeln, dann wurde ihr Gesicht wieder ausdruckslos, zeugte von dem hohen Maß an Konzentration, welches sie dem Kampf gegenüber brachte. Sicher stand er noch nicht, und dies brachte sie dazu, einen weiteren Angriff zu beginnen - dieses Mal allerdings versuchte sie, mit wenigen Schritten engen Körperkontakt herzustellen, um ihn mit beiden Händen am Rumpf zu packen, das linke Bein unter seine Knie zu bringen, um ihn damit zu Fall zu bringen - das hellhäutige Gesicht war nun von ihrem roten Haar umtost, denn das Haarband hatte sich gelöst und fristete nun ein einsames Dasein auf dem Boden des Hofes, während sich ihre Haare einer ungewohnten Freiheit erfreuen durften.

    Seine Augen wurden glasig und Cadhla machte sich insgeheim schon bereit, wieder nach dem Eimer zu rennen - sie wusste nicht einmal, wieviel er getrunken hatte, aber es musste mindestens eine dieser großen Amphoren voll gewesen sein, in denen der billige Landwein lagerte. Aber noch passierte es nicht, er schien sich im Griff zu haben, auch wenn er bedenklich schwankte für einige Momente. Zumindest sah er verlegen aus, wenngleich nicht lange genug, als sie sein 'Häufchen' ansprach, das sie mittenin der Nacht noch hatte wegwischen müssen.


    "Ich gewesen, ja," sagte Cadhla schlicht und dachte in diesem Augenblick an seine Worte während des Bades. Er wünschte sich, sie sei für ihn da - war auch so etwas damit gemeint? Den Dreck wegzuputzen, den er in seinem Suff von sich gab? Noch immer waren seine Worte von jenem Abend für sie mindestens ein halbes Rätsel, das sich auch nicht aufklären lassen wollte. Letztendlich blieb ihr dominus für sie noch immer ein Buch mit sieben oder mehr Siegeln - seine Handlungen waren und blieben für sie unverständlich, auch seine Launen. Und die Aussicht darauf, noch so manches Jahr mit ihm verbringen zu müssen, ohne wenigstens einigermaßen mit seinen Launen zurecht zu kommen, war auch keine angenehme.


    "Wenn in Heimat sich jemand fühlen schlecht, dann machen Kräuteraufguss, und bleiben in Bett liegen, bis besser gehen. Du besser auch bleiben in Dein Bett, und ruhen aus. Sprechen können mit domina Helena auch später noch, und ich nicht glaube, dass irgendeine Frau es mögen, wenn Mann mit so dickem Kopf wie Du hast mit ihr sprechen. Und Du vielleicht später besser nimmst Bad," knallte sie ihm die unangenehmen Wahrheiten mit einem doch noch irgendwie freundlichen Ton an den Kopf. Der Gedanke, ihn ins Bad zu schleifen und zwangszuwaschen hatte sogar irgendwie etwas für sich. Zumindest würde es ihr eine nicht geringe Genugtuung verschaffen, wenn einmal er in der Lage desjenigen war, der die Entscheidungen und Handlungen anderer würde akzeptieren müssen, ohne sich groß wehren zu können.

    Die Welt um Cadhla geriet in hektische Bewegung. Während ihr Körper verharrte, sich nicht einmal in einem minimalen Muskelzucken verriet, purzelten in ihrem Inneren die Gedanken und Überlegungen wild durcheinander. Sie war daran gewöhnt, einen Menschen schnell einschätzen zu müssen, denn daran hing im Kampf ab, ob sie das Richtige tat, ob sie die richtigen Bewegungen vollführte, und vor allem, ob sie eine Chance darauf hatte, zu überleben - zum Spaß griff man keinen Gegner an, Kämpfe zum Spaß führte man mit Freunden, mit Kampfgefährten. Dieser Mann unterschied sich allein schon durch seinen Blick grundlegend von ihrem dominus, und er bewegte sich auch anders, vollkommen anders als die Aurelier. Lauernd, vorsichtig, als betrachte er die Welt mit einer grundlegenden Portion Misstrauen - solche Menschen waren nicht leicht zu übertölpeln. Der einzige Vorteil, der ihr blieb, war ihre Schnelligkeit und vielleicht noch die Tatsache, dass er sie, wie viele Männer, unterschätzen würde. Und ganz offensichtlich hatte er sie absolut nicht verstanden.


