Beiträge von Lucius Quintilius Valerian




    Valerian blinzelte und widerstand nur schwer der Versuchung, sich zu kneifen. Nur um festzustellen, ob er nicht am Ende doch träumte. Claudia Romana wollte sich bei ihm entschuldigen? "Öhm... ja natürlich. Also kein Problem, ich hege keinen Groll gegen Dich." Nunja, es wurmte ihn natürlich schon, daß sie die Tötung des Bären ganz und gar Centho zuschrieb, denn das war schlicht und ergreifend unwahr. Aber an einem Tag wie heute wollte er nicht kleinlich sein. Und schon gar nicht neuen Streit vom Zaune brechen. Immerhin war Romana mit Calvena eng befreundet. Darauf wollte er, wie bisher auch, Rücksicht nehmen. Doch dann kamen schon die neuen Fragen und Valerian fragte sich, was das schon wieder sollte. Es ging sie doch gar nichts an, wen er adoptierte oder nicht adoptierte. "Vermutlich ist es Dir unbekannt, aber auch bei den Hilfstruppen kann man Soldat werden. Allerdings hast..." Er wollte es ihr wirklich sagen. Er wollte ihr sagen, daß er Marhabal tatsächlich adoptiert hatte. Doch gerade in diesem Moment trat Calvena zu ihnen und lenkte seine Aufmerksamkeit vollständig sich. "Calvena! Liebes! Wie schön Du bist!" Eine wahre Augenweide. Am liebsten hätte er sie umarmt und geküßt. Aber das war jetzt dann doch noch nicht der richtige Augenblick. "Wir? Wir schließen endlich Frieden zur Feier des Tages. Ja natürlich komme ich mit. Durmius Verus ist sein Name, ja? Ich will mich ja nicht blamieren. - Entschuldigst Du uns bitte, Claudia?"

    Primus erwiderte die herzliche Umarmung und Valerian lachte über die Worte des Freundes. "Gutmensch? Du mußt mich mit jemandem verwechseln." Er hatte sich niemals als Gutmenschen betrachtet. Nur als Menschen mit einem durchaus ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Und der war er seiner Ansicht nach noch immer. "Doch Du hast Recht, die Götter meinen es gut mit mir, sie schenkten mit eine wunderbare Braut. Doch ich sehe, die Götter sind auch mit Dir. Ich bin sehr erfreut, Dich kennenzulernen, Tullia. Und hab Dank für Deine Segenswünsche." Er lächelte, doch es ließ sich wohl schwer sagen, ob dieses Lächeln allein Tullia gewidmet war oder ob es einfach das Glück war, daß ihn lächeln ließ.


    Aviana trat zu ihnen und Valerian drehte sich ihr zu. "Und wie aufgeregt ich bin! Warte ab, so ein Tag wird auch auf Dich zukommen. Dann wirst Du wissen, was ich meine." Er lachte vergnügt und sein Blick fiel auf seine Schwester. "Valentina, kennst Du eigentlich Senator Germanicus Sedulus? Er ist der Vormund meiner Calvena. Und diese reizende junge Dame ist seine Tochter Sabina. Wenn ich vorstellen darf, meine Schwester Valentina, die ebenfalls aus Germanien anreiste, um mit uns feiern zu können." Kaum hatte er seine Schwester vorgestellt, trat Claudia Romana zu ihnen. Es blieb Valerian nicht verborgen, daß allein er nicht mit einem Lächeln bedacht wurde, doch daran wollte er sich heute wirklich nicht stören. Viel erstaunter war er dann, daß sie - gerade heute - unter vier Augen mit ihm sprechen wollte. "Aber selbstverständlich, werte Claudia. - Wenn ihr mich bitte einen Moment entschuldigen würdet?" Er nickte den anderen zu und trat dann mit Claudia Romana einige Schritte zur Seite und blickte sie dann fragend an.

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    Diomedes


    Seit der Ankunft von Pulcher und Aviana waren ein paar Tage vergangen. Die Hochzeit stand unmittelbar hervor und die Casa war bereits ein wenig geschmückt. Es war ja damit zu rechnen, daß am Ende ein Teil der Feier doch auch hier noch stattfinden würde. Daher mußten sie auf alles vorbereitet sein. Zumindest ein Teil der Zeremonien mußte auf jeden Fall noch stattfinden, wenn Braut und Bräutigam heimkamen.


