Beiträge von Lucius Quintilius Valerian

    Valerian mußte unwillkürlich grinsen, na der war wirklich auf Zack, der Germane. Da so ein Angriff von oben genau das war, was Valerian auch gemacht hätte, riß er rechtzeitig sein Scutum hoch, so daß Eburnus' Angriff daran abprallte und zog gleichzeitig sein Gladius wieder zurück. Er nahm sich nur einen Augenblick, seine Deckung zu prüfen, dann versuchte er einen erneuten Vorstoß, diesmal seitlich. Nur keine Zeit geben, über irgendetwas nachzudenken.

    Oh, dann war die Provinz doch fortschrittlicher, als Valerian gedacht hatte. Doch wenigstens Giraffen hatte Eburnus nicht erwähnt und die sahen ja wirklich ungemein exotisch aus. "Naja, ich bezweifle, daß sich jemand Kamele hält, die stinken so. Oder Elefanten, die sind einfach zu groß undmachen alles kaputt. Aber Löwen- und Tigerbabys. Natürlich nur, solange sie klein sind und kuschelig und süß. Reiche Leute sind verrückt. Hauptsache sie haben etwas, was andere nicht haben. Ich finde, solche Tiere gehören in den Circus." Er konnte nur den Kopf schütteln über so viel Unvernunft. "Es soll sogar Leute geben, die sich Krokodile halten."

    Valerian lächelte bei der Aufmunterung. "Nun, dann verlasse ich mich mal auf Deine Worte. Aber Du hast recht, die schwarze Uniform wirkt tatsächlich Wunder, das ist mir schon einige male aufgefallen." So manche Blicke folgten ihnen auf dem Weg zur Castra.


    Er erhob sich, denn es war wirklich Zeit, sich zu verabschieden. "Du bist sehr freundlich. Ich komme gerne einmal wieder vorbei. Und stehe Dir, wie schon gesagt, nach Kräften zur Verfügung. Mögen die Götter über Dich und die Deinen stets wachen." Er wandte sich der Tür zu, um zu gehen.

    Es war noch früh am Morgen, sehr früh am Morgen, als die Männer der fünften Kohorte sich nach und nach auf dem Campus einfanden. In voller Montur natürlich. Jeder kannte seinen Platz. Auch wenn es am Anfang noch etwas chaotisch aussah, so füllten sich die Reihen recht rasch und immer mehr war die Ordnung nach Centurien zu erkennen, je mehr Männer den Platz betraten. Valerian unterdrückte ein Gähnen. Wegen des Befehls waren sie etwas früher aufgestanden, damit die Zeit wenigstens noch für ein ordentliches Frühstück reichte. Denn man wußte ja nie, was einen erwartete. Einfach nur eine Rede oder ganztägiger harter Drill oder am Ende sogar ein Einsatz. Besser, man war auf alles vorbereitet.

    Valerian hielt ihre Hand einfach noch eine Weile fest und blickte ihr lächelnd in die Augen. "Ich danke Dir. Für den schönsten Tag seit meiner Rückkehr nach Rom. Ganz gewiß sehen wir uns wieder. Bis dahin wünsche ich Dir alles Gute. Vale, Purgitia Philogena."


    Nun ließ er ihre Hand doch los. Besser war das, immerhin konnte irgendwer von ihrer Familie ihnen zusehen. Und er hatte ihre Hand schon viel zu lange festgehalten. Entschlossen drehte er sich um und ging davon. Er mußte sich zwingen, nicht nochmal zurückzuschauen und ihr zuzuwinken. Nein, das ging wirklich nicht. Leider.


    Während er mit schnellen Schritten den Weg zurück zur Castra marschierte, waren seine Gedanken noch ganz bei diesem verzauberten Nachmittag. Daß es Ärger gegen könnte deswegen, das störte ihn nicht. Dies war alles wert, was es auch sein mochte.

    Valerian zuckte die Schultern und grinste schief. "In sechzehn Jahren wird es sicher auch noch wunderbare Frauen geben. Fragt sich nur, ob sie dann noch etwas von mir wissen wollen." Irgendwie hatte Valerian das Gefühl, daß das Gespräch sich dem Ende zuneigte. Balbus fragte nichts mehr und teilte ihm auch nichts mehr mit. Das Essen schien auch beendet. Er war sich nicht sicher, ob es an ihm war, den Abschied einzuläuten. Immerhin war Balbus der höherrangige. Doch die zuletzt etwas kurzen Antworten konnten ein Wink mit dem Zaunpfahl sein. "Das hier war wirklich ein wunderbares Essen. Ich danke Dir sehr für die Einladung. Und noch mehr für das Schwert. Wann immer ich etwas für Dich tun kann, Du brauchst es nur zu sagen."

