Beiträge von Lucius Quintilius Valerian

    "Wenn man die Wahl hat und Rom ist eine der Möglichkeiten, dann fällt die Wahl wahrhaftig nicht schwer", grinste Valerian. Er war ja damals auch nicht so ganz freiwillig aus Rom fortgegangen. Aber es war eine gute Entscheidung gewesen. Denn sie hatte ihn letztendlich wieder hierher zurückgeführt.


    "Was immer Du über Germanien wissen möchtest, werde ich Dir gerne berichten. Habe noch einen schönen Tag und paß auf Deine Börse auf! Vale!" Valerian hob noch einmal grüßend die Hand. Dann reihte er sich wieder in die Patrouille ein und schon ging es weiter in Richtung Kaiserpalast.

    Seit der Grundausbildung hatte niemand mehr den Takt angesagt und Valerian mußte sich ein Grinsen verkneifen. Praetorianer grinsten nicht, wenn sie durch die Straßen marschierten. Er dachte an den Übungsmarsch damals, als Crispus das alte Soldatenlied von dem Mädchen in Clusium angestimmt hatte. Wie würde so etwas wohl hier in Rom wirken?


    Es war wirklich nicht leicht, nicht zu grinsen.


    Ah, es ging über das Forum! Wie lange war Valerian hier schon nicht mehr gewesen? Er empfand es als Nabel der Welt. Alles traf sich hier und hier war es, wo alles besprochen wurde, was irgendwie von Bedeutung war. Und eigentlich auch alles, was völlig bedeutungslos war. Wie oft hatte er mit seinen Freunden dort hinten unter dem Torbogen gesessen, lachend, scherzend und über Passanten lästernd. Er war doch noch ein ziemlicher Kindskopf gewesen, damals. Wo die anderen wohl inzwischen waren? Die würden sicher Augen machen, wenn sie Valerian jetzt sehen könnten. Ob sie ihn überhaupt erkennen würden? Er hatte sich schon ziemlich verändert. Fand er zumindest.


    Es war wirklich ein gutes Gefühl, in Rüstung und bewaffnet hier über den Platz zu marschieren. Eine ganze Centurie gar. Sie scheuchten einen Schwarm Tauben auf und sogar die ganz wichtigen Leute mit purpurgesäumten Togen gingen ihnen aus dem Weg.

    Valerian schüttelte entschieden den Kopf. "Nein, selbst wenn sie etwas gewußt haben sollten, sie sind allesamt vertrauenswürdige Männer und plaudern so etwas nicht aus. Also unsere.. ich meine, die von der Secunda auf jeden Fall. Mit den anderen haben wir ja gar nicht so viel geredet." Er persönlich ging ja davon aus, daß es in den Botschaften um den Treueschwur für Valerianus gegangen war. Der Statthalter würde das von allen Einheiten gefordert haben. Er hatte ja auch nicht gezögert, seinen eigenen Männern diesen Eid abzunehmen. "Manche haben ihr Ziel angegeben, aber nicht alle. Die von den anderen Einheiten kamen, haben eigentlich alle gesagt, woher sie kamen." Etwas wirklich verwertbares konnte er den beiden Männern eher nicht sagen. Boten waren ja nunmal Boten, weil sie nicht gleich alles an jeden ausplauderten.

    Valerian runzelte nachdenklich die Stirn. "Natürlich haben wir schon mal das eine oder andere Wort gewechselt. Aber das war belanglose Plauderei." Er bezweifelte, daß irgendeiner der Boten gewußt hatte, was der Inhalt seiner Botschaften war. Außerdem fand er es angesichts der durch den Tod des Kaisers entstandenen Situation ziemlich normal, daß Boten hin- und hergeschickt wurden. Doch da er nicht wußte, worauf die ganze Sache hinauslaufen sollte, beantwortete er schlicht die Fragen. War nicht eigentlich auch Balbus noch bei der Ala gewesen, als das alles losging? Dann müßte er doch wissen, was in diesen Botschaften gestanden hatte, er hatte doch sicher auch eine bekommen? Valerian war sich nicht ganz sicher.

    Valerian überlegte einen Moment. "Von den anderen in Germanien stationieren Einheiten - zu denen waren auch Boten gesandt worden - und die Vertreter der Stadt. Also Mogontiacum. Die außerdem verstärkten Handelsbeziehungen zur Freya Mercurioque haben natürlich auch für einen deutlichen Anstieg der Besucherzahl gesorgt." Auch wenn letzteres für den princeps sicherlich eher uninteressant war.