    Die Sonne hatte mittlerweile schon einiges an Kraft, so daß im Atrium eine angenehme Temperatur herrschte. Diomedes deutete auf eine der Bänke. "Bitte setz Dich doch. Ich bringe Dir gleich einen kleinen Imbiß. Soll ich dann auch ein Bad für Dich vorbereiten? Und ich sollte einen Botenjungen zur Castra schicken, um Deinen Bruder holen zu lassen. Er wird Dich begrüßen wollen."



    Edit: Bild eingefügt

    Natürlich hatte Valerian sich für diesen Tag dienstfrei erkämpft. Gut, so sehr kämpfen hatte er nicht müssen. Trotzdem war am Morgen auf einmal die Zeit knapp geworden und er mußte sich beeilen, zur Casa Iunia zu kommen. Noch immer kam es ihm merkwürdig vor, hier mit seiner Hochzeitszeremonie zu beginnen, aber es würde gewiß schön werden. Calvena war bestimmt schon da. Ob Sedulus auch schon da war? Als er die Casa Iunia erreichte, wurde er sofort hinein geleitet. Heute hatte er seine nagelneue Toga angelegt, ein edles Kleidungsstück, das die schönsten Falten warf. Es war das erste mal, daß er eine Toga aus solch edlem Stoff trug. Trotzdem sie perfekt fiel, konnte er es sich nicht verkneifen, hier und da an ihr zu zupfen, nachdem er eingetreten war. Erst dann betrat er das Atrium. Und blieb erst einmal staunend stehen. Wie schön die Casa hergerichtet worden war! Die Stoffe, die elegant um die Säulen geschlungen waren, die Ranken und Blumen, die alles fröhlich leicht erscheinen ließen! Ein wunderschöner Rahmen für eine Hochzeit.


    Tatsächlich war nicht nur Sedulus mit seiner kleinen Tochter, sondern auch zwei Gäste da. Einen davon kannte Valerian: Es war sein alter Stubenkamerad Terentius Primus. Wer die Frau war, wußte er allerdings nicht. "Salvete", grüßte er die Anwesenden, nickte Sedulus grüßend zu und trat dann mit einem breiten Grinsen auf Primus zu. "Primus, alter Freund, laß Dich umarmen. So viele Jahre ist es her!"

    Valerian runzelte bei Melinas Worten die Stirn. "Ein neues Bett? Bestimmt kann man Deins mit ein paar Leisten und Nägeln noch reparieren. Ein neues bekommst Du, sobald Du keine Freunde mehr mit auf Dein Schlafzimmer nimmst, um mit ihnen wilde Kissenschlachten abzuhalten. Fremde haben in den Schlafzimmern nämlich nichts zu suchen." Sicher, er hatte den Scherz aus ihrem Tonfall gehört, doch er war sicher, daß nicht alles Scherz war. Dieses Mädchen schreckte wirklich vor gar nichts zurück.


    "Ich würde mich auch freuen, Deine Freunde mal kennenzulernen. Natürlich sollt ihr auch euren Spaß haben. Doch dabei etwas zu zerstören, sehe ich nicht unbedingt als Spaß an. Jetzt im Frühling seid ihr sowieso im Hortus besser aufgehoben als hier im Haus. Dort seid ihr unter euch und habt auch mehr Raum für eure wilden Spiele." Ob sie nicht irgendwann doch lernte, wie eine junge Dame sich betragen sollte? Bisher zweifelte Valerian noch daran.

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    Diomedes



    Diomedes nickte sichtlich erfreut. "Die Wäsche, damit nimmst Du mir eine schwere Bürde ab. Wenn ich etwas echt ungern mache, dann ist es die Wäsche. Und der Herr hat schon gesagt, daß er darüber nachdenkt, weitere Sklaven zu kaufen. - Hier, die Küche. Sie ist sehr gut eingerichtet. Nur fehlen vielleicht ein paar größere Schüsseln, wenn jetzt mehr Leute im Haus wohnen."

    Valerian nickte ernst. "Das habe ich auch nicht angenommen, Miles." Wenn er das angenommen hätte, dann hätte Antoninus sich beim Latrinenputzdienst wiedergefunden. "Der Dienst hier unterscheidet sich erheblich von dem bei den Legionen. Natürlich hast Du hier wie dort die Befehle Deiner Vorgesetzten zu befolgen. Doch hier ist es auch richtig und gut, Fragen zu stellen, also komm zu mir und frag, wenn Dir etwas unklar ist. Nicht jeder Deiner Kameraden wird auf diese Weise ausgebildet, das wirst Du schon festgestellt haben. Es ist auch nicht jeder geeignet dafür." Ob der Iulier geeignet war, mußte sich noch herausstellen. Doch Valerian hatte das Gefühl, daß der junge Mann die richtigen Voraussetzungen mitbrachte.

