Beiträge von Titus Aurelius Ursus



    Es war wirklich nicht leicht, hier den Überblick zu behalten. Zumindest wußte er nun, wer Calvena war. Sie gesellte sich zu der Gruppe, bei der Ursus stand und stellte allen Tiberia Arvinia vor. "Sehr erfreut, Dich nun persönlich kennenzulernen, Germanica Calvena. Ich möchte Dir herzlich für die Einladung..." Weiter kam er nicht. Schon war Calvena wieder weg. Sedulus entschuldigte sich ebenfalls. Anscheinend hatte es einen Unfall gegeben, und aller Augen richteten sich auf die alte Dame, die in das Impluvium gestürzt war. Mattiacus war unter den Gästen und kümmerte sich sogleich. "In besseren Händen kann sie kaum sein, als in denen von Decimus Mattiacus", stellte Ursus sachlich fest.

    "Sobald ich mir ein Bild machen konnte, wirst Du von mir Nachricht erhalten." Ursus lächelte, als Lepidus sein Erstaunen über die mögliche Verwandtschaft äußerte. "Für Tiberius Durus als Scriba Personalis zu arbeiten, ist wahrhaftig nicht der schlechteste Weg, um bekannt zu werden. Ich nehme an, Du hast vor, den Cursus Honorum zu beschreiten? Wirst Du schon im nächsten Jahr kandidieren?" Nach der Wahl war eben auch immer vor der Wahl.

    Auch Ursus nahm von den dargereichten Speisen und genoß es, zuhören zu können. Sein Klient gefiel ihm immer mehr. Wenn er sich realistisch einschätzte, dann war Rusticus tatsächlich ein vielversprechender junger Mann. "Mir scheint zumindest, daß Du all die guten Eigenschaften mitbringst, die einen guten Offizier ausmachen. Dazu wird die Legion Deine beruflichen Kenntnisse ebenfalls zu schätzen wissen. Und asketische Lebensweise ist für einen Soldaten sicherlich leicht zu erreichen. Allerdings muß ich gestehen, daß ich diese Deiner Eigenschaften persönlich nicht nachvollziehen kann. Aber vermutlich bin ich dafür viel zu verwöhnt." Er lachte und nahm sich gleich noch eine Eihälfte, um sie mit einer scharfen Soße zu beträufeln und sich schmecken zu lassen.


    Nachdem sie beide eine ganze Weile nicht mehr von den Vorspeisen genommen hatten, gab Ursus Cimon einen Wink, daß diese abgeräumt werden konnten und der nächste Gang bald gebracht werden sollte.


    "Wie ist eigentlich Deine persönliche Einschätzung zur Stimmung unter den Männern? Da Du ja mit der Offizierslaufbahn liebäugelst, achtest Du doch gewiß auf solche Dinge?"

    | Capsarius Marcus Acilius Faustinus



    "Fühlst Du jetzt Druck oder gar ein Stechen an den Schläfen? Oder ist Dir schwindelig? Siehst Du klar und scharf? Streck die Arme mal ganz gerade aus, die Hände dabei auch ganz flach und gerade ausstrecken." Der Capsarius wollte einfach sicher sein, daß er den Mann guten Gewissens entlassen konnte.




    Capsarius - LEGIO I TRAIANA PIA FIDELIS

    "Im Auftrag von Senator Tiberius Durus also? Und um ein Wagenrennen geht es? Wunderbar! Zwar bin ich gerade erst aus Mantua zurückgekommen und muß mich über den Trainingsstand der einzelnen Fahrer erst erkundigen, aber unsere Teilnahme kann ich Dir schon fest zusagen. Welche Fahrer an den Start gehen, werde ich dann schriftlich mitteilen." Ursus mußte dringend bei der Factio vorbeischauen. Das war eben einer der Nachteile, wenn man außerhalb Roms eingesetzt wurde: Man konnte dem Training nicht mehr so regelmäßig beiwohnen.


    "Ich glaube, wir sind uns bisher nicht begegnet. Dabei dürften wir, wenn auch vermutlich über tausend Ecken, miteinander verwandt sein. Meine Mutter war eine Claudia." Und schon aus diesem Grund war Ursus neugierig. "Arbeitest Du für Senator Tiberius Durus oder bist Du einfach für die Factio tätig?"

    | Capsarius Marcus Acilius Faustinus




    Aufmerksam verfolgte der Capsarius die Bewegungen. "Und nun zwanzig Kniebeugen und direkt danach das gleiche noch einmal." Es sah doch schon ganz gut aus, anscheinend hatte der Mann sich richtig erholt. Aber abwarten, ob er die nächten kleinen Tests auch bestand. Wenn er ihn zu früh losschickte, war schließlich auch niemandem gedient.




