Beiträge von Lucius Quintilius Valerian

    Valerian schaute Marhabal noch einmal prüfend in die Augen, als er aus dem Zimmer wieder heraus kam. Machte er hier am Ende einen fatalen Fehler? Er ließ sich einen Moment Zeit. Doch dann kam er zu dem Schluß, daß es richtig war, was er tat. Es war eine fast feierliche Geste, mit der er Marhabal nun den Schlüssel der Casa reichte. "Ich habe noch einen Schlüssel in der Castra. So lange Du hier wohnst, bekommst Du diesen. So, und nun laß uns überlegen, was Du brauchst. Ich kann nicht mehr allzu lange hierbleiben, denn ich bin ja eigentlich im Dienst und gehöre auf die Straße. - Liegt Dir noch irgendetwas auf dem Herzen?" Es war schon irgendwie merkwürdig, einem Mann, den er praktisch gar nicht kannte, alles hier anzuvertrauen. Aber es war auch gleichzeitig eine Prüfung. Zum einen eine Prüfung seiner eigenen Menschenkenntnis. Und zum anderen eine Prüfung der Vertrauenswürdigkeit dieses Mannes.

    Anscheinend hatte Eburnus es doch noch geschafft und Valerian lächelte, als der Freund eintrat. "Salve, Eburnus", grüßte er ihn und stutzte dann, als er die förmliche Begrüßung von Eburnus bemerkte. Sie waren doch hier nicht in der Castra? Ob irgendetwas nicht in Ordnung war? Schon seit einiger Zeit hatte er das Gefühl, daß der Duccier ihm aus dem Weg ging. Doch bisher hatte er es als dumme Einbildung abgetan. Sie mußten eben einen gewissen Abstand wahren, solange sie im Dienst waren. Aber hier?

    "Optio Quintilius", sagte Valerian fast sanft, denn er fand es doch ein wenig unhöflich, daß der Mann sich nicht einmal seinen Rang und seinen Namen gemerkt hatte, nachdem sie ja nun schon eine ganze Weile miteinander hier herumstiefelten. Wenn er sich einen einzigen Namen nicht merken konnte, dann würde er es aber noch schwer haben, wenn er es mal mit hochrangigen Männern zu tun bekam, die ja oft und gerne in Gruppen auftraten. Für ihn selbst gehörte es zu den täglichen Übungen, sich Gesichter und dazugehörige Ränge, Ämter und Namen zu merken. Vigintivir Decimus Flavus würde ihm sicher im Gedächtnis bleiben. Und wenn Flavus es eines Tages zu etwas brachte, konnte es durchaus sein, daß sie sich wiederbegegneten.


    "Also, ich stelle es mir weit unangenehmer vor, Hinrichtungen vornehmen zu müssen, als mal kurz durch einen Kerker zu spazieren. Ich glaube, Du hast da doch die angenehmere Aufgabe abgegriffen." Er führte den Besucher aus dem Kerker heraus und zurück zum Tor.

    Valerian lachte und zuckte mit den Schultern. "Eigentlich ist sie ein absolut lieber Mensch. Aber es gibt natürlich einige wenige Dinge, die sie wirklich übel nimmt. Sie einfach in Germanien allein zu lassen, könnte dazu gehören. Aber hätte ich diese Chance einfach verstreichen lassen sollen? Nur wenigen wird die Ehre zuteil, für die Praetorianer ausgewählt zu werden." Und das ja auch aus gutem Grund.


    "Die Arbeiter werden gut bezahlt, da sollen sie auch ordentlich zu tun bekommen." Da kannte Valerian keine Gnade. Wenn er gutes Geld bezahlte, wollte er auch Leistung sehen. Und er glaubte eben, daß die Arbeiter unter Aufsicht eher gute und schnelle Arbeit leisten würden, als wenn er sie hier allein im Haus herumwuseln ließ. "Deshalb möchte ich ja, daß Du sie im Auge behältst. Und ihnen Dampf machst, wenn sie nicht spuren sollten. Du kannst mich natürlich auch in der Castra aufsuchen, wenn Du das Gefühl hast, meine Anwesenheit ist erforderlich. Oder eine Nachricht schicken."