    Valerian staunte nicht schlecht. Seine Zufallsbekanntschaft war demnach durchaus nicht ohne Einfluß! "Du warst bereits Duumvir?", fragte er beeindruckt. "Ja, Mantua sagt mir etwas. Ich war zwar noch nie da, habe aber schon einmal auf einer Karte gesehen, wo es ungefähr liegt." Allerdings gehörte Mantua nicht zu den Orten, die er unbedingt meinte, mal besuchen zu müssen. Doch das mußte er ja nicht sagen, schließlich wollte er Varus nicht beleidigen oder ärgern.


    "Ja, Rom ist schon etwas sehr besonderes. Ich bin auch froh, wieder hier zu sein. Erst jetzt, wo ich zurück bin, merke ich erst richtig, wie sehr ich Rom vermißt habe. In Germanien habe ich es gar nicht so unbedingt gemerkt. Es war dort nicht übel, aber hier ist es doch schöner." Er lächelte Varus an. "Du wirst Dir hier sicher auch noch einen Platz erarbeiten. Und ich bin mir sicher, daß wir uns wieder einmal treffen werden. Leider muß ich nun wirklich weiter. Es war nett, Dich kennenzulernen." Die Kameraden guckten schon recht finster drein. Und sie hatten recht: Sie sollten Patrouille gehen und nicht herumstehen und plaudern.

    Valerian nickte. "Seitdem der Tod des Kaisers bekannt wurde ganz deutlich." Es hatte schließlich eine Vielzahl an Besprechungen gegeben. Daß etwas wichtiges im Gange gewesen war, hatten sie am Tor schon längst gewußt, während alle anderen noch völlig unwissend waren.

    Auch bei dieser Frage zögerte Valerian nicht mit der Antwort. "Ich hatte normalen Lagerdienst und war zuletzt häufig zum Wachdienst an der porta praetoria eingeteilt, ich habe aber auch den einen oder anderen Botendienst erledigt." Im Winter gab es eben keine aufregenden Aufgaben zu erfüllen. Da war der Kampf gegen die Räuber im Herbst schon etwas anderes gewesen.

    Valerian wunderte sich zwar ein wenig über diese Frage, antwortete aber unverzüglich, ohne sich etwas anmerken zu lassen. "II. Cohorte, IV. Centurie, princeps. Mein centurio war zunächst Marcus Petronius Crispus. Nach seiner Ernennung zum primus pilus wurde dann Servius Artorius Reatinus mein centurio, der davor mein optio gewesen ist." Ausführlicher konnte man diese Frage wahrhaftig nicht beantworten. Und Valerian wurde immer neugieriger, worauf Balbus denn nun wohl eigentlich hinaus wollte.

    Valerian grinste. "Das gilt ja nur für den Anfang. Ich werde bestimmt bald Ausgang erhalten und dann können wir das gerne nachholen. Außerdem haben wir eigentlich niemals Langeweile, es gibt immer etwas zu tun: Training, Ausrüstung in Ordnung bringen... Ich wüßte nicht, wann ich das letzte mal nichts mit meiner Zeit anzufangen gewußt hätte." Es war ja nicht so, daß sie nicht aus dem Haus kamen. Ganz im Gegenteil. Eigentlich verbrachten sie den größten Teil des Tages auf dem Campus.


    "Es würde mich wirklich freuen, wenn wir uns außerhalb meines Dienstes einmal treffen könnten. Wenn Du so häufig in Rom bist, läßt sich das doch gewiß einrichten. Und es ist auch freundlich von Dir, diese Sache auf Dich nehmen zu wollen. Doch für meine Fehler muß ich schon selbst gerade stehen. Und ich kann auch immer noch nicht glauben, daß es ein derartig schlimmer Fehler sein soll, einen Dieb zu fassen. - Mach Dir mal keine Sorgen um mich, ich stehe das schon durch." Er grinste. Schließlich hatte er schon echt unangenehme Strafen hinter sich gebracht. Wenn er nur an damals dachte, als man Drusus und ihn angetrunken in einer kleinen Rauferei mit einem der älteren Legionäre erwischt hatte...