    Capsarius - LEGIO I TRAIANA PIA FIDELIS

    "Ja, in der Ausbildung ist das natürlich etwas anderes. Da dürfte es kaum so etwas wie Selbstbestimmung gegeben haben. Wie lange hast Du nach Deiner Ausbildung noch in Deinem Beruf gearbeitet?" Jetzt hörte es sich ja fast so an, als hätte er sich recht bald nach der Ausbildung für die militärische Laufbahn entschieden.


    "Wie schätzt Du Dich selbst ein? Wo liegen Deine Stärken?" Schließlich wußte Ursus noch recht wenig über seinen Klienten. Das wollte er ändern.

    | Capsarius Marcus Acilius Faustinus



    An einem Morgen endlich schien es soweit zu sein. Zumindest sagte der Capsarius nicht einfach "Nein", als Rusticus wieder einmal nachfragte. "Stell Dich genau auf den Punkt da. Und schau auf den Nagel dahinten in der Wand. Jetzt nimm Deine rechte Hand, hol weit aus und tippe Dir mit dem Finger auf die Nase. Zügig, aber nicht hektisch. Dann das Gleiche mit der linken Hand."




    Capsarius - LEGIO I TRAIANA PIA FIDELIS

    Ursus lachte abermals. "Da muß ich Dich wirklich enttäuschen. Ich hoffe, Du kannst mir diesen Mangel an Gastfreundschaft verzeihen", trieb er den Scherz noch ein wenig weiter. Sie ließen sich auf den Clinen nieder und Ursus winkte Cimon, zuerst die Becher aufzufüllen und dann die Vorspeise zu servieren.


    "Sehr geregelt ist es auf jeden Fall. Allerdings dachte ich, daß ein Handwerker seinen Tag und seine Arbeit ein wenig freier einteilen kann." Er schaute Rusticus fragend an. Zwar kannte er Handwerkerleben nicht aus erster Hand, aber das Leben der Soldaten schien ihm doch deutlich mühseliger, als er sich ein Handwerkerleben vorstellte.


    "Wie lange, meinst Du, wird Deine Grundausbildung noch dauern?", fragte Ursus interessiert nach.

    Ein wenig Geduld mußte Lepidus mitbringen, denn es verging einige Zeit, bis Ursus das Atrium erschien. "Claudius Lepidus? Ich bin Titus Aurelius Ursus. Du wolltest mich sprechen? In welcher Angelegenheit?" Er wußte ja noch gar nicht, worum es sich handelte. Ob sie nahe miteinander verwandt waren? Immerhin war Ursus' Mutter eine Claudia gewesen.

    Zitat

    Original von Leone
    "Nun, sie halten sich in unterschiedlichen Räumlichkeiten auf." Leone zählte auf, wer sich wo befand, wobei er zugestehen mußte, daß seine Informationen unter Umständen überholt waren. Er richtete kurz den Zypressenzweig an der Porta, mit dem angezeigt wurde, daß es in diesem Haus einen Trauerfall gab, dann schloß er sie, nachdem er Ursus eingelassen hatte.


    Ursus seufzte. Nein, das würde ihm zu lange dauern. Er mußte diesen Staub dringend loswerden. "Dann nehme ich erst das Bad, Leone. Teil den anderen aber bitte mit, daß ich wieder zuhause bin." Und seine Schwester wollte er auch sehen. Sicher war sie aufgebahrt worden. Er folgte Leone ins Haus.

    Da hatte Ursus ja Glück gehabt. Seine Verspätung hielt sich offenbar in Grenzen. Er lächelte den beiden Frauen zu, die ihm vorgestellt wurden. "Sehr erfreut, euch kennenzulernen, Caecilia Cara und Caecilia Laeva. Seid ihr mit dem ehemaligen Praefectus Praetorio Caecilius Crassus verwandt?" Dann wurde er dem Praefectus Urbi vorgestellt. "Auch Dich kennenzulernen, ist mir eine Freude, Praefectus Urbi Vescularius." Obwohl er gehört hatte, daß der Vescularier auf Patrizier nicht sonderlich gut zu sprechen war.