    Sie kamen gerade an einem der Zimmer vorbei und Valerian nickte. "In Ordnung. Dann ist dieses hier Deines." Er betrat den Raum und schaute nach, ob das Bett in Ordnung war und die Truhen leer, damit Marhabal seine Habe darin unterbringen konnte.

    "Lesen fand ich auf Reisen immer etwas ungünstig. Die Schriftrollen sind so unhandlich und Wagen ruckeln so auf den unebenen Straßen. Ich finde es angenehmer, mich zu unterhalten, mit anderen Rätselspiele zu machen oder einfach über andere Reisende zu lästern." Das letzte sagte er natürlich lachend und mit einem Augenzwinkern. Dabei war das tatsächlich eine der interessantesten Möglichkeiten, sich die Zeit zu vertreiben auf so einer schier endlosen Reise.


    "Wie vertreibst Du Dir auf Reisen am liebsten die Zeit?", sprach Valerian nun direkt seinen Patron an. Balbus war die ganze Zeit so schweigsam, daß es fast unheimlich war. Am Ende hatten sie ihn unabsichtlich von dem Gespräch ausgeschlossen? Das wäre fatal und an Unhöflichkeit kaum zu überbieten.

    Valerian zuckte mit den Schultern. "Ich weiß es nicht, es ist nicht aus ihr herauszubringen. Vermutlich ist sie zornig auf mich, weil ich so überstürzt abgereist bin. Ich konnte sie nicht mitnehmen. Der Decurio der Praetorianer kam am Morgen an, um die Auswahl zu treffen und wenige Stunden später befand ich mich schon auf einem Gewaltmarsch nach Rom. Ich konnte gerade noch meinen besten Freund bitten, ihr eine Nachricht von mir zu überbringen und sich um sie zu kümmern. Ich hatte sie gebeten, mir nachzureisen, aber sie hatte sich entschlossen, in Mogontiacum zu bleiben. Mir ist das gar nicht recht, sie dort so allein zu wissen. Aber was soll ich machen? Zwingen kann und möchte ich sie nicht. Sie ist eine erwachsene Frau und kann auch sehr eigensinnig sein." Valentina etwas aufzwingen? Das hatten schon ihre Eltern vergeblich versucht. Nein, damit erreichte man nur das Gegenteil von dem, was man von ihr wollte.


    "Naja, das ganze Haus ist renovierungsbedürftig und wenn schon, denn schon. Wie gesagt, ich habe lange gespart, um mir das leisten zu können. Insgeheim hoffe ich ja, meine Schwester damit zurücklocken zu können." Auch wenn er sich ehrlich eingestehen mußte, daß die Wahrscheinlichkeit ausgesprochen gering war.


    "Miete? Nein, Marhabal, ich möchte kein Geld von Dir. Du sollst ja auf die Arbeiter achtgeben und alles ein wenig im Auge behalten. Damit die nicht auf meine Kosten faullenzen oder Pfusch betreiben. Das ist praktisch Deine Miete. Und? Hast Du Dir schon ein Zimmer ausgesucht?"

    Und auf einmal trat Stille ein. Valerian rettete sich über die plötzliche Gesprächspause, indem auch er einen Schluck aus seinem Becher nahm. Hatte er doch etwas Falsches gesagt? Aber sie lächelte doch eigentlich sehr freundlich und entspannt. Entweder war sie eine sehr gute Schauspielerin - oder sie dachte einfach über das Gehörte nach. Valerian beschloß, einfach ein wenig abzuwarten. Sein Blick wanderte zu seinem Patron. War er eher zufrieden oder unzufrieden? Vielleicht hätte er vorher fragen sollen, ob er Germanien in positivem oder eher negativem Licht darstellen sollte? Aber wenn beabsichtigt war, daß sie dort heiratete, war es doch sicher besser, sie mit positiver Erwartung dorthin reisen zu lassen. "Und, wie gedenkst Du die unzähligen Stunden der Reise zu überbrücken? Wirst Du nette Begleitung und somit auch Unterhaltung haben?"