    So langsam kamen sie in Fahrt, doch noch hatte es keine ernsthaften Attacken gegeben. Auf keiner Seite. Valerian fand aber, daß sie langsam mal richtig anfangen konnten. Er kontrollierte seine Deckung, dann versuchte er einen tief angesetzten Vorstoß. Die meisten Kämpfer neigten dazu, ihre Beine ungedeckt zu lassen, so waren diese ein gutes erstes Ziel. Zwar kein tödliches, doch gleich einen tödlichen Treffer landen zu können, das war ohnehin eher der seltene Fall.

    Valerian lachte. "Na, wenn ihr Germanen selbst schon nicht da durchsteigt, dann brauche ich mich ja nicht zu sorgen, wenn ich die Stämme nicht alle kenne und manchmal sogar verwechsele. Das mit den unterschiedlichen Sprachen ist aber unpraktisch. Kein Wunder, daß so wenig Einigkeit zwischen den Germanen herrscht, wenn sie auch noch unterschiedliche Sprachen haben." Und ein Wunder, daß Arminius damals hatte so viele Stämme vereinigen können.


    "Na, dann laß Dich mal überraschen. Ich freue mich schon darauf, Dein Gesicht zu sehen, wenn Du die großen Bauwerke siehst. Und die Märkte. Man kann hier einfach alles kaufen. Aus aller Welt. Und dann die Tiere aus fernen Ländern. Löwen, Tiger, Giraffen, Kamele..." Ja, das alles hatte Eburnus vermutlich auch noch nie gesehen.

    "Aber es ist manchmal wirklich schwer. Gerade wenn man weiß, daß eine ernsthafte Beziehung nicht möglich ist, begegnen einem die wunderbarsten Frauen. Als ob die Götter einen foppen wollten." Er seufzte und trank noch einen Schluck, denn sein Hals war vom Hustenanfall noch etwas kratzig.

    Valerian mußte lachen, als er bemerkte, daß das Kätzchen eingeschlafen war auf ihrem Arm. Schien wohl ein ausgesprochen angenehmer Ort zu sein und er mußte zugeben, daß er das kleine Tierchen um dieses Privileg beneidete.


    "Nun, dann komme ich auf jeden Fall! Ich kann Dir nur noch nicht sagen, wann. Und ... nunja, natürlich kann ich Post empfangen und verschicken." Er wurde ein wenig rot, als er das sagte. Hoffentlich fand sie ihn jetzt nicht zu dreist. "Und ich würde nicht eine Sekunde zögern, Dich wieder von einem Baum zu holen! Trotzdem wäre es natürlich schöner, wenn wir auf diese Sporteinlage verzichten könnten." Er lachte, denn inzwischen konnte er der Angelegenheit eigentlich nur noch Spaß abgewinnen.


    "Meinst Du wirklich, ich brauche noch einen Grund?", fragte er schließlich und blickte ihr direkt in die wunderschönen Augen. "Es ist wirklich sehr schön gewesen. Doch... ich fürchte, ich muß jetzt gehen. Habe noch einen schönen Tag, Purgitia Philogena. Mögen die Götter Dir stets zur Seite stehen." Einer plötzlichen Eingebung folgend, ergriff er ihre Hand und drückte sie einen Moment lang sanft.

    Ernennung zum Centurio! Da verschluckte sich Valerian doch glatt an dem ausgeszeichnten Wein, von dem er gerade einen Schluck genommen hatte. Ob er diesen Rang wohl je erreichen würde? Er war sich nicht sicher, ob er wirklich geeignet war als Offizier.


    Als er ausgehustet und sich etwas beruhigt hatte, ging er lieber auf die zweite Bemerkung seines Patrons ein. "Ja, das ist mir durchaus bewußt. Aber ich finde das nicht sehr fair der Frau gegenüber. Die Beziehung kann erst nach Ende der Dienstzeit legitimiert werden. Sie lebt also im Grunde in Unehre. Und was noch schlimmer ist: Sie hat keinerlei Ansprüche, wenn mir etwas geschieht. Eigentlich möchte ich das keiner Frau - und noch weniger meinen Kindern - antun." Ob er da zu empfindlich war? Vielleicht sollte er wirklich versuchen, es zum Centurio zu bringen.