    "Deine Nichte Calvena kenne ich leider noch überhaupt nicht. Würdest Du mich mit ihr bekannt machen, damit ich mich bei ihr für die Einladung bedanken kann?", wandte er sich wieder an Sedulus. Ein glockenhelles Lachen drang an sein Ohr. Ursus wandte sich um, suchte nach der Urheberin und fand sie in einer Gruppe von jungen Leuten, die sich gerade in Richtung des Tricliniums bewegte. Sie war sehr schön und ein kleiner Halbmond an ihrer Sandale entlarvte sie als Patrizierin. Es war eindeutig nicht gut, so lange von Rom fortzubleiben. Sonst wüßte er, um wen es sich bei ihr handelte.

    Was war es herrlich, so umsorgt und verwöhnt zu werden nach einem anstrengenden Tag! Cimon erwies sich von Tag zu Tag mehr als unentbehrlich. Wie hatte er je ohne ihn auskommen können? Das Essen war gut und heiß. Oder lag es nur daran, daß er sehr hungrig war? Aber das war nicht wichtig. Ursus ließ es sich gefallen, daß Cimon ihm beim Waschen half und ihn dann massierte. Vor allem seine Beine, das tat unglaublich gut. Wie eine Wiederbelebung fühlte es sich an.


    "Anstrengend war es, Cimon. Ich bin es zu wenig gewöhnt, ganze Tage im Sattel zu verbringen. Selbst als ich zwischendurch in Rom gewesen bin, war es nicht so arg. Da habe ich regelmäßig lange Pausen gemacht. Aber es ist immer noch besser, als den ganzen Weg mit viel Gepäck marschieren zu müssen. Die Männer haben es schon nicht leicht." Man konnte seiner Stimme durchaus Bewunderung für das Durchhaltevermögen der einfachen Soldaten anhören.


    "Das ist nur eine Kohorte, Cimon. Du solltest mal eine ganze Legion auf dem Marsch sehen. Oder gar mehrere. Ich selbst habe das auch noch nie gesehen. Aber es muß ein wirklich gewaltiger Anblick sein. Ja, es ist nicht leicht, sie anzuführen. Aber genau das ist es, was ich lernen muß. Ein guter Anführer, ein guter Kommandant zu sein. Dafür bin ich hier." Er seufzte wohlig unter den kundigen Händen seines Masseurs. Müdigkeit machte sich in ihm breit. Sie plauderten noch ein wenig, doch nach und nach kamen die Antworten des Aureliers immer verzögerter, bis schließlich nur noch ein leises Schnarchen zu vernehmen war.

    Ursus erkannte den Centurio, der sich zu ihm vorkämpfte. Der Iulier hatte sich als hervorragender Offizier und gute Hilfe für ihn erwiesen. "Centurio, ich danke Dir für die guten Wünsche. Und für Deine tatkräftige Unterstützung während meines Tribunats. Viel Erfolg für Deinen weiteren Lebensweg! Und wer weiß, vielleicht begegnen wir uns eines Tages wieder."

    Zeitlich war es kaum zu schaffen gewesen, auf dem Fest zu erscheinen. Und eigentlich war Ursus auch überhaupt nicht in der Stimmung dazu. Doch er hatte sein Wort gegeben und er gehörte zu den Menschen, die ihr Wort nach Möglichkeit hielten. So war er zwar hergekommen, hatte aber nicht vor, allzu lange zu bleiben. Schon seine Aufmachen empfand er an solch einem Ort der Fröhlichkeit als unpassend. Er war den Traditionen entsprechend dunkel gekleidet und hatte sich nicht mehr rasiert, seit er vom Tod seiner Schwester erfahren hatte. Zwar hatte er sein Möglichstes getan, was sein Äußeres anging, jedoch gab der mehrere Tage alte Bart ihm ein ungewohnt verwegenes Aussehen.