    "Es ist Gedächtnistraining. Und glaube nicht, daß Du es bei Deiner Wache nicht brauchst. Auch dort gehört es zu Deinen Aufgaben, Dir Namen und die dazugehörigen Gesichter zu merken. Es ist wichtig zu wissen, wer mit wem unterwegs ist, wer wann wen zu sprechen wünscht und wer von wem bevorzugt vorgelassen wird. Du mußt die Männer auch erkennen können, wenn sie Dir auf der Straße begegnen." Valerian legte seine Hände auf den Tisch und beugte sich ein wenig vor. "Du vergißt, daß wir Praetorianer viele Aufgaben haben und nicht nur reine Leibwächter für den Kaiser und seine Familie sind. Wir ermitteln, wir kundschaften aus, wir spionieren. Du mußt lernen, den Inhalt eines mitgehörten Gespräches in groben Zügen wiedergeben zu können. Und nicht nur das, Du mußt Dir auch besondere Regungen der Gesprächsteilnehmer merken. Ich schicke Dich in die Taverne, damit Du Dich darin übst. Nein, ich werde es nicht kontrollieren können. Du selbst wirst wissen, wie gut Du warst. Und versuche nicht, zu lügen. Ich bin gut darin, Lügen zu erkennen. Das gehört auch zu den Dingen, die Du noch lernen mußt, aber dazu kommen wir noch."

    Valerian lachte über Pulchers Äußerung. "Ich kann ja in die Castra flüchten, wenn es mir hier zu voll und zu unruhig wird." Nicht, daß die Castra leerer war, was die Äußerung ziemlich absurd klingen ließ, aber Valerian machte den Scherz dennoch. "Meine Verlobte ist eine Germanica. Germanica Calvena. Sie ist die Nichte der Senatoren Germanicus Avarus und Germanicus Sedulus. Letzterer ist zudem ihr Vormund - und hat der Hochzeit selbstverständlich zugestimmt. Übrigens wird es eine Doppelhochzeit werden. Denn Sedulus heiratet ebenfalls und hielt es für klug, die beiden Feiern zusammenzulegen." Valerian war davon noch immer nicht vollständig überzeugt, hatte sich aber den durchaus stichhaltigen Argumenten gebeugt.


    Als er Avianas erstaunten Blick sah, mußte er wieder lachen. "Ja, ein richtiges Balneum. Dazu noch mit schönen Mosaiken verziert. Bestimmt wird es Dir gefallen." Daran konnte wohl kein Zweifel bestehen, wenn man ihre vor Freude leuchtenden Augen sah. "Es ist schön, euch alle wieder hier zu haben. Pulcher, wie sieht es mit Dir aus? Was hast Du für Pläne für die Zukunft?" Eine Frage, die sich jeder junge Mann gefallen lassen mußte.

    Ein Brand war es zum Glück nicht, wie auch Diomedes schnell feststellte und überreichte den Eimer Wasser an die junge Frau, deren Kleid vermutlich völlig verdorben war. Der Sklave bezweifelte, daß er die Tinte vollständig herausbekommen würde. "Du solltest auf Wachtafeln schreiben, Domina. Das macht keine Flecken." Der Sklave murmelte es leise genug, daß es hoffentlich nur von Melina gehört wurde.


    "Ein ganzer Winter ohne Brüche und Stauchungen? Das soll ich glauben?", stichelte Valerian lachend und klopfte Pulcher abermals auf die Schulter. "Wie schön, daß Du wieder da bist. Das Haus war zu lange zu leer. Und nun füllt es sich endlich wieder." Er wollte schon weiterreden, als eine weitere Heimgekehrte dazu kam. "Aviana! Hätte ich mir ja denken können, daß Du nicht weit bist. Komm in meine Arme." Er umarmte auch die Cousine herzlich zur Begrüßung. "Habt Dank für die Glückwünsche. Ihr werdet meine Braut bald kennenlernen. Und ich bin sicher, ihr werdet Calvena mögen."


    Sie setzten sich und Valerian winkte Diomedes, alle mit Getränken zu versorgen. "Und? Wie gefällt euch das Haus? Ich habe alles renovieren lassen und die Mosaike sind doch wohl Meisterwerke, findet ihr nicht? Ihr müßt euch das Balneum ansehen, jaaaaa, wir sind jetzt voll ausgestattet mit allem Komfort."