    "Darf ich fragen, was für einer Tätigkeit Du für gewöhnlich nachgehst?" Immerhin wußte Varus nun schon eine ganze Menge von ihm. Da erschien ihm die Frage nicht zu dreist.


    Ad
    Tiberius Iulius Drusus
    Legio II Germanica
    Mogontiacum
    Provincia Germania




    Salve Drusus!


    Nun endlich komme ich dazu, Dir zu schreiben. Es ist doch ein gewaltiger Unterschied zwischen dem Dienst bei der Garde und dem bei der Legio. Schon der Marsch hierher war die Härte, denn wir waren die ganze Zeit mit erhöhtem Marschtempo unterwegs. Kaum angekommen, mussten wir gleich antreten und dann wurde nochmal kräftig ausgesiebt. So mancher ist dabei noch auf der Strecke geblieben, das hätte sich wirklich nicht gedacht. Was für ein Glück, dass ich es geschafft habe, bleiben zu dürfen! Du kannst Dir nicht vorstellen, wie erschöpft ich an jenem ersten Abend war!


    Doch zu allererst: Wie geht es meiner Schwester und meiner Cousine? Noch hat mich kein Brief von ihnen erreicht und ich mache mir deswegen schon große Sorgen um sie. Sobald ich ein wenig Geld zusammengespart habe, möchte ich ihnen etwas schicken. Ich hoffe, sie halten so lange mit dem durch, was sie noch haben. Bei der Gelegenheit möchte ich Dir nochmals dafür danken, dass Du nach ihnen schaust und sie unterstützt.


    Der Kaiser ist noch nicht angekommen, doch es ist fast so, als würde ganz Rom den Atem anhalten bis zu seiner Ankunft. Es heißt, er ist Rom schon sehr nahe. Ich hoffe ja, dass ich bei seiner Ankunft auch eingesetzt werde, denn ich würde ihn schon gerne in die Stadt einziehen sehen. Doch ob ich als Neuling zu solchen Ehren komme, ist noch sehr fraglich. Dabei würde es mir schon reichen, irgendwo am Straßenrand zu stehen, und die Menge unter Kontrolle zu halten.


    Die Kameraden hier in meinem Contubernium sind ganz in Ordnung, doch eine so verschworene Gemeinschaft, wie ich sie von unserer alten Truppe kenne, haben wir hier nicht. Zumindest noch nicht. Ich hoffe ja, dass sich so etwas noch entwickelt.


    Bisher habe ich leider noch nicht oft Dienst in der Stadt gehabt. Hauptsächlich trainieren wir hier auf dem Campus. Ausgang gab es noch überhaupt nicht. Für Neulinge kommt das nicht in Frage. Ich frage mich allerdings, wann man endlich nicht mehr als Neuling gilt. Denn ich sehne mich schon danach, mal gemütlich durch die alten Straßen zu bummeln, über den Markt zu flanieren oder auf dem Forum den Reden der Wichtigtuer zuzuhören. Aber gut, irgendwann werden sie mich schon hier herauslassen.


    Und wie läuft es bei der Legio II? Geht es den alten Kameraden gut? Ist der Frühling endlich eingezogen?


    Ich hoffe, bald von Dir zu hören. Mögen die Götter stets über Dich wachen!


    Vale,


    Valerian


    Mogontiacum, ANTE DIEM XVII KAL MAI DCCCLVIII A.U.C. (15.4.2008/105 n.Chr.)




    Ad
    Tiberius Germanicus Probus
    Legio II Germanica
    Mogontiacum
    Provincia Germania




    Salve, Probus!


    Es ist doch ein gewaltiger Unterschied, ob man sich in Rom aufhält oder in Germanien. Hier pulsiert das Leben ganz anders als in der Provinz. Und das ist für mich zu spüren, obwohl ich kaum aus der Castra herauskomme. Für Neulinge gibt es nämlich keinen Ausgang und so komme ich nur dienstlich in die Stadt. Und selbst das ist noch höchst selten. Wir trainieren täglich sehr hart und man hat dabei das Gefühl, dass ständig gesiebt wird. Wer versagt, der muss gehen. Das ist schon eine ziemliche Belastung.


    Natürlich fiebert alles der Ankunft des Kaisers entgegen. Er soll sich schon kurz vor Rom befinden. Der Praefectus weiß gewiß schon mehr, doch es sickert leider so gar nichts durch. Ach, was würde ich dafür geben, bei der Ankunft des Kaisers dabei sein zu dürfen!