    "Meine domina Sisenna sein hier zu besuchen domina Callista! Und kleinen dominus," versuchte sie zu erklären, aber in seinem Gebrüll nach schätzungsweise einem anderen Sklaven ging das einstweilen unter. Irgend etwas schien diesem Mann nicht zu gefallen, und so ziemlich alles an seinem Verhalten deutete darauf hin, dass sie der Grund dafür war. Da er die unselige Tafel nicht zurückgenommen hatte, hielt sie das Ding immernoch in der Rechten, ohne zu wissen, was sie damit tun sollte - ihre Finger verkrampften sich einen Augenblick lang darum, dann umfasste sie das Schreibutensil fester, als müsste sie daran Halt finden. Es war unpraktisch, etwas zu groß, um es gut in der Hand zu halten, und wenn sie es jetzt fallen ließe, würde er erst Recht sauer sein - konnten diese Römer denn nicht wenigstens für einen Augenblick lang über ihren beschränkten Horizont hinaus denken? Was dachte er eigentlich, warum sie hier war, um auf Gängen herumzuschleichen? Als er wieder sprach, wurde ihr klar, dass er genau das gedacht haben musste.


    Und dann ... ihre Augen weiteten sich merklich - er hatte sie nicht nur deutlich schneller umrundet, als sie es erwartet hatte, nein, er berührte sie auch noch! Und er berührte auch noch ihren PO! Strich entlang und ... weiter dachte sie nicht, denn auch wenn sie die Schritte hörte, auch wenn ein kleiner, rationaler Teil in ihrem Inneren ihr sagte, dass es der reinste Wahnsinn war, mit diesem Mann in seinem Haus zu kämpfen, ihre Reflexe waren älter als ihr Sklavenstand, und ihr Körper reagierte schneller, als es ihre Gedanken taten, ein Umstand, der im Kampf sicher oft genug nützlich gewesen war, im Augenblick jedoch eher hinderlich. Sie fuhr herum, mit der rechten Hand und der Schreibtafel darin Schwung holend, um ihm diese mit einem harten Hieb vor die Brust zu knallen! "Du nicht berühren Cadhla!" herrschte sie ihm entgegen und in ihren Augen stand deutlich, dass sie nur zu bereit war, die Unversehrtheit ihres Körpers zu verteidigen, die Muskeln ihrer schlanken Glieder waren nun angespannt, verrieten nicht nur Vorhandensein derselben, sondern auch, dass sie trainiert waren.

    Wahrscheinlich ist er immernoch ein bisschen betrunken, dachte die keltische Sklavin, während sie ihn kritisch von der Seite betrachtete. Zugegeben, einen Schönheitswettbewerb würde er in diesem Zustand sicher nicht gewinnen, eher einen der übernächtigten Trinker. Und seine Worte schienen im Großen und Ganzen auch nicht unbedingt viel Sinn zu ergeben - irgend etwas musste ihn wohl bedrücken, denn sonst wäre er kaum so vehement an diesem einen Thema geblieben.
    "Es sein wichtig zu erfreuen auch Götter mit kraftvoller Ehe," sagte Cadhla schließlich langsam und hob dann die Schultern. "Aber ich Dir nicht viel können sagen über Ehe. Ich nie gedacht dass heiraten, und es nie war wichtig für mich. Schildmaid heiratet ihr Schwert, nicht Mann." Konnte er denn nicht irgendeine andere Sklavin damit belästigen? Saba oder Dina oder ihretwegen auch Tilla, die so vieles zu wissen schien, auch wenn sie es nur mit ihren Händen ausdrücken konnte. Cadhla runzelte unwillkürlich die Stirn, als das Gespräch auf Aurelia Helena kam, dann schüttelte sie den Kopf.