    Die Erleichterung und die Freude waren Valerian durchaus anzusehen. Natürlich hieß das immer noch nicht, daß sein Wunsch erfüllt wurde. Doch es war ein guter Anfang und er hoffte, hoffte sehr, daß die Göttin den Kaiser retten konnte. "Ich danke Dir, Aufidius Lurco, für Deine Hilfe und Führung. Und vor allem für Deine Geduld. Habe ich nun noch etwas zu tun?" Er glaubte das zwar nicht, doch ganz sicher war er sich da nicht.

    Auch Valerian ging in Kampfposition und achtete sorgfältig auf seine Deckung. Dann stieß er mit den Gladius blitzschnell vor. Natürlich rechnete er nicht damit, gleich durchzukommen. Doch der Kampf mußte ja erstmal in Schwung kommen. Ein einfacher Gegner war Eburnus ganz sicher nicht, davon hatte er sich vorhin schon überzeugen können.

    "Oh, entschuldige. Da habe ich Dich wahrhaftig falsch verstanden. Wenn ich ehrlich bin, so steige ich nicht so wirklich durch die verschiedenen Stämme durch. Von den ganz großen habe ich natürlich gehört, den Cheruskern, den Brukterern, den Hermunduren, Chatten und so weiter. Aber mit den Namen erschöpft sich mein Wissen schon so ziemlich." Für die Mutter war es sicher trotzdem schlimm gewesen, daß ihr Stamm vernichtet worden war.


    Die Ausrüstung war in Ordnung, gegessen hatte er auch. Valerian streckte sich auf seiner Pritsche aus, ohne aber die Unterhaltung einzustellen. "Was interessiert Dich an Rom eigentlich am meisten?" Jeder, der nach Rom kam, brachte eigene Vorstellungen davon mit, was er wohl vorfinden würde.

    Valerian lächelte. "Nur weil Du einen Sklaven die Einkäufe tragen läßt, heißt das doch nicht, daß Du nicht auch freundlich zu ihm sein kannst. Aber Deine Einstellung spricht auf jeden Fall für Deine Herzenswärme", stellte er fest und wurde wahrhaftig ein wenig rot. War das nicht schon ein klein wenig zu dreist gewesen? "Bitte verzeih, ich bin vermessen. Wer bin ich, Dir da dreinzureden? Das war auch eigentlich gar nicht meine Absicht." Sie erreichten die Straße, in der die Villa des Senators lag. "Schau, da hinten ist Dein Haus." Er deutete die Straße hinunter und setzte sich in diese Richtung in Bewegung.


    "Leider kann ich meistens nicht allzu frühzeitig sagen, wann ich Zeit habe. Wie wäre es, ich komme bei nächster Gelegenheit einfach mal bei Dir vorbei? Vielleicht paßt es ja und Du hast auch gerade Zeit." Er erwiderte ihr offenes Lächeln. Auch wenn einkaufen nicht ganz seine Lieblingsbeschäftigung war, so war es doch schön, mit ihr Zeit zu verbringen. Nicht mehr natürlich. Er war Soldat, alle weitergehenden Gedanken waren unmöglich. Noch ganze 16 Jahre lang. Er begann wirklich, dies zu bedauern. In kurzer Zeit war es schon das zweite mal, daß er dies bedauerte.


    "Das ist sehr freundlich von Dir, mir beistehen zu wollen. Bestimmt wird dies nicht nötig sein. Und bestimmt wird auch niemand von mir verlangen, so weit ins Detail zu gehen. Es wird sicher genügen zu sagen, daß es mir möglich war, Dich aus einer... unschönen Situation zu holen. Das reicht bestimmt." Obwohl er eigentlich nichts schlimmes daran fand, daß sie sich in einem Baum verstiegen hatte. Das war schon ganz anderen passiert.


    "Auch wenn es Dir sicher unangenehm war... Ich bin froh, daß es uns Gelegenheit gab, uns kennenzulernen. Das wäre sonst bestimmt nie geschehen. Daher bin ich diesem Kätzchen wirklich dankbar. - Wir... wir sind da." Er blickte in ihre wunderbar leuchtenden Augen und fühlte Bedauern in sich aufsteigen. Nun mußte er sich verabschieden.

    Valerian führte den Legaten zum Besprechungsraum und blieb dann als zusätzliche Wache an der Tür. So war es vom Centurio angewiesen, sobald alle geladenen Gäste anwesend waren. Und das war nun ja der Fall, wenigstens nach der Liste, die sie erhalten hatten. Nicht daß jemand annahm, es würde etwas schlimmes geschehen und deshalb wären mehr Wachen notwendig. Nein, er sollte vielmehr bereitstehen, falls ein Bote gebraucht wurde. Und natürlich, um die Gäste nach Ende der Besprechung zum Tor zurückzuführen, da die regulären Wachen beim Kaiser bleiben sollten.