    Aber genug von mir! Wie geht es euch? Was macht Deine Grundausbildung? Müßte sie sich nicht langsam dem Ende zuneigen? Was ist mit Lupus? Ist der schon fertig? Ich schätze ja, dass er es seinem Cousin nachmachen und zur Legionsreiterei gehen wird. Frag ihn doch bitte mal, es würde mich wirklich interessieren. Achja, und richte bitte an alle aus der alten Truppe die herzlichsten Grüße von mir aus! Und wie macht sich eigentlich Drusus inzwischen als Nachwuchs-Schreihals?


    Ich muß gestehen, dass ich euch wirklich vermisse. Auch wenn es mich stolz macht, der Garde anzugehören, so vermisse ich doch das familiäre Gefühl unseres Contuberniums. Hier ist alles so ernst und streng. Kaum dass mal ein Spaß gemacht wird, nicht mal, wenn wir unter uns sind. Da werde ich noch hart dran arbeiten müssen, die Jungs hier ein wenig aufzutauen.


    Stell Dir vor, die Garde ist sich zu fein, sich um Taschendiebe zu kümmern. Gut, dass wir nicht unbedingt nach ihnen suchen, das sehe ich ja ein. Aber wenn direkt vor meiner Nase ein Diebstahl stattfindet, soll ich nicht eingreifen? Ich habe das getan und bin anschließend darauf hingewiesen worden, dass „die Garde sich um so was nicht kümmert“! Na, ich glaube ja nicht, dass meine Kameraden mich verpfeifen werden, weil ich darauf gedrängt habe, den Dieb zu schnappen und sonst war ja niemand dabei. Und so werde ich hoffentlich keinen Rüffel von oben deswegen erhalten.


    Bist Du eigentlich jemals im Palast gewesen? Man! Ich sage Dir, in diesem Labyrinth verlaufe ich mich bestimmt noch ein paar mal. Es ist wirklich nicht so leicht, sich dort zurechtzufinden. Gut, ein paar der häufig benötigten Wege waren einfach zu merken. Aber einige andere… Ich kann nur hoffen, dass ich es drauf habe, bis ich dafür eingesetzt werde, Besucher ins Innere des Palastes zu führen.


    So, mehr gibt es eigentlich gar nicht zu berichten. Laß bitte bald mal von Dir hören! Mögen die Götter stets über Dich wachen!


    Vale,


    Valerian


    Mogontiacum, ANTE DIEM XVII KAL MAI DCCCLVIII A.U.C. (15.4.2008/105 n.Chr.)


    Sim-Off:

    Bitte von der Familienwertkarte abbuchen!

    Valerian ließ sich von den prüfenden Blicken nicht beirren und hielt seinerseits seinen Blick ruhig auf den Princeps Praetorii gerichtet. Die Frage erstaunte ihn ein wenig, doch auch davon versuchte er sich nichts anmerken zu lassen. Vermutlich war dies eher eine rhetorische Frage und dazu gedacht, langsam auf das eigentliche Thema hinzuleiten. "Das ist korrekt, princeps", antwortete er daher schlicht und wartete gespannt ab, worauf Balbus wohl hinaus wollte.

    "Ganz wie Du möchtest." Valerian war im Grunde auch froh, daß so ein kleiner Kerl nicht an die Kollegen von den Stadtkohorten ausgeliefert wurde. Doch er beugte sich nochmal zu dem Jungen herunter. "Wir kennen Dich nun. Und glaube mir, wir werden Deine Beschreibung weitergeben. Wirst Du noch einmal beim Klauen erwischst, bist Du dran. Sieh zu, daß Du auf ehrliche Weise etwas zu beißen bekommst. - Du hast wirklich Glück, daß Du heute so einen netten Menschen beklaut hast." Der Junge blickte von Valerian zu Varus und wieder zurück zu Valerian. Er nickte zwar, doch Valerian war sich nicht sicher, ob der Kleine wirklich beeindruckt war. Kaum daß er losgelassen wurde, flitzte er auch schon davon. Es war mehr als zweifelhaft, daß sie ihn je wiedersehen würden.