    Wieder mußte Valerian lachen. "Warte ab, wenn Du erst allein in einem schönen Haus lebst", er deutete mit einer Geste in die Runde, "und ausschaust wie ein Herr, dann wirst Du schon sehen, wie die Frauen Dir hinterher schauen." Immerhin konnte Marhabal ja das Leben genießen, so lange er noch kein Soldat war.


    "Ja, ich habe eine Schwester. Doch sie lebt in Mogontiacum. Sie ist mir damals gefolgt, als ich mich dort zur Legion gemeldet habe. Aber als ich dann zu den Praetorianern kam, folgte sie mir nicht mehr. Sie blieb dort. Ich mache mir durchaus Sorgen um sie, doch ein guter Freund von mir schaut hin und wieder nach ihr. Ich glaube nicht, daß sie unangekündigt herkommt. Sie wird vorher Nachricht schicken. Aber natürlich werde ich ihr auch von Dir berichten. Und auch von der Renovierung. Vielleicht lockt ein frisch renoviertes Haus sie ja heim?" Er hoffte es. Denn sie so fern zu wissen, belastete Valerian sehr. Er vermißte die Gespräche mit ihr. Und nicht zuletzt sorgte er sich, denn es würde lange dauern, bis er erfuhr, wenn etwas geschah. Und helfen konnte er ihr im Grunde gar nicht.


    Als Marhabal den Garten sah, schien er seine Worte zu bereuen. Was Valerian ihm keineswegs verübeln konnte. "Du bist zu nichts verpflichtet, Marhabal. Aber wenn Du Dich entschließt, den Garten in Angriff zu nehmen, dann stelle ich Dir auch die nötigen Mittel zur Verfügung. Naja, soweit ich dann noch genug habe." Die Renovierung war ja nicht billig.

    Lachend schlug Valerian Marhabal auf die Schulter. "Frauen? Also ich bitte Dich, ein stattlicher Mann wie Du wird sicher bald viele Verehrerinnen haben. Ich habe gehört, Frauen stehen auf Männer mit angegrauten Schläfen." So wie sie auf Uniformen standen. Wäre sein Herz nicht noch völlig von Philogena gefangen, hätte er vielleicht auch Augen für all jene hübschen Mädchen, die ihm hinterherschauten, wenn er in Rüstung durch die Stadt marschierte, um zum Palast zu gelangen.


    "Es gibt vier Schlafzimmer, ein Tablinum, ein Triclinium, einen Wirtschaftsraum, Sklavenunterkünfte und hier die Culina. Mein Zimmer ist das neben dem Tablinum." Er trat in das Atrium und führte Marhabal dann in einen Raum nach dem anderen. "Dieses Zimmer wurde von meiner Schwester genutzt, vielleicht wäre es ganz gut, es für sie zu reservieren. Vielleicht kommt sie ja doch mal wieder zurück nach Rom." Er wollte die Hoffnung nicht aufgeben, daß Valentina eines Tages heimkehrte.


    "Du möchtest Dich des Gartens annehmen? Das wäre wirklich gut. Warte, schauen wir mal, wie es dort ausschaut." Sie durchschritten das Tablinum, in dem die Möbel wie in allen anderen Räumen auch mit Tüchern abgedeckt waren, und öffneten die Tür zum Garten. Wie erwartet, herrschte hier ziemliches Chaos. Die einst weißen Bänke sahen schmuddelig aus und waren halb überwachsen. Der Brunnen war völlig vermoost und nur eine schmutzige Pfütze, wohl von Regenwasser, befand sich darin. Die Bäume waren offensichtlich ewig nicht geschnitten, ebenso wie die Büsche. Wäre es nicht noch so früh im Jahr, würde vermutlich alles mit Unkraut überwuchert sein. "Bist Du sicher, daß Du Dich daran auslassen willst?"

    Valerian lachte amüsiert. "Was, keine Orgien? Jetzt enttäuscht Du mich aber." Bisher schien ihn sein Gefühl nicht zu täuschen, was diesen Marhabal angeht. Ob das auch wirklich so war, konnte er zwar erst wirklich beurteilen, wenn der Mann eine Weile hier wohnte, aber im Moment war sich Valerian doch ziemlich sicher, keinen Fehler zu machen.