    "Ich sie heute noch nicht gesehen, sie wohl noch schlafen wie viele andere hier in villa," erwiederte sie und gab den Blick zurück. Irgend etwas stimmte hier doch nicht. Glaubte er etwa, Helena wäre insgeheim mit einem Mitglied der Familie verbandelt, und sie sollte es herausfinden? Vor allem, wer sollte dieser jemand sein? Cedric/Cotta? Ursus? Nein, das konnte sie sich beim besten Willen nicht vorstellen, es passte weder zu dem, was sie bisher von Helena gehört hatte, noch zu den beiden Männern. "Und Du nicht wirklich glauben, dass ich Dich lassen gehen so aus Raum? Du aussiehst wie lebendiger Tod, und ich mich nicht wundern, wenn Du gleich nochmal entleeren Bauch auf Boden. So kannst Du nicht reden mit Helena, das sein würdelos." Sie sagte das so entschlossen, dass man auch noch vermuten konnte, sie würde ihn eher an sein Bett binden, als ihn aufstehen zu lassen.

    Er sah wirklich elend aus, und Cadhla gönnte ihrem Herrn in diesem Moment jedes Fitzelchen Elend aus tiefstem Herzen. Hatte er überhaupt eine Ahnung, was dieses Fest für eine Arbeit gemacht hatte? Wie erledigt alle Sklaven danach gewesen waren, während ihre Herren feiern und trinken hatten können? Aber an so etwas dachten die Römer nicht, sie erwarteten einfach nur, dass alles so klappte, wie sie sich das vorstellten und wünschten, und damit war die Sache für sie erledigt. So gedankenlos war Cadhla zuhause mit keinem Mitglied ihrer Sippe umgegangen, soviel war sicher.
    Und dass er das Brot jetzt nicht aß, sondern zerkrümelte, war ihr innerlich zuwider. Wenn man eine Speise nicht essen wollte, dann durfte man sie nicht verschwenden. Es war der Wille der Götter, dass die Menschen wussten, wie man backte und wie man angenehme Dinge zubereitete, und diesen Willen nicht zu respektieren, indem man Essen verschwendete, das andere hätte nähren können, war bisweilen fatal. "Ich mir kann nicht vorstellen schöneres zu sprechen Worte, die ich nicht verstehen, tragen Kleidung, die sehen aus schrecklich, und lassen begaffen von Leuten, die ich nicht kennen," antwortete Cadhla trocken.


    Um genau zu sein, das Theaterspielen war schrecklich für sie gewesen, nicht zuletzt, weil es so absolut fremdartig gewesen war. Sich von völlig Fremden anglotzen zu lassen wie ein wildes Tier in einer verrückten Verkleidung, war ihr unangenehm, sie, die sie den Schlachtenlärm allem anderen vorzog. Und sie war ganz froh, dass er ein anderes Thema anschnitt, nur .. das Thema an sich war auch wieder eines von der Sorte, mit der sie eigentlich nicht zurecht kam. Es gab doch nichts komischeres, als eine Schild-Jungfrau danach zu fragen, wie man es in ihrer Heimat mit Beziehungen hielt. So setzte sie sich nun doch langsam zu ihm, um ihm dann einen Becher Wasser zu reichen - eine gute Gelegenheit, ihm dabei auch vorsichtig das Fladenbrot wegzunehmen und die Krümel einzusammeln, die sich auf dem Laken befanden.
    "Es geben nur Sippen in mein Volk. Wer gehört zu Sippe, kann nicht heiraten, es einfach ist. Manchmal zwei gehen gemeinsam fort, aber sie nicht sind Teil von Sippe danach. Es sein wohl schmerzhaft für den, der lieben, aber es ist einziger Weg. Sippe kann nicht sein stark, wenn machen Blut schwach durch Heirat miteinander. Aber wir auch nicht zwingen zu heiraten jemanden, den nicht kennen, wie Römer. Es beide müssen wollen, und sein aus verschiedene Sippe."

    Der Blick des Römers wurde von der Seite der Sklavin ohne allzu große Scheu zurückgegeben. Letztlich hatte sein schnelles Nahen auch sie überrascht, und dass er sie nun mit einem zwischen Gereiztheit und gut unterdrückter Wut anraunzte, war noch überraschender. Wusste er denn nicht, dass sie kein Teil seines Haushalts war? Es führte sie wieder einmal zu einer Feststellung, die sie beiden meisten Römern gemacht hatte - wenn es nicht ihr direktes Lebensumfeld betraf, waren sie absolut taub und blind. Sie hatte sich sein Gesicht gemerkt ... auch wenn es sicher nicht freiwillig geschehen war. Kurz blitzte eine unbestimmte Regung in ihren grünen Augen auf, die Lippen verzogen sich - dann griff sie die Tafel, bevor sie noch herunterfallen konnte und hielt sie ihm in einer geschmeidigen Bewegung wieder hin.
    Einige Momente lang mochten sich diese beiden ausgesprochen ungleichen Menschen mit Blicken messen, dann hob Cadhla in ihrer ureigensten Weise wieder damit an, die lateinische Sprache mit einem starken fremdartigen Akzent und einer insgesamt wirklich grauenvollen Intonationzu vergewaltigen:


    "Verzeihen, dominus, aber ich nicht bin Teil Deines Haushalts. So ich suchen culina, weil ich mich habe verirrt bei Weg durch Haus, und ich Dich wohl nicht treffen, hätte nicht gesucht Ort, an dem Speisen sind, für warten auf domina Sisenna. Selbst wenn finden culina und bekommen wichtige Speise wie Du wünschen, ich wohl verirren zweites Mal und Essen kalt, bis ich finden anderen Raum." Für die Keltin war das eine ausgesprochen höfliche Aussagen, die sie in so viele der ihr bekannten Worte gekleidet hatte wie nur möglich, in der Hoffnung, dass er sie verstand - und vielleicht würde er ihr auch irgendjemanden rufen, der den Weg kannte. Sie blickte ihm direkt ins Gesicht - dem Feind musste man immer ins Gesicht blicken, solange man ihn nicht einschätzen konnte, und allenfalls eine vage Anspannung der Schultern verriet, dass sie sich gerade nicht unbedingt wohlfühlte. Dass sie nicht wie eine Frau dastand, sondern aufrecht wie ein Krieger, mochte dem seltsamen Bild vielleicht noch ein weiteres, irritierendes Detail hinzufügen.

    Cadhla hatte gerade einer anderen Sklavin geholfen, Weinamphoren - die großen, nicht die kleinen - in der Vorratskammer sauber zu stapeln und blickte wenig begeistert drein, als Sofia ihr den Wunsch ihres Herrn mitteilte. Heute schien ein Tag voller unangenehmer Arbeiten zu sein, denn als der Herr sturzbetrunken in seinem Bett gelandet war und irgendwann während der Nacht einen Großteil seines Abendessens auf dem falschen Weg zurück auf dem Boden gelandet war, hatten sie insgeheim ausgelost, wer die Sauerei hatte wegmachen müssen, und es hatte - wie konnte es auch anders sein - Cadhla getroffen. Sie zog recht oft den kürzesten Strohhalm bei solchen Lotterien, ohne zu ahnen, dass es auch dafür Tricks gab - was am Ergebnis jedenfalls nichts änderte, denn sie hatte mitten in der Nacht, obwohl sie selbst sehr müde von dem langen Tag und den vielen Arbeiten zur Vorbereitung des Festes gewesen war, noch einen Eimer mit Wasser und einen Wischlappen durch die villa geschleppt und den Dreck weggeputzt.
    Jetzt zu erfahren, dass es ihm wirklich schlecht ging, erfüllte die Keltin mit einer gewissen, grimmigen Genugtuung. Es geschah ihm ganz recht!


    "Ich gehen. Danke für sagen," meinte sie gen Sofia und wuchtete die letzte Amphore auf das Regal, bevor sie in Richtung Küche ging und sich einen Teller Obst und Fladenbrot sowie einen Becher und einen Krug Wasser für ihren dominus geben ließ. In ihrer Heimat war man nicht so mitleidig mit Betrunkenen, aber dass viele Römer bei weitem nicht so viel aushielten wie ihr Volk, hatte sie schon bemerkt. Als sie die porta zu Corvinus' cubiculum erreicht hatte, hielt sie kurz inne und atmete tief durch. Sich die schlechte Laune ihres Herrn anzutun hatte sie jetzt nicht unbedingt Lust, da schleppte sie dann doch lieber Amphoren - aber was sein musste, musste wohl sein. Leise klopfte sie an und öffnete dann die Türe, um einzutreten.
    "Du mich wollen sehen, dominus?" Schon hatte sie den Teller samt Krug und Becher in den Raum hinein bugsiert und stellte beides auf einem Tischchen neben seinem Bett ab - Sofia hatte recht gehabt, er sah wirklich sehr elend aus. Aber es hatte ihn schließlich auch niemand gezwungen, soviel zu trinken.