    Schade war nur, daß er hier draußen nicht hören konnte, worum es ging. Es wäre schon ziemlich interessant, einmal zu hören, was die hohen Herrschaften so zu besprechen hatten.

    Valerian kam seiner Pflicht respektvoll, aber dennoch gründlich nach. Dann nickte er. Es war natürlich alles in Ordnung. Bisher war immer alles in Ordnung gewesen. Doch wäre es das auch, wenn diese Durchsuchungen nicht erfolgen würden? "Wenn Du mir dann bitte folgen würdest?" Er ging voran, während die Kameraden weiterhin das Tor bewachten. Die meisten der Besucher kannten die Wege ohnehin. Doch auch das war kein Grund, sie allein durch das Palastgelände laufen zu lassen. Bald hatten sie den Raum erreicht, in dem die Besprechung stattfand.

    "Salve, Legatus", grüßte Valerian zurück und salutierte respektvoll vor dem Ranghöheren. Das war also der Legat der Prima, Tiberius Vitamalacus. Bisher hatte Valerian nur von ihm gehört, ihn noch nie selbst getroffen. Und so war er durchaus beeindruckt. Trotzdem vergaß er darüber seine Pflichten nicht.


    "Selbstverständlich", nickte er, denn die Liste der geladenen Gäste hatten sie ja im Vorfeld erhalten. "Wenn Du erlaubst? Ich bin verpflichtet, Dich auf Waffen hin zu überprüfen." Er mußte auch den Legaten auf Waffen untersuchen, so waren eben die Vorschriften, die dem Mann sicherlich bekannt waren. So trat er also auf den Legaten zu, um seine Pflicht zu erfüllen.

    Valerian sah das Schwert fliegen und duckte sich unwillkürlich, doch es verfehlte ihn zum Glück weiträumig. Das sah nicht gut aus für Eburnus. Gar nicht gut. Doch sein Gegner war schon zu siegesgewiß, lachte sogar und verließ sich allzusehr auf seine Überlegenheit gegenüber einem Unbewaffneten. Ihm hätte klar sein müssen, daß jeder alles versuchen würde, um sein Leben zu retten, auf das es ja im Ernstfall ankam. Und tatsächlich fand Eburnus die Schwachstelle und zog einfach dem anderen die Füße weg. Ja, das kam davon, wenn man das Scutum allzu hoch hielt. Ein Fehler, auf den ihn ein Veteran schon vor längerem aufmerksam gemacht hatte. Die Beine anzugreifen konnte einem einen klaren Vorteil einbringen.


    Und schon lag der Mann am Boden, Eburnus auf ihm drauf. Der Sieg war klar. Während Eburnus dem Kameraden auf die Füße half, holte Valerian das verlorene Gladius, um es Eburnus zu reichen. Er lachte. "Glückwunsch, das war echt ne Leistung! Im Krieg und in der Liebe ist eben alles erlaubt und muß mit allem gerechnet werden. Wollen wir zwei es auch mal probieren?"

    "Vermieten? Du meinst, eine Art Pension eröffnen?" Valerian war versucht, sofort abzuwehren und nein auszurufen, doch er wollte dem Gedanken wenigstens eine Chance geben. "Wenn wenigstens ein Mann dabei wäre. Also, mal abgesehen von dem Sklaven. Ich weiß eben nicht, inwieweit Bashir zuverlässig ist. Bisher ist Valentina von seiner Treue absolut überzeugt. Doch ich... ich frage mich einfach, wie ein ehemaliger parthischer Soldat ein zuverlässiger Sklave sein kann. Ich glaube kaum, daß ich ein zuverlässiger Sklave wäre." Vermutlich war das das große Problem, daß er selbst an Bashirs Stelle ganz anders wäre.


    Doch dann erzählte Eburnus von seiner Familie und seinem Stamm. "Du meinst, Dein Stamm ist vernichtet worden? Das... das tut mir wirklich leid. Und das alles... das erklärt natürlich die Größe eurer Gens. Die Chauken... wo habe ich den Namen dieses Stammes nur schon mal gehört? Von den Amsi...Ampsi..variern? Entschuldige, das Wort ist nicht ganz einfach. Also von ihnen habe ich noch nie gehört."