    Kopfschütteln blickte er einen Moment lang dem Kind hinterher, dann wandte er sich wieder an Varus. "Ja, wir sind immer im Dienst. Aber irgendwann werde ich sicher auch mal Ausgang erhalten. Nur jetzt am Anfang halt noch nicht." Er grinste. "Wenn Du Dich häufiger mal auf dem Forum oder hier auf dem Markt herumtreibst, werden wir uns gewiß wiederbegegnen. Und mach Dir keine Sorgen. Selbst wenn es etwas Ärger gibt, was ich aber eigentlich nicht glaube, rausschmeißen werden sie mich deswegen bestimmt nicht." Schließlich hatte er nur jemandem geholfen. Und daß einer seiner Kameraden ihn verpfiff, glaubte er auch eigentlich nicht.

    "Nun, da Du Dein Geld wieder hast, was möchtest Du mit dem Bengel tun? Wenn Du möchtest, daß er bestraft wird, solltest Du ihn den Stadtkohorten übergeben." Es war noch ein recht kleiner Junge. Und doch offenbar schon durch und durch verdorben. Valerian musterte den Kleinen. Halb verhungert und abgerissen sah der Kleine aus. Doch ob Mitleid hier das richtige war? Aber es war nicht seine Sache, darüber zu entscheiden. Varus war der Geschädigte, sollte er sagen, was mit dem Jungen geschehen sollte.


    "Es ist sehr freundlich von Dir, Dich erkenntlich zeigen zu wollen. Doch trinken ist im Dienst nicht erlaubt und ich wüßte wirklich nicht, wie Du Dich sonst erkenntlich zeigen könntest. Uns genügt Dein Dank." Behauptete er einfach mal und vermied es, seine Kameraden dabei anzusehen. Bestimmt würde er heute Abend einiges zu diesem Thema zu hören bekommen.


    "Sehr erfreut, Dich kennenzulernen, Varus. Und ja, Du darfst gerne Valerian sagen. Nun, unsere Hauptaufgabe besteht darin, den Kaiser und seine Familie zu beschützen. Dazu gehört natürlich auch, die öffentliche Ordnung aufrecht zu erhalten... Naja, Diebstahl gehört wirklich nicht in unser Ressort, da hat mein Kamerad schon recht, das ist Sache der Cohortes Urbanae. Aber... es fällt mir eben schwer, bei so etwas einfach zuzuschauen. Ich bin noch neu bei den Praetorianern, verstehst Du? Bei der Legio II war es selbstverständlich, in so einem Fall einzugreifen. Na, ich werde es wohl noch lernen." Sogar als Zivilist hätte er es als selbstverständlich angesehen, etwas zu tun.


    Sie waren ein wenig beiseite getreten, denn Valerian war es lieber, wenn seine Kameraden ihm nicht unbedingt zuhören konnten. Er redete zuviel. Was ging es diesen Mann schließlich an, daß er neu war? Aber es machte einfach Spaß, sich mal wieder mit einem normalen Menschen zu unterhalten. So etwas kam eben dabei heraus, wenn man so gar nicht rausgelassen wurde.

    Valerian kam der Aufforderung, einzutreten, ohne Verzögerung nach. Nachdem er die Tür hinter sich geschlossen hatte, nahm er sogleich Haltung an und salutierte. "Salvete", grüßte er die beiden Anwesenden, wobei er den Rang wegließ, da er diesen zumindest bei dem einen Mann nicht kannte. "Miles Quintilius. Ich sollte mich hier melden."


    Er hatte den zweiten Mann nur mit einem kurzen Blick gestreift, da ein längeres Mustern wohl nicht angemessen gewesen wäre, doch versucht, dabei so viel wie möglich zu erfassen. Und nein, er war kein geübter Praetorianer, so erkannte er ihn nicht als Trecenarius. Doch dass er es nicht mit einem gewöhnlichen Mann zu tun hatte, das erkannte er sehr wohl. Und er ging in Gedanken die Möglichkeiten durch, mit wem er es hier wohl zu tun hatte.


    Dabei blickte er allerdings Balbus an und wartete gedulidig darauf, dass er mit ihm sprach. Er erkannte ihn natürlich wieder. Und wußte also nun auch endlich, mit wem er es neulich zu tun gehabt hatte.

    Valerian kannte die Straßen Roms. Schließlich war er hier aufgewachsen und hatte hier stets gelebt, bis es ihn nach Germanien verschlagen hatte. Es war eigenartig, nach zweieinhalb Jahren diese Straßen wieder zu beschreiten. Irgendwie war es, als wäre es erst gestern gewesen. Und doch wieder stellte er Veränderungen fest.