    Auch über Marhabals Tatendrang mußte Valerian lachen. "Ich dachte, Du wolltest Dir vielleicht erst alles anschauen. Achja, ich würde Dir auch gerne zeigen, welches mein Zimmer ist. Bei den anderen hast Du freie Wahl, aber meins würde ich gerne behalten, auch wenn ich es im Moment nicht nutzen kann. Die Handwerker werden übrigens ab übermorgen hier anrücken." So war es mit dem Bauunternehmer zumindest abgesprochen. "Und ja, es gibt einen kleinen Garten. Der dürfte ziemlich verwildert sein inzwischen."

    "Oh, Du könntest wilde Orgien feiern, das Atrium verwüsten, die Möbel zerschlagen und den Garten zerwühlen." Valerian lachte und nur kurz schoß ihm der Gedanke durch den Kopf, daß er Marhabal am Ende mit diesen Worten auf dumme Ideen brachte. Aber nein, er ging eigentlich nicht davon aus, daß er es mit einem solchen Menschen zu tun hatte. Auch wenn es davon mehr gab, als man so annehmen sollte.


    "Was sollten die Nachbarn denn dagegen haben? Solange Du Dich ordentlich benimmst, wird niemand ein Problem mit Deinem Stand haben. Und wenn sie ihre Mäuler zerreißen", er lachte, "dann haben wir ihnen wenigstens mal neuen Gesprächsstoff verschafft. Würde doch für diese armen Menschen nur langweilig. Findest Du nicht?" Das war hier schließlich nicht so eine piekfeine Gegend wie die, wo die Tiberier wohnten.


    "Oh, ein paar Vorräte sind noch da, schau. Das Getreide sieht noch brauchbar aus. Naja... was immer das hier war, eher nicht. Dafür ist das Holz garantiert gut abgelagert. Hm, ob der Wein hier wohl noch was ist? - Ja, einkaufen wirst Du noch müssen. Aber der Kochbereich sieht in Ordnung aus, das Geschirr auch. Nach der Latrine und dem Wasseranschluß werden wir noch schauen müssen."

    "Unsere Familien sind schon lange miteinander befreundet. Und er war in all den Jahren immer zuverlässig. Manchmal muß man auch einfach Vertrauen schenken, um dann auch entsprechend positive Erfahrungen zu machen. Es ist ja auch ein Wagnis, Dir das Haus anzuvertrauen, nicht wahr? Was weiß ich schließlich über Dich?" Es konnte auch schiefgehen, das wußte Valerian sehr wohl. Aber so viele wertvolle Dinge gab es hier im Haus nicht. Von daher hielt sich das Risiko in Grenzen. Außerdem wollte Marhabal den Ärger nicht erleben, den Valerian ihm machen konnte.


    "Mir genügt es auch vollkommen. Man kann hier gut leben, die Nachbarn sind in Ordnung und der nächtliche Verkehr hält sich hier in Grenzen. Was will man schon mehr? Ein größeres Haus würde nur noch mehr Mühe machen, sauberzuhalten. Laß uns mal schauen, wie die Küche so ausschaut, ob wir da etwas besorgen müssen, damit Du Dich versorgen kannst."

    Es war eine große Erleichterung für Valerian, daß sie nicht gleich aus ihrer Umarmung floh. Fast schon hatte er damit gerechnet. Aber sie bleib, wo sie war und ließ sich von ihm halten. Der Schmerz in seinem Inneren pochte weiterhin und er wußte nicht, ob er wirklich fertig bringen würde, was sie sich wünschte: Freundschaft. Er liebte sie. Konnte man das einfach abstellen? Abändern in eine Freundschaft? Für sie wollte er das versuchen, doch er traute sich selbst nicht so weit, daß er wagte, daran zu glauben.


    Als sie ihr Gesicht hob und ihn anblickte, hob Valerian eine Hand, um ihre Tränen sanft von den Wangen zu wischen. "Weine nicht, Philogena. Du wirst mich nicht verlieren. Niemals. Und irgendwann... werde ich es schaffen, das für Dich zu sein, was Du Dir von mir wünschst. Bitte weine nicht. Du wirst glücklich werden, ganz bestimmt. - Darf... darf ich Dich nach Hause begleiten? Bitte... ich würde es nicht ertragen, wenn Dir etwas zustoßen würde. Ich kann Dich nicht einfach ganz allein lassen, hier in der Stadt."