    Kaum hatte er das Atrium betreten, wurde ihm schon ein Getränk angeboten, das er auch annahm. Dann ließ er seinen Blick durch den Raum schweifen. Er war reichlich spät und dementsprechend waren viele Gäste anwesend. Er erblickte die beiden Senatoren Germanicus, die mit seinem Patron und mit dem Praefectus Urbi zusammenstanden. Zwei Damen, die ihm unbekannt waren, standen ebenfalls dabei. Er schritt auf diese Gruppe zu. "Salvete." Der Gruß war an alle gerichtet, dann wandte er sich an die Gastgeber. "Bitte verzeiht mein spätes Erscheinen. Ich hoffe, ich habe noch nicht allzu viel verpaßt? Auf jeden Fall möchte ich mich herzlich für die Einladung bedanken."

    Tatsächlich fing Cimon langsam an, so etwas wie Selbstbewußt sein zu entwickeln. Ursus mußte unwillkürlich lächeln. Es war in Ordnung so. Solange er eine gewisse Grenze nicht überschritt. Doch das würde er schon nicht. "Gut. Ich verlasse mich darauf, daß Du Deine Grenzen kennst, Cimon. Und Dir nicht zuviel zumutest. Denn ich brauche Dich morgen wieder. Es nützt mir nichts, wenn Du Dich heute übernimmst. Die Massage kann ich kaum ablehnen, muß ich zugeben. Zu lange habe ich nicht mehr tagelang im Sattel gesessen, noch dazu ohne entsprechende Pausen. Meine Beine scheinen schon nicht mehr so recht zu mir zu gehören. Was das andere angeht. Tu, was unbedingt gemacht werden muß. Alles andere mach morgen." Ursus ließ sich seine Rüstung abnehmen. Tat das gut, das Gewicht loszuwerden!

    "Salve, Leone. Schön wieder zuhause zu sein. Sorg doch bitte dafür, daß die Pferde versorgt werden und die beiden hier sich erholen können." Ursus lächelte den Nubier an. "Wo sind denn die anderen?" Davon wollte er abhängig machen, ob er die Familie erst begrüßte oder ob er erst ein Bad nahm."

    Ursus schüttelte leicht den Kopf. Cimon nahm immer gleich alles so sehr ernst. "Naja, Schande ist es nicht unbedingt. Er ist nur ein Knecht, was interessiert es denn schon, was er denkt? Du wirst es lernen, Deinen Platz zu kennen. Das braucht eben seine Zeit."


    Sein Fuß zuckte zurück, als Cimon plötzlich etwas sehr fest zufaßte. Ursus musterte seinen Sklaven. Der Arm schien zu zittern. "Mach nur noch das nötigste, Cimon und dann ruh Dich auch aus. Wir bleiben ein paar Tage hier, Du kannst Dir also mit den Sachen, die ich nur auf dem Marsch brauche, bis morgen Zeit lassen. Mir ist wichtig, daß Du morgen wieder ganz in Ordnung bist." Dieser Knecht würde was zu hören bekommen! Der würde die nächsten Tage kein Freude mehr haben, dafür würde er sorgen! Immerhin war durch die Schuld dieses Mannes Cimon heute Abend nicht voll bei Kräften.

    Die ersten Worte schon verwirrten Ursus. Sein Unvermögen? Er war zu schmutzig, um weiter mitzufahren? Mußte auf den Wagen achten? Der Knecht. Die Augen des Aureliers verengten sich. "Der Knecht wird den Wagen auf der Rückfahrt nicht mehr führen, Cimon." Der konnte was erleben! Was dachte der sich, mit seinem Sklaven so umzugehen.


    "Cimon, Du bist mein persönlicher Sklave. Ein für alle mal: Du stehst über jedem Knecht! Er hatte kein Recht, Dich in den Matsch zu stoßen oder Dir den Platz auf dem Wagen zu verwehren. Du bist nicht nur ein Sklave, Du bist mein Sklave. Du wirst mich bald in die vornehmsten Häuser Roms begleiten! Du wirst dabei sein, wenn die höchsten Männer Roms miteinander diskutieren. Du magst ein Sklave sein. Doch ein Sklave ist nicht gleich ein Sklave. Du wirst es noch lernen, Cimon. Und laß Dir nicht so viel gefallen. Im Zweifel frag mich." Er jetzt war er bereit, sich die Schuhe ausziehen zu lassen, damit Cimon seine Füße waschen konnte.


    "Hast Du noch Ersatzkleidung dabei? Falls nicht, nimm eine Tunika von mir, bis Deine gewaschen und trocken ist." Es ging nicht, daß sein Sklave in derart verschmutzter Kleidung herumlief.