    Auf jeden Fall war es ein gutes Gefühl, inmitten einer Centurie von Praetorianern zu marschieren und die teils bewundernden, teils furchtsamen Blicke der Passanten zu sehen, die natürlich eiligst aus dem Weg gegangen waren.


    Darüber, daß der Kaiser nicht mal anwesend war, machte sich Valerian keine Gedanken. Hatte der Optio ihn nicht am ersten Tag noch mit großer Bestimmtheit darauf aufmerksam gemacht, daß die gesamte Familie des Kaisers geschützt werden mußte? Na, und von denen waren schließlich schon einige da. Valerian war schon sehr gespannt darauf, wer wohl so im Palast ein und aus ging. Und überhaupt den Palast mal von innen zu sehen! Als Normalsterblicher kam man da schließlich nicht rein und so war auch er noch nie drin gewesen. Bestimmt war er das reinste Labyrinth. Hoffentlich verlief er sich nicht mal darin, das wäre wirklich im höchsten Maße peinlich.

    Ohne Zwischenstopp passierte die Kolonne die Wachposten am Tor der Castra Praetoria und bog dann nach rechts ab auf die Via Tiburtina. Ach, es war ein gutes Gefühl, endlich aus der Castra herauszukommen! Es war schon ein Elend, daß sie vorerst keinen Ausgang erhielten. Doch wenigstens im Dienst in die Stadt zu gelangen, war schon mal ein deutlicher Fortschritt zur bisherigen Situation.

    Nun, es waren keine Probati, die hier losmarschierten. Für Valerian war der Gleichschritt bereits derart in Fleisch und Blut übergegangen, daß er schon kaum noch anders konnte. Es war nichts, worüber man auch nur eine Sekunde nachdenken mußte. So konnte er sich ganz der Vorfreude hingeben, endlich mal wieder die Straßen seiner Heimatstadt zu sehen und zu durchschreiten. Gut gelaunt marschierte er daher als Teil der wohlgeordneten Kolonne hinter seinem Centurio her zum Tor.

    "Mein Name ist Lucius Quintilius Valerian", stellte sich Valerian vor. Es gab keinen Grund, seinen Namen zu verschweigen. "Und wie ist Dein Name, wenn ich fragen darf?" Irgendwie war es eine eigenartige Situation. Und für Valerian ganz und gar ungewohnt. Er war daher auch nicht unglücklich, daß seine Kameraden bereits wieder ins Sichtfeld kamen und den kleinen Bengel tatsächlich am Kragen mit heranschleppten. "Ist das Dein Beutel?", fragte einer der Praetorianer und hielt Varus einen Geldbeutel hin.


    Valerian musterte den kleinen Jungen, der trotzig dreinblickte, aber nichts sagte. Ein anderer Kamerad trat zu Valerian und raunte ihm etwas zu. "Denk dran, daß sowas nicht unsere Aufgabe ist. Normal kümmern wir uns überhaupt nicht darum. Wir haben schon viel zu viel gemacht."


    Daran hatte er überhaupt nicht gedacht und dementsprechend röteten sich seine Ohren ein wenig. Er war eben noch neu bei den Praetorianern. Bei der Legio II war es selbstverständlich gewesen, gegen jede Art von Unrecht anzugehen. Und einem Diebstahl zuzusehen, ohne etwas dagegen zu unternehmen, fand er auch als Praetorianer irgendwie falsch. Wie sollte denn so ein kleiner Taschendieb Respekt vor der Garde haben, wenn die einem Diebstahl einfach tatenlos zuschauten? Außerdem war es jetzt schon zu spät.

    Valerian runzelte die Stirn. Dieser kleine Kerl mußte wahnsinnig schnell und geschickt sein. Denn er hätte gewettet, daß er noch nicht an den Beutel herangekommen war. "Ich hoffe, es war nicht zu viel Geld darin. Denn die Wahrscheinlichkeit, daß meine Kameraden ihn erwischen, ist doch eher gering. So ein kleiner Bursche drängt sich durch Ecken, wo kein Erwachsener durchkommt. Außerdem hat er bestimmt Komplizen. Na, warten wir mal ab, ob sie Erfolg hatten."


    Die Märkte waren voll von Taschendieben und Betrügern. Und Menschen, die in Gedanken versunken waren, allzu leichte Opfer.