    Valerian lachte und zuckte mit den Schultern. "Die mit den losen Mundwerk sind mir ohnehin die liebsten. Von denen erfährt man wenigstens etwas. Und solange Du keinen ausgesprochenen Hochverrat begehst, brauchst Du wirklich nichts zu befürchten." Warum nur immer alle meinten, sie seien in Gefahr, nur weil ein Praetorianer ihnen zuhörte? Daß mal über den Staat geschimpft wurde, war doch völlig normal. Solange eben gewisse Grenzen nicht überschritten wurden. Wie zum Beispiel den Kaiser zu beleidigen.


    "Die letzten Jahre waren für unsere Familie nicht die besten. Aber es ist nicht das Ende. Noch gibt es uns und ich werde schon dafür sorgen, daß unser Zweig der Quintilier nicht ausstirbt. Ah, dort hinten ist es schon. Das Haus dort." Er zeigte auf ein Haus, das tatsächlich einen neuen Anstrich gebrauchen konnte.

    Valerian hatte zuerst den Schlüssel von einem Nachbarn holen müssen, der hin und wieder nach dem Rechten sah. Doch nun schloß er die Eingangstür auf und führte Marhabal in das Haus. Man sah dem Haus an, daß es schon ein paar Jahre nicht mehr bewohnt war. Doch es war regelmäßig gelüftet worden und auch die Staubschicht hielt sich in Grenzen, da immer mal jemand sauber gemacht hatte. "Nun, das ist es also. Nicht übermäßig hochherrschaftlich, aber auch nicht übel. Ich kann das Haus ja nicht nutzen, da ich verpflichtet bin, in der Castra zu wohnen. Schau Dich nur um." Er machte eine Geste, mit der er den Besucher einlud, keine Scheu zu haben.

    Valerian legte den Kopf schief und grinste breit. "Och... nicht sehr bestimmt. Zu einigen Dingen und Personen eben die Augen und Ohren offen halten. Und meine Leute ablaufen und hören, was sie so herausgefunden haben." Er machte gerne Dienst auf der Straße. Vielleicht, weil er nicht so furchtbar oft dafür eingesetzt wurde. Meistens war er im Palast zu finden. Nicht, daß ihm das keinen Spaß machte. Als Optio ging man dort viel herum und mußte nicht dauernd regungslos herumstehen.


    "Na, dann wirst Du Dich dort bestimmt wohl fühlen", lachte Valerian, als Marhabal erklärte, daß er selbst auch etwas derb wäre. "Vor allem wird es Dir helfen, Dich durchzusetzen. Manche der erfahreneren Kameraden gehen schon ziemlich hart mit den Neulingen um. Na, da Du nicht mehr grün hinter den Ohren bist, würde sich das bei Dir wohl eh eher in Grenzen halten." Auch er leerte erst seinen Becher, bevor er sich erhob und bezahlte.


    "Dann komm und sieh es Dir an. Und erwarte bitte nicht zuviel. Wir sind nie besonders reich gewesen. Und von der Familie ist kaum noch etwas übrig." Traurig war das. Die Familienmitglieder konnte man an einer Hand abzählen.


    Sie traten auf die Straße und Valerian deutete in eine Richtung. "Hier geht's lang."

    Eigentlich hatte er schon damit gerechnet, daß sie ihn von sich stoßen würde. Und daß sie von ihm fordern würde, sie in Ruhe zu lassen. Aber unerwartet lehnte sie sich doch an ihn und ließ sich von ihm halten, während das Schluchzen gar kein Ende nehmen wollte. Ihr Kopf ruhte an seiner Schulter und er fühlte sich plötzlich warm und stark in seinem Inneren. Auch wenn er genau wußte, daß dieses Gefühl Selbstbetrug war, denn daß sie sich anlehnte bedeutete ja keineswegs, daß sich irgendetwas geändert hätte. Doch es war trotzdem schön, sie zu halten und zu trösten. Und noch schöner war es, ihre Worte zu hören. Zu hören, daß sie ihm nicht weh tun wollte, auch wenn sie es trotzdem tat.