    Valerian lachte zu Calvena herüber, als diese erklärte, daß sie am liebsten die Küsse nehmen würde. Das hatte er auch nicht anders erwartet. Aber er konnte auch gut verstehen, daß Pius diese Vorstellung eher abstoßend fand. "Naja, das war das, was wir uns so überlegt hatten, als wir noch nicht wußten, daß Du dazu kommen würdest. Natürlich können wir das Spiel weiter abwandeln. Was schlägst Du vor, Du hast doch bestimmt schon eine gute Idee?" Puh, sie schienen die Kurve gekriegt zu haben und waren von der Kleidertauschidee erfolgreich abgekommen. Es war wohl anzunehmen, daß Pius nicht genug mitbekommen hatte, um davon zu wissen.

    "Ohja, ich weiß genau, wie das ist, wenn man einen über den Durst trinkt." Valerian nickte und lächelte. Er hatte das durchaus auch schon ein paar Mal erlebt. Doch trotzdem gab es etwas auszusetzen. Vorgesetzte fanden eben immer etwas auszusetzen. "Die Frage lautet nun, warum Du während eines Auftrages so viel getrunken hast. Du hast eine wichtige Nachricht bei Dir gehabt. Wenn Du Dich so sehr betrinkst, kannst Du leicht bestohlen werden. Merke Dir also für die Zukunft: Im Einsatz niemals viel trinken. Du darfst nicht unaufmerksam werden. Und Du mußt in der Lage sein, trotz allem Informationen aufzunehmen und zu speichern. Oft sind es kleine Dinge, die sich erst sehr viel später als wichtig erweisen. Wenn wir in drei Jahren feststellen, daß der Senator Teil einer Verschwörung gegen den Kaiser ist, dann wird sein jetziger Aufenthalt in Misenum eine andere Tragweite haben, als es heute der Fall ist. Und jedes seiner Worte wäre dann wichtig. Ich will dem Mann natürlich nichts unterstellen, dies Beispiel dient jetzt nur der Anschauung, um Dir deutlich zu machen, daß die Augen und Ohren eines Praetorianers immer offen sein müssen. Und daß Du Dein Gedächtnis trainieren mußt, um Unterhaltungen möglichst detailliert wiedergeben zu können. Ich möchte, daß Du heute Abend in eine Taverne Deiner Wahl gehst und dort die Gespräche am Nebentisch belauschst. Ich will morgen von Dir wissen, wer sich dort unterhalten hat, worum es ging und möglichst viele Informationen über die beteiligten Personen hören."

    Eigentlich hatte Valerian nur kurz nach der Post schauen wollen. Eigentlich hatte er auch nicht damit gerechnet, daß jemand zuhause war. Doch als er das Haus betrat, hörte er als erstes Geschrei. Entenkacke, das konnte wirklich nur von Melina kommen. Ein hektischer Diomedes rannte mit einem gut gefüllten Wassereimer ins Atrium, um einen vermeindlichen Brand zu löschen, denn warum sonst schrie man so nach Wasser?


    Dazu fand Valerian nicht nur Sermo, sondern erstaunlicherweise auch Pulcher im Atrium vor. "Salvete zusammen." Da es augenscheinlich nicht brannte, ging Valeriannun mit ausgebreiteten Armen auf Pulcher zu. "Spurius! Willkommen zuhause!" Er umarmte den jungen Mann herzlich und klopfte ihm auf die Schulter. "Wie schön, daß Du wieder da bist. Komm, berichte, wie es Dir ergangen ist!"

    Valerian hielt einfach still. Er lächelte nicht, aber er schaute auch nicht böse. Er wartete einfach ab. Es war ein spannender Moment und er wollte ihn nicht verderben, indem er dem Jungen das Gefühl gab, nicht ernstgenommen zu werden. Pius war ein pfiffiges Kerlchen, der ließ sich nicht so leicht veräppeln. Endlich, endlich zeigte sich eine Regung. Allzu sanft war der Junge allerdings nicht unbedingt, als er bei Valerian eine Kopfnuß versuchte. "Aber nicht doch, sowas tut doch weh. Nein, ich dachte an die leckeren zum essen. Oder falls sie Dir nicht schmecken, dann eben die Dinger, die sich prima zum Spielen eignen." Als Kind hatte er immer eine Handvoll Nüsse in der Tasche gehabt. Es gab unzählige Spiele, die man damit spielen konnte.