    "Das... das weiß ich doch. Das weiß ich doch", flüsterte er leise und hielt sie einfach weiter fest. Nur leicht. Jederzeit konnte sie sich aus seiner Umarmung befreien, er wollte sie schließlich nicht bedrängen. "Und ich Dir auch nicht, Philogena. Ganz bestimmt nicht. Ich... ich möchte, daß Du glücklich bist. Und wenn Du es bei Crassus bist, dann... dann soll es so sein. Habe ein schönes Leben mit ihm. Und hin und wieder... hin und wieder denk an mich wie an einen fernen Verwandten. Denn... ein Teil meines Herzens wird immer bei Dir sein. Egal was geschieht. Es war ein schöner Traum, der schönste überhaupt. Und er war es wert, geträumt zu werden."

    Es war schon amüsant zu sehen, wie Marhabal auf diese Eröffnung reagierte. Und es war schon verständlich, daß er erst einmal einen tiefen Schluck nahm. Valerian grinste breit. "Nur ein Teil unserer Aufgaben erfordert eine Uniform. Und gerade das macht unsere Arbeit so spannend. Und glaube mir, im Sommer ist das auch wesentlich angenehmer so." Ja, da briet man ziemlich vor sich hin, vor allem bei der Wache am Palasttor. Dort durfte man sich nicht im geringsten gehen lassen. Und die schwarze Rüstung tat ihr übriges, um das Leben zu erschweren, wenn die Sonne darauf prallte.


    "Die Legio II ist eine tolle Truppe, das kannst Du mir glauben. Und Germanien ist lange nicht so unangenehm, wie alle erzählen. Gut, im Winter kann es recht ungemütlich werden. Da frieren einem die Füße, die Ohren und die Nase einfach so ab. Aber ansonsten... Das Land ist sehr grün, die Leute angenehm offen und gemütlich, wenn auch etwas derb. Nur das Bier ist einfach scheußlich." Er lachte und nahm lieber noch einen Schluck aus dem Becher. Die meisten der Kameraden hatten das Zeug ja gemocht. Er war einer der wenigen gewesen, die beim Wein blieben, auch wenn er teurer war.


    "Sicher kann ich Dir ein Empfehlungssschreiben geben, sobald Du die Voraussetzungen für die Legion erfüllst. Mein bester Kumpel ist inzwischen Centurio. Wenn ich Dich ihm empfehle, gibt das auf jeden Fall Pluspunkte." Auch wenn er schon lange nichts mehr von Drusus gehört hatte. Hoffentlich ging es ihm gut. "Also, wollen wir uns dann mal mein Häuschen anschauen?"

    Na, damit hatte Marhabal natürlich recht. Bei der Legion konnte man nur wenige Dummheiten machen. Und wenn, folgte die Strafe sogleich, wie ein paar Narben auf seinem eigenen Rücken bezeugen konnten. Er erinnerte sich noch gut an jenen Abend, als er mit Drusus betrunken ins Castellum zurückkam. Und dann ein Unglück dem anderen folgte, - bis sie den Stock des Centurios zu spüren bekamen. Aber wenigstens war damit alles erledigt gewesen.


    Sie stießen an und tranken auf ihrer beider Zukunft. Und dann kam die Frage, mit der Valerian schon seit einer Weile gerechnet hatte. Einen Moment lang überlegte er zu lügen. Doch dann entschied er sich für die Wahrheit. "Ich bin Soldat", grinste er breit und nahm gleich noch einen Schluck. Dabei beobachtete er die Regungen im Gesicht seines Gegenübers sehr genau."Und eigentlich sogar gerade im Dienst. Ich bin Optio bei den Praetorianern. Begonnen habe ich meine Laufbahn bei der Legio II Germanica in Mogontiacum. - Und ich habe Jahre gespart, um mir diese Renovierung leisten zu können. Wie ich schon sagte: Reich wird man nicht als Soldat."